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Nr. 513 Ministerrat, Wien, 14. November 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 17. 11.), Mensdorff, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Kalchberg; außerdem anw. Feistmantel (bei IX); BdR. Erzherzog Rainer 2. 12. Teildruck (I): BLAAS, Rivolta friulana 141.

MRZ. 1317 – KZ. 3594 –

Protokoll des zu Wien am 14. November 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Proklamierung des Standrechts gegen die Banden im Friaul

Der Kriegsminister referierte über die Maßregeln, welche der Kommandierende General FZM. Ritter v. Benedek einvernehmlich mit dem Statthalter Ritter v. Toggenburg zu ergreifen nötig findet, um dem zunehmenden Bandenunwesen im Friaul auf energische Weise ein Ende zu machen. Diese Versuche in Venetien, ein Brigantaggio zu installieren, verbreiten nämlich Beunruhigung, werden in übertriebener Weise dargestellt und geben Stoff zu unliebsamen Gerüchten und Agitationen im In- und Auslande1. FML. Ritter v. Franck las das diesfällige Proklam2 über die Verhängung des Standrechts in den Gegenden zwischen der Piave und dem Tagliamento in den Bezirken von Maniago, Spilimbergo, etc.

Der Ministerrat fand gegen diese, wie der Staatsminister und Freiherr v. Mecséry bemerkten, ganz in der Kompetenz des FZM. Ritter v. Benedek gelegenen Maßregeln, nichts zu erinnern.

II. Ah. Gnadenakt zugunsten der galizischen politischen Sträflinge

Der Polizeiminister referierte über die Opportunität eines Ah. Gnadenaktes zugunsten der wegen politischer Verbrechen oder Vergehen in Galizien von den Kriegsgerichten Verurteilten, eine Frage, worüber das Gutachten der galizischen Statthalterei vorliegt3.

Es stehen sich in dieser Beziehung von beiden Seiten gewichtige Gründe gegenüber. Dagegen: daß man in der galizischen Angelegenheit noch zu keinem Abschnitt gelangte || S. 275 PDF || und der Belagerungszustand noch aufrecht erhalten werden muß; daß manche der Begnadigten ihre Freiheit zu neuen Umtrieben mißbrauchen werden; daß man die Begnadigung nicht leicht in einer Weise formulieren kann, welche nicht zu weit greifen würde. Dafür: daß die jetzige Milderung des Belagerungszustandes mit dem Gnadenakte in Verbindung gebracht würde; daß dadurch zugleich den vielen dringenden speziellen Bitten um Begnadigung wenigstens zum Teil willfahrt werden könnte; daß die russische Regierung selbst bereits einige Milderung hat eintreten lassen; daß ein Ah. Gnadenakt in diesem Augenblick als spontan und nicht als durch eine Pression von Seite des Reichsrates bewirkt erscheine; daß der Eindruck im Ausland vorteilhaft wäre; daß endlich dadurch die Interessen der öffentlichen Ordnung nicht gefährdet erscheinen, da dem Kommandierenden General und den Militärbehörden die wirksamen Aktionsmittel noch immer unbenommen blieben.

