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Nr. 532 Ministerrat, Wien, 22. Jänner 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 24. 1.), Erzherzog Rainer, Mensdorff 27. 1., Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Kalchberg; BdR. Erzherzog Rainer 6. 2.

MRZ. 1336 – KZ. 327 –

Protokoll des zu Wien am 22. Jänner 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaiser.

I. Reduktion des Erfordernisses im Staatsvoranschlag für 1865 um 15 Millionen Gulden

Nachdem Se. k. k. apost. Majestät vernommen haben, daß im Ministerrate vom 21. d. M. bei den Voranschlägen der sämtlichen Zweige mit Ausnahme der Armee keine größere Reduktion als im ganzen etwas über 6 Millionen möglich befunden werde, geruhten Allerhöchstdieselben die Minister aufzufordern, daß jeder einzelne die Ziffer seines Abstriches motiviere.

Der Minister des Äußern referierte hiernach, daß die Ausgaben des seiner Leitung anvertrauten Ministeriums, als größtenteils aus fixen Gebühren1 bestehend, überhaupt zu Verminderungen wenig Spielraum geben. Seit Verfassung des Voranschlages für 1865 hätten sich durch Restriktionen bei den Wartgeldern und in der Zentralleitung Ersparungen von nur etwa 20.000 fl. ergeben. Um daher zu der von Graf Mensdorff beabsichtigten 5%[igen] Ersparung von 147.000 fl. zu gelangen, werde schon zu für das Personal sehr empfindlichen Maßregeln, darunter die Reduktion des Agiozuschlags, gegriffen werden müssen.

Minister Graf Nádasdy versicherte, daß es nicht möglich wäre, die für Siebenbürgen präliminierte Aufwandssumme um mehr als 243.000 fl. zu vermindern.

Der Staatsminister setzte auseinander, daß, um zu der auf die Rubrik Kultus und Unterricht repartierten Ersparung von 220.000 fl. zu gelangen, alle Neubauten an Kirchen und Lehranstalten eingestellt werden und ergiebigere Zuflüsse an Interkalarien durch Nichtbesetzung von Pfründen und Professuren erzielt werden müßten. Unter den Reichsratsauslagen werden die Kosten für den Bau eines Abgeordnetenhauses eliminiert. Der Dispositionsfonds würde von 500.000 auf 450.000 fl. reduziert werden. Diese Ersparung von 50.000 fl. sei aber tatsächlich weit größer, weil auf diesen Fonds die Auslagen für politische Flüchtlinge etc. neu übernommen wurden, die früher aus den Budgets anderer Zweige bezahlt worden waren. Am Voranschlage der kroatischen Hofkanzlei seien 130.000 fl. herabgemindert wordena .

