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Nr. 398 Ministerrat, Wien, 30. September 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 4. 10.), Rechberg Mecséry, Schmerling; BdR. Erzherzog Rainer 15. 10.

MRZ. 1202 – KZ. 3213 –

Protokoll der am 30. September 1863 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Die mexikanische Frage

Der Minister des Äußern referierte über die Stellung, welche die österreichische Regierung zur Kandidatur Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Ferdinand Maximilian seit den ersten ihr diesfalls gemachten Eröffnungen angenommen hat1. Der Minister begann mit der Vorlesung einer von hier aus im Jahre 1861 an die kaiserliche Botschaft zu Paris gerichteten Depesche, laut welcher Se. k. k. apost. Majestät vorkommende ernste Anträge zugunsten des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs nicht zurückweisen würden, wenn dieselben der Wunsch des Landes (le voeu du Mexique) sind und in die Unterstützung der Seemächte (l’appui des puissances maritimes) gesichert ist2. Die Stellung weiterer Bedingungen wurde reserviert. Auf spätere Anfragen hat man der französischen Regierung erwidert, die österreichische Regierung könne sich dermal auf durchaus nichts einlassen; sie wolle die Sache an sich kommen lassen und abwarten, bis Mexiko und die beiden Seemächte sich positiv ausgesprochen haben3. Se. kaiserliche Hoheit haben selbst die diesfälligen Bedingungen formuliert, als Graf Rechberg sich in Triest aufhielt, und wenn Höchstdiesselben sich an diese Bedingungen halten, kann dermal eine Annahme des Thrones von Mexiko nur conditionatim stattfinden. Als die provisorische Regierung von Mexiko hieher ihre erfolgte Konstituierung, die Wiedereinführung der monarchischen Regierungsform und die Absicht der Bevölkerung mitteilte, dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Max die Krone anzubieten, konnte die k. k. Regierung sich nicht veranlaßt finden, diese Mitteilung zu beantworten, nachdem diese sogenannte provisorische Regierung keine völkerrechtlich anerkannte loyale Macht ist4. Auch die Regierung des Juárez ist von uns nicht anerkannt worden, || S. 353 PDF || und um den wahren Willen des ganzen Landes zu erfahren, müßte erst eine Repräsentanz desselben geschaffen werden; die vom Maréchal Forey berufenen Notablen können nicht dafür gelten5. Noch vor Abhaltung des Fürstentages kam der referierende Minister mit Sr. kaiserlichen Hoheit in der Ansicht überein, daß die von Don Gutiérrez geführte Deputation nicht als von einer kompetenten Repräsentanz gesendet betrachtet werden könne6. Allein schon der Entwurf der Antwort an die Deputation, die der durchlauchtigste Erzherzog nach Frankfurt sandte, zeigte einen stattgefundenen Umschwung der Meinung7. Hierauf wurde Sr. kaiserlichen Hoheit die Notwendigkeit bemerkbar gemacht, in der hohen Antwort irrige Voraussetzungen zu berichtigen, und Graf Rechberg habe nicht verhehlt, daß wenn gleichwohl bindende höchste Erklärungen abgegeben würden, die Regierung sich von den Schritten Sr. kaiserlichen Hoheit in dieser Angelegenheit trennen müßte8. Noch unterm 16. September haben Allerhöchstseine Majestät dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog zu eröffnen geruht, Allerhöchstdieselben könnten Ihren Staaten keine Garantien und die damit verbundenen Lasten auferlegen. Österreich sei eine Kontinentalmacht und besitze nicht die Mittel zu transatlantischen Expeditionen etc9. In demselben Sinne wie gegen Se. kaiserliche Hoheit habe der referierende Minister sich auch stets gegen Frankreich und Spanien ausgesprochen und keiner fremden Macht eine bindende Erklärung bezüglich der Annahme des mexikanischen Thrones gegeben. Gutiérrez de Estrada sei jetzt bei der Durchreise vom Minister ganz ohne offiziellen Charakter empfangen worden, und nachdem die Deputation nicht förmlich empfangen zu werden begehrt hat, sei dem Grafen Rechberg die Ablehung erspart || S. 354 PDF || worden, die er sonst hätte aussprechen müssen10. Über die Tragweite der Antwort aber, die der Deputation in Miramare zuteil werden wirda, könne der Minister sich nicht aussprechen, da er nichts Bestimmtes darüber erfahren, a, könne der Minister sich nicht aussprechen, da er nichts Bestimmtes darüber erfahren11,

