MRP-1-5-09-0-18650315-P-0551.xml

|

Nr. 551 Ministerrat, Wien, 15. März 1865 – II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 15. 3.), Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Zichy 18. 3., Privitzer 18. 3.; BdR. Erzherzog Rainer 24. 3. Teildruck: REDLICH, Staats- und Reichsproblem 2, 340 f.

MRZ. 1355 – KZ. 772 –

Protokoll [II] über die am 15. März 1865 stattgefundene Konferenz unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

[I.] Stand der Vorbereitungen zur Einberufung des ungarischen Landtags; ungarische Angelegenheiten

Da seit der jüngsten in der Ministerkonferenz stattgehabten Besprechung der Angelegenheiten und Verhandlungen, die auf den in Aussicht stehenden ungarischen Landtag Bezug nehmen1, bereits eine geraume Zeit verstrichen ist und nun schon öfters Stimmen laut werden, die der Mutmaßung Eingang und Verbreitung zu verschaffen trachten, daß es der Regierung gar nicht so ernst darum zu tun sei, die zugesicherte Einberufung des erwähnten Landtages2 nach Möglichkeit tatsächlich zu beschleunigen, findet der ungarische Hofkanzler sich veranlaßt, über den gegenwärtigen Stand der eingeleiteten Vorbereitungen sich wie folgt auszusprechen:

Graf Zichy erachtet, eine umfassende Auseinandersetzung jener besonderen Schwierigkeiten, welche mit der Abwicklung der Vorbereitungen zum Landtage verbunden sind und die schon in der Ministerkonferenz vom 5. Jänner l. J. anerkannt wurden3, heute füglich übergehen zu können, indem er sich auf die Zusicherung beschränkt, daß die fraglichen Vorbereitungen in mehrfacher Richtung im vollen Zuge sich befinden und daß er selbst unablässig bestrebt sei, einen raschen Gang der bezüglichen Verhandlungen zu bewirken und alle jene Hindernisse zu beseitigen, welche seinen redlichen Bemühungen, die Bahn für die Einberufung des ungarischen Landtages möglichst bald zu ebnen, oft auch unwillkürlich sich entgegenstellen. Anknüpfend an die früheren Beschlüsse der bezüglichen Ministerkonferenzen wird seitens des ungarischen Hofkanzlers daran erinnert, daß, nachdem Se. Majestät mittelst der Ah. Entschließung vom 23. Jänner d. J.4 die ehrfurchtsvollst erbetene Ermächtigung, mit der im Verordnungswege zu bewerkstelligenden Durchführung der beabsichtigten Reorganisierung der politischen Verwaltung und der Justizpflege in Ungarn innezuhalten und die betreffenden Entwürfe vorläufig dem bevorstehenden Landtage in Form von königlichen Propositionen vorlegen zu dürfen, Ag. zu erteilen und den ungarischen Hofkanzler gleichzeitig zu beauftragen geruhten, in Beziehung auf die angeregte || S. 214 PDF || Aufhebung der in Ungarn derzeit bestehenden ausnahmsweisen Wirksamkeit der Kriegsgerichte und der hiemit im Zusammenhange stehenden Maßnahmen die weiteren Anträge der Ah. Schlußfassung zu unterziehen, Graf Zichy nicht gesäumt habe, über den Gegenstand unter Beiziehung des Statthalters Grafen Pálffy, des Judex Curiae-Stellvertreters Grafen Török5 und des königlichen Personals6 v. Melczer eingehende Beratungen zu pflegen und aufgrund des Ergebnisses derselben unterm 6. l. M. die Allerhöchstenorts gewärtigten, oben erwähnten Anträge ehrerbietigst zu erstatten7, welche a) die mit 1. Mai l. J. zu aktivierende unbedingte Auflassung der jetzigen ausnahmsweisen Wirksamkeit der Militärgerichte8, b) die Wiederherstellung des Causarum-Regalium-Direktorates in dem ganzen Umfange seines gesetzlichen staatsanwaltschaftlichen Wirkungskreises an Seite der königlichen Kurie9, c) die Aufrechthaltung der jetzt durch die Militärgerichte gehandhabten, im Grunde des Oktoberdiploms fortan gültigen Preßordnung vom 27. Mai 1852, d) die in Form einer Instruktion für die Gerichte mittelst königlichen Reskriptes an die Kurie zu erlassende Ergänzung derselben [d. i. der Preßordnung] durch einen deshalb notwendigen Anhang der betreffenden Strafbestimmungen, weil das ABGB. durch die Ah. sanktionierten Judexkurialkonferenzbeschlüsse außer Wirksamkeit getreten ist10, bezwecken und die Aufzählung der Beweggründe enthalten, welche es dermalen unzulässig erscheinen lassen, an die in dem Schlußsatze der Bestimmungen vom November 1861 in Aussicht genommene Wiederherstellung der administrativen Ausschüsse, wie sie im Jahre 1861 in den Munizipien bestanden haben, Hand anzulegen11.

