MRP-1-5-08-0-18640620-P-0479.xml

|

Nr. 479 Ministerrat, Wien, 20. Juni 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Schmerling; BdE. und anw. (Schmerling 20. 6.), Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein (Vermerk: die Tasche gelangte erst nach Exzellenz Graf Zichy hierher, alle Versuche, sie zu sperren, blieben fruchtlos), Zichy (die Tasche war nicht gesperrt), Reichenstein 4. 7. (nur bei I und II anw.), Schiller (die Tasche offen erhalten, mit dem eigenen Schlüssel jedoch sperrbar befunden); außerdem anw. Meysenbug (nur bei I und II anw.), Dratschmiedt (nur bei I anw.), Blumfeld (nur bei I und II anw.); abw. Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Franck; BdR. Rechberg 8. 7.

MRZ. 1283 – KZ. 2037 –

Protokoll des zu Wien am 20. Juni 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Ritter v. Schmerling.

I. Antrag des Kriegsministeriums auf teilweise Ausdehnung der Strafgesetznovelle vom 17. Dezember 1862 auf Ungarn

Gegenstand der Beratung war der von dem Kriesgministerium beabsichtigte au. Antrag auf Ah. Genehmigung, daß die Wirksamkeit des Gesetzes vom 17. Dezember 1862 betreffend einige Ergänzungen des allgemeinen und des Militärstrafgesetzes auch auf spezielle Fälle in Ungarn ausgedehnt werde1.

Der Generalauditor Edler v. Dratschmiedt exponierte den Sachverhalt, indem er anführte, daß im Jahr 1861 zwei ausnahmsweise Erweiterungen der Militärjurisdiktion in Ungarn Ah. angeordnet worden seien. Zufolge Ah. Entschließung vom 15. Mai 1861 seien nämlich die in Ungarn angestellten k. k. Zivilbeamten und Diener sowie die Finanzwachmannschaft unter die Militärjurisdiktion mit dem Bedeuten gestellt worden, daß diese genannten Personen in Strafsachen nach dem Strafgesetze vom 27. Mai 1852 zu behandeln sind2. Der zweite Ausnahmefall sei mit der Ah. Entschließung vom 5. November 1861 gegeben, womit bestimmte, in einer eigenen Instruktion genau bezeichnete Vergehen und Verbrechen, wenn sie auch von Zivilpersonen begangen werden, der Untersuchung und Bestrafung durch die Militärgerichte in Ungarn nach den Bestimmungen des Militärstrafgesetzes vom 15. Jänner 1855 zugewiesen worden sind3. Die Anordnungen seien von der ungarischen Hofkanzlei im Lande publiziert worden, und haben die Militärgerichte darnach anstandslos das Amt gehandelt. Mittlerweile sei aber im Jahre 1862 die Strafnovelle vom 17. Dezember erschienen, welche einige Ergänzungen und Abänderungen des allgemeinen und des Militärstrafgesetzes || S. 35 PDF || enthält. Anläßlich dieses mit Zirkularverordnung bekanntgemachten Gesetzes habe der Kommandierende General in Ungarn, FZM. Graf Coronini, an das Kriegsministerium die Anfrage gestellt4, wie sich die Militärgerichte bezüglich der Zivilpersonen bei Behandlung der ihnen nach der Ah. Vorschrift vom 5. November 1861 zugewiesenen Verbrechen zu benehmen haben, wenn diese Verbrecher zu jenen gehören, welche in der Novelle vom 17. Dezember 1862 bezeichnet sind, da die Publikation dieses letzteren Gesetzes im Königreiche Ungarn nicht stattgefunden hatte. Es handle sich also zunächst darum, dieses Gesetz in Ungarn in Wirksamkeit zu bringen, rücksichtlich die oberwähnten Ah. Anordnungen vom 15. Mai 1861 und 5. November 1861 darnach zu amplifizieren, in welcher Beziehung das Kriegsministerium auch sofort mit dem Staats- und Justizministerium in Verhandlung getreten sei, wobei aber das letztere eine Mitwirkung ablehnte5. Indem nun das Kriegsministerium diesen Gegenstand der Beratung im hohen Ministerrate zu unterziehen sich erlaubt, glaube dasselbe an der Meinung festhalten zu sollen, daß den Militärgerichten eine bestimmte Weisung hinauszugeben wäre, wie sie in dieser Sache vorzugehen haben, und es wäre daher nach dem Erachten des Referenten bei Sr. Majestät der au. Antrag zu stellen, Ah. zu genehmigen, daß das Gesetz vom 17. Dezember 1862 betreffend einige Ergänzungen des allgemeinen und des Militärstrafgesetzes Wirksamkeit haben soll auch a) für die mit der Ah. Entschließung vom 15. Mai 1861 unter Militärjurisdiktion gestellten, im Königreiche Ungarn angestellten k. k. Zivilstaatsbeamten und Diener sowie die dort stationierte k. k. Finanzwachmannschaft, und zwar unbeschränkt; ferner b) für alle anderen im Königreiche Ungarn befindlichen Zivilpersonen, für diese jedoch nur insoweit, als eine der von ihnen begangenen, in dem Gesetze vom 17. Dezember 1862 bezeichneten strafbaren Handlungen nach diesem Gesetze zu jenen Verbrechen oder Vergehen gehört, welche mit der Ah. Entschließung vom 5. November 1861 der Untersuchung und Bestrafung durch die dortigen Militärgerichte zugewiesen sind.

