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Nr. 344 Ministerrat, Wien, 25. April 1863 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 25. 4.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Plener, Wickenburg; außerdem anw. Biegeleben; BdR. Erzherzog Rainer 11. 5.

MRZ. 1148 – KZ. 1467 –

Protokoll I der zu Wien am 25. April 1863 abgehaltenen Komiteesitzung des Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Weiteres Auftreten Österreichs in der Zollvereinsfrage

Gegenstand der Besprechung war die Frage in Hinsicht des weiteren Vorganges Österreichs in der Zollvereinsangelegenheit1.

Nach der einleitenden Bemerkung des Ministers des Äußern , daß nunmehr unverweilt bestimmte Vorbereitungen für das Auftreten Österreichs in dieser hochwichtigen Angelegenheit getroffen werden müssen und daß sich namentlich das Bedürfnis herausstellt, in der Frage der Tarifrevision zur Feststellung dessen, bis wohin die österreichische Regierung hier gehen kann, zu gelangen, um in dieser Beziehung den deutschen Staaten ein bestimmtes Anerbieten machen zu können, andererseits auch die Grundlage zu der für den betreffenden österreichischen Bevollmächtigten erforderlichen, seine Aktion allein sichernden Instruktion zu gewinnen, nahm der Hof- und Ministerialrat v. Biegeleben das Wort, um nach einem Rückblick auf die bisher angeknüpften Verhandlungen die Notwendigkeit zu motivieren, daß man jetzt trachten müsse, vor allem, und zwar sobald als möglich die versprochene Tarifrevision den deutschen Regierungen anzubieten. Die Vorschläge vom 10. Juli v. J.2 hätten darauf beruht, daß die deutschen Regierungen vorderhand das Versprechen, es werde der bisherige Tarif des Zollvereines in Gemeinschaft mit Österreich einer Revision im liberalen Sinne unterzogen werden, wodurch also ein näheres Eingehen auf die Tariffrage vorerst vermieden werden sollte, als genügend ansehen müssen. Obzwar gegen diese Vorschläge im allgemeinen kaum Anstände gemacht werden, so könne man sich jetzt hinsichtlich des Punktes, daß die Tariffrage gänzlich in bianco gelassen werden soll, der Besorgnis nicht entschlagen, daß dieses doch auf den weiteren Verlauf der Sache ungünstig einwirken dürfte, zumal es auch den uns sich zuneigenden Staaten nicht zu verdenken sei, wenn sie in dieser Beziehung ein positives Projekt in Händen zu haben wünschen, welches ihnen den Anhaltspunkt geben würde, daß sie in dieser Frage mit Österreich gehen können, ohne auf einen zeitgemäßen Fortschritt – wie dies von den feindlichen Parteien behauptet wird – zu verzichten und ohne sich der Gefahr einer kommerziellen Trennung von Frankreich auszusetzen. Soweit also für uns die Notwendigkeit besteht, || S. 395 PDF || jetzt schon der Frage der Tarifreform näherzutreten, so könne auch ohneweiters an diese Arbeit gegangen werden, denn es bedürfe hierwegen von Seite Österreichs keiner neuen Versprechungen, indem die Regierung sich schon ausgesprochen hat, auf dem jetzigen Tarife nicht stehen bleiben, sondern sich dem französisch-preußischen Tarife nach Tunlichkeit und selbstverständlich unbeschadet der eigenen Handelsinteressen nähern zu wollen, und es handle sich also nur um die Durchführung der versprochenen Tarifverhandlung, rücksichtlich vorläufig um die Ausarbeitung der Grundzüge eines österreichisch-deutschen Zolltarifes, welche zugleich die Grenzen bezeichnen, bis wohin die jetzigen Tarifsätze im Interesse einer freieren Bewegung des Handels ermäßigt werden können. In welcher Art und Weise diese Verhandlung zweckmäßig durchzuführen sein wird, müsse wohl den damit betrauten Organen anheimgestellt bleiben, und Votant würde sich nur erlauben darauf hinzuweisen, daß es gut wäre, wenn der Tarif derart reformiert werden könnte, daß damit im allgemeinen ein Fortschritt der Industrie erzielt werde, und daß man überhaupt bei dieser Arbeit den Grundsatz im Auge behalten sollte, auf der einen Seite nicht zu viel und auf der anderen nicht zu wenig zu bieten und überhaupt es so einzurichten, daß alle möglichen Interessen gewahrt und mithin alle Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß keine wesentlichen Anstände erhoben werden, vielmehr eine Vereinbarung erzielt werden wird.

