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Nr. 382 Ministerrat, Wien, 3. und 6. August 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer (3. 8.), Rechberg (6. 8.); BdR. (Erzherzog Rainer 6. 8.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Plener, Forgách, Burger; BdR. Erzherzog Rainer 6. 9.

MRZ. 1186 – KZ. 2843 –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll des zu Wien am 3. und 6. August 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herren Erzherzogs Rainer [und Sr. Exzellenz des Herren Ministers des Äußern Graf v. Rechberg.] [Sitzung vom 3. August 1863 unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.] [anw. Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Plener, Forgách, Burger, Kalchberg, Hock, Biegeleben; abw. Lasser, Wickenburg, Esterházy, Hein, Lichtenfels.]

I. Zollvereinsfrage

Gegenstand der Beratung war die Zollvereinsfrage. Unter Berufung auf die im Ministerrate vom 22. und 29. Juli in betreff des weiteren Vorganges in der Zollvereinsangelegenheit gefaßten Beschlüsse1 übergab der Finanzminister der Konferenz a) die von der Zollkommission aus dem Tarifselaborate gemachten Auszüge über die wichtigsten Zollsätze, bezüglich welcher sich im Vergleiche mit der Tarifierung bei uns, im Zollvereine und dem preußisch-französischen Vertrage die meisten Differenzen zeigen, b) den Entwurf der Instruktiona für den zu der Münchner Konferenz abzusendenden österreichischen Bevollmächtigten mit dem Bemerken, daß es am zweckmäßigsten sein dürfte, wenn sich der Ministerrat heute bezüglich des neuen Tarifes selbst bloß im großen und ganzen die Ergebnisse der von der Zollkommission gepflogenen Beratungen darlegen ließe2 und dann gleich zu der Beratung der dringlich erscheinenden Instruktion schreiten würde, wobei Edler v. Plener in bezug auf den letzten Ministerratsbeschluß, wonach die Abschickung des Bevollmächtigten sogleich erfolgen, gleichzeitig aber die Beratung des neuen Tarifes hier in Wien vor sich gehen und dieses Elaborat dann dem Bevollmächtigten nachgesendet werden könne, darauf aufmerksam machen zu sollen erachtete, daß dieses insoferne eine Änderung erleiden dürfte, als nach einer Mitteilung des Hofrates v. Biegeleben jetzt erst die Erklärung an das Münchner Kabinett abgegangen sei, daß Österreich bereit sei, zu der Konferenz einen eigenen Bevollmächtigten abzuschicken3, und diese Abschickung somit vor Einlangung der diesfälligen Antwort nicht erfolgen || S. 258 PDF || wird, mittlerweile aber der Tarif im Ministerrate geprüft werden könne, daher dieses Elaborat dem Bevollmächtigten gleich mitgegeben werden kann, was sein Auftreten bedeutend erleichtern dürfte, da er dann gleich etwas Positives mitbringt, wobei übrigens selbstverständlich immer an dem Standpunkte festgehalten wird, daß diese Propositionen für den Bevollmächtigten nicht von bindender Kraft sind, sondern als Grundlage seiner Instruktion dienen und ihm immer bobliegen wird, nicht nur zu etwaigen Modifikationen, sondern überhaupt zur Feststellung jedes einzelnen in München vereinbarten Tarifsatzesb im Laufe der Verhandlungen die Genehmigung des Ministeriums einzuholen.

