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Nr. 566 Ministerrat, Wien, 2. Mai 1865 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber, VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 2. 5.), Mecséry, Mensdorff 11. 5., Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Kalchberg; außerdem anw. Geringer; BdR. Erzherzog Rainer 22. 5.

MRZ. 1370 – KZ. 1327 –

Protokoll II des zu Wien am 2. Mai 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Kaschau-Oderberger Eisenbahn

Im Ministerrate vom 13. März l. J.1 wurde beschlossen, es sei der au. Vortrag des Handelsministeriums vom 18. Februar 1865, Z. 1612, betreffend die Konzessionierung für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Kaschau nach Oderberg mit einer Zweigbahn nach Eperies an den Leiter des Handelsministeriums zu dem Behufe zurückzustellen, damit derselbe zum Zwecke der Reduktion des Anlagekapitals die von dem Staatsrate in dessen Gutachten, Z. 114, angedeuteten Erhebungen pflege und über das Ergebnis im Ministerrate berichte. Der Staatsrat Freiherr v. Geringer referierte, es habe Baron Kalchberg diesen Gegenstand dem Komitee für Eisenbahnangelegenheiten überwiesen, nachdem noch zuvor die Gutachten des Inspektors Hoffmann der k. k. Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen und des Ministerialrates Ritter v. Schmid über die bei Ausführung der Bahn zulässigen Ersparungen eingeholt worden seien2. Die Kommission habe sich, wie der Leiter des Handelsministeriums mit Note vom 22. April an das Ministerratspräsidium angezeigt habe3, einhellig dahin ausgesprochen, daß die Kaschau-Oderberger Bahn die Bestimmung habe, nicht nur als Lokalbahn zu dienen, sondern daß dieselbe als Reichsstraße insbesondere auch vom militärischen Standpunkte höchst wichtig sei und demgemäß in möglichst stabiler Weise hergestellt werden müsse. Die Kommission habe die Notwendigkeit tunlichster Ersparungen anerkannt, sich jedoch nur für die Herstellung einspuriger statt der beantragten zweispurigen Tunnels ausgesprochen, dagegen gegen die Herstellung hölzerner Wächterhäuser, gegen die Verwendung eines leichteren Schienenprofils, gegen die Herstellung hölzerner Brücken sowie gegen die Anwendung von Riegelwänden4 bei Hochbauten gestimmt. Durch die Einführung einspuriger Tunnels würde sich das zu garantierende Anlagekapital von 61 Millionen und beziehungsweise [die] von Baron Kalchberg für den Zweck der verfassungsmäßigen Behandlung mit 62 Millionen beantragte Summe auf 56 beziehungsweise 57 Millionen Gulden reduzieren. Referent bemerkte, daß in Beziehung auf die übrigen Ersparungen mit Ausnahme der Tunnels die Meinungen der Sachverständigen verschieden seien. Inspektor Hoffmann, der den || S. 310 PDF || Bauplan der belgischen Gesellschaft5 geprüft habe, sei zur namhaften Ersparungsziffer von 7,705.000 fr. gelangt, die Generalinspektion aber habe doch zunächst die Ziffer von 7,111.700 fr. als jene nachgewiesen, welche in Ersparung gebracht werden könne. Die hierüber vernommenen Techniker haben auch bemerkt, daß bei Holzbaukonstruktion der Hochbauten und Brücken die Bauzeit um ein Jahr abgekürzt werden würde. Referent stellte dar, daß es weder aus administrativ-polizeilichen Rücksichten notwendig, noch aus garantierend-finanziellen Rücksichten geraten wäre, auf definitive kostspielige Konstruktionen zu dringen. In ersterer Beziehung sei dies nicht unerläßlich notwendig, weil sonst das Ärar bei Bahnbauten, die es in eigener Regie führte, von Stein- und Eisenkonstruktion nicht hätte abgehen dürfen, was doch geschehen sei. In zweiter Linie aber sei die Sache noch unzweifelhafter, man könne doch nicht ohne wirkliche Notwendigkeit der Gesellschaft Bedingungen aufdringen, die sie nicht wolle, noch dazu in einer Zeit, wo die Geldaufbringung schwer falle. Nachdem mehrere Techniker sich noch für weitergehende Einsparungen ausgesprochen haben, glaube Referent, auf den Antrag des Staatsrates zurückkommen zu sollen, daß alle von demselben als zulässig angedeuteten Ersparungen in Durchführung gebracht werden sollen und daß die von Inspektor Hoffmann berechnete Ersparungsziffer anzunehmen wäre. Es sei nicht einzusehen, warum bei dieser Bahn, die doch wenigsten in den ersteren Jahren nur eine Lokalbahn sein werde, nicht ebenso vorgegangen werden sollte, wie bei vielen größeren Bahnen, bei denen es der Entwicklung des Betriebes überlassen wurde, das Provisorium allmählig verschwinden zu lassen.

