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Nr. 342 Ministerrat, Wien, 16. April 1863 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 16. 4.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein 28. 4.; BdR. Erzherzog Rainer 2. 5.

MRZ. 1147 – KZ. 1373 –

Protokoll II des zu Wien am 16. April 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Bitte des ungarischen Bodenkreditinstituts um Befreiung von der Einkommensteuer und von den Stempelgebühren

Gegenstand der Beratung war der au. Vortrag des Finanzministers vom 15. März l. J., Z. 9355, über das Ah. signierte Gesuch des Präsidiums des ungarischen Bodenkreditinstitutes um Befreiung [der Zinsen seiner Wertpapiere] von der Einkommensteuer, dann von den Stempelgebühren für alle vom Institute ausgestellten Urkunden und Schriften1.

Der staatsrätliche Referent Staatsrat Ritter v. Holzgethan entwickelte zunächst die von dieser Anstalt zur Unterstützung des gestellten Einschreitens geltend gemachten Motive und erörterte sodann die in dem ministeriellen Vortrage dargelegten Gründe, welche den Finanzminister zu dem Antrage bestimmen, daß dem ungarischen Bodenkreditinstitute die Stempelfreiheit seiner Bücher und der sonstigen Urkunden, welche im Namen der Anstalt in Ausübung ihrer statutenmäßigen Geschäfte ausgefertigt werden, bewilliget werde, diese Gebührenfreiheit aber nicht auf die Zinsenkupons von ihren Schuldurkunden, die löschungsfähigen Quittungen und auf die Verträge des unbeweglichen Vermögens sich zu erstrecken haben, und dann daß der angesuchten Befreiung von der Einkommensteuer nicht willfahrt werde. Nachdem Referent den im Sinne dieses Antrages verfaßten ministeriellen Resolutionsentwurf vorgelesen, bemerkte er, daß sich im Staatsrate die Majorität für den Antrag des Finanzministers ausgesprochen habe, gleichwohl dieselbe nicht in allen Beziehungen mit den ministeriellen Gründen ganz einverstanden war. Es sei hiebei auch die verfassungsmäßige Seite dieses Gegenstandes in Anregung gekommen und hervorgehoben worden, daß diese beantragte Begünstigung für die ungarische Kreditanstalt im Sinne der Verfassung einer Mitwirkung des Reichsrates bedürfen würde, daher, wenn diese Begünstigungen alsbald aktiviert werden sollen – wozu hinreichend Motive vorhanden zu sein scheinen -, der § 13 des Grundgesetzes2 in Anwendung kommen müßte. Obzwar im ministeriellen Antrage selbst jene Mitwirkung im Auge behalten sei, da im Eingange des Resolutionsentwurfes ein „Vorbehalt der im verfassungsmäßigen Wege zu erlassenden abändernden Bestimmungen“ gemacht erscheint, so wurde doch im Staatsrate über Anregung des Präsidenten eine || S. 387 PDF || Vervollständigung der Ah. Erledigung in dieser Sache derart für angemessen gehalten, daß in der Ah. Entschließung ausdrücklich auf den Paragraph 13 des Grundgesetzes hingewiesen werde.

Der Staatsratspräsident fügte hinzu, daß die verfassungsmäßige Seite vorzüglich in der Rücksicht hervorgehoben wurde, weil man eben meinte, daß die hier vom Finanzminister beantragten Ausnahmen von dem bestehenden Stempel- und Gebührengesetze nicht einseitig von der Regierung gegeben werden können, sondern der verfassungsmäßigen Behandlung bedürfen, und da der Reichsrat nicht in Aktivität ist, die gedachten Begünstigungen nur unter ausdrücklicher Hinweisung auf den Paragraph 13 des Grundgesetzes publiziert werden können. Was die aübrigen von der Anstalt in Anspruch genommenen Punktea betrifft, so würde Freiherr von Lichtenfels meinen, daß, bnachdem der Finanzminister diese Zugeständnisse an das gedachte Institut vor der Reichsvertretung sich in Folge Paragraph 13 nicht zu vertreten getraut, seinem abweislichenb Antrage nicht entgegenzutreten wäre. cHöchstens könnte in Ansehung dieser Punkte dem Reichsrate seinerzeit, wenn er wieder versammelt sein wird, eine verfassungsmäßige Vorlage darüber gemacht werdenc .