Se. k. k. Hoheit gaben hierauf dem Sektionschef Freiherren v. Hock das Wort, welcher in längerem Vortrage zuerst den Gang der Arbeiten in dem zolltechnischen Komitee beleuchtete und sodann die Grundsätze entwickelte, von welchen die gemeinsame Zollkommission bei der Überprüfung dieses Elaborates ausgegangen und geleitet war. Nach diesem vom Ministerrate lediglich zur Kenntnis genommenen Vortrage wurde zur Erörterung des vorliegenden Instruktionsentwurfes geschritten, und es erhielt zuerst der Verfasser desselben, Sektionschef Baron Kalchberg , das Wort, um es mit den allfälligen Erläuterungen zu begleiten. Derselbe verlas den Entwurf absatzweise, indem er im wesentlichen folgendes bemerkte: Zunächst scheine es ihm zweckmäßig, daß von Seite Österreichs zu der gedachten Konferenz ein selbständiger außerordentlicher Kommissär abgeschickt und daß demselben als sein hauptsächlicher Zweck die Durchführung der Propositionen vom 10. Juli 1862 4 bezeichnet und ihm gesagt werde, daß die ihm erteilte Instruktion auf einem Beschlusse des Ministerrates beruhe. Der Absatz 2 enthalte schon ein Prinzip, indem da ganz entschieden der Eintritt Österreichs in den Deutschen Zollverein ausgesprochen ist, und dies anzustreben dem Kommissär zur Aufgabe gemacht wird. Zu diesem Ende werde der Kommissär auch beauftragt, Unterhandlungen mit den respektiven Regierungen über die für einen gemeinschaftlichen Tarif zu vereinbarenden Bestimmungen anzuknüpfen. In der Voraussetzung, daß es nicht in der Absicht des Ministeriums liegt, in dieser Sache nach § 13 des Grundgesetzes5 vorzugehen, sondern den neuen Tarif vor den Reichsrat zur verfassungsmäßigen Behandlung zu bringen, scheine es ihm angezeigt, diesem auch in der Instruktion den gehörigen Ausdruck zu geben. Weiter (Abs. 5) hielt er es für notwendig, im Prinzipe die Aufrechterhaltung eines mäßigen Schutzzollsystemes zu betonen, weil es ohnehin schon vielseitig ausgeschrien wurde, daß Österreich in ein vollkommenes Freihandelssystem eingehen wolle6, was am Ende wohl nicht in der Absicht der Regierung liegen könne, da bei uns doch viele Interessensgruppen eines || S. 259 PDF || gewissen Schutzes nicht entbehren können. Im Abs. 6 sei ausgesprochen, daß der neue Tarifsentwurf mit einen Teil der Instruktionen für den Kommissär zu bilden habe, auf den er seine Tätigkeit zu beginnen und fortzusetzen haben wird, wobei ihm jedoch eine gewisse Latitude gelassen werden müsse, nämlich daß er auf begehrte Modifikationen eingehen könne, sobald cauf selbec von der einen oder der anderen Seite ein großer Wert gelegt werden sollte und soweit dadurch das Fortbestehen der inländischen Industrie nicht gefährdet wird. Damit der Kommissär nicht eine geteilte Stellung habe, soll derselbe dem Minister des Äußern unterstehen, an diesen seine Anträge leiten und von ihm die erforderlichen Weisungen erhalten, so wie auch alle die Organe, durch und mit welchen der Bevollmächtigte agieren wird, diesem Minister unterstehen7. Baron Kalchberg schloß mit der Bemerkung, daß er bemüht war, den Entwurf so knapp und bündig als möglich zu machen, indem ohnehin im Laufe der Münchner Beratungen, von denen man stets in genauer Kenntnis sein werde, manche Änderungen an der Instruktion eintreten dürften.