In der weiteren Reihenfolge seiner Äußerungen berührt der ungarische Hofkanzler einige Punkte, welche mit den Vorbereitungen für den Landtag im Zusammenhange stehen und zum Teile bereits in der Jännerkonferenz angedeutet wurden, und fügt bei, daß er sich vorbehalte, auch über einige andere einschlägige Punkte die angemessenen Mitteilungen zu machen, deren Erörterung er derzeit noch als verfrüht erachtet.

|| S. 215 PDF || I. Einberufung des kroatischen Landtages vor dem ungarischen Landtagea .

In ersterer Beziehung12 erwähnt der Hofkanzler des Konferenzbeschlusses, wornach vor allem der kroatische Landtag zu berufen und erst nach dem Abschlusse desselben die Eröffnung des ungarischen Landtages zu erfolgen haben würde13. Seither habe sich die Tagespresse des Gegenstandes bemächtigt und sei für die Anschauung in die Schranken getreten, daß es in jeder Beziehung zweckmäßiger sein würde, die beiden Landtage unter einem einzuberufen und gleichzeitig tagen zu lassen, aber auch aus anderen Kreisen seien dem Hofkanzler die gleichlautenden Wünsche bekannt geworden, und es lasse sich das Gewicht der hiefür geltend gemachten Beweggründe keineswegs unterschätzen. Der ungarische Hofkanzler bedauert, daß der kroatische Hofkanzler nicht anwesend sei, da der obenerwähnte Konferenzbeschluß zunächst über dessen Ansinnen gefaßt worden sei, und fühlt sich zu dem Antrage bewogen, daß diese Angelegenheit wenigstens in der Richtung als eine offene Frage betrachtet werden möge, daß die Entscheidung darüber von der Haltung des kroatischen Landtages abhängig gemacht und ein gleichzeitiges Tagen der beiden Landtage nicht schon im vorhinein für eine von dem Kreise fernerer Erwägungen ausgeschlossene Eventualität angesehen werde.

