MRP-1-5-06-0-18630606-P-0359.xml

|

Nr. 359 Ministerrat, Wien, 6. Juni 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 6. 6.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein, Mertens; außerdem anw. Reichenstein (nur bei I. anwesend); abw. Degenfeld; BdR. Erzherzog Rainer 12. 7.

MRZ. 1166 – KZ. 2227 –

Protokoll des zu Wien am 6. Juni 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Ernennung der Regalisten für den siebenbürgischen Landtag

Der siebenbürgische Hofvizekanzler Freiherr v. Reichenstein referierte den Inhalt des au. Vortrages der siebenbürgischen Hofkanzlei || S. 75 PDF || vom 6. Juni l. J. Z. 25901, womit vorläufig 24 jener Männer au. in Antrag gebracht werden, welche Se. Majestät nach Absatz b) des § 1 der Ah. genehmigten Landtagsordnung zur Teilnahme an dem bevorstehenden siebenbürgischen Landtag zu berufen geruhen wollen und womit beantragt wird, daß diese Männer nicht wie früher die Regalisten durch das siebenbürgische Gubernium einzu­berufen, sondern durch an dieselben zu richtende Zuschriften des mit der Leitung der sieben­bürgischen Hofkanzlei betrauten Ministers Grafen Nádasdy2, und zwar jeder in seiner Muttersprache, von der ihnen zuteil gewordenen Ah. Gnade und Auszeichnung in Kenntnis zu setzen wären.

Der Minister Graf Nádasdy übergab den Konferenzmitgliedern ein Verzeichnis (Beilage)a, in welchem die zu Regalisten3 von dem siebenbürgischen Gubernium vorgeschlagenen 120 Männer aufgeführt erscheinen, mit dem Bemerken, daß der Präsident des siebenbürgischen Guberniums4 außer diesen auch noch den siebenbürgischen Gubernialrat Gustav Groisz5 vorgeschlagen [habe] und daß die Hofkanzlei von diesen 121 Personen 22 Männer, deren Namen im Verzeichnisse mit roter Tinte bezeichnet seien, außerdem aber auch noch den Präsidenten der siebenbürgischen Finanzlandesdirektion, Graf Georg Béldi, dann den griechisch-katholischen Bischof von Lugos, Alexander Dobra, zusammen daher vorläufig nur 24 Männer Sr. Majestät als Regalisten in Antrag bringe. Die Hofkanzlei habe nämlich erachtet, daß es im wesentlichen Interesse der Sicherung des von Sr. Majestät Ah. vorgezeichneten Zieles liege, vorerst auch den Ausfall der Abgeordnetenwahlen zu kennen, bevor die gesamte Anzahl der 40 Regalisten Ag. bestimmt würde, um mit Rücksicht auf diesen Ausfall noch in der Lage zu sein, dem Landtage in irgendeiner Richtung fehlende Kräfte zuzuführen und sonst unmittelbar vielleicht nicht vertretene Interessen zu berücksichtigen. Graf Nádasdy bemerkte, daß die Wahl der Regalisten jetzt weit schwieriger sei als in früheren Zeiten6, weil der Kreis, aus welchem diese Männer nach der provisorischen Landtagsordnung als Regalisten berufen werden können, ein ungleich weiterer sei als in alten Zeiten, wo für die Wahl der Regalisten || S. 76 PDF || meist der größte Grundbesitz entscheidend war. Er habe wohl auch getrachtet, auf diesen Grundsatz Rücksicht zu nehmen, sein leitender Gedanke bei diesem Vorschlage sei aber gewesen, Sr. Majestät keine Männer gegenwärtig zu halten, welche bei irgendeiner öffentlichen Veranlassung sich gegen die Verwirklichung der von Sr. Majestät festgestellten Staatsprinzipien rücksichtslos ausgesprochen haben, weil er das höchste Gewicht darauf legen zu müssen geglaubt habe, daß als Regalisten nur Männer des Vertrauens Sr. Majestät ernannt werden, da deren Ernennung für die 80.000 Wähler einen Fingerzeig abgeben werde, daß es der feste Wille Sr. Majestät sei, die Ah. festgesetzten Staatsprinzipien zur Erfüllung zu bringen und im widrigen Falle die Wähler nur auf Abwege geleitet werden würden. Nach dem Vorschlage der Hofkanzlei befinden sich übrigens unter [den] 24 auch acht bis zehn Männer, welche den größten Grundbesitz vertreten, wie Graf Samuel Teleki, welcher unter den Steuerzahlenden in Siebenbürgen den dritten Rang einnehme, die Grafen Haller, Tholdi-Horváth und Toldalagi, und die Hofkanzlei habe geglaubt, hiebei auch den Grafen Béldi Sr. Majestät gegenwärtig halten zu sollen, der nicht nur vermöge seiner persönlichen Eigenschaften als Präsident der Finanzlandesdirektion, geheimer Rat und vermöge seiner 40jährigen ausgezeichneten Dienstleistung für die fragliche Ernennung als besonders würdig bezeichnet werden müsse, sondern auch als Leiter der Finanzlandesbehörde auch die Interessen des Fiskus, welcher den größten Grundbesitz von Siebenbürgen habe, zu vertreten vorzugsweise berufen erscheine. Übrigens sei bei dem Vorschlage der Hofkanzlei die Rücksicht auf Nationalität und Religion nicht außer Augen gelassen worden, indem sich unter den 24 vorgeschlagenen Männern ihrer Nationalität nach sechs Ungarn, vier Szekler, sechs Sachsen und acht Rumänen, der Religion nach aber fünf römisch-katholische, fünf griechisch-katholische, vier reformierte, sechs lutherische, ein Unitarier und drei griechisch-orientalische Glaubensgenossen befinden. Der griechisch-katholische Bischof von Lugos, Alexander Dobra, könne aber bei diesem Vorschlage nicht übergangen werden, weil er den größten Teil seiner Diözese in Siebenbürgen habe und durch seine Übergehung in den Augen seiner Gläubigen verlieren würde. Da diese Männer wegen des erweiterten Kreises, aus welchem dieselben nach der provisorischen Landtagsordnung auszuwählen sind, keineswegs als Regalisten im früheren Sinne des Wortes betrachtet werden können, sprach sich auch Graf Nádasdy für die von der Hofkanzlei vorgeschlagene Art der Einberufung dieser Männer aus. Der ungarische Hofkanzler bemerkte, daß er gegen die vorgeschlagenen Personen nichts einzuwenden habe, daß er übrigens gewünscht hätte, wenn hiebei nach gewissen Grundsätzen vorgegangen worden wäre. Nach altem Gebrauche seien in Siebenbürgen die Regalisten immer die nämlichen geblieben und niemals als Parteimänner betrachtet worden. Es erscheine daher rätlich, auch dermal bei der Auswahl nicht allzu schroff vorzugehen. Als Grundsatz dürfte zu befolgen sein, daß 1) die kirchlichen Oberhirten als Regalisten berufen werden, worauf auch der Antrag der siebenbürgischen Hofkanzlei gerichtet sei, 2) daß durch die Berufung der beiden Handelskammerpräsidenten7 den Interessen des Handels und der Gewerbe || S. 77 PDF || Rechnung getragen werde und daß 3) die früheren hochgestellten Beamten, nämlich der frühere Gubernialpräsident Graf Mikó8 und der frühere siebenbürgische Hofkanzler Baron Kemény9, welche vermöge ihres Namens, Grundbesitzes und ihrer früheren hohen Stellung hiezu zunächst berufen erscheinen, in Vorschlag gebracht werden, da gegen ihren ehrenhaften Charakter nichts Nachteiliges vorliege und es doch nicht angemessen sein dürfte, einen Schulrat vorzuschlagen, einen ehemaligen Stellvertreter Sr. Majestät aber unberücksichtigt zu lassen. Was die Form der Einberufung betrifft, glaubte Graf Forgách, daß die litterae regales10 nicht anders als im Wege des Gouverneurs auszufertigen wären, weil eigentlich das Gubernium die administrative Behörde sei und Präsidialschreiben des Hofkanzlers hiebei nicht üblich seien. Der Minister Graf Nádasdy fand hierauf zu entgegnen, daß er den Hauptzweck, nämlich den, auf die Wahlen zu wirken, bei dem in Frage stehenden Vorschlage nicht aus dem Auge verlieren könne und alle anderen Nebenrücksichten auf die Seite setzen zu müssen glaube. Seines Wissens habe übrigens Graf Mikó für die Wahl als Landtagsabgeordneter kandidiert und werde auch voraussichtlich gewählt werden. Sollte dies aber dennoch nicht der Fall sein, dann werde er bei dem späteren Vorschlage für die Ernennung der noch übrigen 16 Regalisten auf den Grafen Mikó Rücksicht nehmen. Gegenwärtig getraue er sich jedoch nicht, denselben Sr. Majestät in Vorschlag zu bringen, weil seine Ernennung zum Hebel gebraucht werden könnte, den Wählern glauben zu machen, daß es nicht der ernstliche Wille Sr. Majestät wäre, an den ausgesprochenen Staatsprinzipien, gegen welche sich Graf Mikó offen und rücksichtslos erklärt habe, festzuhalten. Den Handelskammerpräsidenten Maager werde er wegen dessen persönlichen und Vermögensverhältnissen nie in Vorschlag bringen, den allfälligen Vorschlag des Handelskammerpräsidenten Dietrich aber betrachte er als eine offene Frage, und er werde denselben, falls er nicht gewählt werden sollte, vielleicht später vorschlagen. Was die Form der Einberufung der Regalisten betreffe, wolle er an dem Antrage der Hofkanzlei nicht unbedingt festhalten, wenn die Konferenz für die Erlassung der Einberufungsschreiben durch den Gouverneur sich aussprechen sollte. Der Hofkanzleiantrag bezwecke hauptsächlich nur eine Beschleunigung, da durch die vorgeschlagene Form viel Zeit werde gewonnen werden. Der Staatsminister trat den Anträgen der Hofkanzlei in beiden Richtungen mit dem Bemerken bei, daß er sich bei derlei Angelegenheiten gerne so benehme, wie dies die Gegenpartei zu tun pflege. Daß aber Baron Kemény, falls er noch siebenbürgischer Hofkanzler wäre, seine Gegner nicht als Regalisten vorgeschlagen hätte, daran könne man wohl nicht zweifeln. Der Minister Ritter v. Lasser erklärte, daß er den Standpunkt, von welchem Graf Nádasdy bei seinem Vorschlage ausging, daß nämlich die Ernennung || S. 78 PDF || der Regalisten als ein Signal für die Wähler werde betrachtet werden, nur gutheißen und demgemäß den Anträgen nur beistimmen könne. Er würde es übrigens sehr ungern sehen, wenn Männer wie Graf Mikó und Baron Kemény im siebenbürgischen Landtage fehlen würden, geradeso wie er sich einen böhmischen Landtag ohne Palacký und Rieger nicht denken könnte. Er begnüge sich übrigens mit der Zusicherung des Ministers Grafen Nádasdy, daß er, wenn dies notwendig werden sollte, den Grafen Mikó später als Regalisten in Vorschlag bringen wolle. Bezüglich der Form der Einberufung war Votant mit dem Antrage der Hofkanzlei in der Erwägung einverstanden, daß, wenn schon nicht die ganze alte Form beibehalten werde, ein mehr oder minderes Abweichen von derselben gleichgültig erscheine. Der Handelsminister sprach sich bestimmt gegen einen allfälligen Vorschlag des Handelskammerpräsidenten Maager aus, weil sich aus dessen Gebaren als Direktor der Filiale der Kreditanstalt Hermannstadt derartige Bedenken ergeben haben, daß dessen Berufung zu dem Ehrenamte eines Regalisten in der Bevölkerung kein gutes Blut machen würde. In der Formfrage stimmte er für den Antrag der Hofkanzlei, dem auch der Staatsratspräsident aus dem Grunde beitrat, weil hiedurch der Unterschied zwischen den früheren Regalisten und den jetzt nach Absatz b) § 1 zur Teilnahme an dem Landtage berufenen Männern deutlicher ausgedrückt werde.