Bei der Beratung hierüber äußerte sich der zuerst um seine Meinung befragte ungarische Hofkanzler dahin, daß mit Rücksicht auf die bereits erfolgte Ah. Genehmigung der Grundzüge einer neuen provisorischen Gerichtsorganisation für Ungarn6 und in der Erwägung, daß, wenn diese Organisation zur Durchführung kommt, dann die jetzt fungierenden Militärgerichte entbehrlich sein und durch die neuen ungarischen Gerichte abgelöst werden, indem der Grund des gegenwärtigen Provisoriums wegfällt, der vorliegende Antrag des Kriegsministeriums nicht zeitgemäß erscheine, daher vorderhand auf sich beruhen zu lassen sein dürfte. Der Staatsratspräsident hielt es jedoch ungeachtet der im Zuge befindlichen Gerichtsorganisation für notwendig, mit der Publikation der fraglichen Novelle im Königreiche Ungarn gleich jetzt vorzugehen, denn es handle sich hier um keine Kompetenzfrage, sondern um eine Frage über das materielle Recht. Die neu organisierten Gerichtsbehörden werden die jetzigen Militärgerichte nicht ersetzen können, solange die ungarischen Gesetze nicht in materieller Richtung wesentliche Änderung erfahren, rücksichtlich den österreichischen Gesetzen || S. 36 PDF || entsprechend geregelt sind, indem es Tatsache sei, daß die Reaktivierung der ungarischen Gesetze die trostlosen Zustände der dermaligen Gerichtspflege dortlands herbeiführte aund nicht nura die Aufstellung der Militärgerichte notwendig machte, bsondern auch notwendig machte vorzuschreiben, daß nicht nach den ungarischen, sondern nach österreichischen materiellen Strafgesetzen verfahren werden müsse. Die ungarischen Gesetze kennen keinen anderen Hochverrat als den gegen den König von Ungarn und die alte ungarische Verfassung, aber keinen Hochverrat gegen den Kaiser von Österreich und das gesamte Reich. Würden also die ungarischen Gerichte wieder kompetent erklärt, ohne ihnen zugleich das österreichische Strafgesetz als Norm vorzuzeichnen, so würde eben jene Straflosigkeit der politischen Verbrechen wieder eintreten, welche die Dazwischenkunft der Militärgerichte notwendig gemacht hatb . Die Publikation des fraglichen Gesetzes soll und werde auch den Nutzen schaffen, daß, wenn es einmal im Land eingeführt und gehandhabt wird, dann auch die neuen ungarischen Behörden darnach ohneweiters werden vorgehen können. Freiherr v. Lichtenfels würde aber auf die Publikation auch schon deshalb ein besonderes Gewicht legen, weil, wenn man es nicht tut, darin eine Art Verleugnung der Ferbruarverfassung gegenüber Ungarn oder doch wenigstens eine Zweideutigkeit diesfalls liegt. Der Minister Ritter v. Lasser erklärte sich mit der beantragten Amplifikation des zweiten Absatzes der Verordnung vom 15. Mai 1861 respektive mit der Ausdehnung des Gesetzes vom 17. Dezember 1862 auf die unter Militärjurisdiktion gestellten Zivilstaatsbeamte und Diener sowie die Finanzwachmannschaft einverstanden. Was aber den zweiten Punkt betrifft, so hätte er das Bedenken, daß, nachdem die Zivilpersonen in Ungarn, sobald das jetzige Provisorium aufhört, wieder an die ordentlichen Gerichte fallen, die hier beabsichtigte Vorschrift mit dem Wegfallen der Kompetenz der Militärgerichte auch wieder außer Wirksamkeit käme, und er glaubte daher in dieser Beziehung dem Vorschlage des ungarischen Hofkanzlers beistimmen zu sollen, daß man mit der Sache bis zu dem Zeitpunkte zuwarte, wo die neue Gerichtsorganisation ins Werk gesetzt werde, in der Voraussicht, daß der Hofkanzler hiebei ohnehin Bedacht werde nehmen müsse, bezüglich des materiellen Rechtes die notwendige Abhilfe zu treffen. Dieser Meinung schlossen sich der Finanzminister und der Minister Graf Esterházy an. Der Staatsratspräsident wandte dagegen ein, daß es ihm vorzüglich bedenklich scheine, rücksichtlich der Zivilbeamten anzuordnen, daß sie den Bestimmungen des Gesetzes vom 17. Dezember unterworfen sind, während dieses bezüglich aller anderen in Ungarn befindlichen Zivilpersonen vorderhand nicht aktiviert werden soll, was doch eine nicht zu rechtfertigende Abnormität wäre. Übrigens sei kein Grund abzusehen, warum etwas nicht gleich geschehen könne, was man als etwas Notwendiges später doch werde tun müssen. Der Minister Ritter v. Hein , der Marineminister und der Kriegsministerstellvertreter traten der Meinung des Staatsratspräsidenten bei, indem der erste hervorhob, daß, wenn auch der ungarische Hofkanzler mit der Gerichtsorganisation demnächst vorzugehen beabsichtigt, es doch zweckmäßig und angemessen erscheine, gleich mit der Publikation vorzugehen, zumal hiedurch auch dem ungarischen Hofkanzler || S. 37 PDF || selbst eine große Erleichterung gewährt sein dürfte, weil er dann nur etwas bereits Oktroyiertes und schon Bestehendes an die neuen Gerichte zu übertragen haben wird. Der ungarische Hofkanzler erklärte hier, keineswegs verkennen zu wollen, daß die ungarischen Gesetze nicht bloß bezüglich des Verfahrens, sondern auch hinsichtlich der materiellen Bestimmungen einer durchgreifenden Verbesserung bedürftig sind, und indem er eine diesfällige Abhilfe zusagte, sprach er nochmals die Überzeugung aus, daß es mit Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse rätlich sei, diese Maßregel auf die rechte Zeit aufzuschieben, damit dann das ganze Organisierungswerk aus einem Gusse gehe.