Minister Ritter v. Lasser beleuchtete eingehend das Erfordernis der einzelnen Zweige der politischen Verwaltung und zeigte, daß durch die Gesamtreduktion von 1,300.000 fl. bereits die äußerste Grenze des Möglichen erreicht worden sei. Dies gelte || S. 103 PDF || namentlich vom Straßen- und Wasserbau, dann von den Neubauten an Strafanstalten. Bei den Findelanstalten und der Gendarmerie konnte nichts gestrichen werden, da vielmehr der Aufwand für dieselben von Jahr zu Jahr in Folge nicht zu beseitigender Ursachen anwächst. Der politische Verwaltungsetat sei bereits in den letzten Jahren reduziert worden. Man könne nicht weiter gehen, zumal die erwartete Geschäftsverminderung durch das Entstehen der autonomen Behörden bisher noch nicht eingetreten ist2. Die Ersparung durch Interkalarien in diesem Zweig sei deswegen größtenteils illusorisch, weil sie durch Mehrauslagen für disponible Beamten kompensiert wird. Um den Aufwand für Dienstreisen bund andere Amtsspesenb zu beschränken, cmüsse zu sehr eingreifenden Verfügungen gegriffen werden; so z. B. um die Reisespesen zu vermindern, dürfte [es] nötig sein, unter anderem sogarc die Reisen der Statthalter von der vorläufigen Einholung der Bewilligung des Staatsministeriums abhängig dzu machend . Auf die Ah. gestellte Frage, ob diese Anordnung nicht eine dienstnachteilige Hemmung begründe, erwiderte der Minister, es würde den wahrhaft nötigen Reisen der Landeschefs nie die Bewilligung versagt werdene ; aber um den Mißbrauch, der hier und da bestand, zu steuern, gäbe es eben kein anderes Mittel. In Folge der beabsichtigten neuen Organisierung werde die Dotationsziffer der politischen Verwaltung sich namhaftf niedriger stellen, gannäherungsweise berechnet um 4/7 des Aufwandes der Bezirksämterg freilich nicht ohne eine gleichzeitige und vielleichth größere Erhöhung bei dem Aufwande für die Gerichtsbehörden. Andererseits würde sich unter einem bei den Steuerämtern eine namhafte Ersparung ergeben. Ritter v. Lasser sei mit der Zusammenstellung der finanziellen Ergebnisse der neuen Organisierung beschäftigt und werde dieselben Allerhöchstenortes ehrerbietigst unterbreiten. Se. Majestät der Kaiser sehen der Vorlage dieses von den drei beteiligten Ministern in reife Erwägung zu ziehenden Ergebnisses entgegen und geruhten auf den Widerspruch hinzuweisen, daß man sich mit der Einführung neuer kostspieligerer Justizeinrichtungen von sehr bestreitbarem Nutzen beschäftigt, während man die Mittel zur Bestreitung der bisherigen Einrichtungen nicht aufzubringen vermag!

Der Finanzminister äußerte, die in seinem izwar sehr hohen Budget zu ersparende Summe von einer Million könne deshalb nicht höher gegriffen werden, weil in diesem Budget Zweige erscheinen, wo ein Abstrich unmöglich sei, wie z. B. an den 177 Millionen für die Staatsschuld, dann dem Pensionsetat, den Subventionen etc., woran keine Herabsetzung vorgenommen werden kann, weil ferner der präliminierte Aufwand für Subventionen in 1865 wegen der durch die mittlerweile vertragsmäßig erfolgte Richtigstellung des Anlagekapitals und Erledigung der Betriebsrechnungen zugewachsenen und bisher nicht präliminierten Zahlungen um nahezu 4,000.000 fl., dann wegen der aus politischen Rücksichten nicht präliminierten und dennoch zur Zahlung gelangenden Vorschüsse an den siebenbürgischen Grundentlastungsfonds um 1,000.000 fl. erhöht werden wird, welche Mehrauslagen, wenn dafür kein Nachtragskredit eingebracht werden will, jedenfalls durch andere Ersparungen in den Einnahms- und Betriebszweigen des Finanzministeriums und aus den Kassemitteln gedeckt werden müssen. Von der neuen politischen Organisierung könne man sich seinerzeit eine Ersparung von 1,5 Millionen in Folge der verminderten Zahl des Steuerämter versprechen, welche jedoch im Jahre 1865 noch nicht in Betracht kömmt.i zwar sehr hohen Budget zu ersparende Summe von einer Million könne deshalb nicht höher gegriffen werden, weil in diesem || S. 104 PDF || Budget Zweige erscheinen, wo ein Abstrich unmöglich sei, wie z. B. an den 177 Millionen für die Staatsschuld, dann dem Pensionsetat, den Subventionen etc., woran keine Herabsetzung vorgenommen werden kann, weil ferner der präliminierte Aufwand für Subventionen in 1865 wegen der durch die mittlerweile vertragsmäßig erfolgte Richtigstellung des Anlagekapitals und Erledigung der Betriebsrechnungen3 zugewachsenen und bisher nicht präliminierten Zahlungen um nahezu 4,000.000 fl., dann wegen der aus politischen Rücksichten nicht präliminierten und dennoch zur Zahlung gelangenden Vorschüsse an den siebenbürgischen Grundentlastungsfonds4 um 1,000.000 fl. erhöht werden wird, welche Mehrauslagen, wenn dafür kein Nachtragskredit eingebracht werden will, jedenfalls durch andere Ersparungen in den Einnahms- und Betriebszweigen des Finanzministeriums und aus den Kassemitteln gedeckt werden müssen. Von der neuen politischen Organisierung könne man sich seinerzeit eine Ersparung von 1,5 Millionen in Folge der verminderten Zahl des Steuerämter versprechen, welche jedoch im Jahre 1865 noch nicht in Betracht kömmt.