II. Feststellung der Art der vorzunehmenden Landtagswahlen.

Den wichtigsten Punkt der heutigen Besprechung bildet jedoch nach der Ansicht des ungarischen Hofkanzlers die Feststellung der Art der vorzunehmenden Landtagswahlen. Der Hofkanzler habe hierüber mit dem Statthalter, dem Judex Curiae-Stellvertreter und dem königlichen Personal konferiert und befinde sich auch im Besitze der hierauf bezüglichen Gutachten der meisten Obergespäne14. Für den jüngsten ungarischen Landtag vom Jahre 1861 wurde zwar nicht der V. Gesetzartikel vom Jahre 1848, jedoch mit Ausnahme einiger Worte durchgehends die darin enthaltenen Bestimmungen als Wahlordnung15 vorgezeichnet, und es sei wohl umso weniger ein Grund vorhanden, für den nächsten Landtag eine hievon abweichende Bestimmung eintreten zu lassen, als diese Wahlordnung unter den gegebenen Verhältnissen auch den Interessen der Regierung dienstbar gemacht werden kann. In dieser Voraussetzung fragt es sich nur, auf welche Weise die im § 7 der erwähnten Wahlordnung bezeichneten Zentralwahlausschüsse gebildet werden sollen, nachdem die administrativen großen Komitatsausschüsse [nach] Art. XVI/184816, welche, insoferne dieselben seit dem Jahre 1848 beziehungsweise 1861 noch fortbestehen würden, hiezu berufen wären, nicht vorhanden sind17, deren einfache Reaktivierung aber unzulässig || S. 216 PDF || ercheint und [nachdem] die Bildung dieser Zentralwahlausschüsse und Feststellung der Wahlbezirke den Obergespänen nicht überlassen werden kann, ohne einer lebhaften Anfechtung der Gesetzlichkeit der Wahlen entgegenzugehen. Unter diesen Umständen erübrige daher kein anderer Ausweg, als auf die ursprüngliche Bestimmung des § 7 des Art. V/1848 zurückzugehen und zu dem gedachten Zwecke eine Generalkongregation ad hoc in den Munizipien einzuberufen. Es sei allerdings möglich, daß diese Kongregationen hie und da versuchen würden, die denselben vorgezeichneten Grenzen zu überschreiten, und es müsse sich die Regierung in einigen Komitaten auf stürmische Verhandlungen gefaßt machen, allein, bei einem strengen Festhalten an dem Wirkungskreise dieser Kongregationen und bei einem halbwegs taktvollen Benehmen der Obergespäne erscheint diese Besorgnis nicht von so bedeutender Tragweite, um deshalb die bereits im Jahre 1861 angewendete Wahlordnung zu beseitigen und dadurch die Konstituierung des Landtages in Frage zu stellen. Nach § 7 der gedachten Wahlordnung beschränkt sich die Wirksamkeit der zur Wahlvorbereitung einzuberufenden Zentralkongregation ausschließlich auf die Bestellung des Zentralwahlausschusses und auf die Bildung der Wahlbezirke, dieselbe darf sich demnach in Sinne des Art. V/1848 weder in die Verhandlung anderer Gegenstände noch in politische Diskussionen einlassen, gleichwie dem Obergespan die gesetzliche Obliegenheit und Befugnis zusteht, allfälligen Ausschreitungen der Zentralkongregation entgegenzutreten und dieselbe bei Weigerung der Parition nötigenfalls auch unter Anwendung der materiellen Gewalt aufzulösen. Nach den Bestimmungen des Art. XVI/1848, welche bei der Zusammenstellung dieser Kongregation zur Richtschnur zu dienen hätten, wäre den Obergespänen in jenen Komitaten, wo die Opposition das Übergewicht erlangen könnte, die Möglichkeit geboten, durch eine zahlreichere Berufung von Gemeinderepräsentanten ein Gegengewicht zu schaffen, wobei nicht unerwähnt bleiben könne, daß aus dem Zentralwahlausschusse nur der Obmann des die Abstimmung in den einzelnen Wahlbezirken leitenden Ausschusses ernannt wird, während nach einem anderen Gesetzartikel jeder Wähler, der einen Landtagsabgeordneten in Vorschlag bringt, befugt ist, aus der Mitte der anwesenden Wähler zur Kontrollierung des Obmannes zwei Individuen zur Abstimmungskommission zu benennen. Zudem können ja, wo die Notwendigkeit hiezu sich zeigen sollte, auch besondere Instruktionen an einzelne Obergespäne hinsichtlich ihrer Haltung und ihres Vorgehens im Präsidialwege erlassen werden.

III. Ernennung der fehlenden Komitatsobergespäne.

Als eine der dringendsten Maßnahmen wird ferner seitens des ungarischen Hofkanzlers die Ernennung der fehlenden Obergespäne bezeichnet18. Der Statthalter habe seine hierauf bezüglichen Anträge in jüngster Zeit zwar größtenteils erstattet19, mit einigen sei derselbe jedoch noch im Rückstande, und es erheische die Erwägung aller maßgebenden Verhältnisse bei der größeren Anzahl der erledigten derlei Posten eine reifere || S. 217 PDF || Überlegung. Der ungarische Hofkanzler werde es sich jedoch angelegen sein lassen, die Vorlage der bezüglichen Anträge tunlichst zu beschleunigen20.

