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Nr. 481 Ministerrat, Wien, 14. Juli 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 14. 7.), Schmerling, Plener, Esterházy. Burger, Hein, Franck, Zichy, Geringer 22. 7.; abw. Nádasdy, Mecséry, Lasser, Lichtenfels; BdR. Rechberg 26. 7.

MRZ. 1285 – KZ. 2237 –

Protokoll des zu Wien am 14. Juli 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.

I. Gerüchte über die Ah. Reise nach Kissingen und Karlsbad

Der vorsitzende Minister des Äußern machte anläßlich der kursierenden Gerüchte über die Reise Sr. k. k. apost. Majestät nach Kissingen und Karlsbad der Konferenz die Mitteilung, daß dieselben gänzlich unbegründet sind, indem bei dieser Zusammenkunft der Monarchen weder die Erneuerung alter Verträge, noch eine Abschließung neuer Verträge je beabsichtigt wurde. Die Reise nach Kissingen1 hatte den Zweck, die seit letzterer Zeit besser gewordenen Verhältnisse mit Rußland zu konstatieren und durch persönliche Besprechung zwischen den beiden Monarchen und den Ministern zu kräftigen, welcher Zweck auch in der Tat vollständig erreicht worden sei.

In Karlsbad2 sei hauptsächlich die schleswig-holsteinische Angelegenheit3 rücksichtlich die weitere Kriegführung Gegenstand der Besprechung gewesen, und zwar zumeist in der Richtung, daß der Krieg, welcher bisher ein lokaler war, auch fernerhin lokalisiert erhalten werde. Auch dieser Zweck sei, wie man sieht, erreicht, und Graf Rechberg habe nur noch mitzuteilen, daß alle Hoffnung vorhanden sei, vielleicht heute noch eine Waffenruhe von 14 Tagen zu erlangen, welcher ein definitiver Waffenstillstand behufs Friedensunterhandlungen folgen dürfte4.

II. Gemeindestatut für die schlesische Landeshauptstadt Troppau

Der Staatsminister referierte in betreff des vom schlesischen Landtage beschlossenen Gemeindestatutes für die Landeshauptstadt Troppau mit dem Bemerken, daß das Staatsministerium die Nichtgenehmigung desselben au. beantragt, weil er die in den §§ 55, 73 und 81 der Gemeindeordnung enthaltenen Bestimmungen zu beanständen findet5.

|| S. 53 PDF || Der § 55, welcher von der Armenpflege handelt, habe eine solche allgemeine Fassung, daß dieselbe zu der Vermutung Anlaß geben könnte, als ob dem Gemeinderate die Leitung und Überwachung über alle in Troppau bestehenden Humanitätsanstalten ohne Unterschied ihrer Provenienz zukomme, und es müßte daher dieser Paragraph so textiert werden, daß man daraus sieht, daß der Gemeinderat nur jene Humanitätsanstalten, welche aus der Kommune dotiert sind, zu überwachen und zu leiten habe. Der Staatsrat erklärte sich mit dieser Auffassung des Ministeriums einverstanden.

Der § 73 wurde insoferne beanständet, als nach demselben im Falle der Sistierung von Seite des Bürgermeisters die Entscheidung der Frage, ob der Beschluß vollzogen werden kann oder nicht, von der Landesvertretung oder von der politischen Landesstelle einzuholen sei, je nachdem der Gegenstand den selbständigen oder den übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde betrifft. Diese Trennung stehe im Widerspruche mit den allgemeinen Grundsätzen über das Gemeindewesen. Erfolgt die Sistierung wegen vermeintlicher Gesetzwidrigkeit des Beschlusses, so könne das Einschreiten des Bürgermeisters nur an die politische Landesstelle gerichtet werden, welcher das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin zusteht, daß dieselbe ihren Wirkungskreis nicht überschreite und nicht gegen die bestehenden Gesetze verstoße, und müßte daher der zweite Absatz des § 73 in dieser Richtung abgeändert werden. Auch hiermit sei der Staatsrat einverstanden.

Nicht minder habe derselbe auch der Ansicht des Ministeriums beigestimmt, daß die beiden letzten Absätze des § 81 teils als überflüssig, teils, und zwar in Beziehung auf die Bestimmung, daß alle diese Geldstrafen in die Gemeindekasse fließen, als unrichtig weggestrichen werden müßten.

Die Differenz aber, welche zwischen dem Staatsrate und dem Staatsministerium sich ergeben hat und um welche es sich hier vorzugsweise handelt, betreffe die §§ 46 und 53.