Alle übrigen Stimmführer pflichteten den Anträgen der Hofkanzlei in beiden Richtungen bei, wodurch dieselben zum Beschlusse des Ministerrates erhoben wurdenb, 11.

II. Ankündigung der Vorlage des Reskriptenentwurfes an den siebenbürgischen Landtag

Der Minister Graf Nádasdy äußerte sein Vorhaben, den Mitgliedern der Konferenz den Entwurf des Ah. Reskriptes an den siebenbürgischen Landtag zum vorläufigen Studium mitteilen zu wollen, und verband hiermit das Ersuchen um die größte Geheimhaltung und die reiflichste Erwägung jedes einzelnen Wortes, da dieses Reskript als eine wahre Staatsschrift angesehen werden müsse, von deren Fassung die Haltung des ganzen Landtages abhängen werde12.

III. Ernennung des Präsidenten und der Vizepräsidenten der beiden Häuser des Reichsrates

Der Staatsminister erinnerte, daß es an der Zeit sei, Sr. Majestät einen Vorschlag zur Ernennung der Präsidenten für beide Häuser des Reichsrates zu unterbreiten. Er beabsichtige als Präsidenten des Herrenhauses den Grafen Carlos Auersperg und als Vizepräsidenten den Grafen Kuefstein neuerdings vorzuschlagen13. Für das Abgeordnetenhaus sei infolge der Ernennung des Präsidenten der ersten Session, Dr. Hein, zum Minister14 eine neue Besetzung der Präsidentenstelle erforderlich, und er glaube für die Präsidentenstelle den früheren Vizepräsidenten || S. 79 PDF || Professor Hasner15 und für die beiden Vizepräsidentenstellen die Abgeordneten Hopfen und Oberlandesgerichtsrat Lapenna in Vorschlag bringen zu sollen. Beide seien durchaus loyale Männer. Hopfen sei vor kurzem von Sr. Majestät durch Ag. Verleihung des Ordens der eisernen Krone III. Klasse16 ausgezeichnet worden und gehöre dem Lande Mähren an, Lapenna aber habe im dalmatinischen Landtage eine hervorragende Stellung eingenommen und energisch die Interessen der Regierung vertreten, gehöre der südlichen Ländergruppe an und sei für den eventuellen Bedarfsfall auch der illyrischen Sprache mächtig.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Vorschlage einverstanden17.

IV. Ernennung des Präsidenten des Unterrichtsrates

Der Staatsminister bezeichnete ferner als eine schwebende Angelegenheit die Ernennung des Präsidenten des Unterrichtsrates mit dem Bemerken, daß er, nachdem dem für diesen Posten vorgeschlagen gewesenen Professor Dr. Miklosich die Ag. Ernennung nicht zuteil geworden sei18, nach sorgfältigster Erwägung für diesen Posten die Aufmerksamkeit Sr. Majestät auf den Professor Hasner au. zu lenken gedenke. Hasner sei nicht nur ein ausgezeichneter Professor der Rechtswissenschaften, sondern auch sonst ein vielseitig wissenschaftlich gebildeter Mann von feinen Formen, dem auch wegen seiner großen Geschäftsgewandtheit und tüchtigen Leitungsgabe die Kumulierung der beiden Ämter als Präsident des Abgeordnetenhauses und des Unterrichtsrates keine besondere Schwierigkeit bereiten werde.

