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Nr. 393 Ministerrat, Wien, 22. und 24. September 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Hueber (22. 9), Ransonnet (24. 9.); VS. Erzherzog Rainer; BdE. (Erzherzog Rainer 28. 9.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein, Mažuranić; BdR. Erzherzog Rainer 17. 10.

MRZ. 1198 – KZ. 3243 –

Protokoll des zu Wien am 22. und 24. September 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer. [Sitzung vom 22. September 1863] [anw. Erzherzog Rainer, Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein, Mažuranić, Halbhuber, Kalchberg; abw. Wickenburg]

I. Auslieferung des Adam Grafen Grabowski

Der Minister Ritter v. Hein brachte die Frage wegen Auslieferung des verhafteten Adam Grafen Grabowski an Preußen mit dem Bemerken in Vortrag, daß es in dieser Beziehung zwischen seiner und des Ministers des Äußern übereinstimmenden Ansicht und jener des Polizeiministers eine Verschiedenheit bestehe. Adam Graf Grabowski sei auf Grundlage einer in dem Allgemeinen Polizeianzeiger enthaltenen Mitteilung des königlichen preußischen Kreisgerichts Rawicz1, gemäß welcher er der Tötung im Duell angeschuldigt und flüchtig sei, durch das Polizeikommissariat Leopoldstadt in Wien aufgegriffen und infolge seines Geständnisses, bei Rawicz im Großherzogtum Posen den Stefan Bobrowski im Zweikampf verwundet zu haben2, dem Landesgerichte Wien eingeliefert worden. Laut seines vorliegenden Passes sei Grabowski russischer Untertan. Das Auslieferungsbegehren sei formell beanständet worden, das preußische Kreisgericht Rawicz habe jedoch nachträglich die formellen Bedingungen erfüllt, es liegen nunmehr das förmliche Auslieferungsbegehren und der Verhaftsbefehl vor, und das Oberlandesgericht Wien habe den Beschluß auf Auslieferung auf Grundlage des mit Erlaß des Ministeriums des Äußern vom 4. April 1854 kundgemachten Beschlusses des deutschen Bundestages vom 24. Jänner 1854 3 dem Justizministerium nach § 46 Strafprozeßordnung zur Bestätigung vorgelegt4. Formell bestünde daher jetzt kein Anstand mehr, dem Auslieferungsbegehren stattzugeben, wenn Grabowski nicht auch wegen eines anderen Verbrechens || S. 312 PDF || bezichtigt wäre. Aus den Interzedierungen der Familie Grabowski seien jedoch Andeutungen hervorgegangen, daß derselbe an dem polnischen Aufstande als Mitglied der sogenannten weißen oder aristokratischen Partei sich ziemlich lebhaft beteiligt und zur Diktatur des Langiewicz mitgewirkt habe. Eine bekannt gewordene Äußerung des russischen Generales Berg gegen Lubomirski lasse die Familie besorgen, daß dem preußischen Auslieferungsbegehren weniger die Absicht der Bestrafung des Zweikampfes als vielmehr die Absicht der Auslieferung Grabowskis an Rußland, wo er politisch kompromittiert sei, zugrunde liege5. Obwohl für Österreich unzweifelhaft auch bezüglich der nicht zum Deutschen Bunde gehörigen preußischen Landesteile die vertragsmäßige Verpflichtung bestehe, den eines nicht politischen Verbrechens Beschuldigten dahin auszuliefern, habe sich Referent doch nicht enthalten können, auch jener Auffassung Raum zu geben, nach welcher das vorliegende Verbrechen des Zweikampfs nur in Verbindung mit seiner eigentlichen Ursache betrachtet, ja vielmehr dieses Verbrechen nur als sekundäres in zweiter Linie, dagegen die dem Grafen zur Last liegenden hochverräterischen Unternehmungen gegen Rußland vorzugsweise und in erster Linie ins Auge gefaßt werden sollten6. Nach dieser Auffassung ergäbe sich die Alternative, entweder die Auslieferung davon abhängig zu machen, daß sich die königliche preußische Regierung verpflichte, den Grafen Grabowski nach der Bestrafung wegen des Verbrechens des Zweikampfes wieder an Österreich behufs der weiteren Verfügung in Ansehung des ihm zur Last liegenden Hochverrates zu übergeben, oder aber – was als mehr gerechtfertigt erscheinen dürfte – daß Österreich sich die Disposition mit dem Grafen Grabowski in Ansehung der ihm zur Last liegenden politischen Handlungen vorbehielte und daher vorläufig die Auslieferung desselben an Preußen wegen des untergeordneten Verbrechens des Zweikampfes suspendieren würde. Eine Folge des Vorganges nach der letzteren Alternative wäre, daß Grabowski, welcher russischer Untertan sei und auf österreichischem Gebiete aufgegriffen wurde und nach dem Wortlaute des Münchengrätzer Vertrages7 an Rußland ausgeliefert werden sollte, sowie mehrere andere, die sich in gleicher Lage befinden, einstweilen zu internieren wären. Referent habe diesfalls mit dem Ministerium des Äußern das Einvernehmen gepflogen, welches sich gegen die erste Alternative aus dem Grunde ausgesprochen habe, weil die bedingte Auslieferung jedenfalls zu weitwendigen und mißliebigen Erörterungen, aber kaum zu einem befriedigendem Resultate führen dürfte, anderseits aber beigestimmt, daß || S. 313 PDF || die verlangte Auslieferung des Grafen Adam Grabowski vorläufig zu sistieren wäre, weil derselbe eines schweren politischen Verbrechens bezichtigt sei, bezüglich dessen die Amtshandlung der österreichischen Behörde zustehe8. Der Polizeiminister, welcher für den Fall seines Einverständnisses mit dem Vorgange im Sinne der letzteren Alternative um die Einleitung der nötigen Verfügungen bezüglich der Internierung des Grafen und seiner Übernahme aus der Verwahrung des Landesgerichts angegangen worden war, sei jedoch der Ansicht gewesen, daß die Internierung des Grabowski dem Buchstaben des Gesetzes widerstreiten würde, nach welchem der genannte Graf auszuliefern wäre9. Bei dieser Meinungsverschiedenheit müsse sich daher Referent einen Beschluß des Ministerrates erbitten.

