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Nr. 417 Ministerrat, Wien, 19. November 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 19. 11.), Rechberg, Mecséry, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy (3. 12.), Burger, Hein (4. 12.), Mercandin (5. 12.); abw. Nádasdy; BdR. Erzherzog Rainer 9. 12.

MRZ. 1222 – KZ. 3858 –

Protokoll des zu Wien am 19. November 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Anwendung der Ah. Entschließung vom 29. Mai 1863 über die Behandlung der disponiblen Staatsdiener

Der Staatsratspräsident referierte über den au. Vortrag des Präsidenten der Obersten Rechnungskontrollsbehörde, Grafen Mercandin, vom 31. Oktober l. J., Z. 385/I, betreffend die Anwendung der Bestimmungen der Ah. Entschließung vom 29. Mai 1863 über die Behandlung disponibler Staatsdiener auf die Kontrollbehörden mit dem Bemerken, daß in dieser Sache eine Differenz zwischen dem Finanzministerium und der Obersten Rechnungskontrollbehörde besteht1, indem das erstere der Ansicht sei, daß die Bestimmungen der fraglichen Ah. Entschließung auf die durch die Vereinigung || S. 92 PDF || der Militärrechnungsdepartements disponibel gewordenen Staatsdiener2 weder nach dem Wortlaute dieser Ah. Entschließung noch nach den derselben zugrunde liegenden Motiven angewendet werden können, daher dieselben nach den gewöhnlichen Disponibilitätsvorschriften zu behandeln seien, während die letztere bei ihrer Meinung beharrt, daß nach dem Geiste und der klaren Absicht dieser Ah. Bestimmungen dieselben nicht bloß auf jene disponiblen Beamten, deren Begünstigungsfrist mit Ende Juni 1863 erlosch3, sondern auch auf alle jene Beamten, die nach der Hand disponibel wurden, daher auch auf die Rechnungsbeamten Anwendung finde, und es stelle daher Graf Mercandin die au. Bitte, Se. Majestät geruhen Ag. zu gestatten, daß jene Bestimmungen der Ah. Entschließung vom 29. Mai d. J., welche die Behandlung disponibler Staatsdiener, dann die Maßregeln zur leichteren Unterbringung derselben betreffen, auch auf die verfügbaren Staatsdiener aus dem Stand der Kontrollbehörden angewendet werden, und daß sonach jenen Individuen darunter, welche auf erledigten Posten oder aushilfsweise verwendet werden, der Fortbezug des Disponibilitätsgehaltes und die Kontinuität der verrechenbaren Dienstzeit zuteil werde. Die Majorität des Staatsrates habe sich für die Ansicht der Obersten Rechnungskontrollbehörde ausgesprochen4 und der vortragende Präsident könne ebenfalls nur die Bitte des Grafen Mercandin zur Ah. Genehmigung empfehlen, indem er es den Humanitäts- und Billigkeitsrücksichten entsprechend halte, daß alle disponiblen Staatsdiener gleichmäßig behandelt werden.

Nachdem Graf Mercandin über die Frage des Finanzministers, ob die Anzahl dieser Beamten eine bedeutende sei und ob hinsichtlich dieser Auslagen im Staatsvoranschlage pro 1864 vorgesorgt worden sei, erwiderte, daß die Anzahl dieser Beamten gegenwärtig keine große sei, aber später, wenn einmal die Zusammenlegung der Militärrechnungsdepartements durchgeführt sein wird, diese Zahl auf 160 bei der Militärbranche allein anwachsen dürfte, bezüglich der anderen es sich aber erst bei der Organisierung, welche mit der Neugestaltung der anderen administrativen Behörden zusammenhängt, zeigen werde, und daß im Voranschlage pro 1864 die diesbezügliche Vorsorge getroffen sei, erklärte der Finanzminister , weiter gegen den Antrag des Grafen Mercandin nichts einwenden zu wollen, gegen welchen sich auch von Seite aller übrigen Stimmführer keine Erinnerung ergab5.