Als hierauf der vorsitzende Staatsminister das Ergebnis der Abstimmung, wornach drei Stimmen – Baron Lichtenfels abgerechnet – für den Antrag des Referenten, drei Stimmen für eine beschränkte Publizierung und eine Stimme für die unbedingte Ablehnung des Antrages sich ergaben, reassumierte und der Konferenz zu erwägen gab, ob nicht der vom Minister Ritter v. Lasser proponierten beschränkten Publizierung der Novelle eine Vertagung der Sache in Gewärtigung dessen, daß bei der neuen Gerichtsorganisation auch bezüglich des materiellen Rechtes dort entsprechende Abhilfe getroffen werde, wo es notwendig erscheint, vorzuziehen wäre, vereinigten sich die drei Stimmen (Ritter v. Lasser, Edler v. Plener und Graf Esterházy) in thesi mit dem Antrage des ungarischen Hofkanzlers, und es ergab sich sonach der Majoritätsbeschluß dahin, den Antrag des Kriegsministeriums vorderhand auf sich beruhen zu lassen7, c .

II. Aufhebung des Ausfuhrverbotes für Kriegsbedarf nach den Donaufürstentümern

Der Finanzminister referierte, unter dem 15. Jänner 1861 sei das Ausfuhrverbot für Waffen und Kriegsbedarf nach den Donaufürstentümern erlassen worden8. Aus Anlaß einer Eingabe wegen Gestattung einer beabsichtigten Lieferung von Blei nach diesen Fürstentümern sei nun im Finanzministerium die Frage ventiliert worden, ob es nicht angezeigt wäre, dieses Ausfuhrverbot aufzulassen9.