Der Minister des Äußern erklärte, großes Gewicht darauf legen zu müssen, daß Grabowski vorläufig nicht ausgeliefert werde, indem dieselben Gründe dafür sprechen, welche bei Langiewicz als maßgebend angenommen worden seien10. Das Vergehen, welches Grabowski Preußen gegenüber begangen habe, sei nicht so schwer, die Duelle werden im Inlande nicht sehr strenge bestraft, wenn aber auch eine Verurteilung erfolge, trete meist bald die Begnadigung ein. Die Auslieferung des Grabowski würde ein Geschrei in ganz Europa hervorrufen, und die österreichische Regierung würde Gefahr laufen, alle Sympathien zu verlieren. Votant stimme daher für die Internierung, da das Unglück nicht groß wäre, wenn auch Grabowski sein Wort bräche und durchgehen würde, und da er gerne bereit sei, im Falle einer Reklamation im diplomatischen Wege die Verteidigung der Handlungsweise der Regierung zu übernehmen. Der Polizeiminister bemerkte, von dem Justizministerium um seine Zustimmung angegangen worden zu sein, daß die Auslieferung des Grabowski verweigert werde. Dies sei jedoch eine Frage, deren Entscheidung rein nur die Gerichte angehen, und er habe sich daher für berufen angesehen zu verhüten, daß diese Frage durch seine Zustimmung nicht in ein anderes Geleise gebracht werde. Werde Grabowski freigelassen, so werde er ihn behandeln wie jeden russischen Untertan und selben internieren, er halte es jedoch nicht seines Amtes, seine Zustimmung zur Auslieferungsverweigerung zu erteilen, aund das um so weniger, als nach seiner Ansicht für die österreichische Regierung vertragsmäßig und gesetzlich die unzweifelhafte Verpflichtung zur Auslieferung vorlägea . Sollte übrigens der Beschluß gefaßt werden, daß Grabowski nicht auszuliefern sei, könne er eine Verantwortlichkeit nicht übernehmen, wenn Grabowski von seinem Internierungsorte, als welchen er Innsbruck bestimmen würde, durchgehen sollte. Der Staatsratspräsident war der Ansicht, daß nach den bestehenden Übereinkommen || S. 314 PDF || von juridischer Seite das Recht Preußens, die Auslieferung des Grabowski zu begehren, nicht in Zweifel gezogen werden könne. Die Auslieferung könnte nur dann verweigert werden, wenn hier in Österreich eine Untersuchung gegen Grabowski wegen eines anderen Vergehens gepflogen würde. Dies wolle man aber nicht tun, folglich müsse man ihn herausgeben. Votant stimmte daher für die Auslieferung, die er auch von anderen Gesichtspunkten nicht für bedenklich erkannte. Der Staatsminister und der Minister Ritter v. Lasser stimmten dem Staatsratspräsidenten insoweit bei, daß die rechtliche Verpflichtung zur Auslieferung keinem Zweifel unterliege. Mit Rücksicht auf die politische Lage und auf die vom Minister des Äußern ausgesprochene Besorgnis, daß durch die Auslieferung für die österreichische Regierung Verlegenheiten entstehen könnten, waren auch diese beiden Stimmführer der Ansicht, daß Grabowski zu internieren wäre.

Diese Ansicht teilten auch alle übrigen Stimmführer, und es ergab sich daher der Beschluß: der von den Gerichten gefaßte Auslieferungsbeschluß sei von dem Justizministerium nicht zu bestätigen, dasselbe habe vielmehr dem Wiener Landesgerichte aufzutragen, daß es die requirierende preußische Gerichtsbehörde dahin verständige, daß die Auslieferung des Grafen Grabowski vorläufig nicht stattfinden könne, weil sich eine Seite der österreichischen Behörden wegen der gegen den Grafen vorliegenden Inzichten der Beteiligung an dem politischen Aufstande die eigene Amtshandlung vorbehalten werde11.

Schließlich brachte der Minister des Äußern zur Sprache, bei dieser Gelegenheit in Erfahrung gebracht zu haben, daß Grabowski, gegen welchen eine Untersuchung nicht gepflogen werde, schon durch sechs Wochen verhaftet und auf die gewöhnliche Gefängniskost angewiesen sei, mit Falschmünzern einen Arrest teile und nur alle 36 Stunden, und zwar ohne Kopfbedeckung, in den Spazierhof gelassen werde. Diese Zustände werden zu traurigen Bemerkungen im Auslande Anlaß geben, und es sei notwendig, eine Abhilfe zu treffen und eine Behandlung je nach den Individualitäten eintreten zu lassen. Der Minister Ritter v. Hein erwiderte, nur in Erfahrung gebracht zu haben, daß Grabowski gegen die Verweigerung von Messer und Gabel sich beklagt habe. Er erklärte sich über Aufforderung Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer bereit, den hier vorgebrachten Klagen näher auf den Grund sehen und allenfalls gegen die bestehende Hausordnung verstoßende Mißstände abstellen zu wollen.

II. Aufschub der Berichterstattung im Abgeordnetenhaus über den Staatsvoranschlag pro 1864

Der Vortrag des Staatsministers über den Beschluß des Finanzausschusses des Abgeordnetenhauses vom 22. September l. J. über den Aufschub der Berichterstattung || S. 315 PDF || hinsichtlich des Staatsvoranschlags pro 1864 im pleno des Abgeordnetenhauses erscheint als Fortsetzung im Ministerratsprotokoll vom 21. [sic!] September l. J.12