Der Leiter des Handelsministeriums bemerkte, von seinem Standpunkte nur die Anträge vertreten zu können, welche das Handelsministerium gestellt habe. Er führte die Gründe an, aus denen die Kommission von der Anforderung zweispuriger Tunnels abgegangen sei, und hob hervor, daß sich die Kommission entschieden dafür ausgesprochen habe, daß mit Ausnahme der Tunnels zweckmäßig von anderen Ersparungen nicht wohl die Rede sein könne. Die Vorfrage, ob diese Bahn bloß eine Schleppbahn oder eine große Reichsbahn sein werde, sei grundsätzlich von der Kommission dahin beantwortet worden, daß ihr der letztere Charakter innewohnen werde, und das lasse sich auch nicht in Abrede stellen, wenn man die Bedeutung, welche diese Bahn durch die Verbindung mit Debreczin, Sziget und der Bukowina ins Auge fasse. Dadurch steigen aber auch die Anforderungen, und bei Festhaltung dieses Grundsatzes sei die Kommission zu dem vorliegenden Resultate gelangt. Da diese Bahn eine Gebirgsbahn sein werde, erheischen die Anforderungen des Dienstes auch eine festere Konstruktion, eine größere Solidität und ein größeres Gewicht für die Lokomotive. Die Bahn aber mit Abteilungen stärker und leichter zu bauen, gehe nicht an, indem dieselben Lokomotiven auch auf der ganzen Bahn verkehren müssen und daher auch dieselben Profile vorhanden sein müssen. Gegen die Herstellung hölzerner Brücken sei aber geltend gemacht worden, daß dieselben Mittelpfeiler haben müßten und dadurch der Zerstörung durch Hochwasser zu sehr ausgesetzt sein würden, was häufig Unterbrechungen des Verkehres zur Folge haben würde. Was den finanziellen Punkt anbelange, sei es schwer, einer Gesellschaft Provisorien vorzuschreiben, die häufige Rekonstruktionen || S. 311 PDF || und hierzu die Anlage eines Reservefonds notwendig mache, der in das Anlagekapital eingerechnet werden müsse. Eine vernünftig arbeitende Gesellschaft werde gewiß das Anlagekapital in seiner Totalität für die ganze Konzessionsdauer ins Auge fassen. Es könnte daher ganz gut dem Reichsrate überlassen werden, die Abminderung der Garantiesumme zu beschließen.