Der Polizeiminister äußerte, daß nach der soeben entwickelten Sachlage die österreichische Regierung weder Sr. kaiserlichen Hoheit noch dem Auslande in bezug auf die Annahme der mexikanischen Krone durch den Herrn Erzherzog gebunden ist, denn es fehlen noch zwei Hauptbedingungen: die freie und unzweideutige Erklärung des ganzen Landes und die Garantie Englands. Sollten daher Se. kaiserliche Hoheit schon dermal die mexikanische Krone annehmen, so würden sich die beiderseitigen Wege von nun an trennen müssen. Allein es ergeben sich aus dieser Trennung noch weitere wichtige Konsequenzen, welche mit der Stellung Sr. kaiserlichen Hoheit als nächster Agnat Sr. Majestät im Zusammenhange stehen. Als solcher würde Se. kaiserliche Hoheit eventuell zur Thronfolge berufen sein können oder, wie der Staatsminister beifügte, zur Regentschaft. Deswegen können auch Se. kaiserliche Hoheit, so äußerte sich Graf Rechberg , eine fremde Krone nur gegen Verzichtleistung auf Höchstihre Sukzessions- und Regentschaftsrechte annehmen12. Der Minister Baron Mecséry und Ritter v. Schmerling teilten vollkommen diese Meinung. Nachdem eine unklare Antwort an die mexikanische Deputation zu Interpellationen im Abgeordnetenhaus Anlaß geben dürfte, müsse man, wie Graf Rechberg bemerkte, darauf gefaßt sein, doch wäre es am besten, die Stellung derselben zu verhindern. Der Staatsminister erwiderte, daß mehrere loyale Abgeordnete, welche eine öffentliche Besprechung dieser delikaten Angelegenheit nicht hervorrufen wollen, bereits konfidentiell bei ihm Erkundigungen eingezogen haben und sie es auch dabei bewenden lassen werden. Allein, nicht alle Abgeordneten besitzen den Takt und den Willen, der Regierung Verlegenheiten zu ersparen. Man müsse daher darauf gefaßt sein, die von der Regierung in der mexikanischen Angelegenheit bisher angenommene und auch ferner noch zu behauptende Stellung darlegen zu müssen, wozu der Minister des Äußern beifügte, daß dies selbstverständlich in einer Art geschehen würde, wobei der durchlauchtigste Bruder Sr. Majestät nicht bloßgestellt wäre13. Vorderhand, bemerkte schließlich der Polizeiminister , || S. 355 PDF || läßt sich von regierungswegen nichts tun, als durch Andeutungen in der offiziösen Presse beruhigend zu wirken14.

II. Beteiligung an der Jubelfeier des 18. Oktober 1863 zu Leipzig

Der Minister des Äußern referierte, der k. k. Generalkonsul Grüner zu Leipzig habe die Opportunität dargestellt, der kleindeutschen Demonstration aus Anlaß der Jubilarfeier des 18. Oktober eine österreichische Demonstration in Leipzig gegenüberzustellen15. In dieser Richtung schlägt Grüner vor: 1. daß Se. Majestät Allerhöchstsich bei der Subskription für das Monument mit einem Betrage zu beteiligen geruhen; 2. daß österreichische Militärmusikbanden nach Leipzig zur Feier entsendet werden; 3. daß man auch die Beteiligung österreichischer Veteranen bei dieser Feier einleite. Die gänzliche Nichtbeteiligung Österreichs an der Feier zu Leipzig wäre allerdings mißlich. Andererseits gibt es aber Gründe, daß die Beteiligung auf das engste Maß beschränkt bleibe, nachdem viele der größten Städte Deutschlands bereits ihre Nichtbeteiligung ausgesprochen und gewichtige Männer wie v. Lerchenfeld und v. Wydenbrugk sich abmahnend erklärt haben16. Der Umstand, daß am gleichen Tage die Grundsteinlegung für das Schwarzenbergmonument in Wien stattfindet, gebe den plausibelsten Anhaltspunkt, die Absendung von Veteranen nach Leipzig abzulehnen17. Unter diesen Umständen glaube der Minister sich darauf beschränken zu sollen, bei Sr. k. k. apost. Majestät auf die Subskription zum Monumente au. anzutragen18.

Hiemit waren der Polizei- und der Staatsminister einverstanden, letzterer mit dem Beifügen, daß man den Städten in Österreich, welche sich durch eine Gemeinderatsdeputation beteiligen wollen, füglich nichts in den Weg legen könne. Auch sei nicht zu zweifeln, daß diese Deputationen zu Leipzig nicht im kleindeutschen Sinn sprechen werden. Was den Wunsch der Kommune Leipzig betrifft, Büsten jener Generale zu erhalten, die bei Leipzig ruhmvoll gekämpft haben, so wird es wohl möglich sein, von den Familien einiger derselben Büsten zu erlangen19.

III. Das Verbot von Einladungen zu demonstrativen Funktionen in Galizien

Der Polizeiminister referierte schließlich, es seien zu Krakau, vielleicht infolge der päpstlichen Allokution20 wegen Polen, gedruckte Einladungen zu Gottesdiensten in drei dortigen Kirchen erlassen worden, wobei es offenbar auf Demonstrationen, Absingung vieler verbotener Lieder etc. abgesehen war. Diese vom Komitee21 ausgegangenen Einladungen seien mit Beschlag belegt worden. Baron Mecséry sei der Meinung, daß die Regierung nur die von den Bischöfen ausgehenden Einladungen zu gottesdienstlichen Funktionen für zulässig erkennen und alle übrigen verbieten solle. Mit den Bischöfen werde man sich aber darüber verständigen, daß sie keine demonstrativen Einladungen erlassen.

Die Konferenz trat dieser Meinung bei22.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 13. Oktober 1863. Empfangen 15. Oktober 1863. Erzherzog Rainer.