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Nr. 509 Ministerrat, Wien, 7. November 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 8. 11.), Mensdorff, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Mažuranić, Kalchberg, Reichenstein 16. 11.; BdR. Erzherzog Rainer 20. 11.

MRZ. 1312 – KZ. 3452 –

Protokoll des zu Wien am 7. November 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

[I.] Thronrede bei Eröffnung der nächsten Reichsratssession

Der Staatsminister las den anverwahrten, bereits einer Vorberatung der Minister unterzogenen Entwurf der kaiserlichen Thronredea mit welcher die bevorstehende Reichsratssession von Sr. k. k. apost. Majestät eröffnet werden dürfte1.

Nach Verlesung des Entwurfs im ganzen wurde zur speziellen Erörterung der einzelnen Absätze, in welche er zerfällt, geschritten, wobei nur die nachfolgenden Punkte zu einer Bemerkung oder einem Anstande Anlaß gaben.

Zu Absatz 1 hätte Minister Graf Nádasdy gewünscht, daß statt des Ausdruckes „Nachdem … die Bedingungen eingetreten sind, unter welchen der Reichsrat … die gemeinsamen Gegenstände der Gesetzgebung zu behandeln vermag“ ein anderer gefunden werde, weil, wenngleich die Landtage von Ungarn und Kroatien seinerzeit zur Beschickung des Reichsrates aufgefordert worden sind, eine solche Ah. Aufforderung nicht speziell für diese Session erfolgt ist. Allein, er war nicht in der Lage, einen entsprechenden Ausdruck bin der Schnelligkeitb vorzuschlagen, und die verlesene Textierung, welche nach reifer Beratung als die zugleich kürzeste und richtigste beantragt worden ist, wurde vom Ministerrate beibehalten.

Abs. 4. Über Antrag des Staatsratspräsidenten modifizierte der Staatsminister die Worte: „Ich gebe Mich der Erwartung hin, daß in der östlichen Hälfte Meines Reiches verfassungsmäßige Tätigkeit … allenthalben aufs neue beginnen werde“ dahin: „daß diese Tätigkeit allenthalben aufs neue werde beginnen können.“

Abs. 14. Die vom Minister Grafen Nádasdy gestellte Frage, ob nicht der Ausspruch über die Einigkeit mit Preußen und deren Erfolge vielleicht zu viel sage, wurde vom Polizeiminister verneinend beantwortet und der Passus ungeändert belassen.

Abs. 21. Über die Bemerkung des Marineministers , daß der Ausdruck der „Ah. Befriedigung über die pünktliche Einhaltung der gesteigerten Staatsverpflichtungen“ mit Hinblick auf das noch vorhandene Defizit etc. zu Entgegnungen mancherlei Art Anlaß geben könnte, erwiderte der Finanzminister , es seien unter diesen „gesteigerten Staatsverpflichtungen“ die vermehrten Auslagen für den Feldzug gemeint, und es sei wohl ein Verdienst der Finanzverwaltung, daß sie bei den vorhandenen Krisen des Geldmarkts und ungeachtet der verminderten Steuereinzahlungen in Ungarn für || S. 246 PDF || die gesteigerten Bedürfnisse des laufenden Dienstes und namentlich auch für die Abstattungen an die Nationalbank die Geldmittel beschaffen habe. Zur Vermeidung eines Mißverständnisses dürfte der Text dieses Absatzes mit Hinweisung auf jene Verhältnisse modifiziert werden, und der Finanzminister schlug vor, er werde die diesfällige Textierung nach dem Schluß des heutigen Ministerrates mit dem Staatsminister vereinbaren, wogegen von keiner Seite eine Erinnerung erhoben wurde. Minister Edler v. Plener bemerkte, der zweite Satz des Abs. 21: „Das ernste Streben nach Ersparungen, insbesondere auf dem Gebiete des Heeresaufwandes usw.“ errege die Erwartung, daß das Armeebudget bedeutend minderer als für 1864 entfallen werde, eine Erwartung, die sich nicht verwirklichen wird und die man daher besser nicht provozieren sollte. Es wäre daher angezeigt, hier bloß von Ersparungen im allgemeinen zu sprechen. Der Kriegsminister teilte diese Meinung. Eine bedeutende Reduktion des Aufwandes für die Armee im Jahre 1865 gegenüber dem Budget für 1864 ist schon deswegen nicht möglich, weil letzteres ein Friedensbudget war. Tritt nun demgemäß die in jenen Worten angedeutete Verminderung nicht ein, so gibt dies von vornherein zu vielem Geschrei Anlaß. Gegen das Weglassen der Hinweisung auf Ersparungen bei der Armee wurde sohin vom Ministerrate keine Erinnerung erhoben2.

[In] Abs. 28 soll es, wie der Finanzminister unter Beitritt des siebenbürgischen Hofvizekanzlers bemerkte, statt „Verminderung der Personalsteuer“ heißen „der Personalsteuern“, indem es in Siebenbürgen mehrere Personalsteuern gibt.

Der Finanzminister hält es für verfrüht, im Absatze 30 die Hoffnung auszusprechen, „daß die Verhandlungen über die deutsche Zollfrage für die Feststellung des neuen Zolltarifs, welcher im Laufe dieser Session zu erfolgen hat, von erfreulicher Bedeutung sein werden“. Der Leiter des Handelsministeriums tritt dieser Meinung vollkommen bei und glaubt, man solle sich darauf beschränken zu sagen: „Die Ergebnisse derselben werden bei Feststellung des neuen Zolltarifes berücksichtigt werden“.

Im Absatz 32 ist von einem Gesetzentwurf über die Staatsgarantie die Rede, welche mehreren neuen Eisenbahnunternehmungen zu gewähren sein wird. Die Minister Baron Mecséry und Ritter v. Hein fanden, daß dieser Ausdruck zu positiv laute und daher statt dessen zu setzen wäre: „welche von mehreren neuen Eisenbahnunternehmungen angesprochen werden dürfte“. Der Staatsminister war mit dieser Modifikation einverstanden. Er wird sofort den Entwurf der kaiserlichen Thronrede nach den heutigen Beschlüssen redigieren und denselben schon am 8. d. M. Sr. Majestät au. unterbreiten3.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 29. November 1864. Empfangen 20. November 1864. Erzherzog Rainer.