Wenn bei diesen Prämissen ein Ah. Gnadenakt ungefährlich wäre und selber gerade in diesem Moment am Platz sein dürfte, tritt die weitere Frage heran, welche Ausdehnung derselbe zu erhalten hätte. Es wäre nicht angezeigt, denselben auf Personen zu beziehen, deren Schuldgrad oder deren Schuld überhaupt noch nicht durch rechtskräftige Urteile festgestellt ist, auch nicht auf Personen, welche sich der Untersuchung entzogen haben, ja sogar ihr subversives Treiben fortsetzen, endlich hätte die kaiserliche Begnadigung keinen größeren Umfang zu erhalten, als ohne Gefahr für Ordnung und Ruhe im Land zulässig erscheint. Nach dem Gesagten würde also der weiteste Umfang des Gnadenaktes nur innerhalb der bereits durch rechtskräftige Urteile und Erkenntnisse zu Ende geführten kriegsrechtlichen Untersuchungen zu suchen sein. Bei noch nicht rechtskräftigen Urteilen würde nämlich durch die Begnadigung einer Schuldlossprechung in höherer Instanz vorgegriffen. Die nötige Beschränkung des Gnadenaktes könnte auf dreifache Weise eintreten, und zwar entweder durch eine spezielle Auswahl der abgeurteilten oder ab instantia losgesprochenen Personen, oder durch die Auswahl einzelner Gattungen strafbarer Handlungen, oder nach der Höhe der verhängten Strafen. Bei keiner dieser drei Arten von Beschränkungen läßt sich ein vollkommen stichhältiges Prinzip feststellen. Unausweichlich würde man sich der Gefahr aussetzen, würdigere, minder gefährliche Personen übergangen, unwürdige und gefährlichere begünstigt zu haben. Man würde Handlungen von der Strafe befreien, welche vielleicht mit weit sträflicherer Absicht begangen wurden als jene, die in den Gnadenakt nicht fallen, man würde vielleicht höchst bedenkliche Personen, welche zu einer niedrigeren Strafe verurteilt sind, befreien, während andere, zu höheren Strafen Verurteilte, einer Begnadigung weit würdiger wären. Es erscheine daher im Interesse der Sache ebenso wie in jenem der Großartigkeit des Gnadenaktes wünschenswert, keine dieser Beschränkungen in Anwendung zu bringen, sondern den Akt der Ah. Gnade in möglichst weiter Ausdehnung zu beantragen. Hiernach dürfte folgender Entwurf eines Ah. Erlasses an den Kriegsminister au. unterbreitet werden: „Allen jenen Personen, gegen welche durch die Kriegsgerichte für Galizien und Krakau nach den Normen des Belagerungszustandes wegen strafbarer Handlungen politischer Natur rechtskräftig gewordene Urteile und Erkenntnisse, mittels welcher die Beschuldigten nicht ganz schuldlos erklärt sind, kundgemacht wurden, bewillige Ich aus Gnade die volle Nachsicht der Strafe sowie aller übrigen gesetzlichen Folgen jener Urteile und Erkenntnisse. Hiernach haben Sie || S. 276 PDF || im Einvernehmen mit dem Justiz-, Staats- und Polizeiministerium das weitere zu veranlassen.“ Minister Baron Mecséry motivierte den Zwischensatz „nach den Normen des Belagerungszustandes“ durch die Absicht, von der Begnadigung die gewesenen k. k. Militärs auszuschließen, welche schon nach ihrem Stande und nicht nach den Normen des Belagerungszustands von den Kriegsgerichten abgeurteilt wurden. Die Ah. Nachsicht der Folgen des Urteils involviere die Beibehaltung des Adels, dann die Rehabilitierung zu Landtags- rücksichtlich Reichsratsabgeordneten. Zu denselben gehören Baron Baum, v. Haller, v. Hubicki, Ritter v. Benöe und v. Rogawski.

Der Polizeiminister beleuchtete hierauf die konkreten Konsequenzen der Ah. Gnade. Die Zahl der von den Kriegsgerichten bis Ende Oktober erledigten politischen Strafamtshandlungen betrug 1.759, darunter 1.240 Verbrechen. Der bei weitem größte Teil der Abgeurteilten hat seine Strafzeit überstanden. Auf den Festungen befinden sich in Haft: ein zu 10–20jährigem Kerker (Czarnecki), 13 zu 5 – 10jährigem Kerker (darunter Graf Tarnowski) und 39 zu 1–5jährigem Kerker verurteilte Verbrecher. In galizischen Detentionsorten befinden sich noch 253 Individuen, die zu 6 Monaten bis 1 Jahr verurteilt wurden. Anhängige Untersuchungen: 802. Daß auch nach Beendigung dieser letzteren Untersuchungen Gnadenakte eintreten müssen, ist wohl eine notwendige Folge. Im Fall der Ministerrat sich den soeben entwickelten Anträgen anzuschließen fände, wäre hierüber vom Kriegs-, Justiz-, Staats- und Polizeiminister ein gemeinschaftlicher au. Vortrag zu erstatten.