Der § 46 enthalte nämlich die Bestimmung, daß Umlagen auf den Mietzins, wenn sie 5%, jedoch nicht 10% überschreiten, der Bewilligung der Landesvertretung bedürfen, und daß noch höhere Umlagen dieser Art nur kraft eines Landesgesetzes stattfinden können. Der Staatsrat berufe sich hier auf die allgemeine Norm bezüglich der Grundsätze über das Gemeindewesen (Reichsgesetz vom 5. März 1862)6 wonach – Art. XV – zur Einführung neuer Auflagen und Abgaben, welche in die Kategorie der Steuerzuschläge nicht gehören, sowie zur Erhöhung schon bestehender Auflagen und Abgaben dieser Art ein Landesgesetz erforderlich sei, und der Staatsrat meine daher, daß diesem gemäß die Landesvertretung nicht berechtigt sei, der Troppauer Gemeinde eine Vollmacht zur beliebigen Erhöhung der bestehenden Mietzinsumlage bis zu 10% zu erteilen, sondern daß jede solche Erhöhung von Fall zu Fall nur durch ein Landesgesetz auferlegt werden kann. Der Staatsminister vermöge sich aber dieser strengen Auslegung nicht anzuschließen und glaube, daß man über das staatsrätliche Bedenken füglich hinausgehen könne, weil [man] seines Erachtens in diesem Gemeindestatute, als einem Landesgesetze, dem Troppauer Gemeinderate selbst die Befugnis zu Umlagen auf den Mietzins bis zu 10% einräumen könnte. || S. 54 PDF || Nachdem es sich aber um eine Prinzipienfrage handelt, so müsse er sich hierwegen die Entscheidung der hohen Konferenz erbitten. Der Staatsrat Baron Geringer hielt die Meinung des Staatsrates aufrecht, bemerkend, daß sich derselbe hiebei an die strenge Auslegung der Hauptnorm gehalten und es bedenklich gefunden habe, der Vertretung eines Landes eine Ermächtigung zu geben, welche die anderen Landesvertretungen nicht haben. Bei der Abstimmung hierüber sprachen sich der Finanzminister und der Minister Ritter v. Hein für die strengere Auslegung rücksichtlich für die Ansicht des Staatsrates aus, während die übrigen Stimmführer der Meinung des Staatsministers beitraten, für welche sich sonach der Majoritätsbeschluß ergab.

Bei dem § 53, referierte Ritter v. Schmerling weiter, welcher das Bürgermeisteramt ermächtigt, Geldstrafen bis zu 100 fr. und Arreststrafen bis zu 20 Tagen zu verhängen, machte der Staatsrat aufmerksam, daß nach der Ah. Entschließung vom 16. September 1857 7 selbst lf. Behörden in Fällen, wo kein bestimmtes Strafausmaß verhängt ist, nur ermächtigt sind, Geldstrafen von 1 bis 100 fr. und Arreststrafen von 6 Stunden bis zu 14 Tagen zu verhängen, und daß es daher der Stadt Troppau in keinem Falle zu gestatten wäre, höhere Strafen als die lf. Behörde zu verhängen. Der Staatsminister halte seinerseits diese Sache für zu gering, um es zum Gegenstand eines Bedenkens gegen den § 53 zu machen, und glaube die Entscheidung hierüber lediglich dem Ermessen der hohen Konferenz überlassen zu sollen. Der Staatsrat Baron Geringer bemerkte, daß der Staatsrat bei diesem Votum von der Ansicht ausging, daß es unstatthaft sei, dem Stadtrate ein größeres Strafrecht einzuräumen als der k. k. politischen Behörde. Die Konferenz stimmte aber einhellig dem Staatsminister bei, daß diese Bestimmung des § 53 nicht zu beanständen sei8.

III. Pfand- und Retentionsrecht der Anglo-Österreichischen Bank

Der Staatsrat Baron Geringer referierte die von dem Minister Ritter v. Lasser einverständlich mit dem Justizminister Ritter v. Hein mittelst au. Vortrages vom 25. Juni l. J., Z. 7855/626, unterbreiteten Anträge auf Ag. Gewährung des von der Anglo-Österreichischen Bank erbetenen Pfand- und Retentionsrechtes9 für alle ihre Geschäfte ohne Rücksicht auf die Eigenschaft der Kontrahenten mit dem Bemerken, daß der Staatsrat sich mit den ministeriellen Anträgen vereinigen und, was die Frage anbelangt, ob die Gewährung dieses Rechtes unter Mitwirkung der Faktoren der gesetzgebenden Gewalt oder auf Grund des § 13 des Grundgesetzes stattfinden solle, ebenfalls dem Einraten der Minister auf Anwendung des § 13 beitreten zu sollen erachte. Dem Ministerrate ergab sich hierwegen keine Bemerkung10.

