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Nr. 437 Ministerrat, Wien, 19. Jänner 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 19. 1.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Lasser, Plener, Esterházy, Burger, Hein, Mertens; abw. Nádasdy, Degenfeld, Lichtenfels, Forgách; BdR. Erzherzog Rainer 8. 2.

MRZ. 1241 – KZ. 361 –

Protokoll des zu Wien am 19. Jänner 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Kreditforderung für die holsteinische Bundesexekution

Der Staatsminister referierte: Bei der gestern von der Sektion des Finanzausschusses über die Kreditforderung von zehn Millionen zu Zwecken der Bundesexekution1 gepflogenen Beratung sei nach längerer Verhandlung der verschiedenen einschlägigen Fragen zur Sprache gekommen, daß der im Abgeordnetenhause eingebrachten Kreditforderung die bundesmäßige Exekution, nicht aber die seither gegen den Bundesbeschluß von Österreich im Verein mit Preußen beabsichtigte Okkupation Schleswigs2 zu Grunde lag, daher die Frage gestellt wurde, ob die Regierung bei diesen seither geänderten Verhältnissen bei ihrer Vorlage verbleiben wolle oder sich veranlaßt sehe, nun den vorliegenden Gesetzentwurf entsprechend zu modifizieren. Er und der mitanwesende Minister des Äußern hätten sich darauf beschränkt, die Kommission darauf || S. 205 PDF || aufmerksam zu machen, daß, nachdem hierüber keine Ministerberatung stattgefunden hatte, sie beide gleich nicht in der Lage sind, hierwegen eine positive Erklärung abzugeben, daß sie jedoch hoffen, in kürzester Zeit der Kommission den Entschluß des Ministerrates eröffnen zu können. Diesem gemäß werde es sich daher heute vor allem darum handeln zu erwägen, ob und welche Modifikation des eingebrachten Gesetzentwurfes in Anbetracht der seither geänderten Sachlage eintreten soll.