Der Minister des Äußern glaubte, daß Hasner seine Funktion als Präsident des Unterrichtsrates, falls die Ah. Gnade Sr. Majestät ihn auf diesen Posten berufen würde, erst nach Schluß der nächsten Reichsratssession übernehmen könnte, da eine so große Aufgabe wie die Organisierung des Unterrichtsrates die ganze Tätigkeit des Präsidenten in Anspruch nehmen werde und nicht nur nebenher mit der anstrengenden Geschäftsaufgabe des Präsidenten des Abgeordnetenhauses19 werde pressiert werden können. Der Minister Dr. Hein bestätigte aus eigener Erfahrung20, daß die Zeit des Präsidenten des Abgeordnetenhauses insbesondere dann sehr in Anspruch genommen werde, wenn er sich der Mithilfe der beiden Vizepräsidenten nicht bediene, wovon er keinen Gebrauch gemacht habe. Bei der Leichtigkeit, mit welcher Professor Hasner arbeite, und bei der tüchtigen Unterstützung, welche ihm in den Präsidialgeschäften im Abgeordnetenhause durch die präsumtiven Vizepräsidenten v. Hopfen und Lapenna werde gewährt werden, || S. 80 PDF || glaubte Votant nicht zweifeln zu sollen, daß Hasner den Obliegenheiten seiner beiderseitigen Stellung ganz gut werde nachkommen können.

Nachdem der Staatsminister aufgeklärt hatte, daß die Funktion des Präsidenten des Unterrichtsrates ohnedem auch erst nach einiger Zeit zu einer ausgebreiteteren sich gestalten werde, stimmte der Ministerrat dem Vorhaben des Staatsministers bei21.

V. Beschlüsse des istrischen Landtages über die Änderung seiner Geschäftsordnung

Der Staatsratspräsident referierte über die Anträge des Staatsministers in dessen au. Vortrage vom 18. April l. J. Z. 2915/StM. I in betreff einiger eine Änderung der Landesordnung involvierender Beschlüsse des Istrianer Landtages zu den §§ 36, 37, 50 und 53 der Landtagsgeschäftsordnung22. Diese zur Erwirkung der Ah. Schlußfassung in Form eines Landesgesetzes vorgelegten Beschlüsse haben folgende Bestimmungen zum Gegenstande:

1) Nach § 36 der Landtagsgeschäftsordnung soll der Präsident im Einverständnisse mit dem Landtage die Tagesordnung bestimmen, während nach § 36 der Landesordnung die Festsetzung der Reihenfolge der zu verhandelnden Gegenstände dem Landeshauptmann allein zustehe.

2) Der Landtag entscheidet nach § 37 der Geschäftsordnung ohne Debatte, ob ein Antrag als dringlich ausnahmsweise vor den anderen auf die Tagesordnung zu setzen sei, dieser Bestimmung stehe die Anordnung des § 36 der Landesordnung entgegen, wonach die Regierungsvorlagen vor allen anderen Gegenständen in Beratung zu nehmen und zu erledigen seien.

3) Im § 50 der Geschäfsordnung wird den Landtagsmitgliedern das Recht eingeräumt, gegen die vom Präsidenten festgesetzte Art der Abstimmung sowie gegen die allfällige Trennung der zur Abstimmung gebrachten Fragen Anträge einzubringen, während der § 11 der Landesordnung festsetze, daß dem Landeshauptmann die Leitung der Landtagsverhandlungen zustehe.

4) Nach § 53 der Landtagsgeschäftsordnung endlich soll, wenn ein Abgeordneter den von fünf Mitgliedern unterstützten Antrag auf namentliche Abstimmung oder Kugelung stellt, in der verlangten Art vorgegangen werden, während die Landesordnung laut § 39 nur die mündliche oder die Stimmgebung durch Aufstehen und Sitzenbleiben oder bei Wahlen und Besetzungen die Abstimmung durch Stimmzettel kenne.

Der Staatsminister habe beantragt, daß Se. Majestät Ag. geruhen wollen, von diesen Beschlüssen des Istrianer Landtages jenen sub 1), 2) und insoweit hiedurch die Abstimmung durch Kugelung für zulässig erklärt wird auch jenen sub 4) als mit den §§ 36 und 39 der Landesordnung im Widerspruche stehend die Ah. Genehmigung nicht zu erteilen, bezüglich des Beschlusses sub 3) und des übrigen Teiles jenes sub 4) aber Ag. auszusprechen, daß dieselben als im eigenen Wirkungskreise || S. 81 PDF || des Landtages gelegen der Ah. Sanktion nicht bedürfen. Der Staatsrat habe sich mit den Anträgen des Ministers in meritorischer Beziehung einverstanden erklärt23, sich jedoch für die Weglassung der Motivierung der verweigerten Ah. Genehmigung der §§ 36, 37 und eines Teiles des § 53 der Geschäftsordnung und namentlich der Stelle „als mit den §§ 36 und 39 der Landesordnung im Widerspruch stehend“ aus dem Resolutionsentwurfe ausgesprochen, weil dieser Abweichungsgrund jede Abänderung der Landesordnung ausschließen würde, während doch nach § 38 der Landesordnung der Landtag Änderungen der letzteren vorbehaltlich der Ah. Sanktion zu beschließen berechtigt sei, eine Verweigerung der Ah. Genehmigung daher nicht dieses Widerspruches, sondern nur anderer Gründe wegen statthaft erscheine. Er (der Staatsratspräsident) habe wohl auch früher diese Ansicht des Staatsrates geteilt, nehme aber jetzt keinen Anstand, sich für die Beibehaltung der Stelle „als mit den §§ 36 und 39 der Landesordnung im Widerspruche stehend“ im ministeriellen Resolutionsentwurfe auszusprechen, weil eine Änderung dieser Bestimmungen der Landesordnung in der Geschäftsordnung nicht am gehörigen Platz wäre.

Der Ministerrat sprach sich sohin für die unveränderte Beibehaltung des ministeriellen Resolutionsentwurfes aus24.

VI. Ansuchen des Fabriksbesitzers Johann Grillmayer aus Linz um Nachsicht der gesetzlichen Folgen seiner strafrechtlichen Verurteilung

Einen weiteren Gegenstand der Beratung bildete der au. Vortrag des Leiters des Justizministeriums vom 4. Mai l. J. Z. 3872 in betreff des Ah. bezeichneten Gesuches des Fabriksbesitzers Johann Grillmayer aus Linz um Ag. Nachsicht der gesetzlichen Folgen seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen des Verbrechens der Veruntreuung und des Betruges25.