III. Reform der direkten Steuern und Einführung einer außerordentlichen Personal-, Luxus- und Klassensteuer

Der Finanzminister referierte über die Gesetzentwürfe, welche er in betreff der Reform der direkten Steuern und der Einführung einer außerordentlichen Personal-, Luxus- und Klassensteuer mit dem au. Vortrage vom 3. Juni l. J., Z. 2460 FM., in Vorlage brachte13. Nachdem Referent in einem längeren Exposé die Phasen, welche dieser Gegenstand in letztverwichener Zeit durchmacht, dargestellt und voraussetzen zu können erklärt hatte, daß die unter seinem Amtsvorgänger hierin stattgefundenen Verhandlungen sowie die Ergebnisse der Tätigkeit der Ah. bestellt gewesenen Immediatkommission14, endlich die im Gegenstande erflossenen Ah. Entschließungen vom 7. Februar 1861 und vom 30. Juni 1862 15 der Konferenz bekannt seien, und nachdem er in Erinnerung gebracht hatte, daß schon in der ersten Reichsratssession aus Anlaß der Steuererhöhung eine Interpellation im Abgeordnetenhause vorgebracht worden sei16, wobei die Debatte hauptsächlich dahin gerichtet gewesen sei, daß die gegenwärtige Steuergrundlage höchst mangelhaft und es daher notwendig sei, zu einer durchgreifenden Steuerreform ehetunlichst zu schreiten, und daß er in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 26. November 1862 im Namen der Regierung die Erklärung abgegeben habe, daß beabsichtigt sei, in der nächsten Session des Reichsrates eine Vorlage in betreff der Regulierung der Grundsteuer, und zwar insbesondere in der Richtung wegen Schaffung einer richtigeren und gleichmäßigeren Grundlage für die Steuerbemessung, einzubringen17, bemerkte Referent, daß bei der Verfassung der vorliegenden Gesetzentwürfe der Grundgedanke darauf gerichtet gewesen sei, das Objekt bei der Quelle zu fassen, und daß dieser Gedanke selbst bei der Erwerb- und Einkommensteuer in Anwendung gebracht worden sei, so daß || S. 316 PDF || alle vorliegenden Gesetzentwürfe nur objektive Verhältnisse zum Gegenstande haben. Der Staatsrat habe die Vorlagen einer eindringlichen Beratung unterzogen und die dabei zutage getretenen Differenzen seien teils redaktioneller, teils aber auch essentieller Natur18. Um den Vortrag in der Konferenz nach Möglichkeit zu kürzen, erklärte Referent nur jene Punkte speziell hervorheben zu wollen, bei welchen er seine von dem staatsrätlichen Gutachten abweichenden Anträge festhalten zu sollen erachte, in allen übrigen nicht zur Sprache gebrachten Punkten aber den Anträgen des Staatsrates beizustimmen:

Referent ging sohin insbesondere auf den Gesetzentwurf über die Regelung der Grundsteuerb über, wobei er nur im allgemeinen vorausschickte, daß in Ansehung der Grundsteuer nicht an der Form des Wertkatasters festgehalten, sondern der in Österreich bereits bestehende Ertragskataster im Prinzipe beibehalten und nur dessen Revision und bezüglich weiterer Durchführung in den Königreichen und Ländern auf eine beschleunigtere, mit den Fortschritten der Finanzwissenschaft und den neuesten staatsrechtlichen Verhältnissen in Einklang stehende Weise zu erzielen angestrebt wurde19. Das Detail betreffend bemerkte Referent, daß ihn bei der Wahl des Titels „Gesetz über die Regelung der Grundsteuer“ zunächst der formelle Grund bestimmt habe, daß im Abgeordnetenhause der Wunsch ausgesprochen wurde, daß ein Gesetz über die Regelung der Grundsteuer eingebracht werde und daß in der Regierungserklärung dies in Aussicht gestellt worden sei. Das vorliegende Gesetz enthalte wohl Bestimmungen über die Vornahme einer neuen Grundertragsschätzung, übrigens auch solche Bestimmungen, die weiter gehen, als eine Schätzung und eine eigentliche Regelung der Grundsteuer bezwecken. Er müsse daher Wert darauf legen, daß der von ihm vorgeschlagene Titel beibehalten werde.