Minister Ritter v. Hein erklärte, mit der Reduktion von 237.000 fl. bereits des Äußerste getan zu haben, was in der Justizsphäre zu erreichen möglich ist, und darum sei auch der Bau des neuen Landgerichtsgebäudes zu Leitomyschl aufgeschoben worden. An der Arrestantenverpflegung sei nichts mehr zu ersparen. Was die Kosten der Justizpflege nach dem neuen Organismus betrifft, so würde die Mehrauslage jzwischen 3 bis 4 Millionen betragen, da offenbar die Gehalte des Richter­personals nicht auf der gegenwärtigen unzureichenden Dotationsstufe bleiben können.j

Der Polizeiminister vermochte am Budget seines Zweiges, welches größtenteils auf unver­änderlichen Ausgabsposten beruht, ohne Gefährdung wichtiger Interessen keine höhere Reduktion als von 220.000 fl. herauszubringen.

Freiherr v. Burger hat an der Kriegs- und Handelsmarine relativ sehr namhafte Ersparungen von 10 rücksichtlich 15 Perzent der präliminierten Erfordernisse vorgenommen, wobei auf Neubauten verzichtet wird, die Ausrüstungen beschränkt werden, nur die bereits begonnenen Schiffe ausgebaut werden können, und alle aufschiebbaren Hafenbauten unterbleiben müssen. Das Gesamtresultat ist ein Abstrich von 1,200.000 fl., der für die Marine sehr empfindlich sein wird, zumal durch Reduktion der Gebühren nicht mehr als 100.000 fl. erspart werden können.

Der ungarische Hofkanzler versicherte, nicht einen Liard mehr als die von ihm abgestrichenen 500.000 fl. ersparen zu können und berief sich dabei auf die darunter begriffenen namhaften Reduktionen, welche insbesondere beim Straßen- und Wasserbau und der Gendarmerie vorgenommen wurden.

Der Leiter des Handelsministeriums zeigte, aus welchen einzelnen Posten seine ganze Ersparung per 681.000 fl. (mehr als 5%) zusammengesetzt ist und daß dieselbe || S. 105 PDF || hauptsächlich auf Verminderung der Rittgelder5, Beschränkung der Telegraphenausbreitung und Streichung der 150.000 fl. für Eisenbahnvorarbeiten beruht.

Der Kriegsminister wiederholte die bereits im Ministerrat am 21. d. M. erstattete Auseinandersetzung der tief einschneidenen Maßregeln, wodurch, bei Reduktion des Standes der ganzen Infanterie auf 54 Mann pro Kompanie und Herabsetzung der Batteriebespannungen in Italien auf den Friedensfuß, eine Gesamtreduktion von ungefähr 8 Millionen am Voranschlag für die Armee erzielt werden könnte. Um noch einen weiteren Abstrich von einer Millionen zu bewirken, erübrige nichts, als auf die Fortsetzung der Festungsbauten bei Krakau und Komorn und den Bau der Monturkommission in Brünn vorderhand zu verzichten, wobei 500.000 fl. erspart werden könnten, und die Anforderung für die Verpflegsbranche in Anhoffung der Fortdauer niedriger Getreidepreise während des ganzen Jahres 1865 um 500.000 fl. herabzusetzen. Hiemit sei man aber bereits an eine bedenklich enge Grenze gerückt, und der Kriegsminister gebe zu erwägen, daß der Armee auf diese Weise eine Reduktion von 9 Prozent angesonnen wird, während bei den verschiedenen Zweigen der Zivilverwaltung nur 5 und noch weniger Perzente am Voranschlag reduziert würden. Andererseits müsse er wiederholen, daß, wenn 20.000 Mann des dermaligen Lokostandes nach Hause entlassen werden, die Verwendung von Militär zu Steuerexekutionen, zur Bewachung von Zivilanstalten etc. ganz unmöglich wird, was Se. k. k. apost. Majestät mit dem Ah. Bemerken zu bestätigen geruhten, daß die bei den Fahnen bleibende Mannschaft dann nur mehr die Bestimmung haben könne, Rekruten abzurichten oder selbst abgerichtet zu werden. Der Finanzminister sprach hiebei die Voraussetzung aus, daß die Einstellung der Militärexekution des bedenklichen Rückschlags auf die Steuerzahlungen wegen nicht verlautbart und nicht mit einem Male durchgeführt werde, wogegen der Kriegsminister nichts einzuwenden fand.