Der Staatsratspräsident erwähnte, daß dieser au. Vortrag, mit welchem der Leiter des Justizministeriums Minister Dr. Hein im Einverständnisse mit dem Staatsministerium die Ag. Gewährung der Bitte des Johann Grillmayer befürwortet, auf Ah. Befehl Sr. Majestät an den Staatsrat zur Begutachtung und Erstattung eines au. Vortrages geleitet worden sei26. Nach Darstellung der Sr. Majestät bereits in mehreren au. Vorträgen zur Ah. Kenntnis gebrachten strafbaren Handlungen, wegen welchen Grillmayer der Verbrechen der Veruntreuung – wegen Zurückbehaltung eines Teiles der ihm von den Lederern zum Vermahlen in seiner Eßmühle übergebenen Knoppern – und des Betruges – wegen Verleitung des Agenten Karl Bergmann zum falschen gerichtlichen Zeugnisse – schuldig erklärt worden ist, und Anführung des Umstandes, daß Se. Majestät dem obergerichtlich zu fünf Monaten Kerker verurteilten Grillmayer, welcher seine Strafe gegen Ende Oktober 1860 antrat, mit Ah. Entschließung vom 8. Jänner 1861 27 den Rest der wider ihn verhängten Strafe Ag. zu erlassen || S. 82 PDF || geruht haben und unter Erwähnung der Schritte, welche Grillmayer seither wegen Erlangung der Nachsicht der gesetzlichen Folgen seiner Verurteilung vergeblich unternommen habe, referierte der Staatsratspräsident, daß der Staatsrat nach einhelligem Dafürhalten das Vorhandensein innerer Gründe, welche für eine mildere Auffassung des Verschuldens des Grillmayer, wie sie auch in dem au. Vortrage des Leiters des Justizministeriums Ausdruck erhalten habe, nicht erkannt habe. Der Tatbestand der beiden Verbrechen, welcher Grillmayer schuldig erkannt wurde, verrate bei seinen Vermögensverhältnissen eine niedrige Hab- und Gewinnsucht, welche seinen Charakter mit einem Makel bedecke, mit welchem die ihm im Gnadenwege zu gewährende Wiederherstellung der bürgerlichen und politischen Rechte, die eben einen achtbaren redlichen Charakter zur Voraussetzung haben, nicht wohl vereinbar erscheinen würde. Der Versuch, die beiden Verbrechen, deren sich Grillmayer schuldig gemacht, als nur geringfügig zu bezeichnen und selbst einen leisen Zweifel in bezug auf das Dasein eines bösen Vorsatzes durchschimmern zu lassen, dürfte gegenüber den erwiesenen Tatsachen, welche die Unredlichkeit desselben konstatiert haben, einer zureichenden Grundlage entbehren, namentlich, wenn auf die Schilderung Rücksicht genommen werde, welche laut des au. Vortrages des früheren Justizministers Grafen Nádasdy vom 13. August 1860 28 die Gemeindevorstehung, die Polizeidirektion und das Bezirksamt zu Linz über die Persönlichkeit des Grillmayer gegeben haben, wonach derselbe ein strenger, gegen seine Arbeiter harter Mann sein soll, der die allgemeine Achtung nicht genieße und gefürchtet werde, der nur seinen Vorteil im Auge habe, sich durch Gewinnsucht leiten lasse und nur dann etwas gebe, wenn es zur Öffentlichkeit gelange. Mag das Institut der Rehabilitation auch ebenso politisch wie moralisch angesehen werden, immer dürfte doch die Rehabilitation an einen längeren Zeitraum gebunden werden, innerhalb welchem der Verurteilte durch sein Verhalten die Bürgschaft biete, daß seine künftige Haltung eine legale sein werde. Abgesehen davon, daß aus Anlaß des vorliegenden Majestätsgesuches die Gerichte nicht vernommen worden seien und ebensowenig Äußerungen der Gemeindevorstehung und der politischen Behörden zu Linz aus neuester Zeit vorliegen, erscheine auch der Zeitraum seit der Entlassung Grillmayers aus der Strafe zu kurz, um einer Rehabilitierung desselben dermalen das Wort zu führen und der im Publikum auftauchenden Anschauung zu begegnen, als ob die glückliche finanzielle Stellung Grillmayers für dessen Rehabilitierung maßgebend gewesen sei. Das für Grillmayer Drückende der Folgen seiner Verurteilung sei kein Motiv für die Rehabilitierung, da er es selbst verschuldet habe und da seine materielle Existenz hiedurch unberührt bleibe. Aus diesen Gründen habe der Staatsrat erachtet, darauf anzutragen, daß Se. Majestät dem ministeriellen Antrage keine Folge zu geben geruhen wolle. Der Staatsratspräsident erklärte, daß er zwar mit dem staatsrätlichen Antrage vollkommen einverstanden gewesen sei und daß er auch jetzt nicht für eine Rehabilitierung des Grillmayer das Wort führe, da ihm derselbe, insbesondere wegen der Verleitung des früher ganz unbescholtenen Agenten Bergmann zum Verbrechen, der || S. 83 PDF || erbetenen Ah. Gnade nicht würdig erscheine. Da sich jedoch der Staatsrat einhellig gegen den ministeriellen, die Bewilligung des Gesuches befürwortenden Antrag ausgeprochen habe und da dieser Gegenstand die Prinzipienfrage berühre, inwieferne es ratsam sei, in Fällen, wo es sich um ein entehrendes Verbrechen handle, aus Ah. Gnade von den mit einer strafrechtlichen Verurteilung gesetzlich verbundenen Folgen abzusehen, so habe er es für angemessen gehalten, diese Angelegenheit noch vor der Erstattung des au. Vortrages einer Beratung im Ministerrate zu unterziehen. Baron Lichtenfels fand sonach noch zu bemerken, daß in Österreich und überhaupt in den deutschen Ländern noch kein Rehabilitierungsgesetz bestehe und daß in dem diesfälligen französischen Gesetze der Verlauf von fünf Jahren nach der Strafe und eine tadellose Aufführung während dieser Zeit als der geringste Termin vorgezeichnet sei, vor welchem eine Rehabilitation nicht stattfinden könne. Seit Entlassung des Grillmayer aus der Strafe wären aber erst zwei Jahre und fünf Monate verstrichen. Der Minister Dr. Hein erklärte, in der Ah. Bezeichnung des vorliegenden Majestätsgesuches die erste Aufforderung erkannt zu haben, auf die Bitte des Grillmayer näher einzugehen. Dem Grillmayer sei auch ein großer Teil seiner Strafe Ag. nachgesehen worden; die Gründe, welche Se. Majestät zur Ag. Nachsicht des Strafrestes bestimmt haben, dürften auch als zureichend angesehen werden können, um für diesen Mann auch die Ag. Erlassung der gesetzlichen Folgen der Strafe als unbedenklich erscheinen zu lassen. Grillmayer sei ihm von mehreren achtbaren Personen als ein unbescholtener Mann empfohlen worden, als ein Mann, von dem es unbegreiflich sei, wie er in den bekannten Fehltritt verfallen konnte, als ein Mann von stets loyalem Verhalten, der sich in seiner sozialen Stellung vielfach hervorgetan habe, als ein Mann endlich, von dem sich mit Sicherheit annehmen lasse, daß er im Falle des ihm gewährten Gnadenaktes sich angeregt finden werde, durch neue werktätige Beweise sich der Ah. Gnade würdig zu zeigen. Grillmayer sei durch den bisherigen Verlust seiner politischen Rechte gewiß schon schwer gestraft und ein Rückfall von ihm gewiß nicht zu besorgen. Ein Mann, der für einen Millionär gelte und in der Handelswelt und bei so vielen öffentlichen Instituten in seinem Domizilsorte einen hervorragenden Platz einnahm, sei durch die bisherige zeitliche Entziehung der Staatsbürgerrechte gewiß weit empfindlicher gestraft als viele andere, bei denen dieser Verlust durch ihre ganze Lebenszeit aufrechterhalten werde. Bei Beratung eines neuen Strafgesetzes werde sicher darauf Rücksicht genommen werden müssen, daß die Entziehung der politischen Rechte eines Verurteilten doch nicht auf Ewigkeit andauern könne. Nachdem daher Grillmayer in der Hauptstrafe begnadigt worden sei und es sonderbar wäre, die Nebenfolgen nach Verlauf von fast drei Jahren noch fortdauern zu lassen, glaube er seinen Antrag aufrechterhalten zu sollen. Der Minister Ritter v. Lasser bemerkte, daß Grillmayer ursprünglich in seinem Vorgehen beim Mahlen der Knoppern, wegen welchem er später des Verbrechens der Veruntreuung schuldig erkannt wurde, eine strafbare Handlung nicht erkannt haben mochte. Als er aber später die strafgerichtliche Untersuchung auf sich hereinbrechen sah, habe er, wie damals alle Leute sagten, den Kopf total verloren. Die Verleitung des Zeugen Bergmann zur Ablegung eines falschen gerichtlichen Zeugnisses habe daher gewiß nicht in einer bösartigen Triebfeder desselben zum Schaden eines dritten, als vielmehr in der durch Angst hervorgerufenen Gemütsaufregung || S. 84 PDF || und in dem natürlichen Triebe ihren Grund gehabt, sich von der Schmach einer strafgerichtlichen Behandlung retten zu wollen. Der vormalige Justizminister Graf Nádasdy habe, als demselben im Juli 1860 ein der Ah. Bezeichnung gewürdigtes Gesuch des Grillmayer um Revision des Strafprozesses oder Nachsicht der Strafe zukam29, damals auf die gänzliche Nachsicht der Strafe nicht einraten können, weil sonst der Glaube an die Gerechtigkeit verwischt worden wäre. Als später Votant mit der Leitung des Justizministeriums betraut gewesen sei, habe sich der Standpunkt durch den Umstand, daß Grillmayer bereits zum Strafantritte verhalten worden war, wesentlich geändert, und er habe mit vorzugsweiser Rücksicht darauf, daß Grillmayer, der in der Landeshauptstadt Linz in mehrfachen hervorragenden Funktionen stand30, schon durch die erfolgte strafgerichtliche Verurteilung gewiß mehr gestraft war als viele andere, die zu mehrjähriger Freiheitsstrafe verurteilt worden wären, sich erlaubt, auf die Ag. Nachsicht des Strafrestes anzutragen, welche auch mit Ah. Entschließung vom 8. Jänner 1861 Ag. gewährt worden sei. Das Verbrechen des Grillmayer könne durch die ausgestandene Strafe als gesühnt angesehen werden. Seither seien zweieinhalb Jahre verstrichen, und für Grillmayer, der als Industrieller auf einer hohen Stufe stehe und für den wegen dessen verdienstlichen Wirkens bei so vielen öffentlichen Instituten vorher der Antrag auf Erwirkung einer Ah. Auszeichnung bereits in ämtliche Erwägung gezogen worden war, könne mit gleichem Grunde schon jetzt auf die Ag. Nachsicht der Folgen der Strafe bei Sr. Majestät eingeschritten werden, als dies vielleicht nach Verlauf von noch einiger Zeit geschehen wird. Votant erachtete daher, den Antrag des Ministers Dr. Hein, ohne mit der Gerechtigkeit in Konflikt zu kommen, um so mehr befürworten zu sollen, als ihm vorschwebe, daß aus jüngstverwichener Zeit ein dem Grillmayer günstiges Einschreiten von Seite der ob-der-ennsischen Statthalterei vorliege. Der Staatsminister bestätigte den letzteren Umstand mit dem Bemerken, daß die Statthalterei laut eines vorliegenden Berichtes vom Jänner l. J. nach Vernehmung der Linzer Polizeidirektion sich über den Bittsteller günstig geäußert habe, indem sie seine Geschäftstüchtigkeit, die Wichtigkeit und Ausdehnung seiner industriellen Unternehmungen, sein in mannigfacher Beziehung gemeinnütziges Wirken und die Tadellosigkeit seines Benehmens seit seiner Entlassung aus der Haft hervorhebe31. Diese Äußerung habe ihn bestimmt, dem Antrage des Ministers Dr. Hein beizutreten. Der Minister Graf Nádasdy glaubte sich aus früherer Zeit, wo ihm als gewesenen Justizminister die Angelegenheit Grillmayers wiederholt vorgelegen war, erinnern zu können, daß Grillmayer bei dem Vermahlen der Knoppern eine Vorrichtung erfunden hatte, wodurch das auf gewöhnlichen Mühlen vorkommende Verstauben eines Teiles der gemahlenen Knoppern, welches sich usuell die Mahlkunden gefallen lassen || S. 85 PDF || müssen, beseitigt wurde. Durch die Zurückbehaltung eines dem sonst verstaubten Quantums gleichkommenden Teiles der ihm übergebenen Knoppern habe daher Grillmayer niemanden zu beschädigen geglaubt. In der Überzeugung von seiner Unschuld habe er sohin, als das Strafgericht gegen ihn vorgegangen war, nach einem Mittel gegriffen, um sich von der Schande einer strafgerichtlichen Untersuchung zu befreien und habe sich in der Angst eines zweiten Verbrechens durch Verleitung eines Zeugen zur falschen gerichtlichen Aussage schuldig gemacht. Auf den Gegenstand der Beratung übergehend erklärte Graf Nádasdy, daß er sich prinzipiell in zwei Fällen gegen die Nachsicht der gesetzlichen Folgen der Strafe jederzeit aussprechen werde, und zwar bei einem Lehrer, der wegen Unzucht abgestraft worden sei, weil man demselben niemals mehr die Erziehung der Jugend ohne Besorgnis anvertrauen könne, und bei einem Kassabeamten, der wegen Kassadefraudation abgestraft worden sei. Dem Fall des Grillmayer betreffend wolle er mit Rücksicht auf den aus jüngster Zeit vorliegenden günstigen Bericht der politischen Landesbehörde dem Antrage des Ministers Dr. Hein nicht entgegentreten. Der ungarische Hofkanzler sprach sich gleichfalls für die Ag. Nachsicht der Straffolgen für Grillmayer aus. Alle übrigen Stimmführer traten jedoch dem Antrage des Staatsrates auf Abweisung des Bittstellers bei, wobei der Minister des Äußern bemerkte, daß man gerade bei einem reichen Mann, der eine Veruntreuung verübt und zu einem falschen Zeugnisse verleitet habe, um den Glauben an die Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, strenger vorgehen müsse, zumal bei Grillmayer, der durch die Gewährung der erbetenen Gnade die Möglichkeit anstrebe, in der Gemeinde, zu welcher dessen Landgut gehöre, zum Bürgermeister gewählt zu werden, was leicht zu Demoralisation führen könnte.