Der Staatsratspräsident bemerkte, daß der Staatsrat den Titel „Gesetz über die Vornahme einer neuen Grundertragsschätzung zum Behufe der gleichmäßigeren Verteilung der Grundsteuer wirksam etc.“ in Vorschlag gebracht habe, indem selber aus dem Grunde korrekter erscheinen dürfte, weil das vorliegende Gesetz tatsächlich keinen anderen Zweck als eine Revision der Schätzungsnormen verfolge. Der Staatsrat habe auch geglaubt, daß es rätlich scheinen dürfte, den vielversprechenden Titel „Regelung der Grundsteuer“, welcher zu anderen Erwartungen berechtige, als der Entwurf des Gesetzes im Auge habe, zu vermeiden. Der Staatsratspräsident stimmte für den Antrag des Finanzministers aus dessen Motiven und weil an dem Titel nicht wesentlich gelegen sei. Auch alle übrigen Stimmführer erklärten sich für den Antrag des Finanzministers. Referent bemerkte hierauf, daß sein weiterer Antrag, nach welchem die Wirksamkeit dieses Gesetzes sich nicht auf das lombardisch-venezianische || S. 317 PDF || Königreich zu erstrecken hätte, weil eine Revision der Grundsteuergesetze dort eine große Aufregung hervorrufen und, solange das Statut dort nicht in Wirksamkeit getreten sei, eine solche Maßregel dort sehr übel aufgenommen werden würde, von der Majorität des Staatsrates gutgeheißen worden sei. Der Staatsratspräsident erwiderte, daß der staatsrätliche Referent, der mit dem Steuerwesen im lombardisch-venezianischen Königreiche sehr vertraute Staatsrat Ritter v. Holzgethan, auf die Vornahme einer gleichzeitigen neuen Grundertragsschätzung einen großen Wert gelegt habe und die Ausdehnung der Wirksamkeit dieses Gesetzes auch für das lombardisch-venezianische Königreich befürwortet habe, weil es kaum zu rechtfertigen wäre, bei einer Maßregel, die den ausgesprochenen Zweck habe, die Gleichmäßigkeit der Grundbesteuerung im Reiche herbeizuführen, in einem wichtigen Teile desselben eine offenkundige, erhebliche Verschiedenheit unbeachtet zu lassen. Votant teilte diese Ansicht des staatsrätlichen Referenten und fand die von dem Finanzminister angeregten politischen Bedenken nicht für derart überwiegend, um eine Operation, die nur zur Aufgabe habe, für die Zwecke der Besteuerung den wahren Ertrag zu ermitteln, nur im lombardisch-venezianischen Königreiche zu unterlassen, zumalen es auch in dem Wunsche der dortigen Bevölkerung gelegen sein müsse, rücksichtlich der Grundsteuer mit den übrigen Ländern der Monarchie gleichmäßig behandelt zu werden. Der Marineminister erwähnte, daß er im Jahre 1858 Vorsitzender einer Kommission in Mailand gewesen sei, welche infolge vieler Beschwerden über das nicht richtige Steuerverhältnis im lombardisch-venezianischen Königreiche abgehalten, durch den Krieg im Jahre 1859 aber unterbrochen worden sei. Aus den Richtungen, welche damals die Debatten in der Kommission genommen haben, sei hervorgegangen, daß alle Schichten der dortigen Bevölkerung die Überzeugung hegen, weit stärker besteuert zu sein als die übrigen Länder. Zur richtigen Beurteilung dieses Verhältnisses gebreche es an der Möglichkeit eines richtigen Vergleiches, da die Elemente der Schätzung dort andere waren als in den übrigen Ländern. Um den erwähnten Vorwurf von der Regierung abzuleiten und eine gleichmäßige Basis für die Verteilung der Grundsteuer überall zu erlangen, glaube auch Votant sich mit dem Antrage des Staatsratspräsidenten, die Wirksamkeit dieses Gesetzes sei auch auf das lombardisch-venezianische Königreich auszudehnen, im Prinzipe einverstanden erklären zu sollen. Da jedoch die dortige Bevölkerung nicht werde einsehen wollen, daß damit ihr eigener Wunsch in Erfüllung gebracht werde, vielmehr in dem Wahn werde bestärkt werden, daß es der Regierung um eine Steuererhöhung zu tun sei, glaubte Votant, daß es nicht politisch klug wäre, mit der Durchführung dieses Gesetzes gleichzeitig auch in Italien vorzugehen und sprach sich sonach dafür aus, daß erklärt werde, die Durchführung dieses Gesetzes habe im lombardisch-venezianischen Königreiche vorläufig zu unterbleiben. Diesem Antrage trat auch der Minister Graf Esterházy bei. Der Staatsminister erklärte, nicht einsehen zu können, warum dieses Gesetz nicht auch für das lombardisch-venezianische Königreich wirksam werden solle. Man müsse sich nur gegenwärtig halten, daß das Gesetz nicht in den nächsten vier Wochen, ja nicht über ein Jahr die verfassungsmäßigen Stadien durchgemacht haben werde, zumalen es auch im Herrenhause Gegenstand lebhafter Debatte sein werde. Bis dahin werden aber auch in verfassungsmäßiger Beziehung in Italien geordnete Zustände sein. In || S. 318 PDF || Italien sei eine verständige kluge Bevölkerung, die gar bald herausgerechnet haben werde, daß die Revision nicht zu ihrem Nachteile ausfallen werde. Votant sprach sich daher für die Ausdehnung der Wirksamkeit des Gesetzes auch für das lombardisch-venezianische Königreich aus. Der Minister Ritter v. Lasser teilte gleichfalls diese Meinung, weil administrative Hindernisse der Durchführung des Gesetzes im lombardisch-venezianischen Königreich nicht entgegenstehen, weil mit demselben Grunde auch die übrigen Länder diese vermeintlich eine Steuererhöhung bezweckende Maßregel bekritteln könnten und überhaupt kein Grund bestehe, ein Land von einer im allgemeinen Interesse für zweckmäßig erkannten Maßregel auszunehmen. Votant erachtete übrigens hierin ein Kompelle finden zu sollen, die Italiener zu nötigen, sich an den Reichsratsberatungen zu beteiligen, wozu ihre materiellen Interessen sie bestimmen dürften. Es sei namentlich der letztere Grund, welcher für ihn bei seinem Votum entscheidend gewesen sei. Der Minister des Äußern trat dem Antrage des Finanzministers mit dem Bemerken bei, daß sobald letzterer auf die Einbeziehung des lombardisch-venezianischen Königreichs unter die Wirksamkeit dieses Gesetzes keinen Wert lege, bei ihm die politischen Bedenken den Ausschlag geben. Nicht nur würde unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Operation auf Seite der lombardisch-venezianischen Bevölkerung, welche selbst in dem Falle, wenn auch eine für sie günstigere Änderung in der Besteuerung sich ergeben sollte, eine Erhöhung der Steuerquote besorgen würde, mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, sondern die revolutionäre Propaganda und die in der italienischen Frage befangenen Mächte würden diesen Anlaß augenblicklich benützen, um die Maßregeln zu entstellen, das Landvolk gegen die Regierung zu hetzen und hieraus politisches Kapital zu schlagen. Die Regierung würde auf diese Art die Mittel zu ihrer Verteidigung verlieren. Der Polizeiminister betonte, daß das Gesetz auf den Verkaufswert der Objekte einen mächtigen Einfluß üben werde. Mag nun der Verkaufswert steigen oder fallen, immer werde dadurch ein großes Moment der Aufregung geschaffen und Anlaß zu Aufreizungen geboten werden. Mit Rücksicht auf die ganz besonderen Verhältnisse der lombardisch-venezianischen Provinzen erachtete daher Votant, dem Antrage des Finanzministers beistimmen zu sollen. Der gleichen Ansicht waren auch der Minister Graf Nádasdy, der Kriegsminister und der ungarische Hofkanzler, welch’ letzterer erklärte, kein Freund des Rüttelns zu sein und die politischen Bedenken für überwiegend halten zu sollen, wobei ihm der Kriegsminister beistimmte, obgleich Graf Degenfeld selbst einsehen zu müssen erklärte, daß durch diese Ausnahme die Italiener in der Idee, daß sie nicht zu Österreich gehören, nur bestärkt werden müssen. Der Minister Ritter v. Hein bemerkte, daß er prinzipiell das lombardisch-venezianische Königreich in jeder Beziehung so behandelt wissen wolle wie die übrigen Provinzen. Der Mißstand, daß die unruhigsten Provinzen die geschontesten seien, müsse einmal abgestellt werden. Werde das vorliegende Gesetz für geeignet gehalten, einem allgemein gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, so existiere dessen Bedürfnis in Italien so gut wie hier. Der angeführte politische Beweggrund und die Besorgnis, die Sympathie in Italien zu schwächen, könne ihn nicht bestimmen, für die Zulassung der Ausnahme des lombardisch-venezianischen Königreichs von der Wirksamkeit dieses Gesetzes zu stimmen, mit italienischen Sympathien regiere Österreich nicht, auf Nachreden || S. 319 PDF || pflege er aber kein Gewicht zu legen. Übrigens könne Votant gar nicht begreifen, mit welchem haltbaren und unverfänglichen Grunde der Finanzminister die Ausnahme des lombardisch-venezianischen Königreiches im Reichsrate entschuldigen könnte, da er sich doch bedenken müßte zu gestehen, die Regierung fürchte sich, dieses Gesetz in Italien durchzuführen. Votant sprach sich demnach für den Antrag des Staatsministers beziehungsweise des Staatsratspräsidenten aus. Der kroatisch-slawonische Hofkanzler erklärte, darauf halten zu sollen, daß durch die Nichtzulassung einer Ausnahme für Lombardo-Venetien ein Beispiel mehr gegeben werde, daß Italien ein Glied des Ganzen sei. Dem politischen Bedenken werde vorgebeugt, weil das Gesetz im Reichsrate werde beraten werden, wodurch vorausgefaßte Meinungen über die Absicht der Regierung ihre natürliche Widerlegung finden werden. Votant stimmte übrigens jenen Vorstimmen bei, welche es für rätlich erkannt hatten, mit der Durchführung des Gesetzes noch einige Zeit zu warten.

