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Nr. 447 Ministerrat, Wien, 25. Februar 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 25. 2.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck; abw. Nádasdy, Forgách; BdR. Erzherzog Rainer 14. 3.a

MRZ. 1252 – KZ. 732 –

Protokoll des zu Wien am 25. Februar 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Aufhebung des Freihafensystems zugunsten des Entrepotsystems

Se. k. k. Hoheit eröffneten der Konferenz, es habe der niederösterreichische Gewerbeverein mittelst Eingabe vom 11. Jänner l. J. die Bitte gestellt, das Gesamtministerium möge veranlassen, daß die Aufhebung des Freihafensystems zugunsten des Entrepotsystems prinzipiell ausgesprochen und in denjenigen Freihäfen der Monarchie, wo solches ohne Schwierigkeiten tunlich, sofort durchgeführt, in den übrigen Seehäfen hingegen in möglichst kurzer Zeit erfolge. Der hierüber vorläufig vernommene Leiter des Handelsministeriums erachte, daß eine förmliche Erledigung der erwähnten Eingabe nicht am Platze sein dürfte, sondern höchstens dem Verein zu bedeuten wäre, daß diese wichtige Frage ohnehin die volle Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nehme und daher dermal ein wenn auch nur prinzipieller Ausspruch umso weniger zulässig erscheine, als der Gegenstand bereits in den Bereich der Tätigkeit des Reichsrates || S. 253 PDF || einbezogen worden sei1. Es wäre also diese Bitte einfach abzuweisen, nachdem aber dieselbe an das Gesamtministerium gestellt wurde, so sehe sich Se. k. k. Hoheit veranlaßt, die Frage der Erledigung in die Beratung des Ministerrates zu ziehen.

Der Finanzminister , mit der Abweisung der Eingabe einverstanden, würde nur die proponierte Motivierung, daß der Gegenstand bereits von dem Reichsrate in seine Tätigkeit einbezogen wurde, also die Hinzielung auf den Skeneschen Antrag2, beanständen. Seines Erachtens wäre es am zweckmäßigsten, die Eingabe ganz einfach ohne jede Motivierung abzuweisen.

Der Minister Ritter v. Lasser glaubte überhaupt, eine Antwort auf die Eingabe nicht für notwendig halten zu sollen. Denn es verstehe sich von selbst, daß die Regierung in dieser wichtigen Frage des Freihafen- oder Entrepotsystems nicht blind ist, sondern dieselbe sorgfältig in Erwägung ziehe. Er beantragte daher, daß die fragliche Eingabe einfach ad acta gelegt werde, welcher Antrag sofort von der Konferenz einstimmig angenommen wurde.

II. Eröffnungsverschiebung des Tiroler Landtages

Der Staatsminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß er über eine dringende und vollkommen begründete Vorstellung der Statthalterei in Tirol wegen Verschiebung der dortigen Landtagseröffnung bis nach Ostern3 in der Lage war, unverzüglich bei Sr. k. k. apost. Majestät sich die Ag. Ermächtigung au. zu erbitten, den Tiroler Landtag statt am 2. März erst am 31. März l. J. einberufen zu dürfen, welche Ah. Ermächtigung auch bereits herabgelangt sei4. Dieses habe jedoch gleich Nachahmung gefunden, indem heute schon eine gleiche Bitte von Vorarlberg eingelangt sei5. Da aber dortlands die Beweggründe, welche in dieser Beziehung für Tirol sprechen, nicht vorhanden sind, so gedenke der Staatsminister im Falle der Zustimmung des Ministerrates diese Eingabe im telegraphischen Wege dahin zu erledigen, daß man nicht in der Lage ist, auf diese Bitte einzugehen.

Die Konferenz war damit einverstanden6.