IV. Aufbesserung der Funktionszulagen für Flotten-, Escadre- oder Schiffsabteilungskommandanten

Der Marineminister machte die Mitteilung, daß er sich bezüglich seines mittelst au. Vortrages vom 11. Juni l. J., Z. 336511, gestellten Antrages, Se. Majestät geruhen den Admiralen und Stabsoffizieren der Kriegsmarine, im Falle sich dieselben als Kommandanten einer Flotte oder einer Escadre oder einer Schiffsabteilung außerhalb der Meerenge von Gibraltar befinden, zu der für die Levante gegenwärtig bemessenen Funktionszulage noch einen 50%igen Zuschuß Ag. zu bewilligen, mit dem Finanzminister in der Art geeinigt habe12, daß ohne eine vorläufige allgemeine Änderung der Zifferansätze in der Bemessung der Funktionszulage für Kommandanten einer Flotte, Escadre oder Schiffsabteilung überhaupt, den Kommandanten der nach der Nordsee eintretenden Escadre und insbesondere dem gegenwärtigen Kontreadmiral v. Tegetthoff als früheren Flottenabteilungskommandanten für die Zeit, seit er die Meerenge von Gibraltar passierte bis zum Tage, als er nach Ablauf des jüngsten Waffenstillstandes mit Dänemark sich mit seiner Schiffsabteilung mit der dem Kommando des Kontreadmirals Baron Wüllerstorf unterstellten Escadre vereinigte, ein Zuschuß von 50% zu der normalmäßigen Repräsentationszulage Ag. bewilligt werde, welcher Zuschuß bereits seine volle Bedeckung habe.

Die Konferenz fand dagegen keine Erinnerung zu machen13.

V. Suspendierung der Autonomie der Krakauer Universität

Der Staatsminister referierte über die Notwendigkeit der zu treffenden Maßnahmen wegen vorläufiger Suspendierung der Autonomie der Krakauer Universität14. Nach kurzer Schilderung der Verhältnisse dieser Universität, welche einen Herd der Agitation bildet und wo die Disziplin derart beschaffen ist, daß sich die Professoren vor den Studierenden fürchten, bemerkte der Staatsminister, daß es sich vor allem darum handelt, eine Depurierung des Senates vorzunehmen, zu welchem Ende zunächst die Wahl der Dignitäre durch die Universität selbst suspendiert und diese Stellen durch die Regierung besetzt werden müssen. Obschon der Statthalter diese Modifikation in eigenem Wirkungskreise vorzunehmen befugt wäre, so habe er doch vor Effektuierung derselben hiezu die Billigung des Ministeriums einholen zu sollen geglaubt. Der Staatsminister halte es nicht bloß für zweckmäßig, sondern für unerläßlich, daß mit || S. 56 PDF || dieser Maßregel vorerst und zwar sogleich begonnen werde, denn solange dieses nicht geschieht, wäre jede andere Maßnahme von vorneherein ganz wirkungslos und totgeboren. Ritter v. Schmerling erbat sich sonach die Zustimmung der Konferenz, daß er der von dem Statthalter vorgenommenen Ernennung der Universitätsdignitäre sofort die Bestätigung erteilen könne.

Nachdem die hierauf von dem vorsitzenden Minister des Äußern gestellte Frage, ob hiedurch nicht etwa die bezüglich der Krakauer Universität bestehenden Verträge alteriert werden, von Seite des Staatsministers verneint wurde, und nachdem letzterer auf die Bemerkung des ungarischen Hofkanzlers , daß es wohl notwendig sein werde, auch die gegenwärtigen Professoren der gedachten Universität von dort zu entfernen und durch vollkommen verläßliche Männer zu ersetzen, erwiderte, daß er sich allerdings hierwegen die entsprechenden Maßnahmen vorbehalte, erklärte sich die Konferenz einhellig mit dem Antrage des Staatsministers einverstanden15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 25. Juli 1864. Praes[entatum]. 26. Juli [1864]. Rechberg.