Das Handelsministerium, mit welchem man sich diesfalls in das Einvernehmen gesetzt hat, sprach sich vollkommen für diese Aufhebung aus, und das ebenfalls in dieser Sache begrüßte Ministerium des Äußern meinte, daß die gegenwärtigen Verhältnisse der Donaufürstentümer zwar nicht derart sind, um vom dortigen Standpunkte aus die Aufhebung des Verbotes gerade befürworten zu können, daß es jedoch bereit sei, wenn die übrigen Ministerien dafür sind, sich der Majorität anzuschließen. Bei der hierauf vom Finanzminister mit dem Minister des Äußern persönlich gepflogenen Rücksprache habe letzterer erklärt, gegen die Verbotsaufhebung nichts einwenden zu wollen. Nachdem das gedachte Verbot aufgrund eines Ministerratsbeschlusses (10. Jänner 1861) ins || S. 38 PDF || Leben getreten sei, so sehe sich Referent veranlaßt, diesen Gegenstand nun ebenfalls der Beratung in der Konferenz mit dem Bemerken zu unterziehen, daß seines Erachtens mit der Auflassung des Ausfuhrverbotes ohne Anstand vorgegangen werden dürfte, zumal sich solche Verbote stets nur zwecklos erwiesen haben und im gegebenen Falle dem inländischen Handel nur unnütze Fesseln angelegt sind, indem diese Ware sonst aus dem Auslande dahin eingeführt werde.

Der Unterstaatssekretär Freiherr v. Meysenbug stimmte diesem Antrage mit dem Bemerken bei, daß die dermaligen Verhältnisse in den Donaufürstentümern allerdings nicht befriedigend sind, daß aber mit der Aufhebung des Verbotes keine flagrante Gefahr vorhanden sei, indem sich diese Länder auch auf anderen Wegen ihren Bleibedarf zu verschaffen wissen werde und man daher so nur unseren Handel da beeinträchtigen würde. Der Ministerialrat Edler v. Blumfeld wiederholte die bereits vom Handelsministerium abgegebene Zustimmung zu der Auflassung des fraglichen Verbotes und machte darauf aufmerksam, ob, da dieses Verbot mittelst Ah. Entschließung angeordnet worden sei, nicht auch jetzt bezüglich dessen Auflassung eine Ah. Entschließung zu erwirken, und ferner, ob nicht, da dieses Verbot damals – jedoch nur mittelst Verordnung – auch auf Bosnien ausgedehnt wurde, auch diesfalls gleichzeitig die entsprechende Verfügung zu treffen wäre. Der Minister Ritter v. Lasser , welchem der Minister Ritter v. Hein und der ungarische Hofkanzler sich anschlossen, meinte, daß aus den vernommenen Gründen hervorgehe, daß man dieses Ausfuhrverbot eigentlich gar nicht hätte erlassen sollen, und er hätte heute keinen Anlaß, gegen die Auflassung zu sein, wenn er nur die Versicherung hätte, daß nicht etwa in kurzer Zeit die Verhältnisse der Fürstentümer sich derart gestalten, daß man wieder in die Lage kommt, das Verbot zu erneuern.

Nachdem alle übrigen Stimmführer sich für die Auflassung des Verbotes erklärten, so ergab sich die Stimmenmehrheit für den Antrag des Finanzministers, welcher bezüglich der Form keinen Anstand nahm, die diesfällige Ah. Entschließung zu erwirken, und sich demnach vorbehielt, den entsprechenden au. Vortrag zu erstatten und nach erfolgter Ah. Resolution dann auch gleich hinsichtlich Bosniens die erforderliche Verfügung zu treffen10, d .

III. Ah. Sanktion der Landesgesetze betreffend die Landesverteidigungs- und die Schießstandsordnung für Tirol und Vorarlberg

Der Minister Ritter v. Lasser referierte seinen au. Vortrag vom 24. Mai l. J., Z. 3505/II, womit die im Einvernehmen mit dem Kriegs- und Finanzministerium endgiltig richtiggestellten Landesgesetze die Landesverteidigungs- und Schießstandsordnung für Tirol und Vorarlberg [betreffend] zur Ah. Genehmigung vorgelegt werden, || S. 39 PDF || mit dem Bemerken, daß sich dem Staatsrate hierwegen keine Erinnerung ergeben habe. Die Konferenz nahm diesen Vortrag zur Kenntnis11.