Im Laufe der eingehenden Erörterung hierüber äußerte dder Finanzminister, es handle sich zuerst um die Sache, nämlich ob und welche Begünstigungen zu erteilen wären, dann um die Form, in welcher sie erteilt werden könnten, das ist ohne oder mit Intervention des Reichsrates. Was nun zuerst die Sache selbst anbelangt, so habe sied der Finanzminister , es handle sich zuerst um die Sache, nämlich ob und welche Begünstigungen zu erteilen wären, dann um die Form, in welcher sie erteilt werden könnten, das ist ohne oder mit Intervention des Reichsrates. Was nun zuerst die Sache selbst anbelangt, so habe sie zwei Teile, erstens die Stempelfreiheit der von dem fraglichen Institute ausgestellten Schriften und Urkunden, und zweitens die Befreiung von der Einkommensteuer. Betreffend die Stempelfreiheit, so sollen nach seinem Antrage die Pfandbriefe und Rentenscheine die Stempelfreiheit genießen, weil diese Urkunden lediglich als ein das Darlehensgeschäft vermittelndes Dokument erscheinen, folglich, da die Schuldurkunde edes Hypothekarschuldners über die erhaltenen Pfandbriefe ohnehine stempelpflichtig sei, das Darlehensgeschäft fdurch die Stempelung der Pfandbriefe, welche nur Partialen der erwähnten Schuldurkunde repräsentierenf, doppelt besteuert wäre; dagegen sollen die Zinsenkupons der gesetzlichen Stempelgebühr unterzogen bleiben, weil dieselben die gQuittung über stattfindende Zahlungen der Anstalt an den Pfandbriefbesitzer vertreteng . Ingleichen soll sich auch die Stempelfreiheit auf die löschungsfähigen Quittungen, welche das Institut nach erfolgter Zurückzahlung des Darlehens an den Pfandschuldner zu erteilen in dem Falle ist, nicht erstrecken, hweil hiezu kein Grund bestehth . Belangend die Einkommensteuerfreiheit, || S. 388 PDF || so glaube sich der Finanzminister für dieselbe nicht aussprechen zu können, weil bei dem ungarischen Bodenkreditinstitute andere Verhältnisse bestehen, als bei der berufenen galizischen Kreditanstalt3, und in Ungarn weder der Drittelzuschlag zur Grundsteuer noch das Recht des Einkommensteuerabzuges von den Zinsen der Tabularkapitalien oder der Kapitalien, welche in einer Unternehmung anliegen, bestehe. Was nun die Form der rücksichtlich der beantragten Begünstigungen zu treffenden Verfügung belangt, so habe er die verfassungsmäßige Seite nicht außer acht gelassen, indem im Resolutionsentwurfe der diesfällige Vorbehalt gemacht erscheine, gleichwohl nehme er keinen Anstand, dem diesbezüglichen Antrage des Staatsrates auf eine ausdrückliche Zitierung des Paragraph 13 sich anzuschließen, weil ihm dieses richtiger und besser scheine. Der ungarische Hofkanzler bemerkte, die ungarische Bodenkreditanstalt werde ihren Zweck nicht erreichen, ja faktisch totgeschlagen sein, wenn die Anträge des Finanzministers genehmigt werden sollten. Dieses Institut sei keine Aktiengesellschaft und kein Unternehmen, welches auf Profit arbeitet, sondern eine Assoziation von Hypotheken, welche füreinander solidarisch haften, damit der Bodenkredit gehoben werde. Wenn dasselbe anders behandelt wird als die homogene4 Kreditanstalt in Galizien, als die Nationalbank und dergleichen, dann erscheine es offenbar stärker belastet und werde dann auch nie ein kräftiges Leben erlangen können. Warum übrigens dem ungarischen Institute die dem galizischen gleichen Institute wirklich zugestandenen Begünstigungen im gleichen Umfange nicht gewährt werden könnten, dafür finde Votant keinen zureichenden Grund vorhanden, denn aus dem Umstande, daß während in Galizien der Steuerdrittelzuschlag bestehe, in Ungarn aber nicht, könne doch kein Motiv für eine minder günstige Behandlung des ungarischen Institutes abgeleitet werden, zumal dieser Zuschlag in Ungarn bisher deshalb nicht eingeführt sei, weil dort idurch die erst in jüngster Zeit geschehene Einführung der Katasterbesteuerungi mit Rücksicht auf die Landesverhältnisse die Quantität