III. Mehrere Finanzgesetze zur Ah. Sanktion

Der Finanzminister machte die Mitteilung, daß er nunmehr in der Lage ist, folgende von den beiden Häusern des Reichsrates angenommenen Gesetzentwürfe zur Ah. Sanktion zu unterbreiten und zwar a) Gesetzentwurf betreffend die Fertigung der Staatsschuldvorschreibungen und Partialhypothekaranweisungen durch die Staatsschuldenkontrollkommission7; b) Gesetzentwurf betreffend die Eröffnung eines außerordentlichen Kredites an das Kriegsministerium für das Jahr 18648; c) Gesetzentwurf betreffend die Eröffnung eines außerordentlichen Kredites an das Kriegsministerium für den Dienst des Jahres 1864, dann in betreff der nachträglichen Einstellung einer außerordentlichen Einnahmspost von 302.365 fl. in das Finanzgesetz pro 1864 in die Hauptrubrik XI Ministerium der Finanzen9; d) Gesetzentwurf in betreff der weiteren Benützung des öffentlichen Kredites für die Finanzperiode 186410; e) Gesetzentwurf, womit einige Bestimmungen des den außerordentlichen Aufwand anläßlich des Notstandes in Ungarn betreffenden Gesetzes vom 17. November 1863 abgeändert wurde11; f) Gesetzentwurf enthaltend einige Änderungen der Gesetze vom 9. Februar und 2. August 1850, vom 28. März 1854 und vom 13. Dezember 1862 12; endlich g) Entwurf des Finanzgesetzes für die Finanzperiode vom 1. November 1863 bis letzten Dezember 186413. Bezüglich dieses letzten Gesetzes machte der Finanzminister bemerklich, daß, nachdem im Art. II des vereinbarten Entwurfes darauf Rücksicht genommen ist, daß die dort bezeichneten außerordentlichen Einnahmen während der Monate November und Dezember 1863 und Jänner, Februar, März und April 1864 fortzudauern haben, der im darauffolgenden Punkte I bestimmte Termin zur Einhebung der außerordentlichen Zuschläge nicht vom 1. Jänner, wie es dort aus Versehen heißt, sondern vom 1. Mai 1864 zu laufen hat, daher er in dem zur Ah. Sanktion vorgelegten Entwurfe diese Korrektur vorgenommen habe.

Dem Ministerrate ergab sich über diese Mitteilungen keine Bemerkung.

IV. Verfall der eröffneten aber nicht realisierten Kredite

Gegenstand der Beratung war die Frage der Behandlung der den einzelnen Zentralstellen eröffneten aber nicht realisierten Kredite. Der Staatsratspräsident referierte, bei Gelegenheit der Beratung der Grundsätze in betreff der künftigen Einrichtung des Staatsvoranschlages sowie der Rechnungsabschlüsse14 sei auch die Frage ventiliert worden, ob die Kredite, welche den einzelnen Ministerien in dem Budget eines Jahres eröffnet wurden, jedoch im Laufe dieses Jahres nicht verbraucht worden || S. 255 PDF || sind, völlig erlöschen oder in das neue Präliminare übergehen. Er habe darauf aufmerksam gemacht, daß bezüglich des Erlöschens der Kredite das Verhältnis gegenüber dem Reichsrate wohl unterschieden werden müsse von demjenigen des inneren Dienstes der Behörden und daß sonach gegenüber der Reichsvertretung der Grundsatz festzuhalten wäre, daß die einmal eingeräumten, jedoch nicht verbrauchten Kredite der neuerlichen Aufnahme und einer wiederholten Zustimmung des Reichsrates nicht bedürfen, daß aber anderseits zur Erhaltung der Rechnungsevidenz im Inneren der Administration ratsam sei, die Zahlungsanweisungen auf Rechnung solcher unbenützter Kredite vergangener Jahre nur mit Bewilligung der beteiligten Ministerien und nach vorläufigem Einvernehmen mit dem Finanzministerium stattfinden zu lassen. Der Finanzminister habe damals gegen diesen Vorschlag im wesentlichen keine Einwendung gemacht, und es habe die Konferenz damals auch wirklich beschlossen, dem Reichsrate gegenüber den Grundsatz festzuhalten, daß die von demselben für bestimmte Zwecke zugestandenen Kredite an keine Zeitfrist gebunden angesehen werden können. Die damals vereinbarten Grundsätze, welche übrigens nur für das Innere der Administration maßgebend angesehen werden sollten, wurden auch Ah. genehmigt15. Nun habe der Finanzminister im Einverständnisse mit der Obersten Rechnungs[kontrollbehörde] unterm 17. Oktober 1863 (Verordnungsblatt Nr.4616) eine Verordnung über diese Grundsätze erlassen, deren § 25 am Schlusse die Bestimmung enthält, daß Kredite, welche in einem Finanzgesetze für bestimmte Ausgaben mit Zustimmung des Reichsrates eröffnet worden sind, von welchen aber binnen eines Jahres nach Ablauf des betreffenden Finanzjahres kein oder doch kein vollständiger Gebrauch gemacht worden ist, völlig und zwar dergestalt erloschen sein sollen, daß dieselben, um Zahlungen darauf leisten zu können, neuerlich in dem Voranschlage für das kommende Verwaltungsjahr einbezogen und mittelst des Finanzgesetzes genehmigt werden müssen. Diese Bestimmung stehe nun nicht im Einklange mit dem, was die Konferenz beschlossen habe, und sei eine Abweichung von dem § 4 der diesbezüglichen Ah. Entschließung vom 13. Juni 1863 17. Freiherr v. Lichtenfels habe daher, nachdem Se. Majestät die von dem Finanzminister zur Ah. Kenntnisnahme vorgelegte Verordnung dem Staatsrate zur Begutachtung Ag. zuzuweisen geruhten, auf diese Abweichung hingewiesen18, und es sei nicht abzusehen, warum sie nicht ihrer ersten Bestimmung gemäß verwendet werden sollte. Hat man aber das Geld mittlerweilen zu anderen Zwecken verwendet, so müsse diese anderweitige Verwendung vor dem Reichsrate gerechtfertigt werden.