II. Verhandlung darüber mit dem Finanzausschuß des Abgeordnetenhauses

Se. k. k. apost. Majestät geruhten hierauf die Frage zu stellen, in welcher Weise über den Gesamtabstrich von 15 Millionen Gulden mit dem Finanzausschusse zu verhandeln sein werde.

Der Staatsminister brachte sofort zur Ah. Kenntnis, der Ministerrat habe sich in der Sitzung am 21. d. M. dahin geeinigt, daß die Regierung sich vor allem mit dem Finanzausschusse über die Größe des Gebarungsdefizits zu einigen habe; ist dieses einmal auf 15 Millionen festgesetzt6, so kommt das Zugeständnis des freien Revirements innerhalb der Grenzen der Voranschlagssumme jedes Ministeriums zu erwirken und die gleiche Behandlung des Staatsvoranschlags für 1866 in Anspruch zu nehmen. Erst wenn alles dieses befriedigend geordnet sein wird, hätte die Regierung mit dem Vorschlag eines Abstriches von 15 Millionen hervorzutreten, ohne jedoch das Detail der Verteilung desselben auf die verschiedenen Zweige mitzuteilen. Auf eine höhere Reduktion werde die Regierung keinesfalls eingehen. Finde keine Einigung mit dem Finanzausschusse statt, so werde der letztere an das Abgeordnetenhaus Bericht erstatten, || S. 106 PDF || und gehe das letztere ebenfalls nicht auf den Regierungsvorschlag ein, so würde das Budget im Detail der Debatte zu unterziehen sein7.

III. Interpellation über die Errichtung von Fideikommissen

Schließlich geruhten Se. Majestät des Kaiser einige Auskünfte über vorgekommene und noch bevorstehende Interpellationen im Abgeordnetenhause Ah. entgegenzunehmen.

Bezüglich der vom Abgeordneten Schindler am 12. d. M. eingebrachten Interpellation über die seit dem 26. Februar [1861] ohne verfassungsmäßige Bewilligung errichteten Fideikommisse8 äußerte Minister Ritter v. Lasser , daß diese keineswegs dringliche Interpellation später, zugleich mit mehreren anderen, beantwortet werden dürfte. Auf die vom Marineminister gemachte Bemerkung, daß diese Interpellation ihrem Gegenstande nach nicht vor den allgemeinen, sondern vor den engeren Reichsrat gehöre, erwiderte Minister Ritter v. Lasser , daß die Grenzlinie über die Kompetenz des engeren Reichsrates zur Stellung von Interpellationen bis jetzt nicht so streng festgehalten worden sei, und Minister Ritter v. Hein fügte bei, daß der Interpellant zur Salvierung der Kompetenz des allgemeinen Reichsrates9 volkswirtschaftliche Interessen in den Vordergrund gestellt habe. Minister Graf Esterházy erinnerte, daß in Ungarn die Errichtung der Fideikommisse durch ein besonderes Gesetz normiert worden sei10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 6. Februar 1865. Empfangen 6. Februar 1865. Erzherzog Rainer.