Bei der eingehenden Erörterung hierüber bemerkte der Minister des Äußern , er besorge wohl, daß der geforderte Kredit von zehn Millionen angefochten werde, wenn man den Titel 2 des vorliegenden Gesetzentwurfes so beläßt, wie er augenblicklich lautet. Allein die Trennung der Exekutionskosten von dem Aufwand des Marsches nach Schleswig, welch letzterer allerdings nicht auf Kosten des Bundes, sondern auf die der Regierung gemacht werden muß, im Gesetz jetzt auszusprechen, habe ein sehr großes Bedenken, denn tut man dieses, so könne man im voraus sicher sein, daß das eine, nämlich das erstere, bewilligt, das andere aber mit Eklat verworfen werden wird, was die Regierung offenbar in die ungünstigste Position bringen würde. Es wäre daher seines Erachtens vielleicht doch das zweckmäßigste, vorderhand nur die Bedeckung der Exekutionskosten zu verlangen und sich hiebei selbst eine kleine Reduktion des Ansatzes gefallen lassen, bezüglich des andern, nämlich der Okkupationskosten aber, wenn darüber von Seite des Ausschusses irgend ein Beschluß beabsichtigt werden sollte, die Erklärung abzugeben, daß man bis jetzt nicht in der Lage sei, etwas Genaues hierwegen anzugeben, daher sich vorbehalte, seinerzeit die diesbezügliche Vorlage zu machen. Graf Rechberg meine nämlich, daß sich im Laufe der nächsten 14 Tage im Hause die Ansichten in dieser Sache geklärt haben werden und man dann leicht durchbringen wird, was heute noch nicht möglich ist. Gegen den Vorbehalt, diese Sache später einzubringen, wandte der Staatsminister ein, daß dieses nur wieder eine Verlängerung der Reichsratssession mit sich bringen würde. Ritter v. Schmerling meinte übrigens, daß man einer Teilung der Kosten der bundesmäßigen Exekution und der Okkupationskosten von Seite des Hauses selbst nicht entgehen werde. Aber besser sei es jedenfalls, daß die Regierung nicht selbst das Material zu einer solchen Trennung gebe, und er würde es daher für das zuträglichste halten, wenn der Sache eine solche allgemeine Fassung gegeben werde, bei welcher das Haus, da dasselbe beim besten Willen die Quote, welche die reinen Bundeszwecke betreffe, genau zu präzisieren nicht imstande sein wird, endlich doch bemüßigt wird, sich zu der Vorlage der Regierung zu bequemen. Bei dieser Modifikation, meinte Minister Ritter v. Lasser , wäre sein leitender Gedanke der, daß sowohl die bundesexekutionsmäßige Besetzung Holsteins von Bundes wegen als auch die von Österreich und Preußen auf eigene Faust ins Werk gesetzte Inpfandnahme Schleswigs auf den Titel geführt werden, daß Dänemark den Vereinbarungen vom J[ahre] 1851 und 1852 nicht nachgekommen ist, daher zur Einhaltung dieser Stipulationen gezwungen werde. Von dieser Anschauung ausgehend würde er folgende Textierung des Titels 2 vorschlagen: „Aufwand zur Durchführung der Rechtsansprüche, welche Österreich, Preußen und der Deutsche Bund aus den Vereinbarungen vom J[ahre] 1851 und 1852 in betreff der Elbeherzogtümer gegenüber Dänemark zustehen.“ Der Polizeiminister äußerte, die Gefahr liege zunächst darin, daß das Abgeordnetenhaus beschließen kann, das eine zu bewilligen, das andere aber zu verwerfen, und es handle sich daher um die Frage, wie man dieser Gefahr entgehen || S. 206 PDF || kann. Am ehesten dürfte dieses gelingen, wenn man jetzt bloß das Sichere, nämlich die Kosten für die holsteinische Bundesexekution fordert, mithin bei der gegenwärtigen Vorlage verbleibt. Bezüglich des Nichtgeforderten käme dann dem Hause eine eigentliche Aktion nicht zu und es könnte dasselbe diesfalls wohl eine Resolution, wahrscheinlich eine Verwahrung gegen jede weitern Auslagen, welche nicht die Bundesbeschlüsse zur Grundlage haben, fassen. Allein eine solche Resolution dürfte doch immer besser sein als ein direktes Nein auf eine diesfalls eingebrachte Forderung. Könnte man es aber dahin bringen, daß sie über dieses „andere“ jetzt gar nichts sagen, so wäre das wohl noch günstiger, indem man dann bei der späteren diesbezüglichen Vorlage freie Hand hätte. In der günstigsten Position wäre allerdings die Regierung, wenn die nach dem Antrage des Ministers Ritter v. Lasser modifizierte Regierungsvorlage angenommen werden würde, denn da wäre man mit einem für alles gedeckt, allein dieses habe weiter auch die Gefahr in sich, daß, wenn das Entgegengesetzte erfolgt, dann alle Wege gesperrt sind, weil die Negation im Gesetze formuliert erscheint. Nach allem dem sei es schwer zu sagen, welcher Weg eigentlich der sicherere ist. Insoferne die Aussicht vorhanden wäre, daß die neue Vorlage durchgeht, dann wäre wohl dieses Vorgehen das allerbeste, ist jedoch eine solche Aussicht nicht vorhanden, dann sei wohl das Verbleiben bei der gegenwärtigen Vorlage vorzuziehen. Der Staatsminister bemerkte, daß er für die Modifikation des Ministers v. Lasser gestimmt hätte, weil er glaubte, daß das Haus dadurch gezwungen wäre, das Ganze zu votieren. Nun dünke es ihm aber, daß, da der Erfolg heute sich nicht verbürgen lasse, beide Wege gleiche Chancen für sich haben. Er hoffe übrigens, daß die Leute doch etwas ruhiger werden und überhaupt ein Umschlag der Meinungen im Hause eintreten werde, im welchen Falle dann wohl die gegenwärtige Textierung der Vorlage vorzuziehen wäre. Man sollte also vielleicht mit der Sache noch zuwarten und es vorderhand mit der Haltung der alten Vorlage versuchen. Für dieses wäre auch der Polizeiminister , darauf hinweisend, daß man inzwischen den Abgeordneten die Konsequenzen einer Verweigerung der Kreditforderung eindringlich darlegen und sie insbesondere darauf führen könnte, daß selbst bei einem Wechsel des Ministeriums prinzipiell nichts erreicht werden könnte, da man sich von den einmal abgeschlossenen Staatsverträgen nicht losschlagen kann. Mit solchen Argumentationen dürfte man doch eine Umwandlung der Ansichten herbeiführen und das vorliegende Gesetz durchbringen. Der Finanzminister machte bemerklich, ob nicht etwa in dem Verlangen des Ausschusses, daß von Seite der Regierung eine neue Textierung des Titels 2 gebracht werde, ein Hintergedanke stecke, zumal ihm die Notwendigkeit einer solchen Modifikation, nämlich eines solchen Vorgehens, nicht einleuchte, vielmehr es ihm ganz einfach und korrekt scheine, wenn, wie es schon oft geschehen ist, ein solches Amendement im Laufe der Verhandlung gestellt und, wenn zweckmäßig, angenommen wird. Der Marineminister glaubte, sich ohne weiters für die Aufrechthaltung der alten Vorlage aussprechen zu sollen, denn wenn auch das Haus beschließt, die Kreditforderung bedingt zu bewilligen, z. B. insoweit keine anderen Zwecke damit verbunden sind, so werde das umsoweniger alterieren, als man ja heute bezüglich der weiteren Auslagen gar nicht weiß, ob man deshalb einen Kredit wird beanspruchen müssen, zumal man sich vielleicht an Dänemark remboursieren kann. Jedenfalls muß die Trennung vom Hause selbst gebracht werden, daher die Regierung jetzt nur darauf angewiesen sei, an der alten Position festzuhalten. || S. 207 PDF || Dieser Meinung schloß sich Minister Graf Esterházy an. Der Kriegsministerstellvertreter FML. Freiherr v. Mertens hätte kein Bedenken, der Mehrheit Rechnung zu tragen und nach der seither geänderten Sachlage den Text des Gesetzes zu modifizieren, vorausgesetzt, daß in dieser verlangten Abänderung kein Hintergedanke verborgen liegt. Der Minister Ritter v. Hein würde raten, in der Sache insoweit vorsichtig vorzugehen, daß man vorerst den Gang der Verhandlungen im Ausschusse beobachte und dann darnach die weitere Haltung bestimme, mit einem Worte, er würde so lange zu lavieren suchen, bis sich eine bestimmte Anschauung und Urteil bilden läßt.