Der Minister des Äußern bemerkte, daß, so wie bei dem bekannten polnischen Nationalcharakter selbst strenge Strafen nicht als Abhaltungsgründe von revolutionären Umtrieben wirken, so sei auch nicht zu besorgen, daß der in Rede stehende Gnadenakt eine nachteilige Wirkung üben würde. Der Staatsminister erhob keinen Anstand gegen den Ah. Gnadenakt an sich, vorausgesetzt, daß er jetzt ohne Verzug erfolge, wohl aber gegen die beantragte große Ausdehnung desselben, welche gegen das Ansehen der Gerichte verstößt und selbst schwer gravierten Individuen zugute käme, die man nicht sofort in alle politischen Rechte einsetzen kann. Es wäre daher angezeigt, die volle Nachsicht der Strafe mit allen Folgen auf jene Verbrecher zu beschränken, die zu keinem längeren als einjährigen Kerker verurteilt wurden. Den schwerer Gestraften wäre bloß die Hälfte der Strafzeit und selbstverständlich keine Folge der Strafe zu erlassen. Minister Ritter v. Lasser ist prinzipiell für die Maßregel, zwar nicht, weil er davon eine gute Wirkung ain Galiziena erwartet, sondern wegen des Eindruckes im Auslande, bund weil, wenn etwa Rußland oder Preußen in dieser Richtung den Anfang machen würden, ihm dies für Österreich nicht wünschenswert erschieneb . Übrigens würde er auch eine Begrenzung der Strafnachsicht, ungefähr nach dem vom Staatsminister angedeuteten Maßstabe, für angezeigt halten. Bei den noch in Untersuchung Stehenden hätte das gesetzliche Ausmaß für das ihnen zur Last gelegte Vergehen als Richtschnur zu dienen, cbei den Abgeurteilten aber die zuerkannte Strafdauerc .