IV. Ob Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien zur Beteiligung an den Beratungen des ungarischen Landtages aufzufordern sei? V. Ob an die neuen Magnaten die [Literae] Regales21 abzusenden seien?

Bei der ferneren Erörterung der Vorbereitungen zum ungarischen Landtage drängt sich dem Hofkanzler die Frage auf, wie sich bezüglich der an Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien wegen deren Beteiligung an den Beratungen des ungarischen Landtages zu richtenden Aufforderung zu verhalten, dann inwieferne die sogenannten neuen Magnaten, nämlich diejenigen, die von Sr. Majestät dem jetzt regierenden Kaiser in den Freiherrn- oder Grafenstand erhoben worden sind, in das Oberhaus zu berufen seien. Für den 1861er Landtag sind an derlei Magnaten neuerer Verleihung die Regales nicht expediert worden. Der ungarische Hofkanzler könne sich mit diesem Vorgange nicht einverstanden erklären und spricht sich für die Berufung derselben zum nächsten Landtage aus, da die Erhebung in den Freiherrn- oder Grafenstand zu den unbestreitbaren Rechten des Monarchen gehört und weil die Ausübung der den Betreffenden aus einer solchen Standeserhöhung erwachsenden Privilegien auch in früheren Zeiten weder von der Krönung des Königs noch von einer vorläufigen Inartikulierung der Verleihungsdiplome abhängig gemacht worden ist, wie z. B. zeuge der älteren Hofkanzleiakten zu dem Landtage 1790/91 Freiherr v. Vay, Graf Ráday22 und andere, obschon dieselben durch den als König von Ungarn niemals gekrönten Kaiser Joseph in den Freiherrn- und Grafenstand erhoben und als solche nicht inartikuliert waren, berufen wurden, ohne daß dagegen von irgendeiner Seite ein Anstand oder Einwendung erhoben worden wäre. In betreff Siebenbürgens bemerkt der ungarische Hofkanzler, daß eine Berufung zum 1861er Landtage nicht stattgefunden habe, und meint, daß in Anbetracht der daselbst inzwischen eingetretenen Verhältnisse hievon gegenwärtig umso mehr abzusehen sei. Ohnehin sei die Frage der Union mit Ungarn bei dem jüngsten siebenbürgischen Landtage23 nicht zur Verhandlung gebracht worden, und es dürfte in der Ag. Absicht Sr. Majestät gelegen sein zu gestatten, daß diese Frage seinerzeit nach Revision der 1848er Gesetze im Einverständnisse mit dem ungarischen Landtage der endgiltigen Lösung zugeführt werde. Die Berufung Kroatiens und Slawoniens dagegen sei, wie der ungarische Hofkanzler andeutet, bereits aus Anlaß der Vorbereitungen für den 1861er ungarischen Landtag der Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen24. Es sei insbesondere betont worden, daß ein Krönungslandtag ohne vorläufige Berufung der Königreiche Kroatien und Slawonien mit Rücksicht auf den nach Jahrhunderten zählenden Verband dieser Länder und auf die Bestimmungen || S. 218 PDF || der Pragmatischen Sanktion25 nach dem Standpunkte des ungarischen Staatsrechtes gar nicht denkbar sei und daß angesichts der Erschütterungen dieses Verbandes durch die Wirren der Jahre 1848/49 ein Vermittlungsweg darin zu finden wäre, daß die Einberufungsschreiben an die gedachten Königreiche und an die zum Erscheinen an dem ungarischen Landtage befugten Munizipien daselbst, gleichwie die Regales an die dortigen Magnaten, in der vor dem Jahre 1848 üblichen, altherkömmlichen Form erlassen würde. Es würde zu weit führen, meint der ungarische Hofkanzler, hier den ganzen Hergang der bezüglichen Verhandlungen aufzuführen, und es genüge, dermalen an die Tatsache zu erinnern, daß jede unmittelbare oder mittelbare Aufforderung der Königreiche Kroatien und Slawonien unterblieb, die für die Magnaten Kroatiens und Slawoniens ausgefertigten Regales aber lediglich an das damalige kroatisch-slawonische Hofdikasterium zur weiteren Verfügung geleitet wurden. Bei diesem Sachverhalte könne der ungarische Hofkanzler bloß darauf einraten, daß im geeigneten Wege wenigstens dahin gewirkt werde, daß der nächst zusammentretende kroatisch-slawonische Landtag sich bewogen fände, sich durch Deputierte an dem nächsten ungarischen Landtage zu beteiligen und hiedurch die Lösung der staatsrechtlichen Frage über das Verhältnis dieser Königreiche zu Ungarn in angemessener Weise zum Austrage zu bringen, anderseits aber den bereits am 1861er ungarischen Landtage erhobenen Bedenken rücksichtlich der aus der Unterlassung der Einberufung Siebenbürgens und der sogenannten partes adnexae fließenden Inkompetenz desselben die Spitze abzubrechen.