II. Publikation des Manifestes für Galizien

Der Staatsminister erinnerte, daß vielleicht jetzt mit der Publikation des beabsichtigten, nach den letzten Konferenzbeschlüssen redigierten Manifestes bezüglich || S. 93 PDF || Galiziens vorzugehen wäre, in welchem Falle er den diesfälligen au. Vortrag an Se. Majestät sofort erstatten würde6.

Der Polizeiminister, der Finanzminister und Minister Ritter v. Hein waren damit einverstanden. Der Kriegsminister erhob dagegen das Bedenken, daß mit dieser Proklamation eine große Verstimmung bei der deutschen Bevölkerung rücksichtlich bei dem Landvolke hervorgebracht werden würde, weil der Belagerungszustand erwartet wird und man sich daher getäuscht sehen wird, wenn es heißt, daß nur einige Ausnahmsverfügungen getroffen werden. Der Minister des Äußern war auch der Meinung, daß der jetzige Moment hiezu nicht geeignet und man die Erlassung eines Manifestes auf spätere Zeit, wo ernstere Maßregeln notwendig sein werden, verschiebe. Desgleichen halten auch der ungarische Hofkanzler, der Minister Graf Esterházy und der Marineminister die Erlassung des Manifestes im gegenwärtigen Augenblicke nicht für angezeigt. Minister Ritter v. Lasser glaubte, die Beurteilung der Zeitfrage dieser Maßregel zunächst dem Kriegsminister und dem Minister des Äußern überlassen zu sollen.

Die Majorität der Konferenz sprach sich sonach dafür aus, daß für jetzt das Manifest nicht zu erlassen wäre7.

III. Behandlung des Staatsrates Moriz Grafen Almásy aus Anlaß seiner Ernennung zum Gouverneur der Allgemeinen Österreichischen Boden-Credit-Anstalt und Besetzung der dadurch in Erledigung kommenden Staatsratsstelle

Der Staatsratspräsident referierte, daß die Gründer der k. k. priv. Allgemeinen Österreichischen Boden-Credit-Anstalt8 sich die Ah. Ernennung des k. k. Staatsrates Grafen Moriz Almásy zum Gouverneur dieser Anstalt erbeten haben, welchen Posten Graf Almásy anfänglich gegen dem übernehmen würde, wenn er zugleich k. k. Staatsrat bleibt. Nachdem jedoch dieses mit der Bestimmung des Ah. Handschreibens vom 5. November 1859, womit aktiven Staatsbeamten die Annahme von derlei Stellen untersagt wurde9, unvereinbar ist, überreichte Graf Almásy ein Majestätsgesuch, womit er um die Versetzung in den Quieszentenstand und Bewilligung einer Quieszentengebühr bittet, welche mit Rücksicht auf seine 36jährige Dienstzeit, auf seine Verdienste und den Umstand, daß seine gegenwärtigen Bezüge 11.500 fl. betragen, mit jährlich 6.000 fl. zu bemessen wäre10. Freiherr v. Lichtenfels glaubte, dieses Begehren unterstützen zu sollen.