Der Staatsratspräsident bemerkte, daß von den vom Staatsrate beantragten Ersparungen jene bezüglich der zweigeleisigen Tunnels von allen hierüber vernommenen Organen angenommen worden seien, weil ein Geleise für den Betrieb hinreiche, weil die Bahn selbst nicht für zwei Geleise werde hergestellt werden, weil die Erweiterung der Tunnels für zwei Geleise im allfälligen späteren Bedarfsfalle nach den vorliegenden Erhebungen und Gutachten leicht zu bewerkstelligen sei und weil auch für den Anschluß dieser Bahn an das Gesamtnetz zwei Geleise nicht erforderlich seien. Diese Ersparung, zu der auch der Leiter des Handelsministeriums beistimme, werde fünf Millionen betragen. Um den angedeuteten weiteren Ersparungen aus dem Wege zu gehen, habe man sich bemüht, dieser Bahn den Charakter einer Weltbahn aufzuprägen. Der Ministerrat habe jedoch in seiner Sitzung vom 13. Mai sich zu der Ansicht bekannt, daß diese Bahn für den Anfang nur eine Industriebahn sein werde, bis der Anschluß an die Bukowina und durch die Theißbahn mit der Zeit an Siebenbürgen bewerkstelliget worden sein wird. Bei den wichtigsten Bahnen habe man mit wohlfeilen Konstruktionen begonnen, und die Zeitverhältnisse seien nicht so brillant, um Überflüssiges in Angriff nehmen zu können. Votant sei daher der Meinung, daß man sich nicht mit den Ersparungen bei den Tunnels begnügen, sondern auch alle übrigen in Vorschlag gebrachten Ersparungen eintreten lassen, daher wenigsten eine Reduzierung nach dem Antrage der Generalinspektion mit 7,111.700 fr. vornehmen lassen solle. Je geringer das Anlagekapital hingestellt werden und daher je geringer die Summe der Garantien des Staates berechnet werden könne, desto wahrscheinlicher sei die Annahme des bezüglichen Gesetzes im Reichsrate.

Dem Antrage, daß auf das Minimum des Notwendigen herabgegangen und daher nach der Berechnung des Inspektors Hoffman die Reduzierung vorgenommen werden solle, schlossen sich auch alle übrigen Stimmführer an, wobei der Minister Ritter v. Lasser , der, wie er bemerkte, zufällig heute das erste Mal in die Lage komme, bezüglich dieser Bahn ein Votum abzugeben, hervorhob, die Anschauung zu haben, daß diese Bahn in der Zeit, die wir erleben, den Charakter einer Weltbahn kaum annehmen dürfte. Er schließe sich daher allen Ersparungsrücksichten umso mehr an, als selbst heute noch der Verkehr der Residenzstadt Wien auf der Nordbahn über die Donau nur auf Holzbrücken stattfindet, hölzerne Wächterhäuser und Bahnhöfe mit Riegelwänden aber im Auslande überall angetroffen werden und es daher füglich dem Ermessen der Unternehmung überlassen werden könne, welche Konstruktionsweise sie diesfalls wählen wolle. Übrigens glaubte Minister Ritter v. Lasser, daß die Bezeichnung der Konstruktion der fraglichen Objekte „als Provisorium“ nicht stattfinden sollte6.

II. Protest des Richterstandes gegen eine Rede des Abgeordneten Dr. Schindler

Der Minister Ritter v. Hein setzte die Konferenz von dem Inhalte der Verwahrungserklärungen in Kenntnis, welche das hiesige Oberlandesgericht, das Landesgericht, das Handelsgericht und der Präsident des Obersten Gerichtshofes laut Beilagea gegen die in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 26. April l. J. von dem Reichsratsabgeordneten Dr. Schindler gebrauchten, die Ehre des Richterstandes verletzenden Worte7 mit der Bitte eingelegt haben, dieselbe nach weisem Ermessen dem Abgeordnetenhause zur Kenntnis bringen zu wollen. Referent glaubte, daß diese Erklärungen mittels Note an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses mit dem Ersuchen zu leiten wären, mit Beziehung auf den § 25 der Geschäftsordnung des Abgeordneten­hauses8 die Note samt den Beilagen dem Abgeordnetenhause zur Kenntnis bringen zu wollen. Gegen diesen Antrag wurde von keiner Seite eine Einwendung erhoben. Auf die Bemerkung des Referenten, daß man für den Fall, als der Präsident des Abgeordnetenhauses die Mitteilung dieser Schriftstücke an das Haus verweigern wollte, dieselben durch die öffentlichen Blätter bekannt machen sollte, entgegnete Minister Graf Nádasdy , daß es für diesen Fall zweckmäßiger sein dürfte, wenn der Minister Ritter v. Hein als Abgeordneter selbst diese Schriftstücke einbringenb würde. Hierauf wurde der vom Referenten verfaßte Entwurf der Einbegleitungsnote bei mehreren Stellen einer Modifikation und Kürzung unterzogen, und es einigte sich schließlich der Ministerrat für die aus der Beilagec ersichtliche Fassung9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 20. Mai 1865. Empfangen 22. Mai 1865. Erzherzog Rainer.