VI. Ort, wo der Landtag abzuhalten ist.

Als eine Frage, welche noch vor der Einberufung des nächsten ungarischen Landtages zu lösen sei, wird vom ungarischen Hofkanzler auch die Bestimmung des Versammlungsortes dieses Landtages bezeichnet. Nachdem der Gesetzartikel IV/184826, durch dessen § 1 als ständiger Ort der künftigen ungarischen Landtage die Stadt Pest bestimmt wird, unter die noch einer vorläufigen landtäglichen Revision bedürftigen gereiht ist, könne nach der Auffassung des Hofkanzlers gegenwärtig das Recht Sr. Majestät, dem alten Herkommen gemäß den Versammlungsort des Landtages innerhalb der Gemarkung des Königreiches beliebig zu bestimmen, keineswegs für beschränkt erachtet werden, und es würde demnach diesfalls kein positives Hindernis bestehen, den Landtag nach Preßburg oder in eine andere Stadt zu berufen. Der Hofkanzler meint jedoch, daß aus Opportunitätsrücksichten auch der nächste Landtag in Pest abzuhalten oder doch daselbst mit demselben zu beginnen sei. Es lasse sich nämlich nicht leugnen, daß der allgemeine Wunsch des Landes in dieser Richtung sich geltend zu machen suche, und es wäre vor allem mißlich, von einem Zugeständnisse abzusehen, welches in dieser Beziehung im Jahre 1861 der öffentlichen Meinung gemacht worden ist. Ein entgegengesetztes Verfahren der Regierung würde als ein Zeichen des Mißtrauens in dem Augenblicke, wo gegenseitiges Vertrauen so sehr nottue, betrachtet und von vielen als ein Anzeichen der Schwäche und Befürchtungen gedeutet werden, und es müsse der ungarische Hofkanzler noch zu bedenken geben, || S. 219 PDF || daß, abgesehen von den großen Kosten, welche die Ermöglichung der Abhaltung eines Landtages in Preßburg, welches unstreitig vor anderen Städten den Vorzug verdienen würde, wo es jedoch dermalen an allem gebricht, verursachen würde, die beklagenswerten Ereignisse während des Landtags 1847/48 zur Genüge gezeigt haben, daß es an demonstrativen Elementen, welche aus dem ganzen Lande zusammenströmen, auch in Preßburg nicht fehlte und daß der Einfluß derselben umso nachhaltiger wirkt, je kleiner der Ort ist, auf welchen ihre Tätigkeit rücksichtlich das Feld ihrer Umtriebe beschränkt ist.

