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Nr. 428 Ministerrat, Wien, 15. Dezember 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 16. 12.), Rechberg, Mecséry, Degenfeld, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein; abw. Nádasdy, Schmerling; BdR. Erzherzog Rainer 27. 12.

MRZ. 1231 – KZ. 4000 –

Protokoll des zu Wien am 15. Dezember 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

[I.] Ansuchen des Hamburger Senats um zeitweise Überlassung von zwei österreichischen Panzerfregatten zum Schutz gegen eine Blockade

Den Gegenstand der Beratung bildete die Bitte des Senats der freien Stadt Hamburg um zeitweise Überlassung von zwei österreichischen Panzerfregatten zum Schutz der Elbe gegen eine eventuelle dänische Blockade dieses Stromes1. Aus den vom Minister des Äußern verlesenen Berichten des k. k. Geschäftsträgers bei den Hansestädten, Freiherr v. Lederer, ergibt sich, daß die Stadt Hamburg von einer, auch nur durch ein einziges kleines Kriegsschiff unterstützten dänischen Blockadeverhängung über die Elbe die größten Nachteile für ihren Handel besorgt und hofft, dieser Blockade samt ihren Folgen durch Aufstellung der Panzerfregatten an der Elbemündung vorzubeugen. Die Stadt, welche durch einen solchen Ah. Gnadenakt sehr zu Dank verpflichtet würde, wäre mit Vergnügen bereit, alle Kosten samt Risiko für diese Kriegsschiffe vom Tage des Auslaufens bis zur Rückkehr in den österreichischen Hafen zu tragen und außerdem alle Abnützungen an den Schiffen, die Verwendung von Material etc. zu vergüten. Doch sei es von großer Wichtigkeit, daß diese Hilfe mit möglichster Beschleunigung gewährt werde, um die Blockade zu verhindern, oder doch deren Aufhebung baldigst zu bewirken. Nachdem die Bundesmatrikularkasse bloß die Exekutionskosten nach Holstein auf sich nimmt, so würde Hamburg jene, bloß den Schutz seines Handels auf der Elbe bezweckende Maßregel selbst bezahlen müssen. Sollte die k. k. Regierung nicht eine direkte Vergütung ihrer zu spezifizierenden Gesamtauslagen für die Panzerfregatten in Anspruch nehmen wollen, so könnte dies im || S. 162 PDF || Kompensationswege durch Begleichung mit jenen Mehrauslagen bewirkt werden, welche Hamburg aus Anlaß der dortigen Einquartierung der österreichischen Brigade tragen wird, indem die Bequartierung der k. k. Truppen monatlich etwa 100.000 fl. mehr der Stadt kosten wird, als sie von der Bundeskasse dafür vergütet erhält2.