|| S. 277 PDF || Minister Graf Esterházy , im Prinzipe mit dem Polizeiminister einverstanden, dspricht sich bezüglich der Grenzen des Gnadenakts für individuelle Begnadigungen aus, und zwar hauptsächlich wegen der großen Schwierigkeit, diesfalls Kategorien festzustellen, ohne sich mehrfachen Vorwürfen von Ungerechtigkeit oder Unbilligkeit und anderweitigen politischen Unzukömmlichkeiten auszusetzend . Dem Staatsratspräsidenten erscheint jeder Gnadenakt in diesem Augenblicke als eine Abschwächung des Belagerungszustandes und eine Lähmung der Aktion der Gerichte, welche darin der Aufforderung zu milderen Urteilssprüchen finden werden. Wenn aber ein Gnadenakt Allerhöchstenorts beabsichtigt wäre, müsse Freiherr v. Lichtenfels, gleich dem Staatsminister, auf eine Beschränkung desselben antragen. Bemerken müsse er in bezug auf den vorgelesenen Resolutionsentwurf, daß bei früheren Amnestieakten die schwebenden Untersuchungen jederzeit niedergeschlagen wurden, und daß es nicht billig wäre, diejenigen, deren Strafurteile noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind, von der Begnadigung unbedingt auszuschließen, ohne Unterschied, ob die spätere definitive Urteilsschöpfung ihnen zur Last fällt oder nicht. Minister Ritter v. Hein äußerte, daß er sich dem Antrag auf einen solchen Gnadenakt, solang der Belagerungszustand in Galizien auch nur teilweise aufrecht erhalten wird, nicht anschließen könne. Es würde eine halbe Maßregel sein, die niemand befriedigen werde und die jedermann als durch die Scheu vor dem Reichsrat abgenötigt erkennen dürfte. Sollte gleichwohl ein Ah. Gnadenakt jetzt schon eintreten, so müsse Votant den vom Staatsminister vorgeschlagenen Beschränkungen zustimmen, wie auch den vom Staatsratspräsidenten bezüglich des Resolutionsentwurfs erhobenen Bedenken. Überhaupt wäre es nötig, vorläufig die Grundsätze sowohl als die Textierung des beschränkten Gnadenaktes einer reiflichen Erwägung zu unterziehen und dabei auch die von den Zivilgerichten in Galizien vor Verhängung des Belagerungszustandes sowie die von den Zivilgerichten in anderen Provinzen vor und während des Belagerungszustandes über galizische politische Verbrecher abgeführten Untersuchungen und geschöpften Urteile zu berücksichtigen. Der Kriegsminister schloß sich dem Antrage der Vorstimme an. Minister Graf Nádasdy erklärte sich gegen einen Gnadenakt, indem nach der Erfahrung Revolutionärs durch Gnade nicht gebessert werden. Dem ungarische Hofkanzler erscheint der gegenwärtige Moment zu einer allgemeinen Begnadigung umso weniger geeignet, als die Emigrierten gerade jetzt heftig agitieren und die Ausführung ihrer Projekte im Frühjahr verkünden. Die kaiserliche Gnade dürfte vorderhand sich darauf beschränken, einzelnen Verirrten, welche darum bitten und die nicht besonders gefährlich sind, die Nachsicht zu gewähren. In ähnlicher Weise sprach sich der Leiter des Handelsministeriums aus, und somit erklärte sich die Stimmenmehrheit gegen den au. Antrag auf einen generellen Gnadenakt im gegenwärtigen Zeitpunkte4.

III. Mildere Behandlung der politischen Sträflinge in den Bukowinaer Strafanstalten

Minister Ritter v. Hein referierte, daß, nachdem der Beschluß des Ministerrates über die relativ bessere Behandlung der politischen Sträflinge in den Detentionsanstalten Galiziens5 streng genommen auf die gleichen Sträflinge in der Bukowina keinen Einfluß haben könne, er sich veranlaßt sehe, die Ausdehnung jenes Beschlusses auf die genannte Provinz zu beantragen, was umso konsequenter erscheint, als die Bukowina gleichfalls zum Sprengel des Oberlandesgerichts in Lemberg gehört.

Die Stimmenmehrheit war hiemit einverstanden und der Polizeiminister deutete an, daß die gleichen Erleichterungen auch den in Mähren befindlichen Sträflingen derselben Art wohl nicht vorenthalten werden dürften, während Minister Graf Nádasdy überhaupt nicht einzusehen vermochte, warum galizische politische Sträflinge milder behandelt werden sollen als z. B. italienische6.

IV. Mitteilung der kaiserlichen Verordnung über die Prisengerichte an den Reichsrat

Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Marineministers vom 2. November 1864 wegen Darlegung der Gründe und Erfolge der kaiserlichen Verordnung vom 21. März 1864 bezüglich der Einsetzung von Prisengerichten und des Verfahrens bei denselben7.

Die Mitteilung der Gründe und Erfolge dieser nach § 13 erlassenen Verordnung fand der Staatsrat gleichfalls notwendig, und der Referent hält selbst die Mitteilung der Verordnung an den Reichsrat für nötig, obgleich selbe im Reichsgesetzblatte enthalten ist8, weil das letztere offiziell nur den Mitgliedern des engeren Reichsrates bekannt ist, während diese Verordnung zur Kompetenz des Gesamtreichsrates gehört. Diese Kompetenz ist die Folge folgender zwei Umstände: daß die kaiserliche Verordnung für das ganze Reich erlassen wurde, und daß es sich um die Behandlung der von österreichischen Kriegsschiffen aufgebrachten Prisen handelt. Bezüglich der Art der Mitteilung bemerkte der Staatsratspräsident, daß in Gemäßheit eines Ministerratsbeschlusses (de dato 3. November 1864 aus Anlaß der Mitteilung über die verkauften Staatsgüter)9 die Mitteilung mit einer kurzen Note und einfacher Berufung auf § 13 zu geschehen habe, welcher die Darlegung der Gründe und Erfolge als Beilage anzuschließen sein würde.