VII. Auflassung der militärischen Statthalterschaft in Ungarn.

Schließlich zieht der ungarische Hofkanzler die Frage in Erwägung, inwiefern die Zeit herangekommen sei, angesichts der bevorstehenden Aufhebung der ausnahmsweisen Wirksamkeit der Militärgerichte in Ungarn auch die Auflassung der militärischen Statthalterschaft daselbst, abgesehen von der Individualität des gegenwärtigen Statthalters FML. Grafen Pálffy, ins Auge zu fassen und zur Ernennung der Landeswürdenträger, als Tavernikus, Judex Curiae, Kronhüter etc., nach und nach zu schreiten. Der ungarische Hofkanzler könne sich der Überzeugung nicht verschließen, daß es nicht zweckmäßig sei, die Funktionen eines Militärstatthalters fortdauern zu lassen, und daß die Stellung eines Statthalters während des ungarischen Landtages im Hinblick auf den Art. III/1848 noch besondere Bedenken erregt, welche bloß anzudeuten, wohl genügend sein dürfte27. Andererseits könne es keinem Zweifel unterliegen, daß, je näher man der Einberufung des nächsten ungarischen Landtages zu stehen komme, umso dringlicher es erscheine, mit der Besetzung der erledigten Landeswürden eines Judex Curiae und eines Tavernikus als des in Ermangelung eines Palatins verfassungsmäßigen Präsidenten der königlichen Gerichtskurie und des königlichen Statthaltereirates ernstlich sich zu beschäftigen.

VIII. Enthebung des Grafen Pálffy von dem Statthalterposten.

Graf Zichy deutet endlich an, daß es wohl keines Beweises bedürfe, daß in Absicht auf das Zustandekommen des Landtages eine Zusammenwirkung der Spitzen der Behörden absolut notwendig sei, und daß es durchaus nicht angehen könne, daß einer dieser Herren auf eigene Faust eine Politik einschlage, die mit den Absichten der Regierung nicht im vollsten Einklange stehe. Da müsse er denn auf das bestimmteste erklären, daß es ihm unter keiner Bedingung möglich wäre, mit dem Statthalter Grafen Pálffy das Zustandekommen des Landtages zu bewirken. Er erinnert dabei an die bekannten Remonstrationen des Grafen Pálffy gegen Ah. Erlässe Sr. Majestät und wie sich derselbe monatelang in stilistischen Wendungen darüber bemüht habe28. An der Loyalität und dem Diensteifer des Grafen Pálffy sei wohl nicht zu zweifeln, derselbe besitze jedoch keinen Takt, am wenigsten in einer so hervorragenden Stellung. Graf Zichy müsse der wirksamsten Unterstützung von Seite des Statthalters versichert sein, || S. 220 PDF || wenn letzterer aber opponiere, höre alles auf, und man werde auf solche Art zu keinem Landtage kommen. Graf Zichy habe sich demnach gezwungen gesehen, Se. Majestät um die Enthebung des Grafen Pálffy von dem Statthalterposten ehrerbietigst zu bitten29. Wenn Se. Majestät seiner ehrfurchtsvollsten Bitte Folge zu geben nicht geruhen sollten, würde ihm nichts anderes erübrigen, als sein Amt in die Ag. Hände Sr. Majestät au. zurückzulegen, denn seit dem Bruche mit Grafen Pálffy sei gar nichts mehr geschehen, er wüßte auch nicht, wie er mit Grafen Pálffy sich über die Modalität der Einberufung des Landtages ins Vernehmen setzen könnte, wenn dieser sich nicht directe den Regierungsabsichten anschließt. Graf Zichy müsse es daher auch als ein Ag. Zeichen des Ah. Vertrauens Sr. Majestät erkennen, wenn die Ah. Entschließung hierüber bald herablangen würde. Zur Leitung der Geschäfte würde Graf Zichy, jedoch nicht als Statthalter sondern als Tavernikus, Sr. Majestät eine geeignete Persönlichkeit au. in Vorschlag bringen, vorderhand könnte dieselbe von dem ältesten Vizepräsidenten der Statthalterei geführt werden.

Ad I.

war die Konferenz darüber einig, daß der kroatische Landtag jedenfalls vor dem ungarischen einzuberufen und daß es von dem Gange der Verhandlungen bei demselben abhängig zu machen und daher erst in der Folge zu erwägen sein werde, ob noch während des Tagens des kroatischen Landtages zur Einberufung des ungarischen Landtages geschritten werden soll30.

Ad II.