Der hierwegen vernommene Finanzminister äußerte jedoch, daß ihm die Versetzung des Grafen Almásy in den zeitlichen Ruhestand zu dem angedeuteten Zwecke und mit dem Bezuge einer Pension aus dem Staatsärar weder mit den bestehenden Vorschriften noch mit Rücksicht auf die Interessen des Staatsärars verträglich scheine. Der Übertritt eines Staatsdieners in Privatdienste, was jene bei der Allgemeinen Österreichischen Credit-Anstalt sind, involviere eigentlich die Resignation auf den Staatsdienst || S. 94 PDF || und alle damit verbundenen Ansprüche, und nur, wenn dieser Übertritt im besonderen Interesse der Staatsverwaltung liegt, könne es gerechtfertigt erscheinen, dem Übertretenden besondere Konzessionen zu gewähren. Der Bankgouverneur, welcher ebenfalls aus dem Staatsdienste zu diesem Posten Ah. bestimmt wurde, habe vom Staatsärar keinen Bezug und es sei ihm zufolge Ah. Entschließung vom 19. März 1863 nur für den Fall des Übertrittes in den Ruhestand der Anspruch auf eine Pension aus dem Staatsärar in dem Maße gewahrt worden, als ihm nicht ohnehin wenigstens ein dem normalmäßigen Belaufe der Staatspensionen ziffernmäßig gleichkommender Ruhegenuß zugewendet werden sollte. Diesem gegenüber wäre es schon schwer zu rechtfertigen, wenn dem Grafen Almásy während seiner Funktionierung bei der Bodenkreditanstalt zu dem Einkommen, welches ihm aus den Mitteln der Anstalt zukommen wird, auch noch der Bezug eines Quieszentengehaltes aus dem Staatsärar zugestanden würde. Der Finanzminister meine daher, daß allen Rücksichten der Billigkeit und des Staatsinteresses dadurch zureichend entsprochen sein würde, wenn die Ah. Ernennung des Grafen Almásy zum Gouverneur der priv. Allgemeinen Österreichischen Boden-Credit-Anstalt unter Vorbehalt seines Rücktrittes in den Staatsdienst und eventuell seines Pensionsanspruches an das Staatsärar in der für den Bankgouverneur bestimmten Weise erfolge, und ihm diese Bedingungen vor seiner Ernennung bekanntgegeben werden. Referent habe diese Äußerung des Finanzministers dem Grafen Almásy mitgeteilt, worauf derselbe die Bitte stellte, ihm wenigstens eine Pension jährlicher 4.000 fl. zu erwirken. Wenn aber auch dieses nicht tunlich wäre, dann würde er wohl den Vorbehalt seines Rücktrittes in den Staatsdienst in Anspruch nehmen, wobei er sich jedoch erbitten müßte, ihm vorher genau zu sagen, was ihm eigentlich bevorsteht, wenn seine Wiederanstellung im Staatsrate nicht möglich sein sollte. Freiherr v. Lichtenfels könne seinerseits wohl gegen die Meinung des Finanzministers im Ganzen nichts Gegründetes einwenden, aber soviel sei richtig, daß, wenn dem Almásy eine Pension jährlicher 4.000 fl. gegeben würde und der an seiner Stelle zu ernennende Staatsrat den systemmäßigen Gehalt von 6.000 fl. bekommt, das Ärar mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Bezüge des Almásy aus dem Staatsärare (10.000 fl. ohne Quartiergeld) nichts verliert. Übrigens könne er diese Sache nur dem Beschlusse der hohen Konferenz anheimstellen. Sollte dieser Beschluß auf Vorbehalt des Rücktrittes ausfallen, dann würde er sich folgenden Entwurf der diesfälligen Resolution zu beantragen erlauben: „Ich genehmige, daß dem Grafen Almásy für den Fall seines Austrittes von der Boden-kreditanstalt der Rücktritt in den Staatsrat, oder, wenn seine Wiedereinstellung im Staatsrate nicht tunlich sein sollte, der Anspruch auf den ihm mit Rücksicht auf seine Staatsdienstzeit gebührenden Ruhegenuß so wie im Falle seines Todes seiner Witwe die seiner Eigenschaft als Staatsrat entsprechende Pension vorbehalten werde.