der Steuer schon so hoch gekommen ist, daß hiedurch gleichsam das Gleichgewicht in der Besteuerung mit den anderen Ländern der Monarchie gehalten ist. Soll nun die in Rede stehende Anstalt nicht ganz in Frage gestellt werden, so sei es dringend notwendig, ihr die erbetene Stempel- und beziehungsweise die Einkommensteuerbefreiung zu gewähren. Hierauf ging der Finanzminister in eine nähere Beleuchung der Sache ein, um zu zeigen, daß die Einhebung der Einkommensteuer von den Zinsenkupons der Pfandbriefe ganz korrekt ist, und daß er, obwohl die für eine Begünstigung sprechenden Opportunitätsrücksichten nicht verkennend, sich dennoch nur an den Wortlaut der Gesetze halten müsse, jwonach jedes in Ungarn nicht schon durch die Grund-, Gebäude- und Erwerbsteuer getroffene Einkommen der Einkommensteuer unterliege, das Einkommen des Pfandbriefbesitzers aus den Kupons des Pfandbriefes aber keiner der zuerst genannten Steuergattungen unterliege (was allerdings bei den Nationalbankpfandbriefen und jenen der galizischen Kreditanstalt mittels des Abzuges der Steuer von Seite des den Drittelzuschlag zahlenden Grundbesitzers geschehe), daher sich folgerecht ergebe, daß die Kupons der ungarischen Pfandbriefe der Einkommensteuer zu unterwerfen seien, so wie denn überhaupt jeder Gläubiger in Ungarn seinen Zinsengenuß zu fatieren und zu versteuern habe. Der Abzug der Steuer bei der Kuponsbezahlung sei aber nur ein anderer Modus der Steuerzahlung als jener in Folge der Fatierung, die Steuerpflicht sei aber die gleiche, und es wäre eine Ungerechtigkeit, den Gläubiger, welcher sein Geld unmittelbar dem Schuldner (dem Realbesitzer) leiht, der Steuer unterworfen zu lassen und jenen, welcher dies mittelbar durch Erwerbung von (um einen Kurs gekauften) Pfandbriefen tut, von der Steuer zu eximierenj wonach jedes in Ungarn nicht schon durch die Grund-, Gebäude- und Erwerbsteuer getroffene Einkommen der Einkommensteuer unterliege, das Einkommen des Pfandbriefbesitzers aus den Kupons des Pfandbriefes aber keiner der zuerst genannten Steuergattungen unterliege (was allerdings bei den Nationalbankpfandbriefen || S. 389 PDF || und jenen der galizischen Kreditanstalt mittels des Abzuges der Steuer von Seite des den Drittelzuschlag zahlenden Grundbesitzers geschehe), daher sich folgerecht ergebe, daß die Kupons der ungarischen Pfandbriefe der Einkommensteuer zu unterwerfen seien, so wie denn überhaupt jeder Gläubiger in Ungarn seinen Zinsengenuß zu fatieren und zu versteuern habe. Der Abzug der Steuer bei der Kuponsbezahlung sei aber nur ein anderer Modus der Steuerzahlung als jener in Folge der Fatierung, die Steuerpflicht sei aber die gleiche, und es wäre eine Ungerechtigkeit, den Gläubiger, welcher sein Geld unmittelbar dem Schuldner (dem Realbesitzer) leiht, der Steuer unterworfen zu lassen und jenen, welcher dies mittelbar durch Erwerbung von (um einen Kurs gekauften) Pfandbriefen tut, von der Steuer zu eximieren. Er sei daher nicht in der Lage, von der fraglichen Einkommensteuer abzulassen, worauf der ungarische Hofkanzler nochmals vom praktischen Standpunkte seine Ansicht verteidigte, daß die in Rede stehende Anstalt von vornehinein zugrunde gerichtet wäre, wenn sie nicht gleichmäßig wie die Nationalbank und die galizische Kreditanstalt behandelt und der Besitzer ungarische Pfandbriefe nicht gleich dem galizischen Pfandbriefbesitzer gehalten werde, und indem Graf Forgách sonach seinen Antrag auf Anerkennung des Grundsatzes der Gleichstellung des ungarischen Institutes in den fraglichen Beziehungen mit den anderen Anstalten, knamentlich mit jenen Pfandbriefen, die die Hypothekarabteilung der Nationalbank für ungarische Hypothekarinstitute [im Wert] von 33 Millionen hütetk, erneuerte, schloß er mit der Bemerkung, daß man etwa auch das Prinzip annehmen könnte, daß insofern der Reservefonds aktiv wird, man hievon die Einkommensteuer entrichten lasse.