Die Stimme des Staatsratspräsidenten nicht gerechnet, sprachen sich daher sechs Stimmen für die Ausnahme des lombardisch-venezianischen Königreichs aus Opportunitätsgründen, und zwar unbedingt, drei Stimmen für die vorläufige Sistierung der Durchführung des Gesetzes im lombardisch-venezianischen Königreich und drei Stimmen für die Ausdehnung des Gesetzes auch für das lombardisch-venezianische Königreich aus.

Zu § 5 bemerkte Baron Lichtenfels , daß der Staatsrat die Weglassung der alinea 3 dieses Paragraphen vorgeschlagen habe, weil die betreffende Bestimmung in der Allgemeinheit und Unbestimmtheit, wie sie laute, zu Mißverständnissen und zu mit den Privatrechten unvereinbarlichen Folgerungen führen könnte. Votant teilte dieses Bedenken und proponierte eine andere Textierung beiläufig in der Art: „Inwieferne der Bezugsberechtigte die Vergütung des entsprechenden Teiles der Grundsteuer von dem Verpflichteten ansprechen könne, wird durch besondere Bestimmungen festgesetzt werden.“ Der Minister Ritter v. Lasser hielt es für außerordentlich schwer, eine solche Verordnung zu erlassen, so wenig er auch die Billigkeit desselben verkannte. Er machte in dieser Beziehung auf die Operation der Servitutenregulierung aufmerksam, bei welcher auf das Moment Rücksicht genommen worden sei, daß der Grundbesitzer fortan die Steuern zahlen werde. Dieses Verhältnis werde aber wesentlich alteriert, wenn nun eine Überwälzung der Steuern ausgesprochen werden würde. Nachdem der ungarische Hofkanzler den diesfalls in Ungarn gesetzlichen, bei den Kommassationen bereits in Anwendung gebrachten Vorgang, nach welchem ein. Teil der Steuern auf die abgetrennten Gründe übergegangen sei, beleuchtet hatte, erklärten sich sowohl der Finanzminister als auch die übrigen Stimmführer mit dem Antrage des Staatsratspräsidenten einverstanden. Zu § 10 bezüglich der Zusammensetzung der Landeskommissionen beantragte der Staatsratspräsident anstatt der „zwangsweisen“ Bestimmung, „deren Mitglieder zur Hälfte vom Landtage gewählt werden“, eine fakultative Bestimmung: „Die Landesvertretung kann die Hälfte der Kommissionsmitglieder wählen“, weil nur auf solche Weise bewerkstelligt werden könne, daß nicht ein Landtag, dadurch daß er nicht wählt, das Zustandekommen dieser Landeskommission vereitle. In gleicher Weise wären auch bei § 12 und § 14 die Textierung zu ändern. Der Finanzminister || S. 320 PDF || glaubte zwar, daß dieser Besorgnis durch den Schlußsatz des §15: „Die Kommissionen selbst sind ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig“ vorgebeugt sei, trat übrigens dem Antrage des Staatsratspräsidenten bei, welchem auch die übrigen Konferenzmitglieder beistimmten.

Zu § 15: Entgegen dem Antrage der Majorität des Staatsrates, es dürfte wenigstens ein Minimum der zur Beschlußfähigkeit der Kommission erforderlichen Anzahl der Kommissionsmitglieder, allenfalls nicht unter zwei Drittel, vorgeschrieben werden, sprach sich über Motion von Seite des Staatsratspräsidenten mit Rücksicht auf die Gesetzgebung in Preußen der Ministerrat zu alinea 2 für den vom Finanzminister vorgeschlagenen Text aus.

Zu § 34 bemerkte der referierende Finanzminister, daß der Staatsrat gegen die beantragte Bestimmung: „Der Schätzungskommissär habe unter anderem auch Auszüge aus Wirtschafts­rechnungen und anderweitigen Aufzeichnungen über den Naturalertrag zu sammeln“, Einspruch erhoben habe, weil er das angedeutete Verfahren als ein fiskalisches Eindringen, einen Eingriff in die Privatrechte bezeichnete und dasselbe auch nicht für unumgänglich erforderlich hielt. Hingegen müsse er bemerken, daß auch in den bisher bestandenen Verordnungen die Mitteilung der Auszüge aus Wirtschaftsrechnungen und Aufzeichnungen vorgeschrieben war und daß es für den Schätzungskommissär notwendig sei, diese Behelfe zur Hand zu haben. Zudem sei der diesfällige Ausspruch in dem vorliegenden Gesetze nur ein korrelativer. Der Staatsratspräsident erklärte sich mit dem Finanzminister einverstanden, weil auch bei gerichtlichen Schätzungen diese Behelfe abgeschickt zu werden pflegen. Auch die übrigen Stimmführer traten dem Antrage des Finanzministers bei.