Der Finanzminister bemerkte, er könne der Idee, nach beiden Seiten das Gleichgewicht zu halten und überall das rechte Verhältnis zu treffen, nur beistimmen, müsse aber offen bekennen, daß, so leicht sich diese Grundsätze aussprechen lassen, aber so schwierig deren praktischea Durchführung erscheine. Die größte Schwierigkeit, ja der Kern des ganzen liege in der inneren Opposition, indem die große Zahl unserer Industriellen der Tarifreform sich nichts weniger als geneigt zeigt. Was nun den bei dieser Reformarbeit einzuschlagenden Weg betrifft, so können die bezüglichen Vorarbeiten entweder durch das Ministerium allein getroffen werden, oder man zieht sachkundige Vertrauungsmänner herbei. Das letztere erscheine jedoch dem Finanzminister in dem gegenwärtigen Momente bedenklich, da die Erfahrung zeigt, daß man bei unseren Industriellen rücksichtlich einzelner Artikel auf große Opposition stoßen würde, und dann es auch notwendig erscheine, diese Vorarbeit so lange geheim zu halten, bis das Tarifprojekt eine feste Gestalt angenommen hat, was wohl bei einer solchen Mitwirkung kaum zu erwarten wäre. Es dürfte also in dieser Sache nur im rein ämtlichen Wege vorzugehen sein, und da habe man schon die nötigen Einleitungen getroffen, und zwar vorerst Erhebungen über die verschiedenen bPreise der Industrieprodukteb veranlaßt. So habe man sich nach Hamburg um eine Nachweisung gewandt, aus welcher die gegenwärtig dort bestehenden Großverkaufspreise der für den internationalen Handel vorzüglich wichtigen Industrieerzeugnisse, hauptsächlich der Webe- und Wirkwaren, dann Fabrikate und Metallarbeiten entnommen werden können. Ein gleicher Auftrag sei auch nach Triest ergangen. cZu diesen Preisen müssen dann die Transport- und Speditionsauslagen hinzugeschlagen und das Resultat mit den inländischen Gestehungsund Verschleißpreisen verglichen werdenc Zu diesen Preisen müssen dann die Transport- und Speditionsauslagen || S. 396 PDF || hinzugeschlagen und das Resultat mit den inländischen Gestehungsund Verschleißpreisen verglichen werden. Soll aber jetzt gleich an die eigentliche Arbeit gegangen werden, so müßte man gegenwärtig wohl dnoch vor dem Einlaufen sämtlicher Behelfed vorgehen, was aber der Sache im Ganzen nicht hinderlich sein dürfte, da die eigentliche Hauptgrundlage egrößtenteils bereitse vorhanden ist, und es wäre nach der Intention des Finanzministers der hiebei einzuhaltende Gang der, daß zunächst die bestehende Zollkommission den Tarifentwurf auszuarbeiten hätte, welche Kommission übrigens hiezu einen oder zwei fachkundige Zollbeamte beiziehen könnte. Der Minister des Äußern , damit einverstanden, daß nicht vorerst bei den Industriellen angefragt, sondern zuvörderst das Reformprojekt im ämtlichen Wege ausgearbeitet werde, glaubte nur an den Finanzminister die Frage stellen zu sollen, wie lange es dauern kann, bis diese Vorarbeit fertig sein wird, und dann, ob die Persönlichkeiten des Ministeriums, welche mit dieser Mission betraut sind, auch wirklich fihre Aufgabe in dem Geiste auffassen, der erforderlich ist, sie einem gedeihlichem Ende zuzuführenf und ob von ihnen mit Zuversicht erwartet werden kann, daß sie bei den betreffenden Verhandlungen mit dem gehörigen Geiste und Takte agieren werden, worauf der Finanzminister erwiderte, daß der Ministerialrat Peter in der fraglichen Sache sehr vertraut und so geschickt ist, daß ihm kein zweiter gleichgestellt werden könnte. Wohl sei es zu beklagen, daß Peter an Schwerhörigkeit leide, was ihm bei Verhandlungen in größeren Versammlungen allerdings hinderlich sein dürfte, doch könnte dieses Übel dadurch saniert werden, daß man ihm den in dieser Sache äußerst fähigen und bewährten Hauptzollamtsdirektor in Triest, Mayer, zur Seite stelle und beide abschicke.

