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Nr. 525 Ministerrat, Wien, 5. Jänner 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 5. 1.), Nádasdy, Schmerling, Lasser, Zichy, Mažuranić, Privitzer; BdR. Erzherzog Rainer 16. 1.

MRZ. 1329 – KZ. 122 –

Protokoll über die am 5. Jänner 1865 stattgefundene Konferenz unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

Gegenstand der Besprechung war die Frage wegen Einberufung I. des ungarischen und II. des kroatisch-slawonischen Landtages.

I. Einberufung des ungarischen Landtags

Nach Eröffnung der Debatte von Seite des Grafen Zichy einigte sich die Konferenz in der Ansicht, daß es insbesondere die allgemeinen derzeitigen Verhältnisse der Monarchie erheischen, die Einberufung des ungarischen Landtages nach Möglichkeit zu beschleunigen1.

Abgesehen von dem lauten, obgleich von Parteibefangenheit nicht freien, jedoch gleichmäßig beharrlichen Drängen aus allen Schichten der Bevölkerung Ungarns liefern hiefür sowohl die Verhandlungen im versammelten Reichsrat2 als die einschneidenden Reklamationen der Tagesblätter und die anderweitigen Kundgebungen der öffentlichen Stimmung aus den übrigen Teilen der Monarchie eine auffällige Zeugenschaft, deren Gewicht umso weniger unterschätzt oder verkannt werden kann, da es gewissermaßen zum landläufigen politischen Schlagworte geworden ist, daß aus den Nöten der Verfassungswirren kein Ausweg zu finden sei, wenn nicht Ungarn ehestens Gelegenheit geboten wird, seinerseits über die wieartige [sic !] Lösung der obschwebenden Differenzen auf dem eigenen Landtage sich auszusprechen. Obschon daher nach wie vor anerkannt wird, daß in einer systematischen, den Zuständen in den übrigen Teilen der Monarchie mehr analogen Reorganisierung der politischen Verwaltung und der Gerichtspflege || S. 65 PDF || in Ungarn eine größere Gewähr für einen den Gesamtinteressen der Monarchie günstigen Verlauf des ungarischen Landtages liegen dürfte, als wenn zur Abhaltung desselben unter Beibehaltung der gegenwärtigen Provisorialeinrichtungen getreten wird, so muß doch heute das vorwiegende Moment ins Auge gefaßt werden, wonach es der politischen Lage mehr entspricht, den ungarischen Landtag je früher zu berufen, selbst auf die Gefahr hin, daß er die von der Tagung desselben vielseitig angehofften Früchte gar nicht oder doch nicht in dem erwünschten Maße zur Reife bringen wird. Hieraus fließt, daß vor dem drängenden Erfordernisse der baldigen Einberufung des ungarischen Landtages jedes in anderweitigen Opportunitätsrücksichten wurzelnde Bedenken in den Hintergrund gestellt werden müsse. Die Konferenz gelangte demnach zu dem einmütigen Beschlusse, die Einberufung des ungarischen Landtages für die zweite Hälfte des laufenden Jahres derart in Aussicht zu nehmen, daß für die Berufung des kroatisch-slawonischen Landtages, der vor dem ungarischen zu tagen haben wird, ungefähr die Mitte Aprils, spätestens unmittelbar nach den Osterfeiertagen, der Termin des Beginnes seiner Wirksamkeit anberaumt werde, bis zu welcher Zeit auch die Session des Gesamtreichsrates geschlossen sein dürfte, mit dem ungarischen Landtage hingegen ungefähr 5–6 Wochen nach dem Schlusse des kroatischen begonnen werden könne, was mutmaßlich mit dem Ende des Monates September, Oktober, spätestens mit dem Anfange Novembers zusammenfallen würde. Nichtsdestoweniger wäre jedoch mit den erforderlichen Vorbereitungen derart sich zu beeilen, daß eventuell auch zu einer früheren Berufung des ungarischen Landtages geschritten werden könne3.

Von dem obigen Gesichtspunkte ausgehend, erkannte die Konferenz, daß von einer vorläufigen Durchführung der in Angriff genommenen Entwürfe für die Organisierung der Gerichtspflege4 und der politischen Verwaltung, indem der letztere noch im ersten Stadium der Verhandlung beim Finanzministerium sich befindet5, wegen Kürze der verfügbaren Zwischenzeit füglich nicht mehr die Rede sein könne. Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste vorsitzende Herr Erzherzog Rainer äußerte sohin sein Vorhaben, die Einleitung treffen zu wollen, damit der Justizorganisierungsentwurf vom Ah. Kabinette in geeigneter Weise an die ungarischen Hofkanzler zurückgelange.