Zu § 45 in betreff der Bestimmung, daß bei der Erhebung des Naturalertrages bei Weingärten der Mittelertrag an Wein in einer Periode von mindestens 15 Jahren und das Verhältnis der guten und schlechten Jahre zu berücksichtigen sei, bemerkte der Staatsrat Halbhuber , daß die Worte „und das Verhältnis der guten und schlechten Jahre“ ihm nicht richtig zu sein scheinen, weil in dem Mittelertrage der Periode von 15 Jahren ja schon die guten und schlechten Jahre berücksichtigt seien. Der Staatsratspräsident glaubte das hier ausgesprochene Prinzip nicht anfechten zu sollen, weil es sich hiebei nicht darum handle, den rechnungsmäßigen, sondern vielmehr den nachhaltigen Durchschnittsertrag zu erheben. Übrigens erachtete Votant es für rätlich, zur Erzielung einer gleichförmigen Auslegung eine bessere Textierung vorzunehmen. Der Ministerrat erklärte sich hiemit einverstanden.

§ 57: Der Minister Ritter v. Hein beantragte die Streichung dieses Paragraphen, weil es nicht angehen dürfte, die Grundertragsschätzung in den Ländern der ungarischen Krone erst nach Vollendung dieser Operation in den übrigen Teilen der Monarchie in Angriff zu nehmen, indem nur dann, wenn die Grundertragsschätzung möglichst gleichzeitig in allen Ländern vorgenommen werde, eine gleichmäßige Steuerbemessungsgrundlage gewonnen werden könne. Der Staatsrats­präsident erkannte dieses Motiv für richtig, sprach jedoch seine Überzeugung aus, daß in einigen ungarischen Ländern nichts mehr zu machen sein werde, weil eine Volksvertretung dermal dort nicht bestehe. Fraglich sei es übrigens, ob in Siebenbürgen mit der Grundertragsschätzung gewartet werden müsse, da doch der siebenbürgische Landtag in der Adresse die Durchführung der Grundsteuerreform als || S. 321 PDF || einen Wunsch des Landes bezeichnet habe. c Votant beantragte daher eine Änderung der Textierung des § 57 in der Art, daß ausgesprochen werde, die Grundertragsschätzung sei in den deutsch-slawischen Ländern gleichzeitig, in den zur ungarischen Krone gehörigen Ländern aber in möglichst naher Zeit in Angriff zu nehmen. Der Finanzminister bemerkte, daß die Organe zur gleichzeitigen Durchführung dieser Operation auf einmal gar nicht aufgefunden werden könnten, daß der diesfällige Aufwand ein sehr namhafter sein würde und daß in Ungarn mit der Durchführung dieser Maßregel umso leichter zugewartet werden könne, da dort das Grundsteuerprovisorium in Geltung stehe, welches als ein späteres Gesetz auch auf einer richtigeren Grundlage basiert sei. Der Ministerrat erklärte sich sohin für die Änderung des vom Finanzminister vorgeschlagenen Textes in der vom Staatsratspräsidenten beantragten Weise.

§§60 und 61: Der Staatsratspräsident beantragte die Streichung dieser beiden Paragraphen, weil der Zweck dieses Gesetzes kein anderer sei, als eine Grundlage für die Ausschreibung der Grundsteuer zu gewinnen, weiters aber auch aus dem Grunde, weil im § 60 der § 10 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung erwähnt werde, welche Beziehung leicht zu Kollisionen mit dem Reichsrate, ja sogar zur Verfassungsänderung führen könnte. Der § 61 sei aber ganz überflüssig, indem es sich wohl von selbst verstehe, daß ein bestehendes Gesetz so lange in Wirksamkeit zu bleiben habe, bis nicht im verfassungsmäßigen Wege ein anderes Gesetz an dessen Stelle trete und die Regierung durch die Verheißung eines solchen Gesetzes sich nur die Hände binden würde, zumal wenn sie selbst in der Folge ein solches einzubringen nicht mehr beabsichtigen würde. Der Finanzminister bemerkte, es sei bei der Grundsteuer unumgänglich notwendig, einen bestimmten Steuersatz für mehrere Jahre fest vor sich zu haben, weil eine in dieser Beziehung zu häufige Oszillierung unausweichlich eine Erschütterung der Gutswerte zur Folge haben würde. Er würde es gerne sehen, wenn eine längere Periode erreicht werden könnte, halte es aber für wünschenswert, daß mindestens eine dreijährige festgesetzt werde, weil sonst ein Kalkül für volkswirtschaftliche Berechnungen gar nicht möglich wäre. Eine gewisse Stabilität in dieser Beziehung sei in der Natur der Sache gegründet und würde nur in Übereinstimmung mit anderen Staaten stehen. Der Minister Ritter v. Lasser fand selbst eine dreijährige Periode für zu kurz und glaubte, daß wenigstens eine zehnjährige angenommen werden sollte. Übrigens sprach sich Votant entschieden gegen das im zweiten Teile dieses Gesetzes (§§60 und 61) enthaltene Prinzip aus, welches er schon deshalb nicht für opportun erkennen zu sollen erachtete, weil damit ausgesprochen würde, daß die Summe, welche jährlich an Grundsteuer aufgebracht werden soll, von oben herab auf die Provinz, Bezirk und Gemeinde repartiert werden soll, wodurch der Standpunkt, welchen die Regierung nach § 10 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung in der Art einnehme, daß sie die Steuern nach den bestehenden Gesetzen einnehme, aufgegeben würde und die Regierung sich das Votieren der Grundsteuer von Seite des Reichsrates Jahr für Jahr gefallen lassen müßte. Votant fand es aber auch sehr bedenklich, diesen Kampf in die Landtage zu bringen, was nach § 61 geschehen würde, wozu noch komme, daß || S. 322 PDF || die Regierung hiemit den Standpunkt der Verfassung verlassen würde, gegen welche es offenbar verstoßen müßte, wenn die Landtage zur Mitwirkung in dieser Angelegenheit für kompetent angesehen werden würden. Votant sprach sich demnach dafür aus, daß die beiden §§ 60 und 61 gestrichen werden sollten. Der Polizeiminister trat dem Antrage der Vorstimme bei, weil der zweite Teil des Gesetzes erst dann ausführbar wäre, wenn einmal die Reinertragssummen bis ins kleinste Detail feststehen werden, weil es weiters nicht viel auf sich haben würde, auf § 10 der Verfassung sich zu beziehen, indem dabei doch immer das Steuerbewilligungsrecht des Reichsrates anerkannt wäre, endlich weil gegen die Selbstrepartition der Gemeinden, wegen der dabei unvermeidlich vorkommenden Willkürlichkeiten die größten Bedenken bestehen. Aus diesen Motiven erklärten sich auch der Minister Graf Nádasdy, der Staatsminister und der Minister Ritter v. Hein für die Streichung der §§ 60 und 61. Der Finanzminister bemerkte, daß der § 61 über das angeregte Bedenken, daß die Gemeinden bei der Selbsrepartition willkürlich vorgehen, beruhige. Den Kommissionen die Repartition in den Gemeinden einzuräumen, sei unendlich gefährlich. Die Benützung des Steuerträgers selbst zur Zustandebringung der Steuergrundlage sei der rote Faden, welcher sich durch die ganze Idee seiner Anträge durchziehe. Dies könne aber auch keine Besorgnis erregen, weil das Maß der Steuergebühr des einzelnen Kontribuenten nicht von dem richtigen Verhältnis der Anschätzung seiner Liegenschaft, sondern nur von der absoluten Höhe des Katastralreinertrages abhänge. Der Aufbau des Reinertrages sei aber ein gegenseitiges Postulat aller Gemeinden. Im Abgeordnetenhause sei eine große Fraktion, die sich für die Quotenbesteuerung ausspreche, und er habe keinen Grund zu verschweigen, daß der § 61 beziehungsweise das Offenhalten der Frage über die Art der Verteilung der auf jede Gemeinde nach dem für sie ermittelten Reinertrage entfallenden Grundsteuer auf einem Kompromisse mit den Fraktionen des Abgeordnetenhauses beruhe. Die Minister Graf Rechberg, Graf Degenfeld, Graf Esterházy, Baron Burger, der ungarische und der kroatisch-slawonische Hofkanzler traten rücksichtlich der §§ 60 und 61 den Anträgen des Finanzministers bei, nachdem letzterer sich damit einverstanden erklärt hatte, daß die Anführung der dreijährigen Steuerperiode im § 60 ausgelassen werde.

