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Nr. 395 Ministerrat, Wien, 24. und 26. September 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. (Erzherzog Rainer 27. 9.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy (BdE. fehlt), Burger, Hein, Mažuranić; BdR. Erzherzog Rainer 15. 10.

MRZ. 1197 – KZ. 3205 –

Protokoll des zu Wien am 24. und 26. September 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer. [Sitzung vom 24. September 1863] [anw. Erzherzog Rainer, Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein, Mažuranić, Halbhuber; abw. Wickenburg]

[I.] Der Entwurf des Gesetzes über die Gebäudesteuer

Der Finanzminister referierte über den Gesetzentwurf für die Gebäudesteuer1, a und bemerkte, daß im § 4 der Zwischensatz: „deren Perzent durch das Finanzgesetz bestimmt wird“ ebenso wegzulassen sein wird, wie die gleiche Bestimmung aus den übrigen Steuergesetzentwürfen, welche zur Beratung des Ministerrates vorliegen2. Von keiner Seite wurde gegen diese Weglassung etwas eingewendet. bDer Staatsratspräsident erwähnte hiebei, er setze voraus, daß alle Beschlüsse, welche bei der Grundsteuer gefaßt wurden und auf die übrigen Steuergesetze analoge Anwendung finden, auch in die diesfälligen Entwürfe Aufnahme erhalten, wie dieses insbesondere hinsichtlich der Anwendung der Gebäudesteuer auf das lombardisch-venezianische Königreich gelte. Fernerb Der Staatsratspräsident erwähnte hiebei, er setze voraus, daß alle Beschlüsse, welche bei der Grundsteuer gefaßt wurden und auf die übrigen Steuergesetze analoge Anwendung finden, auch in die diesfälligen Entwürfe Aufnahme erhalten, wie dieses insbesondere hinsichtlich der Anwendung der Gebäudesteuer auf das lombardisch-venezianische Königreich gelte. Ferner bemerkte Minister Ritter v. Lasser , es schiene ihm doch nötig, daß irgendwo im Grundsteuergesetz gesagt werde, „daß diese Steuer nach einem bestimmten Perzent eingehoben wird“. Ferner machte der Minister aufmerksam, daß im Gesetzentwurfe von einer Unterstützung der Finanz durch die politischen Verwaltungsbehörden nichts vorkomme, obgleich der Minister der Finanzen in seinem Vortrage deren Notwendigkeit besprochen hat. Der Polizeiminister fand, die Bestimmung des § 10, wonach die zeitlichen Gebäudesteuerbefreiungen ohne Unterschied auf drei Jahre beschränkt werden, begründe einen allzu großen Sprung gegen die derzeit gesetzlichen Befreiungen von Neubauten3, welcher Meinung Minister Ritter v. Lasser sich || S. 330 PDF || mit dem Antrage anschloß, die Freijahre für Umbauten mit vier, für Neubauten aber mit sechs bis acht Jahren zu bemessen. Der Finanzminister erwiderte, er habe sich bei seinem Antrage das Beispiel des Auslands gegenwärtig gehalten. In Preußen sind nur drei Baufreijahre gesetzlich, in Bayern zwei Jahre, in manchen Ländern besteht gar keine Steuerbegünstigung für Neubauten. Es sei kein Grund, einseitig die Spekulation in Hausbauten so sehr zu begünstigen, während für andere, nationalökonomisch wichtigere neue Unternehmungen, z. B. Errichtung von Fabriken, gar keine Steuernachsicht bewilligt wird. Überdies habe die künstlich genährte Spekulation in Häuserbauten den Nachteil, daß eine Menge Baugewerbe entstehen, denen es in der Folge plötzlich an Verdienst fehlt. Selbstverständlich bleiben die unter der bisherigen Gesetzgebung begonnenen Bauten im uneingeschränkten Genuß der Steuerfreiheit. Übrigens fände der Finanzminister gegen eine Ausdehnung der Freijahre auf vier nichts zu erinnern. Der ungarische Hofkanzler und der Marineminister fanden, daß eine so kurze Steuerfreiheit keinen genügenden Reiz bilden werde, damit sich Kapitalien in hinlänglicher Menge den Hausbauten zuwenden, welche doch an vielen Orten im Interesse des Publikums und selbst des öffentlichen Gesundheitszustandes nötig sind, und durch welche neue steuerbare Objekte geschaffen werden. Diese Stimmführer beantragten daher die Fixierung von sechs steuerfreien Jahren für die im § 10 bezeichneten Fälle von Neubauten ohne Unterschied und mit ausdrücklichem Vorbehalt früher erworbener Rechte. Die mehreren Stimmen vereinigten sich mit diesem Antrage, während Minister Ritter v. Hein sich für eine wenigstens zehnjährige Steuerfreiheit aussprach. cDie bisherige achtjährige Steuerbefreiung hat sich unzureichend erwiesen, die Baulust zu befördern. Viele Provinzen bedürfen dieser Anregung, z. B. Galizien, Ungarn, teils aus nationalökonomischen, teils aus Rücksichten für die weniger bemittelte Bevölkerung. Dabei werde aber das Steuergefälle nicht beeinträchtigt, sondern nur gewinnen, weil die Steuerobjekte sich vervielfältigen werden, also mit der Zeit die Steuersumme wachse, denn durch das Nachwachsen der Steuerobjekte werde die Steuerfähigkeit der bestehenden gewiß nicht vermindert. Eine so kurze Steuerbefreiungsfrist wie die vom Finanzminister vorgeschlagene sei für Österreich nicht zu raten, wenn sie auch in einzelnen anderen Staaten bestehe, denn diese Staaten seien reich an Kapitalien und erfreuen sich deshalb eines niedrigen Zinsfußes. Das sei in Österreich nicht der Fall, und deshalb bleibe ohne längere Steuerbefreiungszeit Österreich notwendig mit den Bauten, selbst wo sie notwendig sind, hinter dem Bedürfnisse zurückc . Die lange Steuerbefreiung, welche den Wiener Neubauten zugestanden wurde, habe in den Kronländern viel Neid erregt und Gesuche um ähnliche Begünstigungen provoziert. Es wäre schlimm, wenn man auf diesem Gesuche mit einer Verkürzung der bisher gesetzlichen acht Freijahre antworten würde, zumal gleichzeitig die Steuer erhöht werden soll.