Bei der hierauf vorgenommenen Umfrage ergab sich im allgemeinen gegen den Entwurf von keiner Seite eine Erinnerung. Im Detail glaubte der Minister des Äußern zwei Bedenken erheben zu sollen. Fürs erste scheine ihm der Passus des zweiten Absatzes, der von dem Eintritte in den Zollverein spricht, nicht richtig zu sein, denn wir haben wohl das Begehren nach der Zolleinigung ausgesprochen, aber nichts von einem unbedingten Eintritte in den Zollverein gesagt, und in den österreichischen Propositionen vom 10. Juli v. J. werde der Abschluß eines deutsch-österreichischen Zollbundes in Aussicht genommen. Diesem entsprechend wäre daher hier der Entwurf zu modifizieren. Baron Kalchberg anerkannte die Richtigkeit dieser Unterscheidung, und obschon er vermeint hätte, daß, nachdem diese Instruktion keine öffentliche Urkunde, sondern ein Internum für den Bevollmächtigten sei, es in dieser Beziehung hier nicht so genau genommen werden müßte, so glaubte er doch, um eben den fraglichen Passus mit den Propositionen vom 10. Juli in Einklang zu bringen, gegen die vom Grafen Rechberg angedeutete Modifikation desselben nichts einwenden zu sollen, und es erklärten sich damit sowohl der Finanzminister als auch die übrigen Stimmführer sofort einverstanden. Das zweite Bedenken des Ministers des Äußern betraf den dritten Absatz, wo der Kommissär ermächtigt wird, mit den respektiven Regierungen über die zu vereinbarenden Tarifbestimmungen „in Unterhandlung zu treten“, was zu weitgehend erscheine, und Graf Rechberg daher wünschen würde, dafür zu sagen „eventuell in Vorunterhandlung zu treten“. Hiermit war die Konferenz einverstanden. Endlich wurde über Anregung des Polizeiministers zu Abs. 4, welcher von dem Vorbehalte der Zustimmung des Reichsrates zu dem zustandegebrachten Tarif handelt, in Erwägung gezogen, wie denn eigentlich hierüber die verfassungsmäßige Behandlung einzutreten haben wird, und ob es überhaupt notwendig sei, durch den Bevollmächtigten den betreffenden Regierungen erklären zu lassen, daß der vereinbarte Tarif dem Reichsrate vorgelegt und vor demselben vertreten werde. Der ungarische Hofkanzler würde ein großes Gewicht darauf legen, daß man sich hier allgemeiner || S. 260 PDF || ausdrücke und etwa sage, daß seinerzeit diese Angelegenheit der verfassungsmäßigen Behandlung unterzogen werde, indem man heute nicht weiß, ob dieser auch im höchsten Interesse Ungarns gelegene Vertrag vor den Reichsrat kommen oder nach § 13 des Grundgesetzes8 zu behandeln sein wird. Nachdem es auch die übrigen Stimmführer für zweckmäßig erkannten, sich hier einer ganz allgemeinen Form zu bedienen, wurde sich endlich in der folgenden, vom Polizeiminister vorgeschlagenen Textierung des vierten Absatzes geeinigt: „Das Ministerium behält sich die Genehmigung der vereinbarten Tarifsätze bevor und wird seinerzeit den abgeschlossenen Vertrag der verfassungsmäßigen Behandlung unterziehen.“

In die Beratung über die vom Finanzminister vorgelegten Tarifentwürfe wurde heute nicht eingegangen, sondern dieselbe für die nächste Sitzung bestimmt.

Fortsetzung am 6. August 1863. Unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministers des Äußern Graf Rechberg. Gegenwärtige wie am 3. August, mit Ausnahme des Kriegsministers, des ungarischen Hofkanzlers und des Marineministers.

Der Sektionschef Baron Hock begann seinen Vortrag mit dem Bemerken, daß in der ganzen Sache bei der Zollkommission eine vollkommene Einigkeit bestehe und daß sich hier darauf beschränkt werden dürfte, nur die Hauptsätze des ausgebreiteten Tarifes einer Erörterung zu unterziehen. Nachdem sodann Baron Hock diese Zollsätze in der aus der beiliegenden Übersicht ersichtlichen Ordnungd Post für Post besprochen und die Motive zu der Herabsetzung einzelner Zollsätze unter Vergleichung derselben mit jenen des Zollvereines und des französisch-preußischen Vertrages in der erschöpfendsten Weise dargelegt hatte und nachdem der Sektionschef Baron Kalchberg erklärte, diesen umfassenden und gründlichen Erörterungen nichts beifügen zu können und nur in Erinnerung bringene zu sollen [glaubte], daß eine absolute Sicherheit wohl nicht vorhanden sei, diese Vorschläge ganz genau durchzuführen, und daß dem Bevollmächtigten ein gewisser Spielraum gelassen werden muß, wobei derselbe am besten tun wird, wenn er die Sätze des Zollvereines als Basis festhält, und nachdem sich der Konferenz gegen diese Tarifentwürfe keine Bemerkung ergab9, konstatierte der Finanzminister , daß nunmehr der Instruktionsentwurf, dessen integrierenden Teil diese Tarife bilden, als vom Ministerrate genehmigt anzusehen ist und sofort das ganze dem fzu ernennenden Bevollmächtigten zu übergeben sein wird, und zwar unmittelbar von Seite des Ministeriums des Äußernf zu || S. 261 PDF || ernennenden Bevollmächtigten zu übergeben sein wird, und zwar unmittelbar von Seite des Ministeriums des Äußern. 10

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 5. September 1863. Empfangen 6. September 1863. Erzherzog Rainer.