IV. Landesgesetz betreffend Ergänzungen des Straßenkonkurrenzgesetzes für Niederösterreich

Der vorsitzende Staatsminister referierte seinen au. Vortrag [vom] 10. Mai l. J., Z. 2955/I StM., über den von dem niederösterreichischen Landtage beschlossenen, hierneben anliegenden Entwurfe eines Landesgesetzes, womit im Nachhange zu dem Gesetze vom 21. Mai 1863 über die Herstellung und Erhaltung öffentlicher, nicht ärarischer Straßen und Wege12 mehrere ergänzende Verfügungen getroffen werden.

In dem Straßenkonkurrenzgesetze für Niederösterreich vom 21. Mai 1863 sei die Bestimmung enthalten (§ 35), daß die dermaligen Kreisumlagen zu den Straßenkonkurrenzfonds mit 30. April 1864 aufzuhören haben und [§23] daß die Feststellung, welche Straße künftig als Konkurrenzstraße zu erklären sei, durch ein Landesgesetz zu erfolgen habe. Dieses Gesetz konnte aber in der diesjährigen Landtagssession nicht zustande gebracht werden, und da die Auflösung der Straßenkonkurrenzfonds mit dem 1. Mai eine große Schwierigkeit in der Administration verursachen würde, indem für die Kostenbedeckung der heutigen Kreisstraßen (künftige Konkurrenzstraßen) Vorsorge getroffen werden müßte, so ergab sich die Notwendigkeit eines Ergänzungsgesetzes, dessen wesentliche Bestimmungen darin bestehen, daß a) die Kreisumlagen noch bis Ende des laufenden Jahres forterhoben werden sollen, und b) daß der Landesausschuß im Einvernehmen mit der Statthalterei provisorisch bis zur definitiven Entscheidung durch die Landesgesetzgebung ermächtigt werde, die bisherigen Kreis- und sonstigen Konkurrenzstraßen in die Kategorie der Konkurrenzstraßen (§ 35 niederösterreichisches Straßenkonkurrenzgesetz) einzureihen, sowie die Konkurrenzen und den Aufteilungsmaßstab festzustellen. Gegen diesen letzteren Beschluß habe der Staatsrat prinzipielle Bedenken, welche jedoch Referent nicht teilen könne, daher sich hierwegen die Entscheidung der Konferenz erbitten müsse.

Der hierauf das staatsrätliche Gutachten13 referierende Staatsratspräsident bemerkte, der vorliegende Entwurf bestehe aus zwei Teilen; der erste enthalte nämlich die Fristerstreckung für die Einhebung der Kreisumlagen, wogegen sich dem Staatsrate keine Erinnerung ergeben habe. Die weiteren Paragraphe betreffen die Erklärung, welche Straßen in die Kategorie der Konkurrenzstraßen einzureihen sind, dann die Feststellung der betreffenden Konkurrenzen und des Aufteilungsmaßstabes, was nur durch ein Landesgesetz geschehen kann, hier aber der Landesausschuß ermächtigt werden soll, dieses im Einvernehmen mit der Statthalterei provisorisch vorzunehmen.

|| S. 40 PDF || Eine solche Ermächtigung des Landesausschusses halte der Staatsrat mit der Landesordnung nicht vereinbar, weil in derselben nirgends eine Bestimmung enthalten ist, welche dem Landesausschusse die Berechtigung zu provisorischen Verfügungen in ähnlicher Weise einräumt, wie dies im § 13 der Reichsverfassung der Regierung vorbehalten ist. Der Wirkungskreis des Landesausschusses sei in der Landesordnung für Niederösterreich genau vorgezeichnet. Von einer Ermächtigung derselben, über der Landesgesetzgebung vorbehaltene Angelegenheiten provisorisch zu verfügen, sei darin keine Rede. Wenn also der Landtag nicht versammelt ist, so müsse auch in Landesangelegenheiten das provisorische Gesetzgebungsrecht in dringenden Fällen – nach der Analogie des § 13 – nur der kaiserlichen Regierung vorbehalten bleiben. Die Modalität, daß der Landesausschuß sich behufs der provisorischen Verfügung mit der Statthalterei ins Einvernehmen zu setzen habe, könne die prinzipiellen Bedenken nicht beseitigen, da diese Behörde nicht die Regierung sei und daher ihre Einvernehmung den berechtigten Einfluß der Regierung auf durch die Landesgesetzgebung zu regelnde Angelegenheiten nicht ersetzen könne. Der Staatsrat glaube daher das vorliegende Landesgesetz mit Ausnahme des § 1 der Ah. Genehmigung nicht empfehlen zu können. Der vortragende Präsident sei mit diesem Einraten einverstanden, nur bemerkte er, daß er die Bestimmung des § 1 für kein neues Gesetz, sondern nur für einen bloßen Beschluß über die Ausführung des schon erlassenen Gesetzes halte, und daß daher in dieser Form eines bloßen Beschlusses dieser Paragraph aufrechterhalten werden kann, da sonst das ganze Gesetz verworfen werden müßte.