Nachdem Minister Ritter v. Lasser nochmals das Wort nahm, um herauszuheben, daß die Meinungen und Urteile heute noch zu wenig geklärt sind, als daß man sich auf dem einen wie auf dem anderen Wege irgend etwas versprechen könnte, und daß es daher wohl das zweckmäßigste sein dürfte, vorderhand noch die alte Position zu halten, wurde sich schließlich dahin geeinigt, daß vorläufig keine neue Vorlage gemacht, sondern zugewartet werde, ob es mit Rücksicht auf die Stimmung des Hauses notwendig ist, daß eine Änderung des Titels 2 eingebracht werde3.

II. Handelsvertrag mit dem Fürstentum Liechtenstein

Der Minister des Äußern stellte die Frage, ob der mit dem Fürstentume Liechtenstein abgeschlossene Handelsvertrag noch in dieser Reichsratssession eingebracht werden soll oder nicht4.

Die Konferenz entschied sich für die Verschiebung dieser Vorlage auf die nächste Session, weil diese Verhandlung doch wieder mehrere Tage in Anspruch nehmen, mithin diese Session unnötigerweise wieder verlängert würde. Auch wurde über Anregung des Finanzministers beschlossen, mit der Publikation dieses Vertrages erst nach Schluß der Session vorzugehen5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 7. Februar 1864. Empfangen 8. Februar 1864. Erzherzog Rainer.