Es sprachen sich sonach, die Stimme des Staatsratspräsidenten nicht gerechnet, fünf Stimmen für und sieben Stimmen gegen die Erteilung der Nachsicht der Straffolgen des Grillmayer aus32.

VII. Änderung in der Verwaltung der Dr.-Josef-Vaisz-Stiftung

Der Staatsratspräsident referierte sohin über den au. Vortrag der ungarischen Hofkanzlei vom 23. Februar l. J. Z. 1056 wegen Übergabe der Verwaltung der Stiftung des weiland ungarischen Hofagenten Dr. Josef Vaisz33 aus den Händen des stiftbriefmäßig damit betrauten jedesmaligen österreichischen Justizministers an || S. 86 PDF || die königliche Kurie unter Darstellung der Gründe, aus welchen der Leiter des Justizministeriums hiezu seine Zustimmung verweigern zu müssen geglaubt habea, und Aufzählung der Gegengründe, aus denen die Hofkanzlei auf ihrer Anforderung bestehen und die obwaltende Meinungsverschiedenheit der Ah. Entscheidung Sr. Majestät mit dem Antrage unterziehen zu sollen erachtet habe, daß Se. Majestät Ag. zu gestatten geruhen mögen, daß aus den Zinsen der Dr. Vaiszschen Stiftung vorläufig eine entsprechende Anzahl absolvierter Juristen, die bei der königlichen Gerichtstafel in Pest der Rechtspraxis obliegen und hilfsbedürftig sind, auch sich durch Fleiß und sittliches Betragen auszeichnen, vorzugsweise aber Söhne ärmerer Advokaten und Justizbeamten bis zur Ablegung der binnen eines festzusetzenden Präklusivtermines zu bestehenden Advokatenzensur über Antrag des Kurators nach Wahl der königlichen Tafel mit monatlich 25 fl. derart beteilt werden dürfen, daß die Obliegenheit der Überwachung der Stiftungsgebarung an die königliche Tafel übergehe, die materielle Verwaltung aber dem von Sr. Majestät Ag. ernannten Stiftungskurator Septemvir Wilhelm von Lipovniczky34, der sich hiebei der Hilfe der Patrone zu bedienen haben wird, übertragen werde, daß übrigens, wenn sich Kandidaten melden sollten, die trotz der geänderten Verhältnisse ihre praktisch juridische Ausbildung bei den k. k. Gerichten in Wien zu nehmen wünschen, diese unter Erfüllung der stiftbriefmäßigen Bedingungen durch die ungarische Hofkanzlei jedenfalls mit Stiftungsstipendien in dem gleichen Betrage monatlicher 25 fl. beteilt werden. Der Staatsrat habe auf die Ablehnung des Hofkanzleiantrages eingeraten35, weil die Bedingungen und Zwecke der Dr. Vaiszschen Stiftung, welche angesichts des Grundsatzes der österreichischen Gesetzgebung dem Willen des Stifters gemäß heilig gehalten werden sollen, sonst wesentlich alteriert werden würden und der ungarischen Hofkanzlei nach Maßgabe des Stiftbriefes eine Kompetenz zur Abänderung der Dr. Vaiszschen Stiftung, wie solche von ihr aufgrund der veränderten Verhältnisse angesprochen werde, weder vom Standpunkte des öffentlichen noch von jenem des Privatrechtes eingeräumt werden könne.