Wien, am 22. September 1863.

Fortsetzung am 24. September 1863. Vorsitz und Gegenwärtige wie am 22. September 1863.

Der Finanzminister las die anverwahrte, von ihm verfaßte neue Textierung der §§ 60 und 61d, wodurch den bei der ersten Beratung des Grundsteuergesetzes erhobenen Anständen begegnet sein dürfte. Mit dieser Textierung erklärten sich einverstanden: die Minister des Äußern, der Polizei, Ritter v. Lasser, Graf Degenfeld, Baron Burger, Graf Esterházy, der Staatsratspräsident, der ungarische und der kroatisch-slawonische Hofkanzler.

|| S. 323 PDF || Minister Ritter v. Hein äußerte mit Beziehung auf seine, bei der Beratung am 22. d. M. abgegebenen Vota, daß er auch der heute verlesenen Textierung nicht zustimmen könne. Es sei sehr wichtig, daß die Kontribuenten zunächst dem Reiche die Steuern entrichten, während sie nach dem Antrage des Finanzministers an die Gemeinde zahlen, welche erst die lf. Steuerquote an die Staatskasse entrichten soll. Das Beispiel Englands sei für Österreich nicht maßgebend, weil dort der größte Teil der Steuer von Grund und Boden für die Grafschaften eingehoben wird. Die Vorteile der Fixierung einer bestimmten Grundsteuersumme ein für allemal seien nicht abzusehen, ezumal die indirekten Steuern, relativ zu den direkten, bei uns ohnehin bereits zu hoch sind und durch diese Fixierung der direkten Steuern das Mißverhältnis dauernd erhalten werde. Übrigens liege auch in der neuen Textierung das System der Länderquoten, am Ende auch der Wertkataster verborgen. Das System der Länderquoten halte er an und für sich für die Reichseinheit gefährlich, überdies aber auch, falls die gegenwärtigen Steuerergebnisse als Basis der ersten Quotenfestsetzung angenommen würden, für ungerecht und einer Ausgleichung der Steuer nach Verhältnis der wahren Steuerkraft im ganzen Reiche für sehr abträglich. Endlich habe dieses Quotensystem den unberechenbaren Nachteil, daß das Erstarken und Anwachsen der Steuerkraft der einzelnen niemals dem Staate, sondern nur der Gemeinde oder allenfalls der einzelnen Provinz zustatten komme. Da die Individual­vorschreibung doch bei den ärarischen Steuerbehörden geführt oder ersichtlich sein müsse, so sei nicht einzusehen, warum nicht die ganze Summe der Individualsteuerkräfte immer dem ganzen Reiche nutzbar werden solle. Nicht die Provinzen sind die Steuerträger, sondern jeder einzelne mit seiner individuellen Steuerkraft müsse zur Reichssteuer herangezogen werden. Dieser Grundsatz werde aber durch das im § 60 liegende System ganz und gar alteriert. Er halte es sonach für seine Gewissenspflicht, gegen die §§ 60 und 61 auch in ihrer neuen Form zu stimmene . Der Finanzminister erwiderte, daß nachdem die Quote der einzelnen Länder vorläufig dieselbe bleibt, jene Provinzen, wo die neue Einrichtung früher durchgeführt wird, davon den Vorteil haben, daß die Steuerlast im Inneren angemessener verteilt wird. Eine völlige Unveränderlichbarkeit der Grundsteuer liege nicht in der Absicht des Finanzministers, und die nach 20 Jahren stattfindende Revision des Katasters werde die den jeweiligen Verhältnissen entsprechende Erhöhung zur Folge haben. Jede Verbesserung des Bodens sogleich besteuern zu wollen, hieße den Fortschritt der Landeskultur paralysieren. Daß in den §§ 60 und 61 die Einhebung der Grundsteuer durch die Gemeinden in Aussicht gestellt wird, ist ganz natürlich, da man doch früher oder später dazu kommen muß, die Auslagen des Ärars für Einhebung der Steuern auf diesem Wege zu vermindern. Übrigens werden auch dann die Steuerbehörden Individualsteuerlisten fvon den Gemeinden erhalten müssen, damit jene Behörden stets genau wissen, ob und wer im Rückstand haftet, und damit sie in Steuerverweigerungen die Einhebung selbst in die Hand nehmen könnenf . Wenn es || S. 324 PDF || am Eingang des § 61 heißt, „über die Art der Verteilung der Steuer innerhalb der Gemeinde werden besondere gesetzliche Bestimmungen vorbehalten“, so hatte der Finanzminister hiebei vorzugsweise die Absicht, das altherkömmliche und beliebte Steuerperäquationssystem20 in den Tiroler Gemeinden zu salvieren. Der Staatsminister erklärte, seine bei der ersten Beratung ausgesprochene Meinung festzuhalten. Im allgemeinen halte er es durchaus nicht für angezeigt, bei unseren noch wenig konsolidierten Verhältnissen, dann wo so große Länder im Reichsrat noch nicht vertreten sind, mit einer Totalreform des Steuerwesens hervorzutreten. Es sei auch, um auf das Besondere überzugehen, keineswegs notwendig, für die ferne Zukunft auf eine Erhöhung der Grundsteuer prinzipiell jetzt schon zu verzichten. Ebenso wäre es verfrüht, heute schon über die Steuerverteilung und Einhebung im Inneren der Gemeinde einen Anspruch zu tun, da die Möglichkeit dazu erst in sechs bis zehn Jahren eintreten dürfte. Der Staatsminister stimme daher für die Weglassung der nach seiner Ansicht überflüssigen §§ 60 und 61.