“ Der Finanzminister bemerkte, daß er wegen Bewilligung einer jährlichen Pension von 4.000 fl. in finanzieller Hinsicht keine Schwierigkeiten machen würde, aber daß es nach seiner Ansicht in der öffentlichen Meinung einen üblen Eindruck und namentlich im Reichsrat viel Geschrei machen würde, wenn man erfährt, daß Graf Almásy nebst seinen bedeutenden Bezügen als Gouverneur auch noch eine Pension aus dem Staatsärar genießt. Der Staatsminister war auch der Meinung, daß, nachdem Graf Almásy als Gouverneur das doppelte seiner bisherigen Bezüge bekommt, es für die Regierung eine große Verlegenheit wäre, die Gewährung der verlangten Pension || S. 95 PDF || zu rechtfertigen. Dagegen hielt es dieser Votant für ganz billig, daß Graf Almásy im Falle seiner Pensionierung nicht nach dem jetzigen Stande seiner Dienstzeit, sondern mit Einrechnung der bei der Kreditanstalt zugebrachten Zeit behandelt werde, worüber ihm auch jetzt gleich die Zusicherung zu geben wäre. Dieser Ansicht schlossen sich der Minister des Äußern, der Polizeiminister, der Minister Ritter v. Lasser, der Finanzminister und der Minister Ritter v. Hein an, und [es] erklärte sich der Staatsratspräsident mit dieser für Almásy günstigen Modifikation sehr einverstanden, mit dem Bemerken, daß hierauf in seinem – oben angeführten – Resolutionsentwurfe hinter den Worten „Rücktritt in den Staatsrat“ der Satz „unter Einrechnung der bei der Kreditanstalt zugebrachten Zeit in seiner Staatsdienstzeit“ einzuschalten und weiter unten statt „mit Rücksicht auf die Staatsdienstzeit“ zu sagen wäre, „mit Rücksicht auf die erwähnte Gesamtdienstzeit“, was sofort von der obigen Majorität angenommen wurde. Der Kriegsminister, der ungarische Hofkanzler, der Minister Graf Esterházy und der Marineminister sprachen sich dagegen für die Ag. Bewilligung einer jährlichen Staatspension aus, wobei Graf Forgách hervorhob, daß Graf Almásy stets und unter allen Umständen treu der Regierung zur Seite stand, daher einer ausnahmsweisen Berücksichtigung vollkommen würdig sei11. Anknüpfend an diesen Gegenstand brachte der Staatsratspräsident zur Kenntnis der Konferenz, daß er wegen der Besetzung der durch den Austritt Almásys vakant werdenden Staatsratsstelle bereits mündlich Sr. k. k. apost. Majestät au. Vortrag erstattet und die Ah. Aufmerksamkeit auf den Umstand zu lenken sich erlaubt habe, daß es mit Rücksicht auf die vielen in Aussicht stehenden Justizvorlagen notwendig sei, diesen Posten durch einen Justizmann zu besetzen, indem die gegenwärtigen Kräfte dieses Faches im Staatsrat für diese Arbeiten nicht ausreichen. Als eine für diesen Posten vorzüglich geeignete, ihm schon aus früherer Zeit her wohl bekannte Persönlichkeit stelle sich ihm der Rat des Obersten Gerichtshofes Baron Apfaltern dar und er gedenke daher, diesen bei Sr. Majestät au. in Vorschlag zu bringen. Über die Bemerkung des ungarischen Hofkanzlers , daß es ihm doch notwendig scheine, im Staatsrate auch einen Vertreter des großen und wichtigen Kronlandes Ungarn zu haben, daß daher der fragliche Posten durch einen Ungarn zu besetzen wäre, wozu sich nach seiner Ansicht der gegenwärtige Adlatus des ungarischen Statthalters v. Privitzer vollkommen eignen würde, äußerte der Staatsratspräsident , daß er diesen Umstand nicht außer Acht gelassen habe, jedoch im gegenwärtigen Augenblick aus dem oben angeführten Grunde vorzugsweise eines deutschen Juristen bedürfe, übrigens im Momente nicht in der Lage sei, von den ungarischen Juristen auch nur einen zu bezeichnen, welcher mit den gegenwärtigen Verhältnissen vertraut || S. 96 PDF || einen entsprechenden Dienst im Staatsrate leisten könnte, gegen den Hofrat v. Privitzer aber deshalb Einsprache erheben müßte, weil derselbe bisher mehr im administrativen Dienste als in der Justizsphäre tätig war. Übrigens werde sich in kürzester Zeit Gelegenheit darbieten, einen Ungarn in den Staatsrat einzuberufen, da demnächst einer der dortigen Funktionäre in den Ruhestand übernommen werden wird, und er dann mit Vergnügen bereit sein werde, den etwaigen Wünschen des ungarischen Hofkanzlers entgegenzukommen. Graf Forgách erklärte, sich nichtsdestoweniger vorbehalten zu sollen, Sr. Majestät seine Bedenken bezüglich der jetzigen Besetzung au. vorzutragen. Den übrigen Stimmführern ergab sich keine Erinnerung12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 8. Dezember 1863. Empfangen 9. Dezember 1863. Erzherzog Rainer.