Der ungarische Hofkanzler hielt den Antrag der Hofkanzlei aus den im Vortrage enthaltenen Motiven aufrecht und bemerkte, daß der Absicht des Stifters infolge der durch das Ah. Diplom vom 20. Oktober 1860 veränderten Umstände und nachdem durch die Ah. genehmigten Judexkurial­konferenzbeschlüsse36 die materiellen und formalen ungarischen Gesetze wieder in Wirksamkeit getreten seien in der bisher üblichen Weise durch Verleihung von auskultanten Adjuten nicht mehr entsprochen werden könne, daß tatsächlich dermal nicht ein einziger ungarischer Jurist das Dr. Vaiszsche Stipendium beziehe, die seit mehr als zwei Jahren aber stattfindende Kapitalisierung der Stiftungsinteressen zwecklos sei und der wohltätigen Absicht || S. 87 PDF || des Stifters, der das Stiftungskapital ausdrücklich dem Königreiche Ungarn vermacht habe, weit mehr entgegenlaufe, als wenn die Einkünfte in der von der Hofkanzlei beabsichtigten Weise verwendet würden. Auf Prinzipiendistinktionen wolle er hier gar nicht eingehen, aber nur die Frage hervorheben, was geschehen sollte, wenn der Landtag einmal definitive, von den österreichischen abweichende Justizgesetze beschlossen haben würde und die Stiftungsinteressen in der bisherigen Weise nicht mehr verwendet werden könnten. Soll dann etwa die Stiftung verlorengehen oder allenfalls dem Fiskus anheimfallen? Die auskultanten Stipendien sollen übrigens auch nach dem Willen des Stifters nur insolange bestehen, bis die Pflanzschule ihren unmittelbaren Zweck erreicht haben werde, und dann sei zu bestimmen, wie die Einkünfte der Stiftung auf andere Weise ersprießlich verwendet werden können. Der letzteren Bemerkung hielt der Staatsratspräsident entgegen, daß diese Bestimmung nicht im Stiftbriefe, sondern im Testamente enthalten sei, daß aber nur ersterer hierüber maßgebend sein könne. Der ungarische Hofkanzler glaubte sonach, den Hofkanzleiantrag in der Art modifizieren zu sollen, daß die Verwaltung der Stiftung bei dem Justizministerium zu verbleiben, die Verwendung der Erträgnisse aber in der von der Hofkanzlei beantragten Weise zu geschehen hätte. Der Minister Dr. Hein bemerkte, daß er, von der Ansicht ausgehend, daß der Wille des Stifters pünktlich erfüllt werden müsse, sich gegen das Ansinnen der Hofkanzlei gesträubt habe. Der vorliegende Resolutionsentwurf entspreche nicht dem modifizierten Antrage des Hofkanzlers und müßte daher geändert werden. Seine Ansicht sei übrigens auch dermal noch, daß man Sr. Majestät nicht einen mit dem Willen des Stifters in Widerspruch stehenden Antrag zur Ah. Genehmigung unterbreiten könne. Es sei daher ratsam, die Interessen einstweilen zu kapitalisieren und abzuwarten, bis die Änderung der ungarischen Justizgesetze zustandegekommen sein werde. Dann werde die Möglichkeit geboten sein, den Willen des Stifters wenigstens annäherungsweise in Erfüllung zu bringen. Der Minister Graf Nádasdy bemerkte, daß der Wille des Dr. Vaisz darauf gerichtet gewesen sei, daß Ungarn in den österreichischen Gesetzen ausgebildet werden, da er die Überzeugung gehabt habe, daß ein in den österreichischen Gesetzen gebildeter Jurist bei seiner sohinigen Verwendung in Ungarn mehr werde leisten können. Vaisz habe auch die Verwendung der Stiftungseinkünfte dem jeweiligen österreichischen Justizminister anheimgestellt, dem Justizministerium könne daher nicht benommen werden, was der Stifter demselben zugesprochen habe. Wenn das Justizministerium einen Konkurs ausschreiben und erklären wollte, das Vaiszsche Stipendien jenen Ungarn, die auf der Wiener Universität das juridische Doktorat ablegen wollen, verliehen werde, könnte der Absicht des Stifters annäherungsweise entsprochen und diese Stipendien allenfalls auf cMagyaren undc Szekler aus Siebenbürgen verliehen werden. Sollte sich niemand melden, der das Doktorat in Wien machen wollte, dann erst hätte das Justizministerium in Erwägung zu ziehen, in welcher anderen Weise die Stiftungseinkünfte dem Willen des Stifters gemäß zu verwenden wären. Der Minister Ritter v. Lasser erklärte, daß er keinen Anstand nehmen || S. 88 PDF || würde, dem Hofkanzleiantrage beizutreten, wenn der fragliche Fonds aus öffentlichen Geldern entstanden wäre. Da dies jedoch nicht der Fall sei, müsse der Wille des Stifters erfüllt werden. Die Regenten von Österreich haben in solchen Fällen jederzeit den Willen der Stifter geachtet, es könne daher der vorliegende Antrag Sr. Majestät nicht unterbreitet werden. Wenn die auskultanten Adjuten nicht mehr zeitgemäß seien, so sei nur die dermalige Modalität der Verwendung der Stiftungsinteressen unpraktisch geworden, dann stehe es aber nach dem Stiftbriefe dem Justizminister zu, andere Mittel zur Erreichung der Absicht des Stifters zu ergreifen. Votant sprach sich sonach für die Abweisung des Hofkanzleiantrages und für die gleichzeitige Anweisung des Justizministers zur Erstattung eines Antrages über die hinkünftige Verwendung des Stiftungserträgnisses mit dem Bemerken aus, daß durch diese Propositionen die Besorgnis, die Stiftung werde unpersolviert bleiben, werde gebannt sein. Der Staatsminister pflichtete der Ansicht und dem Antrage der Vorstimme mit dem Bemerken bei, daß er in seiner vormaligen Eigenschaft als Justizminister mit dem Hofagenten Vaisz wegen dieser Stiftung die Unterhandlungen persönlich gepflogen habe und mit seinem Ehrenworte verbürgen könne, daß die Idee der Rechtseinheit des österreichischen Kaiserstaates den Zweck und das Ziel des Dr. Vaisz bei Errichtung seiner Stiftung gebildet habe, daß diesem Zwecke aber durch die von der Hofkanzlei beantragten Bestimmungen nicht im entferntesten entsprochen werden würde. Wenn die Verhältnisse sich derart geändert haben, daß der Wille des Stifters nicht mehr buchstäblich erfüllt werden könne, so müsse man aber trachten, denselben annäherungsweise zur Geltung zu bringen; zu einem solchen Vorschlage sei aber nach dem Stiftbriefe nur der Justizminister berufen. Der ungarische Hofkanzler bemerkte sohin, daß, wenn die Konferenz ausspreche, daß seine Ansicht unrichtig sei, es unnütz wäre, Se. Majestät mit der Vorlage des au. Vortrages der Hofkanzlei zu behelligen, und daß es ihm dann zweckmäßiger erschiene, den au. Vortrag zurückzuziehen und sich mit dem Minister Dr. Hein wegen einer anderwertigen entsprechenden Verwendung der Dr. Vaiszschen Stiftungsinteressen besonders in das Einvernehmen zu setzen.

Nachdem sich der Minister Dr. Hein bereit erklärt hatte, hiezu, insoferne der Wille des Stifters hiebei nicht alteriert werde, gerne die Hand zu bieten, einigte sich der Ministerrat für das Einschlagen des vom Grafen Forgách beantragten Vorganges37.