Die Konferenz war weiters der Ansicht, daß es sodann Aufgabe des Hofkanzlers sein werde, aus eigener Initiative einen au. Vortrag zu erstatten, worin Se. Majestät au. gebeten würde: a) um die Ermächtigung, den vorzulegenden Entwurf der Gerichtsorganisierung unter Festhaltung des aus den Schlußberatungen im Staatsrate und in dem Ministerrate hervorgekommenen Resultates in Form einer königlichen Präposition dem || S. 66 PDF || nächsten ungarischen Landtage zur Beratung vorzulegen; b) zu befehlen, daß die Septemviri sofort grundsätzlich verpflichtet und gehalten seien, die an die Septemviraltafel gelangenden Prozesse etc. selbst zu referieren; c) daß die bestehenden Distriktualtafeln im Delegationswege mit einigen Agenden der königlichen Tafel (Kriminalien, Waisen-, Kuranden-, Grundbuchssachen) als Gerichtshöfe zweiter Instanz aushilfsweise betraut und das Assessorium derselben nach dem sich ergebenden strengen Dienstbedarfe provisorisch vermehrt werde; die köngliche Tafel hingegen in ihrer dermaligen Verfassung und vorderhand mit dem gegenwärtigen Dienstpersonale unberührt belassen werde, um hiedurch bei der durch die Erweiterung der Kompetenz der Distriktualtafeln und der Verpflichtung der Septemviri zum Referate ihr zugehenden Geschäftserleichterung dieselbe in die Lage zu versetzen, die anwachsenden Rückstände vollständig zu bewältigen; d) die Maßnahmen zu beantragen, welche mit der Aufhebung der Kriegsgerichte zugleich ins Leben zu treten haben werden. Die etwaige Aufstellung eines eigenen Gerichtshofes erster Instanz für die privilegierten Verbrechen, Preßvergehen und bezüglich des Schutzes der Beamten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit bliebe für die Behandlung dieses Punktes eine offene Frage6.

In betreff des Preßgesetzes wurde von der Konferenz angenommen, daß anzuknüpfen sei an den Ministerratsbeschluß, demzufolge anerkannt wurde, daß die Preßordnung vom Jahre 1852 auch im Grunde des Oktoberdiploms in Ungarn heute noch in Kraft besteht, und daß diese Preßordnung bloß mit einem Anhange, der die in der ungarischen Gesetzgebung mangelnden bezüglichen Strafbestimmungen zu enthalten haben würde, zu ergänzen sei7.

Als vorbereitende Schritte zur Einberufung des Landtages wurden in ganz allgemeiner Weise, ohne daß Beschlüsse hierüber gestellt wurden, berührt: die sofortige Angriffsnahme der Ergänzung der schwebenden Obergespansernennungen; die Konstituierung des Landtagsdepartements; die Ermittlung der Wahlbezirke; die etwaige Quirierung der Stuhlrichter in Absicht auf die eingreifende Leitung der Wahlbezirke; die Vorsorge, daß die Regierung Vertreter ihrer Propositionen und Führer der Regierungspartei im Unter- und Oberhause des Landtages habe; die Fonds für die gesetzliche Einflußnahme; daß der Hofkanzler bdurch Ag. Verleihung eines erledigten Regni Baronatesa selbst im Oberhause einen eminenten Sitz einnehmen könne; wer Präsident des Oberhauses sein soll; die Bestimmung des Ortes, wo der Landtag abzuhalten sei, etwa in Preßburg; was sonst noch an königlichen Propositionen vorzubereiten sei8.

II. Einberufung des kroatisch-slawonischen Landtags

Die Einberufung des kroatisch-slawonischen Landtages wäre nach Ansicht der Konferenz derart in Aussicht zu nehmen, daß für die Berufung desselben ungefähr die || S. 67 PDF || Mitte Aprils, spätestens unmittelbar nach den Osterfeiertagen, der Termin des Beginnes seiner Wirksamkeit angeordnet werde.

Da in Kroatien keine Landtags- und Landtagswahlordnung besteht, indem die von den Jahren 1848 und 1861 nur für die Landtage der Jahre 1848 und 1861 Geltung hatten, die sofortige Oktroyierung einer Landtagswahlordnung aber für den nächsten Landtag inopportun erscheint, wäre nach dem schließlich von allen Konferenzmitgliedern geteilten Antrage des kroatisch-slawonischen Hofkanzlers vor allem eine Banalkonferenz zusammenzurufen, die sowohl bezüglich einer angemessenen Reduktion der übermäßig großen Zahl der Landtagsdeputierten ihre Anträge zu stellen als auch die bestehenden Mängel in der 1848er und 1861er Wahlordnung zu erläutern hätte. Mit dem diesfalls an den Ban zu erlassenden Ah. Reskripte wäre keine Ausarbeitung hierüber an die Banalkonferenz zu leiten, nur die Mängel dieser Wahlordnungen wären anzudeuten, die die Banalkonferenz zu erläutern hätte. Dem Ban wäre aufzutragen, daß die Anträge der Banalkonferenz bis Ende dieses Monates der kroatisch-slawonischen Hofkanzlei vorgelegt werden, wo dann noch genug Zeit sein wird, den in Aussicht genommenen Landtagseröffnungstermin einzuhalten. Das Elaborat der Hofkanzlei über eine neue Landtags- und Wahlordnung wäre als königliche Proposition dem nächsten Landtage vorzulegen9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 16. Jänner 1865. Empfangen 16. Jänner 1865. Erzherzog Rainer.