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Nr. 530 Ministerrat, Wien, 16. Jänner 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 18. 1.), Erzherzog Rainer, Mecséry, Schmerling, Franck; BdR. Erzherzog Rainer 23. 1.

MRZ. 1334 – KZ. 203 –

Protokoll des zu Wien am 16. Jänner 1865 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenz.

I. Bericht des FZM. Ritter v. Benedek vom 30. Dezember 1864 über die politischen Behörden, die Polizei und die Gendarmerie in Venetien

Se. k. k. apost. Majestät geruhten den Inhalt des vom FZM. Ritter v. Benedek unterm 30. v. M. an den Kriegsminister erstatteten Berichts zur Sprache zu bringen1. Der Zweck desselben ist zu beweisen, daß vor allem die Polizei, dann auch die politischen Behörden und die Gendarmerie im lombardisch-venezianischen Königreiche nicht so geartet sind, um die Regierung rechtzeitig vor dem Entstehen neuer Aufstandsversuche zu warnen, selbe zu verhindern und zu deren Unterdrückung im eintretenden Falle mit dem Militär energisch zusammenzuwirken2.

Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterung äußerte der Staatsminister im wesentlichen, die Klage über die ungenügende Gestion der politischen Beamten sei im allgemeinen, namentlich im bezug auf die Subalternen, nicht ungegründet. Man habe durch Lohn und Strafe abzuhelfen gesucht und werde damit sowie mit gänzlicher Entfernung schlechter Subjekte fortfahren; allein ein ganz im österreichischen Sinne funktionierendes Beamtenkorps werde man dortlandes nie zusammenbringen, indem dasselbe notwendigerweise aus nationalen Elementen gebildet werden muß. Unter den Delegaten lassen nur jener zu Treviso und der zu Udine etwas zu wünschen übrig. Der erstere, in Jahren vorgerückte, dürfte demnächst in den Ruhestand, der letztere aber auf einen anderen Posten versetzt werden, der mindere Energie erfordert als die Geschäftsleitung im Friaul3. Was die vom Feldzeugmeister als wünschenswert bezeichnete Berufung von Italienern in das lombardisch-venezianische Departement des Staatsministeriums betrifft, so spricht dafür gar kein dienstliches Bedürfnis, und würde dieselbe als Prinzip zu nachteiligen Konsequenzen führen, endlich auch im lombardisch-venezianischen Königreiche kaum jemand andern zufriedenstellen, als jene wenigen Individuen, die in Folge dessen zu avancieren hoffen. Ritter v. Schmerling wisse keine Venetien speziell berührende materielle Interessensfrage anzugeben, die, wenn von unten in Anregung gebracht, im Zentrum nicht || S. 92 PDF || gerechte Würdigung gefunden hätte. Der Polizeiminister bestätigte dieses mit dem Bemerken, daß die gegenwärtig in Venedig herrschende gedrückte Stimmung wohl hauptsächlich der sich auch andererwärts sehr fühlbar machenden Gewerbsstockung zuzuschreiben sei. Was die vom Feldzeugmeister mit grellen Fraben geschilderte Insuffizienz der venezianischen Polizei betrifft, so müßte darauf erwidert werden, daß wenigstens der Leiter derselben ein sehr gewandter, vollkommen verläßlicher und tatkräftiger Mann ist, dessen Stellung aber leider vom Feldzeugmeister selbst durch laut ausgesprochenen Tadel geschwächt worden ist4. Auf die entsprechende Zusammenstellung des unteren Personals habe das Ministerium durch Epurierung und Beschickung mit möglichst vielen guten Elementen aus anderen Provinzen die größte Sorgfalt verwendet. Daß dasselbe gleichwohl nicht so viel leistet, als man davon erwarten sollte, wolle Baron Mecséry nicht in Abrede stellen, wenngleich das vom Feldzeugmeister vorgelegte Sündenregister manche nicht erwiesene, ja ganz ungerechte Beschuldigung enthält, so wie es überhaupt andererseits auch nicht schwer hält, nachträglich die Erfolglosigkeit einiger Schritte unter so vielen Amtshandlungen zu kritisieren. Daß die Polizei in Tirol glücklicher, vielleicht auch geschickter war in Entdeckung der Vorbereitung zu dem dortigen Putsche5, wolle der Minister ebenfalls nicht in Abrede stellen; aber die venezianische Polizei habe doch das Bevorstehen einer Erhebung signalisiert, wenn sie gleich Zeit und Ort davon nicht genau anzugeben vermochte. Baron Mecséry werde übrigens den erhobenen Beschwerden auf den Grund sehen und sich mit der Ersetzung des Polizeidirektors beschäftigen, eine allerdings nicht leichte Aufgabe, da die Auswahl nur klein ist, zumal man nicht bis zu ganz jungen Beamten hinabgreifen kann.