Der Marineminister fand gegen diese staatsrätlichen Anträge nichts zu erinnern. Minister Ritter v. Lasser hielt die Erlassung der kaiserlichen Verordnung „für das ganze Reich“ an sich noch nicht für ein Kriterium der Kompetenz des Gesamtreichsrates und wies dabei auf die beim engeren Reichsrate motivierten Justizausnahmen zugunsten der Aktiengesellschaften hin, welche auch „für das ganze Reich“ erlassen wurden10. eWohl aber gehöre die Sache deshalb vor den Gesamtreichsrat, weil sie nicht bloß eine Justiznorm, sondern in erster Linie eine Kriegsmaßregel seie Wohl aber || S. 279 PDF || gehöre die Sache deshalb vor den Gesamtreichsrat, weil sie nicht bloß eine Justiznorm, sondern in erster Linie eine Kriegsmaßregel sei. Dem Minister Grafen Nádasdy erschien die kaiserliche Verordnung wegen der Prisengerichte als ein Justizgesetz. Die übrigen Stimmführer erhoben jedoch gegen die Anträge des Staatsrates keinen Anstand11.

V. Ratifikation des Friedens mit Dänemark

Der Minister des Äußern brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß die Ratifikation des Friedens mit Dänemark bereits allseitig erfolgt sei12.

VI. Vorschläge des Gläubigerausschusses der Putzerschen Vergleichsmasse bezüglich der Ärarialforderungen

Der Marineminister referierte über das Resultat der Verhandlungen mit dem Kreditorenausschusse der Paul v. Putzerschen Ausgleichsmasse bezüglich der Hereinbringung der an das Eisenwerk Storé geleisteten Ärarialvorschüsse per 316.000 fl.13 Der Ausschuß machte schließlich folgende Propositionen: 1. Es sei vom Ärar ein zehnjähriges Moratorium vom 1. Jänner 1865 an zu bewilligen. 2. Während dieser Zeit bringt das Ärar vom Preise aller an dasselbe gemachten Lieferungen 10% a conto der Vorschüsse in Abzug. Nach Ablauf des zehnten Jahres würde der noch bestehende Restbetrag der ärarischen Forderung bar zu bezahlen sein. 3. Vom 1. Jänner 1870 wird der Vorschußrest mit 5% bar verzinst. 4. Bei einem eventuellen Übergang der Putzerschen Werke an eine Aktiengesellschaft soll an Übertragungs- und Stempelgebühren höchstens ein Pauschalbetrag von 4.000 fl. bezahlt werden. Freiherr v. Burger bemerkte, es erübrige wohl nichts, als sich den im ganzen relativ zu den Verhältnissen noch billigen Bedingungen 1. bis 3. zu unterwerfen; denn nachdem das Ärar mit seiner Forderung nicht in der ersten Hypothek steht, dürfte dieselbe wesentlich gefährdet sein, wenn das Ausgleichsverfahren durch Zurückweisung der Propositionen scheitern würde. Das Ärar ist somit dabei interessiert, daß es nicht zum Bruch komme. Der Punkt 4. betrifft einen ausschließend zur Kompetenz des Finanzministeriums gehörigen Gegenstand.