Der vorsitzende Staatsminister gab hierauf das hier angeschlossene Votumf ab. Er führte im wesentlichen an, daß es sich hier um keinen Akt der Legislation, sondern um eine mehr administrative Maßregel handelt, welche die Legislation vorbereiten, anbahnen und erleichtern soll, daß es, wenn man die Schwierigkeit, die Konkurrenzbezirke und den Aufteilungsmaßstab für sie definitiv und befriedigend festzustellen, erwägt, es in der Tat rätlich erscheine, die Maßregel erst Versuchs- und probeweise einzuführen, wo dann der nächste Landtag dieses Provisorium werde prüfen können und den betreffenden Korporationen Gelegenheit geboten sei, ihre etwaigen Einsprüche geltend zu machen. Der Landtag arrogiere hiebei für den Landesausschuß durchaus keine provisorische Legislation, sondern es werde einfach durch ein Nachtragsgesetz dasjenige provisorisch und für kurze Zeit dem Landesausschusse und der Statthalterei übertragen, was durch das Straßenkonkurrenzgesetz dem Landtage mit kaiserlicher Genehmigung überwiesen ist. Es erhalte der Ausschuß nicht die Ermächtigung durch den Landtag, sondern durch ein neues Landesgesetz. Nach den Ah. sanktionierten Straßenkonkurrenzgesetzen für Böhmen, Mähren, Schlesien und Galizien sei die Bestimmung über die Anlage einer neuen Bezirksstraße oder die Einreihung einer solchen Straße den Bezirksvertretungen allein übertragen, also ein Beweis, daß diese Sache dort im administrativen Wege abgetan werden könne. Warum sollte ein gleiches nicht in Niederösterreich stattfinden können? Er hätte also kein Bedenken, das Gesetz zur Ah. Sanktion zu unterbreiten. Der Staatsratspräsident erwiderte, daß seines Erachtens dem Landesausschusse durchaus keine anderen Geschäfte zugewiesen werden können, || S. 41 PDF || als die ihm nach der Landesordnung zukommen, und es könnte dieses also selbst durch ein ursprüngliches Gesetz nicht geschehen. Es sei dies hier eine Sache von Wichtigkeit, und es könne nicht zugegeben werden, daß es sich hier bloß um eine Modifikation des ursprünglichen Gesetzes durch ein neues Landesgesetz handle, sondern es sei dies vielmehr eine Modifikation der Landesordnung. Provisorische Verfügungen könne nur die Regierung treffen, und es wäre sehr gefehlt, sich auf diese Weise dieses Recht aus der Hand nehmen zu lassen. Votant vermag daher von seiner Meinung nicht abzugehen, daß die Regierung hier nach Analogie des § 13 vorzugehen habe. Der Minister Ritter v. Lasser pflichtete der Meinung des Staatsministers bei, indem er den fraglichen Vorgang keineswegs landesordnungswidrig, sondern auch ganz verfassungsmäßig findet und auch nicht einsieht, warum der Ausschuß nicht in die Administration hineingezogen werden könnte. Der Kriegsministerstellverteter trat der Meinung des Staatsratspräsidenten bei, während alle übrigen Stimmführer dem Staatsminister beistimmten, wobei der Marineminister nur das Bedenken hatte, daß dann dieses Provisorium ein festes Gesetz werde, welches man nicht so leicht wegbringt, daher er es für wünschenswert halten würde, wenn in dieser Beziehung durch die Bestimmung eines terminus ad quem Vorsorge getroffen worden wäre.

Dieser Abstimmung gemäß war daher mit Stimmenmehrheit der Beschluß gefaßt, das vorliegende Landesgesetz zur Ah. Sanktion zu unterbreiten14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 8. Juli 1864. Präs[entatum]. 8. Juli [1864]. Rechberg.