Gegen diesen Kompensationsmodus legte der Finanzminister sofort Verwahrung ein. Österreich hat durchaus keine Verpflichtung, der Stadt Hamburg ihre sogenannten Deperditen bei der Einquartierung des k. k. Militärs zu vergüten. Die Stadt teilt in dieser Beziehung das gleiche Los mit den übrigen Städten und Orten, wo Teile des Exekutionskorps werden bequartiert werden. Es fehlt somit die erste Bedingung einer Kompensation. Der Kriegsminister machte aufmerksam, daß die Erfüllung der Bitte Hamburgs notwendig machen würde, die Panzerfregatten durch einige Dampfschiffe der k. k. Kriegsmarine begleiten zu lassen, weil jene schweren und zum Manövrieren unbehilflichen Schiffe während einer so langen Überfahrt in der stürmischen Jahreszeit nicht sich selbst überlassen bleiben können. Der Marineminister , der Vorstimme vollkommen beitretend, äußerte, daß man genötigt sein werde, behufs der Begleitung Schiffe aus der Eskader in den griechischen Gewässern zurückzuberufen und vielleicht noch ein paar abgetakelte Dampfer auszurüsten. Die Panzerfregatten seien völlig unbemannta und selbst überdacht. Deren kriegsmäßige Ausrüstung werde daher jedenfalls einige Zeit in Anspruch nehmen und große Kosten verursachen, für die er die besondere Bedeckung vom Finanzminister begehren müßte, nachdem dafür im Budget nicht vorgedacht ist. In bezug auf die Seetüchtigkeit unserer Panzerfregatten im Ozean besitzen wir noch keine Erfahrungen, da dieselben bis jetzt nur kleine Fahrten im adriatischen Meere unternommen haben3. Indessen haben sich dem Vernehmen nach französische Panzerschiffe in heftigen Stürmen des atlantischen Meeres besser selbst gehalten, als das aus Holz gebaute französische Admiralsschiff. Auf der Fahrt nach Mexiko kamen die Panzerschiffe während des Sturmes abwechselnd ins Stampfen oder Rollen, aber sie erreichten doch glücklich das Ziel. Se. k. k. apost. Majestät erkannten das Eingehen auf die Bitte des Hamburger Senats in politischer Beziehung bDeutschland gegenüberb als nützlich und für die k. k. Marine, wegen der gebotenen Gelegenheit zur praktischen Ausbildung, selbst als sehr wünschenswert. Indessen erfordere dieser Schritt eine reife Erwägung von den hier noch einschlägigen anderen Gesichtspunkten. Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterung, warf der Polizeiminister die Frage auf, ob unsere Panzerschiffe ihrer Bauart nach so beschaffen sind, daß sich die österreichische Marine damit Ehre machen werde. Dieses vorausgesetzt, würde man sich aber doch das Recht zur Zurückberufung der Fregatten aus der Elbe vorbehalten müssen, da es möglich ist, daß wir dieselben im nächsten Frühjahr zum Schutze der eigenen Küsten brauchen. Jedenfalls wären selbe dann bereits ganz armiert. Auch der Marineminister fand den Vorbehalt der Zurückberufung || S. 163 PDF || in die Adria für nötig, obgleich er trotz der bedeutenden sardinischen Rüstungen zur See nicht an den Ausbruch eines Krieges im Frühjahr glauben kann, da unser Gegner in Italien zu einem Landkriege nicht gerüstet ist und selbst ein Seekrieg von den ehemals neapolitanischen Kriegsschiffen nur wenig zu fürchten ist, weil selbe sicherem Vernehmen nach in einem sehr verwahrlosten Zustand befindlich sind. Nachdem die durch Baron Lederer angedeutete Kompensation der Schiffs- und der Bequartierungskosten Allerhöchstenortes als unzulässig beseitigt worden war, schlug der Kriegsminister vor, daß man für die Ausrüstung und den Unterhalt der Fregatten indirekt einen Ersatz dadurch erzielen könnte, wenn sich die Stadt Hamburg bei dem nah bevorstehenden österreichischen Staatsanlehen mit einem namhaften Betrag und zu einem hohen Emissionspreis beteiligen würde. Der Finanzminister fand, daß auf diesem Wege die Erzielung eines angemessenen Äquivalents für unsere baren Auslagen aus Anlaß der Fregattenexpedition nach der Elbe überhaupt sehr schwierig sein würde. Hinzu komme noch, daß eine Teilung der Kreditoperation, wegen deren Abschluß im Ganzen bereits Unterhandlungen mit einem großen englischen Konsortium gepflogen wurden4, nicht tunlich sei, wenn man sich dabei nicht der Gefahr größerer Verluste aussetzen will. Der Minister des Äußern hob endlich heraus, daß es für den Senat zu Hamburg von der größten Wichtigkeit sei, baldigst zu erfahren, ob und bis wann er auf die angesuchte Hilfe von Österreich rechnen könne. Die Ausmittlung der Vergütung, welche sich Österreich bei seiner Finanzlage dafür bedingen muß, werde den Gegenstand einer besonderen Verhandlung bilden. Damit man nun mit Beschleunigung über die Vorfrage ins reine komme, geruhten Se. k. k. apost. Majestät den Marineminister Ah. zu beauftragen, sich vom Marinekommando ohne Verzug folgende Auskünfte erstatten zu lassen: 1) ob die zwei Panzerfregatten zur beabsichtigten Expedition vollkommen geeignet sind; 2) in wieviel Tagen dieselben armiert und zum Auslaufen bereit sein können und 3) welche sonstigen Schiffe denselben zur Begleitung etc. unentbehrlich sind5. An Graf Rechberg aber geruhten Se. Majestät die Ah. Aufforderung zu richten, er habe den k. k. Geschäftsträger bei den Hansestädten telegraphisch zu vernehmen, ob das von ihm gemeldete Ansinnen des Senats ein ernstgemeinter Antrag sei6.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 26. Dezember 1863. Empfangen 27. Dezember 1863. Erzherzog Rainer.