VIII. Änderung der Statuten der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe

Der Staatsratspräsident referierte schließlich, daß sich aus den über den au. Vortrag des Finanzministers vom 2. Februar l. J. Z. 3061/F. M.38 betreffend die von der Generalversammlung der Aktionäre beschlossenen Änderungen der Statuten der k. k. privilegierten österreichischen Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe nachträglich gepflogenen Verhandlungen die Frage ergeben habe39, ob bezüglich der Änderungen der statutarischen Bestimmungen dieser Anstalt der Staatsminister oder der Finanzminister zur Erstattung der au. Vorträge berufen sei. In meritaler Beziehung seien der Finanzminister und der Minister Ritter v. Lasser darüber einig, daß in eine Entscheidung der beschlossenen Geschäftserweiterungen und sonstigen Statutenänderungen nicht einzugehen wäre, bis nicht von der Anstalt auch jene Gebrechen beseitigt werden, welche seither an dem Organismus in der Leitung derselben wahrgenommen worden sind. Die angeregte Formfrage betreffend sei zu bemerken, daß die Errichtung der Kreditanstalt und die Genehmigung der Statuten derselben über Vortrag des Finanzministers erfolgt sei40 und daß gelegenheitlich der Feststellung des Wirkungskreises des wieder eingesetzten Ministeriums für Handel und Gewerbe mit Ah. Entschließung vom 10. April 1861 41 ausgesprochen worden sei, daß bezüglich der bestehenden Kreditinstitute (Nationalbank, Kreditanstalt, Eskomptegesellschaft) der Wirkungskreis des Finanzministeriums aufrecht zu bleiben habe. Die Notwendigkeit der Ingerenznahme des Staatsministeriums bei Änderung der Statuten der Kreditanstalt lasse sich übrigens vom Standpunkte des Vereinsgesetzes nicht negieren; wenn man daher diese Angelegenheit in den gesetzmäßigen Gang bringen wolle, müsse eine neue Bestimmung hierüber getroffen werden.