Hinsichtlich der Modalität der Wahlberufung stimmte die Konferenz den Anträgen des ungarischen Hofkanzlers bei, wobei der Polizeiminister es für zweckmäßig fand und besonderes Gewicht darauf legte, daß bezüglich des Wahlmodus für den bevorstehenden Landtag, in gleicher Weise wie es bei dem 1861er ungarischen Landtag der Fall war, das 1848er Gesetz als Formular zu dienen habe, ohne daß man jedoch in den kaiserlichen Erlässen des Art. V zu berufen hätte31.

Ad III.

Gegen das Vorhaben des ungarischen Hofkanzlers wegen Besetzung der noch erledigten Obergespansstellen fand die Konferenz nichts zu erinnern.

|| S. 221 PDF || Ad IV.

In der Frage bezüglich der Berufung Siebenbürgens, Kroatiens und Slawoniens zur Beteiligung an den Beratungen des ungarischen Landtages teilte die Konferenz gleichfalls die Anschauungen und Anträge des ungarischen Hofkanzlers32, wobei Graf Nádasdy bemerkte, daß man, wenn es einmal zur Krönung Sr. Majestät als König von Ungarn kommen werde, zu trachten haben werde, daß Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien durch Deputationen bei diesem Staatsakte vertreten seien.

Ad V.

war die Konferenz mit dem Antrage des ungarischen Hofkanzlers, daß an die neuen Magnaten die Regales zu expedieren seien, einverstanden.

Ad VI.

sprach sich Graf Nádasdy entschieden dafür aus, daß der Landtag nicht nach Pest, sondern nach Preßburg einberufen werde. Er erinnerte an den Landtag in Pest, auf welchem die Krönung des Kaisers Leopold II. hätte stattfinden sollen, welcher Landtag ein solches Fiasko gehabt habe, daß der Landtag dann nach Preßburg habe verlegt werden müssen. Er führte weiters an, daß in Pest ein verdorbenes, zu Erneuten geneigtes Volk sei, welches das im 1848er Landtag zu Preßburg votierte Preßgesetz in einem Autodafé öffentlich verbrannt habe, und erwähnte des politischen Mordes des Grafen Lamberg33. Der Staatsminister äußerte seine Überzeugung, daß der Landtag, falls er in Pest abgehalten würde, kein erfreuliches Resultat haben werde, Straßenexzesse in Pest seien nicht so sehr zu fürchten, zumal man denselben begegnen könne. Der soziale Einfluß und die Salonpolitik, die in Pest betrieben werden, gefährden die Sache. In Pest sei das Kasinowort tonangebend34, und wenn schon ein paar Artikel der Presse es vermochten, hier, wo kein sozialer Einfluß stattfindet, den ruhigen Reichsrat aus dem Geleise zu bringen, so wäre es doch gewiß nicht zu wundern, wenn in Pest ein armer Landedelmann den Verstand verlöre und, um nicht verhöhnt zu werden, sich von dem Strom der Bewegung mitreißen ließe. In einer kleineren Stadt, wo noch dazu kein Komfort ist, sei es viel leichter, den Landtag zusammenzuhalten, wie das Beispiel in Kremsier gezeigt habe. Wenn es daher denkbar wäre, den Landtag in Preßburg abzuhalten, würde der Staatsminister dies dringend empfehlen. Es werde zwar darüber geschimpft werden und die Regierung sich damit einiges Odium auflasten, dies könne man aber doch gewiß leichter hinnehmen, als einen resultatlosen Landtag. Welcher Ort aber immer als Landtagsort bestimmt werden wolle, an dem müßte unter allen Umständen unbeugsam festgehalten werden und, bevor eine Verlegung zugegeben würde, eher zu dem äußersten Mittel der Landtagsauflösung geschritten werden. Der Polizeiminister sprach sich dafür aus, daß der Landtag in Pest abgehalten werde, || S. 222 PDF || weil sonst bei der im Lande herrschenden Stimmung mit Grund zu besorgen wäre, daß, wenn auch alles für den Landtag in Ordnung wäre und der Ort des Landtages außer Pest bestimmt würde, alles wieder aus dem Geleise gehen könnte35.