Minister Edler v. Plener teilt die Ansicht des Referenten, daß es durch die Vorsicht geboten sei, das Zustandekommen eines Ausgleichs und die Übernahme der Werke durch eine Aktiengesellschaft durch eine gewisse Nachgiebigkeit zu ermöglichen und auf die Bedingungen 1. bis 3. einzugehen, zumal der Fortbestand der Werke zu Storé im volkswirtschaftlichen wie im finanziellen Interesse, dann zur Erhaltung einer nützlichen Konkurrenz bei den Lieferungen für die Marine wünschenswert ist. Auf die 4. Proposition, so wie sie gestellt ist, könne das Finanzministerium jedoch dermal nicht eingehen, da es nicht angezeigt wäre, ein Gebührenpauschal ohne alle Prüfung des Wertes der zu übertragenden großartigen Besitztümer festzustellen.

|| S. 280 PDF || Von Seite der übrigen Stimmführer wurde hierüber nichts bemerkt14.

VII. Motivierung von drei finanziellen Vorlagen bei der Einbringung im Reichsrat

Der Ministerrat hat beschlossen, daß die Vorlagen an den Reichsrat in der Regel ohne Motivierung einzubringen [sind]15. Der Finanzminister brachte daher zur Kenntnis, daß er ausnahmsweise die nachfolgenden Vorlagen motiviert einzubringen gedenke: 1. Die Entwürfe der neuen Steuergesetze16 wegen des Umfanges und der Wichtigkeit dieser Vorlage. 2. Den Antrag auf Verminderung der Personalsteuern in Siebenbürgen17, da eine Darlegung der eigentümlichen Verhältnisse bezüglich dieses Gegenstandes zum Verständnis des Antrages unentbehrlich ist. 3. Das Gesetz wegen Herabsetzung der Verzehrungssteuer auf gebrannte geistige Getränke18, weil der Antrag wesentlich auf gewissen statistischen Daten beruht, die nur die Regierung zu liefern in der Lage ist.

Gegen diese vom Finanzminister beantragten ausnahmsweisen Motivierungen ergab sich von keiner Seite eine Erinnerung, und Minister Edler v. Plener wird sofort die finanziellen Vorlagen am 17. d. M. im Abgeordnetenhause einbringen.

VIII. Motivierung von zwei Vorlagen des Marineministers bei der Einbringung im Reichsrat

Der Marineminister brachte zur Kenntnis, daß auch er zwei Vorlagen an den Reichsrat mit kurzen sachlichen Begründungen des besseren Verständnisses wegen zu begleiten gedenke, nämlich den Gesetzentwurf über die Tonnengebühren19 und jenen über die Subvention des Österreichischen Lloyd20. Der Ministerrat fand dagegen nichts zu erinnern.

Der Staatsratspräsident machte aufmerksam, daß die bei Einbringung einer Regierungsvorlage im Reichsrate gegebenen Motivierungen gewissermaßen als der Meinungsausdruck der Regierung erscheinen und daher einer größeren Vorsicht bedürfen als die Begründungen und Erklärungen in den Ausschüssen, welche nur den Charakter der individuellen Meinung des bezüglichen Ministers tragen, worauf der Finanzminister erwiderte, daß seiner Meinung nach auch die einbegleitenden Motivierungen einer Vorlage nur als vom Fachminister ausgehend gelten könnten.

IX. Maßregeln zum Schutz des Staatsforstes Montello und zur Unterstützung der Nachbargemeinden

Der Staatsratspräsident referierte über den Vortrag des Finanzministers vom 19. Oktober 1864 betreffend die zum Schutze des Staatsforstes Montello (Provinz Treviso) und || S. 281 PDF || zur Unterstützung der erwerbsbedürftigen Nachbargemeinden zu ergreifenden Maßregeln21.