Der Minister Ritter v. Lasser bemerkte, daß es ihm geschienen habe, als wenn die Absicht des Finanzministers darauf gerichtet gewesen wäre, diese Kompetenzfrage in seinem Ressort zur Entscheidung zu bringen, eine Frage, die schon im Gesetze entschieden sei, indem das Vereinsgesetz vom 26. November 1852 42 ausdrücklich die Bestimmung enthalte, daß über alle Vereine das Ministerium des Inneren – nunmehr das Staatsministerium – die au. Vorträge zu erstatten habe. Wenn einmal hievon eine Ausnahme zugestanden worden sei, könne ihr keine solche Tragweite beigelegt werden, wie dies der Finanzminister beabsichtigt. Für den vorliegenden Fall sei wohl ein Waffenstillstand eingetreten, indem nach dem Beschlusse in der Vereinskommission für dieses Mal dem Finanzminister die Vortragserstattung überlassen worden sei. Der Finanzminister scheine jedoch einen solchen Vorgang als Regel anregen zu wollen. Votant schilderte sohin das Institut der Vereinskommission und den Gang der Verhandlung bei derselben, auf welchen der Minister nicht den || S. 90 PDF || geringsten Einfluß nehme, und fügte bei, daß die Kommission einen eigenen ständigen Vorsitzenden habe, daß selbst die Hofkanzleien darin durch Ablegaten vertreten seien, daß der staatsministerielle Referent seinen eigenen Antrag stelle und daß erst über die Beschlüsse dieser Kommission der Minister din dem zu erstattenden au. Vortraged seine Meinung ausspreche. Indem der Minister Ritter v. Lasser noch gegen die aus einer Vorlage hervorgehenden Anwürfe des Finanzministers wegen Pflichtvernachlässigung, Mangel an Fachkenntnis etc.43 Verwahrung eingelegt hatte, bemerkte er noch, daß die Einflußnahme des Staatsministeriumse auf solche Angelegenheiten nebstdem, daß sie im Gesetze vorgeschrieben sei, auch vom polizeilichen Standpunkte gerechtfertigt sei, daß überdies gar nicht einzusehen sei, wie fdas Staatsministeriumf hiebei eine dominierende Stellung einnehmen könnte, da die Vorträge über diese Angelegenheiten im Staatsrate und auch im Ministerrate begutachtet werden, der Finanzminister daher vollkommen in der Lage sei, seine etwaigen Bemerkungen zur Geltung zu bringen. Wenn übrigens der Finanzminister wünsche, so könne der staatsministerielle Referent der Vereinskommission vor der Beratung das Referat dem Abgeordneten des Finanzministeriums zur Einsicht mitteilen. Der Finanzminister erwiderte, gin der vorliegenden Angelegenheit müsse die prinzipielle Frage einer den Sachverhältnissen entsprechenden Regelung der Kompetenz der Ministerien in Vereinssachen von der Entscheidung des zur Verhandlung gebrachten konkreten Falles, „der Erneuerung der Statuten der österreichischen Kreditanstalt“, geschieden werden. Der für diesen konkreten Fall vom Finanzminister formulierte Resolutions­entwurf habe über die Kompetenzfrage gar nichts enthalten, und es sei sein Antrag auf Entscheidung dieser Frage gar nicht gerichtet gewesen. In der zu diesem Resolutionsentwurfe gelieferten Exposition sei es allerdings notwendig gewesen, die Angelegenheiten, welche Geld und Kredit betreffen, näher zu besprechen und vom Standpunkte des Finanzministeriums die maßgebenden Momente hervorzuheben. Diese sprachen eben dafür, daß den vorgelegten Statuten in der vom Staatsministerium beantragten Beschaffenheit die Ah. Sanktion nicht zu erteilen wäre. Was aber die prinzipielle Frage einer sachgemäßen Kompetenzregelung in Vereinsangelegenheiten anbelangt, so sei seine Absicht keineswegs darauf gerichtet, die gesetzliche Existenz der Vereinskommission in Frage zu stellen und in seiner untertänigsten Note an das hohe Ministerratspräsidium sei auch keine Spur hievon zu finden. Allerdings sei es aber notwendig, daß für die natur- und sachgemäße Ingerenz eines oder des anderen Ministeriums die Beschaffenheit des zu errichtenden Vereins oder der zu gründenden Unternehmung in der Richtung maßgebend ist, ob der Gegenstand in das Ressort dieses oder jenes Ministeriums gehöre. Da ist es nun klar, daß Geld- und Kreditinstitute zu dem Finanzministerium ressortieren, daher sachgemäß bei der Vereins­kommission der Referent dem Finanzministerium angehörig sein sollte, weil dasjenige Organ, welches als lf. Kommissär bei allen Versammlungen von derlei Kreditanstalten interveniert und von allen Verhältnissen am besten unterrichtet sei, auch zunächst berufen erscheine, bei Statuten- und Reorganisierungsfragen das sachwichtigste, auf Erfahrung und Spezialkenntnis gestützte Gutachten und Referat zu liefern. Eine Beirrung des Wirkungskreises des Staatsministeriums finde hiebei nicht statt, weil dasselbe die politischen Rücksichten bei der Kommission, welche, wenn ein Wert darauf gelegt, räumlich in seinem Amtsgebäude und unter dem Vorsitze eines Staatsministerialbeamten abgehalten wird, immerhin zur Geltung zu bringen vermag. Gegen die Funktion eines Abgeordneten eines anderen Ministeriums als Referenten komme im Vereinsgesetze nichts vor. Das Ergebnis der kommissionellen Beratung solle dann dem Finanzminister mitgeteilt werden, welcher dann im Einvernehmen mit dem Staatsminister den au. Vortrag zu erstatten hätte. Im Interesse der Finanzen müsse er jedoch hohen Wert darauf legen, daß in derlei sein Ressort betreffenden Angelegenheiten dem Finanzminister das Schlußwort eingeräumt werde. In der vorliegenden untertänigsten Note an das hohe Ministerratspräsidium habe er seinen Antrag darauf beschränkt, daß die Statutenänderungen nicht genehmigt werden, keineswegs aber die Kompetenzfrage zur Entscheidung bringen wollen, was schon daraus hervorgehe, daß er sich in der erwähnten Note an das hohe Ministerratspräsidium (vom 11. April l. J.) ausdrücklich vorbehalten habe, über dieses Verhältnis und dessen meritale Regelung einen abgesonderten au. Vortrag zu erstatteng in der vorliegenden Angelegenheit müsse die prinzipielle Frage einer den Sachverhältnissen entsprechenden Regelung der Kompetenz der Ministerien in Vereinssachen von der Entscheidung des zur Verhandlung gebrachten konkreten Falles, „der Erneuerung der Statuten der österreichischen Kreditanstalt“, geschieden werden. Der für diesen konkreten Fall vom Finanzminister formulierte Resolutions­entwurf44 habe über die Kompetenzfrage gar nichts enthalten, und es sei sein Antrag auf Entscheidung dieser Frage gar nicht gerichtet gewesen. || S. 91 PDF || In der zu diesem Resolutionsentwurfe gelieferten Exposition sei es allerdings notwendig gewesen, die Angelegenheiten, welche Geld und Kredit betreffen, näher zu besprechen und vom Standpunkte des Finanzministeriums die maßgebenden Momente hervorzuheben. Diese sprachen eben dafür, daß den vorgelegten Statuten in der vom Staatsministerium beantragten Beschaffenheit die Ah. Sanktion nicht zu erteilen wäre. Was aber die prinzipielle Frage einer sachgemäßen Kompetenzregelung in Vereinsangelegenheiten anbelangt, so sei seine Absicht keineswegs darauf gerichtet, die gesetzliche Existenz der Vereinskommission in Frage zu stellen und in seiner untertänigsten Note an das hohe Ministerratspräsidium sei auch keine Spur hievon zu finden. Allerdings sei es aber notwendig, daß für die natur- und sachgemäße Ingerenz eines oder des anderen Ministeriums die Beschaffenheit des zu errichtenden Vereins oder der zu gründenden Unternehmung in der Richtung maßgebend ist, ob der Gegenstand in das Ressort dieses oder jenes Ministeriums gehöre. Da ist es nun klar, daß Geld- und Kreditinstitute zu dem Finanzministerium ressortieren, daher sachgemäß bei der Vereins­kommission der Referent dem Finanzministerium angehörig sein sollte, weil dasjenige Organ, welches als lf. Kommissär bei allen Versammlungen von derlei Kreditanstalten interveniert und von allen Verhältnissen am besten unterrichtet sei, auch zunächst berufen erscheine, bei Statuten- und Reorganisierungsfragen das sachwichtigste, auf Erfahrung und Spezialkenntnis gestützte Gutachten und Referat zu liefern. Eine Beirrung des Wirkungskreises des Staatsministeriums finde hiebei nicht statt, weil dasselbe die politischen Rücksichten bei der Kommission, welche, wenn ein Wert darauf gelegt, räumlich in seinem Amtsgebäude und unter dem Vorsitze eines Staatsministerialbeamten abgehalten wird, immerhin zur Geltung zu bringen vermag. Gegen die Funktion eines Abgeordneten eines anderen Ministeriums als Referenten komme im Vereinsgesetze nichts vor. Das Ergebnis der kommissionellen Beratung solle dann dem Finanzminister mitgeteilt werden, welcher dann im Einvernehmen mit dem Staatsminister den au. Vortrag zu erstatten hätte. Im Interesse der Finanzen müsse er jedoch hohen Wert darauf legen, daß in derlei sein Ressort betreffenden Angelegenheiten dem Finanzminister das Schlußwort eingeräumt werde. In der vorliegenden untertänigsten Note an das hohe Ministerratspräsidium habe er seinen Antrag darauf beschränkt, daß die Statutenänderungen nicht genehmigt werden, keineswegs aber die Kompetenzfrage zur Entscheidung bringen wollen, was schon daraus hervorgehe, daß er sich in der erwähnten Note an das hohe Ministerratspräsidium (vom 11. April l. J.)45 ausdrücklich vorbehalten habe, über dieses Verhältnis und dessen meritale Regelung einen abgesonderten au. Vortrag zu erstatten. Schließlich bemerkte der Finanzminister, daß die Ingerenz mehrerer Ministerien bezüglich der neuen englischen Bankgesellschaft in England46 aufgefallen sei, indem die ursprünglichen Verhandlungen von dem Finanzministerium ausgegangen seien, später aber Auskünfte von Seite der Vereinskommission him Staatsministeriumh im || S. 92 PDF || Staatsministerium verlangt worden seien, iund daß die gedeihliche und einheitliche Leitung von derlei Verhandlungen nur von einem und zwar von dem Fachministerium übernommen und durchgeführt werden könnei . Die Beziehungen der Kreditinstitute zu den Staatsfinanzen seien jbei der gegenwärtigen Finanzlage solche, daß von Seite des Finanzministeriums eine ununterbrochene Kenntnis der Gebarung und der Geschäfte des Institutes unerläßlich ist, welche insbesondere durch die als lf. Kommission fungierenden Abgeordneten des Finanzministeriums vermittelt wird und ohne welche es nicht möglich istj, die Finanzen gedeihlich zu führen. kWas aber den vorliegenden Fall anbelangt, so befinde sich ja im Punkte der Nichtgenehmigung der vorgelegten Statuten der Herr Minister Ritter v. Lasser mit dem Finanzminister in voller Übereinstimmung, nur im Punkte der Kompetenzfrage bestehe die Differenz. Der Finanzminister trägt daher an, den ersten Punkt nach seinem Antrage durch Nichtgenehmigung der Statuten zu entscheiden, den zweiten Punkt der Kompetenz aber einer abgesonderten Behandlung nach früherem Einvernehmen mit den einschlägigen Ministerien und mittels besonderen Vortrages vorzubehaltenk . Der Handelsminister erachtete behaupten zu sollen, daß über ein Kreditinstitut, das den Titel „für Handel und Gewerbe“ führe, vielmehr dem Handelsministerium das Beaufsichtigungsrecht zustehen müsse und daß es im wohlverstandenen Interesse des Finanzministeriums gelegen wäre, sich von einer solchen Überwachung ganz ferne zu halten. Die Nationalbank sei dadurch in ihre mißliche Lage geraten, daß das Finanzministerium dasselbe immer als ein Institut für Zwecke der Finanzverwaltung angesehen habe. Da es ihm von Sr. Majestät Ag. anvertraut worden sei, für die Interessen des Handels und des Kredites zu wachen, müsse er gegen das von dem Finanzminister in Anspruch genommene Beaufsichtigungsrecht der Kreditanstalt entschieden protestieren. Der Staatsratspräsident sprach sohin seine Meinung aus, daß, nachdem durch die von dem Minister Ritter v. Lasser und dem Finanzminister geführte Debatte die Kompetenzfrage vorderhand beseitiget sei und vielleicht auch durch den zugestandenen Austausch der Referate in der Folgezeit nicht wieder werde angeregt werden, es angezeigt erscheinen dürfte, wenn der Finanzminister seinen au. Vortrag zurückzöge, da in dem Hauptantrage betreffend die Ablehnung der Statutenänderung eine Meinungsverschiedenheit nicht bestehe. Der Minister Edler v. Plener erklärte sich hiezu bereit, machte jedoch aufmerksam, daß für diesen Fall Beschluß gefaßt werden müßte, daß das Ministerium nicht gefunden habe, auf die Ah. Genehmigung der geschlagenen Statutenänderungen bei Sr. Majestät einzuraten, lwonach die entsprechende Verständigung an die Kreditanstalt zu erlassen sein wirdl .

Der Ministerrat einigte sich sohin für die Unterlassung der Vorlage des au. Vortrages des Finanzministers an Se. Majestät und für die Erledigung des Einschreitens des || S. 93 PDF || Verwaltungsrates der Kreditanstalt in der von dem Finanzminister schließlich beantragten Weise47.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Bruck a. d. Leitha, 12. Juli 1863. Empfangen 12. Juli 1863. Erzherzog Rainer.