Se. Majestät der Kaiser geruhten zu bemerken, daß Allerhöchstdieselben den bezüglichen Anträgen entgegenzusehen geruhen6. Übrigens können neben der Polizei auch die Kriegsgerichte nicht von Fahrlässigkeit freigesprochen werden, indem der Umstand laut genug spricht, daß die Zivilgerichte Individuen für schuldig erkannt haben, die von den ersteren losgesprochen worden waren.

Auf die Gendarmerie übergehend, geruhten Se. k. k. apost. Majestät zu erwähnen, daß bezüglich derselben zwei Wünsche in Anregung gebracht worden seien: deren Vermehrung und eine andere Stellung derselben zu den politischen Organen. Für das letztere spreche der Umstand, daß die Wirksamkeit der an sich sehr preiswürdigen italienischen Gendarmen durch die ihnen vorgesetzten, entweder schlechtgesinnten oder furchtsamen Distriktskommissäre, welche nichts sehen, weil sie nicht sehen wollen, in den meisten Fällen gelähmt wird. Man könnte vielleicht die Gendarmerie bis auf einen gewissen Punkt von den politischen Behörden emanzipieren und die Genderamerieoffiziers für die Sicherheit und Ordnung in ihrem Bezirke verantwortlich machen. Dem Vernehmen || S. 93 PDF || nach bestand im lombardisch-venezianischen Königreiche vor 1848 bereits ein solches Verhältnis, und man könnte sich daher dasselbe zum Muster nehmen. Der Staatsminister, welcher sich über diesen letzteren Punkt sofort näher informieren wird, bemerkte vorläufig, daß eine Modalität gefunden werden dürfte, der dortigen Gendarmerie eine größere Selbständigkeit ohne Lösung des Bandes derselben mit den Zivilautoritäten zu verleihen. Das wäre allenfalls dadurch zu erreichen, daß der Gendarmerieoffizier mit dem Delegaten in Verbindung bliebe sowie auch das System in den höheren Instanzen nicht geändert würde. Der schädliche Antagonismus der Gendarmerie mit den Zivilbehörden würde dadurch hintangehalten. Der Staatsminister wird hierüber sowie bezüglich der dem Minister Ritter v. Lasser nur erwünschten Vermehrung des Standes der Gendarmerie im lombardisch-ventianischen Königreiche Allerhöchstenortes die au. Anzeige erstatten7.

II. Reduktion des Erfordernisses im Staatsvoranschlag für 1865 um 15 Millionen Gulden

Die das Komitee für die Budgetverhandlungen im Reichsrate bildenden Minister8 haben sich nach dem in der Konferenz am 10. d. M. gefaßten Ah. Beschlusse bereits mit der einer Gesamtreduktion von 15 Millionen entsprechenden Verminderung des Erfordernisses ihrer Zweige beschäftigt, und der Staatsminister glaubt, es wären die Chefs der übrigen Verwaltungszweige aufzufordern, daß jeder die entsprechende Reduktion in seinem Bereich vornehme und den bezüglichen reduzierten Voranschlag dem Komitee zur Zusammenstellung mit den übrigen in ein Haupttableau übersende.

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer sicherte zu, diese Aufforderung sofort mit Anberaumung eines Termines bis 18. d. M. zu erlassen. Der Kriegsminister äußerte, er sei mit der Revision des Armeebudgets fertig, und das Ergebnis seien zwei Alternativen mit einer Ersparung von 5 Millionen nach der ersten und 7 Millionen nach der zweiten. Die letztere würde, nebst einer Reduktion von 54.000 Mann im Lokostande, noch die Auflassung von Batteriebespannungen in Italien bedingen, gegen welche erhebliche Bedenken streiten. Die bis zum Minimum des Friedensetats herabreichende Standesverminderungen würden die Folge haben, daß gar keine Mannschaft mehr zur Steuerexekution kommandiert werden könnte.

|| S. 94 PDF || Der Staatsminister erklärte schließlich, daß der Abstrich von 15 Millionen jedenfalls das Ultimatum der Reduktion am Staatsvoranschlage für 1865 zu bilden hätte9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 23. Jänner 1865. Empfangen 23. Jänner 1865. Erzherzog Rainer.