Der für die Kriegsmarine gewidmete große Wald Montello wird seit undenklichen Zeiten von den angrenzenden Gemeinden benützt und nicht selten devastiert, ohne daß Forstaufsicht, Strafen und selbst Militärassistenz dem Unwesen zu steuern vermochten, zumal die dortigen armen Bewohner zu ihrer Existenz eben auf die Produkte jenes Waldes gewiesen sind. Um den diesfälligen Exzessen und Agitationen zu begegnen, wurden mit Ah. Handschreiben vom 25. August 1846 den Gemeinden gewisse Nutzungen förmlich zugestanden22. Als seit 1848 die Devastationen im großen Maßstabe wiederkehrten, wurden diese Nutzungen strafweise von der Finanzverwaltung wieder eingestellt und Repressivmaßregeln angewendet, welche wenig fruchteten und die Aufregung so steigerten, daß endlich die Landesbehörden wegen Abhilfe in eine Verhandlung traten, in Folge welcher divergierende Anträge an das Finanzministerium gelangten. Dasselbe beschloß hierauf, den hilfsbedürftigen Bewohnern der Nachbargemeinden im Wald selbst Arbeit zu geben, denselben sofort besser zu kultivieren und durch Gendarmerie sowie durch Finanzwache sorgfältiger bewachen zu lassen, und erbat sich von der Ah. Gnade, daß den ärmeren Bewohnern der gedachten Gemeinden nach Maßgabe ihrer Bedürftigkeit und nach Zulässigkeit mit Rücksicht auf den wirtschaftlichen Zustand des Forstes ausnahmsweise der unentgeltliche Bezug von Nebenforstprodukten (Gras, Laub, Ast- und Klaubholz etc.) zugestanden werde23. Das Staatsministerium war jedoch nach dem Antrage der Statthalterei weiter gegangen und hatte in seiner an das Finanzministerium gerichteten Note24, festhaltend an die Ah. Zugeständnisse von 1846, beantragt, daß der Genuß der Nebenprodukte bestimmt und gehörig begrenzt den Gemeinden zuerkannt und außerdem denselben noch ein jährliches Quantum von 200–300 Klaftern Brennholz zur Verteilung an arme, alte und schwächliche Gemeindeglieder unentgeltlich aus dem Walde erfolgt werde. Der Staatsrat25 teilte im wesentlichen diese Meinung und beantragte daher folgenden Passus in der Ah. Resolution: „Anlangend die den Bewohnern der Nachbargemeinden des Forstes Montello zu gewährenden Begünstigungen ist sich künftig wieder nach den Bestimmungen der kaiserlichen Entschließung vom 25. August 1846 zu benehmen und das Maß derselben unter gehöriger Rücksicht auf die Verträglichkeit mit der Forstkultur genau und deutlich vorzuzeichnen.“