Der Finanzminister äußerte, die in Rede stehende auf Grund der Ah. Entschließung vom 13. Juni 1863 erlassene Verordnung hätte sich zur Regelung beiner dem Staatsvoranschlage entsprechenden Gebarungb notwendig gezeigt und es könne die || S. 256 PDF || Korrektheit der Absicht und des Zweckes derselben wohl nicht bezweifelt werden. Was nun den beanständeten Schlußsatz des § 25 betrifft, so sei dieser Gegenstand reiflich erwogen und befunden worden, daß vom finanziellem Standpunkte eine zeitlich unbegrenzte Fortdauer der nicht zur Realisierung gelangten Kredite nicht zulässig sei, wenn anders Ordnung im Dienste des Staatsschatzes erhalten und überhaupt der sichere Überblick des Staatshaushaltes nicht gestört werden will. Daß Kredite, welche von dem Reichsrate für bestimmte Zwecke in einem Jahre zugestanden wurden, aber nicht erschöpft worden sind, keiner neuerlichen Bewilligung bedürfen, mag vom staatsrechtlichen Standpunkte richtig sein, so wie es auch vom juridischen Standpunkte unbezweifelt dastehen dürfte, der Finanzminister müsse aber vor allem den finanziellen Gesichtspunkt festhalten, welcher in bezug auf die Dotationsgebarung rücksichtlich der Rechnungsordnung zur Richtschnur dienen muß. Entschieden müßte sich aber der Finanzminister gegen die Idee der Vorstimme verwahren, daß, wenn einmal die nötige Dekkung für eine bestimmte Auslage votiert ist, die Verwendung immer offen bleiben müsse; denn so etwas ließe sich wohl bei einer kleinen Hauswirtschaftc immerhin rechtfertigen, stelle sich aber als absolut unmöglich bei einer so großen und ausgedehnten Staatswirtschaft wie die unsere dar, wo an die Finanzen jeden Augenblick außerordentliche Anforderungen gestellt werden, welche mannigfache Operationen notwendig machen, und wo der Finanzminister füglich nicht in der Lage ist, die einmal für bestimmte Zwecke bewilligten Gelder gleichsam in einer Schachtel aufbewahrt zu halten, um sie seinerzeit nach Verlangen herzugeben. Indem der Finanzminister noch hervorhob, daß durch den Verfall der Kredite erst am Schlusse des zweiten Finanzjahres in der Praxis wohl keine erheblichen Schwierigkeiten vorkommen dürften und daß die am Schlusse des § 25 aufgenommene Bestimmung über die neuerliche Aufnahme der sich auf erloschene Kredite beziehenden Erfordernisse in den Voranschlag des kommenden (dritten) Verwaltungsjahres, welche Bestimmung den eigentlichen Anstoß bildet, kaum eine praktische Bedeutung gewinnen dürfte, erklärte er sich schließlich bereit, diese Schlußbestimmung wegzulassen und in Vollziehung des vorliegenden Ah. Befehles über diesen Punkt eine neuerliche Verordnung auszuarbeiten, welche er dann mittels au. Vortrages vorlegen würde. Der Minister Ritter v. Lasser erwiderte, daß mit dem bloßen Weglassen der gedachten Schlußbestimmung nicht gedient sein werde, indem die Hauptfrage, wie Zahlungen, die aus früheren Zeiten herrühren und plötzlich zur Begleichung kommen, weiter budgetmäßig durchzuführen sind, jetzt gar nicht gelöst ist. Daß aber diese Frage vor allem prinzipiell geregelt werden müsse, sei unbestritten, da in dieser Beziehung bei dem Festhalten des Grundsatzes des Verfalles der Kredite in der praktischen Anordnung mannigfache Unzukömmlichkeiten und Verlegenheiten für die Behörden entstehen werden, was Ritter v. Lasser durch Beispiele näher erläuterte.

Der Staatsratspräsident teilte die Meinung der Vorstimme über die Notwendigkeit einer bestimmten Anordnung für die Administration, wie solche Rechnungen || S. 257 PDF || durchzuführen sind, dwobei jedoch der Grundsatz, daß ein von dem Reichsrate einmal bewilligter Kredit nicht noch einmal dessen Zustimmung bedürfe, aufrechterhalten werden müßte, und unter dieser Voraussetzungd wurde sich schließlich in dem Antrage des Finanzministers vereinigt, daß er in dieser Richtung eine neue Verordnung ausarbeiten lassen und den Entwurf in die Beratung des Ministerrates bringen werde19. (Die Beratung über die neuen Statuten der niederösterreichischen Escomptegesellschaft ist in einem besonderen Protokoll niedergelegt).

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. März 1864. Empfangen 14. März 1864. Erzherzog Rainer.