Schließlich las der Finanzminister noch den Text der an die Grundsteuerimmediatkommission unterm 7. Februar 1861 erflossenen Ah. Handschreiben21 zum Beweis, daß er in seinen Anträgen die Ah. Weisungen ganz korrekt befolgt habe. Der Finanzminister kam nun auf die bereits am 22. September beratene Frage der Einbeziehung des lombardisch-venezianischen Königreichs in das vorliegende Gesetz zurück: Mehrere Stimmen hatten sich für diese Einbeziehung ausgesprochen, aber einige derselben waren für den Aufschub der Maßregel. Minister Edler v. Plener wolle gleichfalls nicht eine absolute Ausnahme Venetiens beim Reichsrate befürworten, zumal er dieses Land der Rentensteuer zu unterziehen beabsichtigt. Daher dürfte dem § 1 ein Zusatz beizufügen sein, wonach die Regelung der Grundsteuer in Venetien übereinstimmend mit den übrigen Ländern den Gegenstand einer besonderen Verordnung bilden wird.

Der Präsident des Staatsrates hielt es für angemessener, das Gesetz lieber gleich als für die Lombardei und Venetien verbindlich zu erlassen, mit Vorbehalt einer besonderen Verordnung, insofern die eigentümlichen Verhältnisse des Landes es erfordern. Der Finanzminister entgegnete, daß die Textierung des Gesetzes in der Art, daß es auch auf Venetien paßt, mancherlei administrativeg Schwierigkeiten biete und die vorsichtige Redaktion desselben so viel Zeit erfordern würde, daß er es vorzöge, entweder im Gesetze oder in dem Vortrage einfach auf eine für Venetien zu erlassende Vorschrift hinzuweisen. Unterstaatssekretär Freiherr v. Kalchberg deutete auf die Partikularitäten Venetiens im Grundsteuerfache, insbesondere auf den Abgang der Steuerämter, die Steuerverpachtung, den Einfluß der Congregazione provinciale und der Congregazione centrale hin und bemerkte, daß dieselben in einer Durchführungsverordnung ausreichend berücksichtigt werden könnten. Der ungarische Hofkanzler erinnerte, daß er sich bei der ersten Beratung mit mehreren anderen Stimmen aus politischen || S. 325 PDF || Gründen gegen die Einbeziehung Venetiens in die Grundsteuerreform erklärt habe. Diese politischen Gründe sind heute nicht widerlegt worden, und Graf Forgách vermöge daher nicht seine Meinung zu ändern. Auch der Polizeiminister sprach sich in diesem Sinne aus. Minister Ritter v. Lasser bemerkte, der bei der letzten Beratung gemachte Einwurf gegen die Einbeziehung Venetiens, man werde sie im Lande als Vorwand einer Steuererhöhung mißliebig hinnehmen, entfalle nach der vom Finanzminister heute gegebenen Aufklärung, daß in jedem Land nur die bisherige Quote neurepartiert wird. Würde man bei diesem Verhältnis Venetien ausschließen, so würde es dem dort gehegten Vorurteil, daß das venezianische Grundsteuersystem drückender sei als jenes der übrigen Länder, neue Nahrung geben. Minister Ritter v. Lasser beantragte daher, daß die Einbeziehung Venetiens schon im Titel des Gesetzes ihren Ausdruck finde und der Text nach dem Antrag des Staatsratspräsidenten durch Hinweisung auf eine Adaptierungsvorschrift ergänzt werde. Der Marineminister äußerte, er sehe wohl ein, daß man ein einzelnes Glied der großen österreichischen Völkerfamilie nicht absolut ausschließen könne. Soferne der Finanzminister die gleichzeitige allseitige Durchführung desselben aufgibt, so daß die faktische Durchführung in Venetien einer späteren Zeit vorbehalten bleibt, entfallen die Opportunitätsgründe, die bei der letzten Beratung das Votum des Baron Burger unterstützten, und er vereinige sich daher mit dem Finanzminister, rücksichtlich dem Staatsratspräsidenten.

Die übrigen Minister und der kroatisch-slawonisch-dalmatinische Hofkanzler vereinigten sich mit dem Antrage des Staatsratspräsidenten, wobei der gedachte Hofkanzler darauf hindeutete, daß der Passus wegen der Adaptierungsvorschrift seinen angemessensten Platz im letzten Paragraph dieses Gesetzes finden dürfte, womit Baron Lichtenfels ebenfalls einverstanden war22. (Die Beratungen über das Gebäudesteuergesetz wurden in einem besonderen Protokoll vom 24. und 26. September [1863] dargestellt).

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 16. Oktober 1863. Empfangen 14. Oktober 1863. Erzherzog Rainer.