|| S. 282 PDF || Der Finanzminister hob die Wichtigkeit dieses Waldes für die Kriegsmarine hervor, wonach dessen möglichste Schonung geboten erscheint. Die Ah. Zugeständnisse vom Jahre 1846 gingen zu weit, und wurde die Einheimsung der Nebenprodukte zu Devastationen und Diebereien mißbraucht, fund es sind dieselben mit Hinblick auf den herabgekommenen Zustand des Forstes gegenwärtig gar nicht mehr erfüllbar, wenn nicht der Forst ganz zugrunde gehen soll. Man kann daher auf dieselben nicht mehr zurückkommen, sondern es erscheintf angezeigt, dieses Zugeständnis quantitativ und qualitativ zu beschränken und dem freien Eingang der Landleute in den ganzen Wald zu steuern. Zur Erreichung des letzteren Zweckes würde der Finanzminister selbst ein jährliches fixes Reichnis an Holz zugestehen. Ministerialrat Ritter v. Feistmantel (der zu dieser Beratung in die Ministerkonferenz berufen worden war) äußerte, er habe den Forst Montello in den fünfziger Jahren besichtigt und sich von dessen devastiertem Zustande überzeugt, der seitdem noch Fortschritte gemacht hat. Es gibt in der Umgegend viele Proletarier, welche gewohnt sind, auf Unkosten dieses Forstes zu leben. Will man denselben erhalten, muß man die Unfüge mit energischer Hand unterdrücken, sonst wäre es für das Ärar vorteilhafter, ihn zu verkaufen. In bezug auf den geäußerten Wunsch, die Bezüge an Holz und Nebenprodukten bleibend und genau festzusetzen, müsse bemerkt werde, daß das Quantum dieser Reichnisse nach Maßgabe der Umstände vielmehr veränderlich sein sollte, wenn man nicht dem Waldbestande in manchen Jahren schaden will. Gestattet man das Abnehmen der Äste unbedingt, so werden die schönsten Stämme durch die Steigeisen bleibend beschädigt. Verabreicht man Brennholz unentgeltlich an die Gemeinden, so verkaufen sie dasselbe und decken ihren Bedarf nach wie vor durch Diebereien. Hauptsache bleibe es, den dort wohnenden Proletariern Verdienst durch Arbeit zu geben, was bisher nicht genügend stattfand und sie zu Diebereien trieb. Der Staatsratspräsident erwiderte, der Mißbrauch, der mit Klaub- und Astholz getrieben wird, sei notorisch und finde überall statt; dies sei aber kein Grund, im Forste Montello einen Bezug einzustellen, an den die Leute seit Jahrhunderten gewohnt sind. Andererseits sei die Finanzverwaltung auch nicht ermächtigt gewesen, die Ag. Zugeständnisse vom Jahre 1846 ohne weiters zu schmälern. Minister Ritter v. Lasser machte geltend, daß es sich hier um die Existenz einer Population von 12.000 Seelen handelt, die leben will und, wenn man ihr den Wald verschließt, nicht leben kann. Es ist ein Notstand ernster Gattung vorhanden, und daher halfen die Gewaltmaßregeln, von denen die Militärassistenz allein 13.000 fl. jährlich kostete, wenig oder gar nichts. Daher auch die nicht zu beschwichtigende Aufregung der dortigen Bevölkerung! Man täte sehr Unrecht, die Sache bloß einseitig vom Rechtsstandpunkte des Waldeigentumes und dem der Forstkultur zu beurteilen. Die Regierung muß auch den politischen Standpunkt, sie muß die gefährdete öffentliche Ruhe berücksichtigen. 200–300 Klafter Holz sind wohl kein sehr großes Objekt, mit Rücksicht auf die große Zahl von Armen in den vielen beteiligten Gemeinden. Was die vom Staatsrate formulierte Ah. Entschließung betrifft, müsse Ritter v. Lasser bemerken, daß dieselbe etwas weiter gehe als der Antrag des Staatsministeriums, welcher dahin gerichtet ist, daß sich in bezug auf die Begünstigungen der Nachbargemeinden || S. 283 PDF || nach den von der venezianischen Statthalterei gestellten Anträgen unter gehöriger Rücksicht etc. zu benehmen sei. Freiherr v. Lichtenfels fände gegen eine Textierungsmodifikation in diesem Sinne nichts zu erinnern. Der Staatsminister, der Polizeiminister und Minister Graf Nádasdy schlossen sich den Anträgen des Freiherrn v. Lichtenfels und Ritters v. Lasser an. Schließlich bemerkte der Finanzminister , daß, da die Anträge beider Ministerien im Grunde nicht wesentlich auseinanderlaufen, im kommissionellen Wege, auf Grundlage des Operats der venezianischen Statthalterei, ein völlig einverständlicher Antrag zur Schlichtung dieser Angelegenheit vereinbart und sofort der Ah. Schlußfassung unterzogen werden könnte.

Gegen die Vornahme dieses Versuches wurde von keiner Seite eine Erinnerung erhoben, und Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer forderte die Minister Ritter v. Lasser und Edler v. Plener auf, nächstens zu einer solchen Zusammentretung zu schreiten26.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 30. November 1864. Empfangen 2. Dezember 1864. Erzherzog Rainer.