Fortsetzung am 26. September 1863. Vorsitz und Gegenwärtige wie im Ministerrate am 24. September 1863, mit Ausnahme der Minister Baron Mecséry, Graf Esterházy, Ritter v. Hein, dann des durch FML. Baron Mertens vertretenen Kriegsministers.

|| S. 331 PDF || Der Finanzminister brachte eine Differenz mit dem Staatsrate zur Sprache4, die sich auf § 5 bezieht, worin die Ziffer der Erhaltungskosten bestimmt wird, welche vom Zinsertrage eines Gebäudes abzuziehen kommen, um den reinen Zinsertrag zu erhalten, welcher der Steuer unterliegt. Es sind dort die Orte in drei Klassen, nach Maß und Höhe der Wohnzinsen geteilt, so zwar, daß, wo der durchschnittliche Zinsertrag am höchsten ist, auf Erstattungskosten nur 15%, wo ein mittlerer Zinsertrag 20% und in Orten, wo die Zinsen am niedrigsten stehen, 25% vom Bruttozinse abzuziehen sind.

Staatsrat Baron Halbhuber bemerkte, daß diese Abstufung der präsumtiven Erhaltungskosten nach der Meinung des Staatsrates den faktischen Verhältnissen nicht entspreche. Denn in den Orten, wo der durchschnittliche Wohnzins eines Wohnungsbestandteils am höchsten zu stehen pflegt, das ist also in den großen volkreichen Städten, wirken mehrere Faktoren auf die Erhaltungskosten in der Art, daß sie höher stehen als in den übrigen Orten, namentlich: die größere Teuerung von Handarbeit und Material zum Unterhalt der sarta tecta5, die größeren Anforderungen der Wohnparteien in Absicht auf Reinlichkeit etc. der Wohnungen und Häuser und endlich die bedeutenden Umlagen für Gemeindezwecke, wodurch der Zinsreinertrag mehr geschmälert wird. Früher war ein Abzug bis 30% gestattet6, jetzt soll in den Orten erster Klasse nur 15%, in denen zweiter Klasse nur 20% auf Erhaltungskosten abgezogen werden dürfen. Dies würde viele Klagen hervorrufen, und es wäre daher angezeigt, dieses Verhältnis bei der Häuserklassifizierung angemessen zu berücksichtigen. Der Finanzminister erwiderte, daß ihn bei der Klassifizierung des § 5 hauptsächlich die Betrachtung geleitet habe, wie in den großen Städten mit wohlgebauten festen Häusern die Unterhaltskosten sich relativ niedriger stellen müssen als in denjenigen Orten, wo man für schlechte, vieler Reparaturen bedürftige Wohnungen nur wenig Zins zu erlösen imstande ist. Indessen verkenne der Minister nicht das Gewicht der vom Staatsrate geltend gemachten Umstände und dürfte denselben am einfachsten dadurch Rechnung getragen werden, daß die Abzugsperzente des Entwurfs in den drei Klassen von 15, 20 und 25% auf 20, 25 und 30% erhöht würden.

Der Ministerrat war mit diesem Antrage einverstanden7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 13. Oktober 1863. Empfangen 15. Oktober 1863. Erzherzog Rainer