Der Handelsminister besprach im längeren Vortrage die nach erfolgtem Abschluße des französisch-preußischen Handels- und Zollvertrages stattgefundenen Verhandlungen und die in der Sache bisher von uns gemachten Schritte, erörterte sodann die von Seite des Finanzministeriums in Absicht auf die Tarifrevisionsfrage gestellten und von den Ministerien des Äußern und des Handels gebilligten Anträge und kam endlich auf die mit der Ausarbeitung des Tarifentwurfs zu betrauende Zollkommission zu sprechen, bezüglich der er der Meinung war, daß in derselben bis jetzt eigentlich nichts geschehen ist und die von Baron Hock gemachte einschlägige Arbeit mehr als eine Privatarbeit zu betrachten sei. Graf Wickenburg glaubte sich sonach dafür aussprechen zu sollen, daß die Zollkommission behufs der Ausarbeitung des in Rede stehenden Projektes unverweilt zusammentreten, sich aber auch verstärken sollte, und zwar wären ihr als beratende Personen der gbei allen früheren Zollvereinsangelegenheiten beteiligt gewesene ehemalige Handels- und Finanzministerg Baron Baumgartner, hdann der ehemalige Sektionschef im Handelsministerium und in den statistischen Studien tief eingeweihteh Baron Czoernig, und aus dem Kreise der Industriellen der Handelsmann iund Reichsratsabgeordnetei Winterstein und der || S. 397 PDF || Redakteur jdes „Volkswirtes“j Mayer kals eine bekannte Kapazitätk beizugeben. Der Finanzminister , welcher vor allem bezüglich der von der Vorstimme berührten Arbeit des Baron Hock die Aufklärung gab, daß ihm derselbe diese Arbeit zur Disposition gestellt habe, an der nur noch die nötigen Fortschritte zu machen sind, um dann als Substrat für die Kommission zu dienen, sprach sich entschieden gegen eine Verstärkung der Zollkommission durch die vom Handelsminister vorgeschlagenen Persönlichkeiten [aus], zumal er nicht einzusehen vermag, welchen Nutzen der Beirat des Baron Baumgartner und des Baron Czoernig in einer spezifisch zollämtlichen Sache bringen solle, lvielmehr dürfte eine solche Zuziehung nur mit Weiterungen verbunden sein, die im Interesse der Beschleunigung hintangehalten werden sollenl . Die Zuziehung des Winterstein, abgesehen davon, daß er ein bloßer Spediteur ist, daher in Tarifsangelegenheiten keinen besonderen Beistand wird geben können, sei schon aus den früher angeführten Gründen in dem gegenwärtigen Stadium bedenklich und nicht passend, so wie sich die Berufung des Redakteurs Mayer, welcher ein Theoretiker ist und mit seinen unpraktischen Ideen nie durchgegriffen hat mund enorme Vergütungsansprüche für seine Mitwirkung zu stellen gewohnt istm, als ganz unfruchtbar erweisen würde. Edler v. Plener würde also jetzt keine Vermehrung der Kommission – außer des Zollamtsdirektors Mayer aus Triest – eintreten lassen, und glaubt, daß dieselbe in der zweitnächsten Woche zusammentreten und an ihre Arbeit gehen kann.

Nachdem sowohl der Minister des Äußern als auch der Staatsminister und der Polizeiminister im ganzen mit der Proposition des Finanzministers sich einverstanden erklärten, brachte der letztere schließlich noch in Anregung, ob sich die frühere Idee, an diesen Vorarbeiten Vertreter befreundeter Mächte, zum Beispiel Schäffle und Kerstorff, privatim teilnehmen zu lassen, mit dem von ihm angedeuteten Gange vielleicht doch auch vereinigen ließe, und war in dieser Beziehung der Meinung, daß es derart durchführbar erscheine, daß man vorerst die Kommission mit ihrer Arbeit fertig werden lasse, dann aber über dieses Resultat, bevor noch eine offizielle Verhandlung über das Projekt mit den befreundeten Zollvereinsstaaten eintritt, eine vertrauliche Besprechung zwischen Peter und den beiden obgenannten Ausländern einleiten würde. Hiermit war der Minister des Äußern einverstanden und ergab sich auch den anderen Mitgliedern der Konferenz keine Erinnerung3.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 10. Mai 1863. Empfangen 11. Mai 1863. Erzherzog Rainer.