Ad VII.

Mit dem Antrage auf Auflassung der militärischen Statthalterschaft in Ungarn war die Konferenz einverstanden. Graf Nádasdy bemerkte, daß man mit einem Statthalter verfassungsmäßig den Landtag nicht beginnen könne. Es müßte hiezu ein Locumtenens palatinalis vorhanden sein, der dazu bestimmt wäre, Palatin zu werden. Daß aber Graf Pálffy nicht imstande wäre, als Locumtenens palatinalis zu fungieren, daran sei wohl nicht zu zweifeln36.

Ad VIII.

Die Konferenz war darüber einig, daß es notwendig sei, den Grafen Pálffy alsbald von dem Statthalterposten in Ungarn zu entheben. Graf Nádasdy meinte, daß jeder Tag ein verlorener wäre, an dem mit dieser Verfügung gesäumt würde. Er erinnerte an das damalige Programm des Grafen Pálffy37, der keine Idee von der Richtung der Regierung habe, nichts als Einstreuungen mache und ihm selbst in Siebenbürgen Verlegenheiten bereitet habe. Der Polizeiminister erwähnte, daß er aus vielfältigen Berührungen mit dem Grafen Pálffy dessen Anschauungen kennengelernt habe. Anhänglichkeit und Loyalität sei demselben nicht abzusprechen, was jedoch seine Leistungen betreffe, seien dieselben als schlechte zu bezeichnen. Eine bestimmte Richtung bei den Vorbereitungen zum Landtage sei von ihm nicht zu erwarten, sowie er auch keine Ahnung davon habe, wie die Militärgerichte beseitigt und die Preßbestimmungen eingerichtet werden sollen. Ein Zeugnis hiefür geben die Weisungen, die er in letzterer Zeit hinausgegeben habe. Aus dem Grunde, weil man mit der Enthebung des Grafen Pálffy nicht mehr länger warten könne, wenn die Vorbereitungen zum Landtage nicht eine empfindliche Störung erfahren sollen, war der Polizeiminister auch der Ansicht, daß man vorläufig sich noch nicht um einen Ersatz für denselben bekümmern, sondern das Expediens ergreifen solle, daß einstweilen der älteste Vizepräsident die Statthalterei zu leiten habe. Auch der Staatsminister teilte in dieser Beziehung die Ansichten der Vorstimmen, er glaubte jedoch, daß, um die Sache weniger konfliktartig zu machen, Sr. Majestät au. vorzuhalten wäre, daß, wenn auch zwischen den Grafen Zichy und Pálffy die beste Harmonie bestünde, aus sachlichen Gründen die Enthebung des Grafen Pálffy erfolgen müßte, da man mit einem Statthalter den Landtag nicht eröffnen könne. In dieser auch dem Grafen Pálffy in angemessener und dem Publikum in offiziöser Weise bekanntzugebenden Modalität würde auch eine Verletzung des Grafen Pálffy nicht zu erkennen sei. Der Staatsminister glaubte übrigens, daß es angezeigt wäre, die beiden Posten des Tavernikus und Judex Curiae so bald als möglich zu besetzen. Dem widersprach Graf Nádasdy, der bemerkte, daß der nächste Landtag ein Krönungslandtag sein solle. Da müsse aber die Regierung über das Inauguraldiplom, über die Gesetze, die sie als königliche Propositionen vor den Landtag bringen wolle sowie darüber mit sich im reinen sein, || S. 223 PDF || welche der 1848er Gesetze sie ergänzen oder verbessern wolle. Erst dann wäre es an der Zeit, zur Ernennung dieser beiden Landeswürdenträger zu schreiten, denen, bevor sie Sr. Majestät au. in Vorschlag gebracht würden, das Regierungsprogramm und die erwähnten Elaborate bekanntzugeben und von ihnen vorerst die Versicherung einzuholen wäre, daß sie in ihrem ämtlichen und verfassungsmäßigen Wirken Hand in Hand mit der Regierung gehen wollen38.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 24. März 1865. Empfangen 24. März 1865. Erzherzog Rainer.