Der Minister Graf Esterházy war im Prinzipe für die Anwendung der Gleichmäßigkeit und schloß sich dem Antrage des Hofkanzlers an. Der Minister des Äußern erachtete dagegen, daß alle diese Anstalten auch ohne die gedachten Begünstigungen recht gut bestehen können, und daß solche Zugeständnisse nur immer zu vielfachen Exemplifikationen führen. lWürde der ungarischen Bodenkreditanstalt diese Begünstigung zugestanden, so könne sie später der böhmischen und der anderer Kronländer nicht versagt werden. Sie gewähre aber auch der Anstalt selbst keinen Vorteil, da die Steuer, wenn sie nicht bei Auszahlung des Kupons erhoben, doch später beim Fatieren des Einkommens gezahlt werden müssel . Mit derlei Begünstigungen gebe man übrigens den Pfandbriefen nur ein Privilegium gegenüber den Hypothekardarleihen, was nur zur Folge hat, daß sich jedermann bedenken wird, Geld auf Hypothek zu geben, da er einen Pfandbrief wohlfeiler bekommt. Votant würde also die hier angesuchte Befreiung nicht befürworten und überhaupt den Antrag stellen, daß diesen Anstalten im allgemeinen gar keine Begünstigungen rücksichtlich Ausnahmen vom Gesetze zugestanden werden. Der Handelsminister meinte, daß, nachdem das fragliche Institut ein Unternehmen zum Vorteile des Landes sein soll und in der Absicht, die Landwirtschaft zu heben, gegründet ist, es ein dringendes Gebot sei, dasselbe mit allen zulässigen Mitteln zu unterstützen, zu welchen unzweifelhaft die Gewährung der erbetenen Befreiung von den Stempelgebühren und der Einkommensteuer zähle. Zudem trete diese Kreditanstalt unter großen || S. 390 PDF || Schwierigkeiten ins Leben und bedürfe mithin umso mehr Unterstützung. Votant würde daher entschieden dafür sein, daß diese Anstalt mit den anderen homogenen Anstalten ganz gleichmäßig behandelt werde. Der Minister Ritter v. Lasser besprach das „Ob und Wie“ der vorliegenden Frage, und bekannte sich bezüglich des „Ob“ zu dem Grundsatze, daß man gut tue, im allgemeinen allen solchen Anstalten eine gleichmäßige Behandlung angedeihen zu lassen, folglich allen diesen Instituten die gleichen Begünstigungen geben solle. Die Frage, wie diese Gleichmäßigkeit im vorliegenden Falle durchgeführt werden soll, sei allerdings sehr [schwer] zu beantworten, da hier eine Verschiedenheit der Verhältnisse obwaltet, obschon dem Votanten das Motiv des Drittelzuschlages nicht ganz zutreffend scheinen würde. Auch dem Polizeiminister schien die Argumentation des Finanzministers nicht in allen Beziehungen stichhältig zu sein, und glaubte derselbe, daß zum Beispiel eine Gleichstellung der ungarischen Kreditanstalt mit der Nationalbank bezüglich der Zinsenkupons ihrer Pfandbriefe keine so große Ausschreitung wäre, die sich nicht rechtfertigen ließe. Im allgemeinen hält Votant dafür, daß man dem gar nicht wird ausweichen können, daß allen diesen Anstalten die gleichen Konzessionen gegeben werden. Übrigens dürfte die vorliegende Angelegenheit nicht gar so dringend sein, um nicht, da der Reichsrat vor der Tür steht, der ordentlichen verfassungsmäßigen [Behandlung] unterzogen werden zu können. Der Staatsminister , welcher vom nationalen Standpunkte es ganz gerechtfertigt findet, daß man der Bodenkultur zu Hilfe kommt, daher in dieser Richtung alles befürworten zu sollen vermeinte, was die Pfandbriefbesitzer begünstigt, sprach sich ebenfalls für die Gleichstellung aus und würde bezüglich des speziellen Falles den Vorschlag machen, daß diese Sache seinerzeit von der Regierung dem Reichsrate vorgelegt werde.

Nachdem der Finanzminister erklärte, daß, wenn im verfassungsmäßigen Wege die von der ungarischen Kreditanstalt erbetene Befreiung von der Einkommensteuer erwirkt werden könnte, er nicht dagegen sein werde, nur jetzt aber eine solche Ausnahme vom Gesetze nicht auf sich nehmen könne, und nachdem sich weiter die mehreren Stimmen für die verfassungsmäßige Behandlung der Sache aussprachen, wurde sich schließlich dahin geeinigt, daß bezüglich der angesuchten Stempelbefreiung auf die Ag. Genehmigung des diesbezüglichen ministeriellen beziehungsweise staatsrätlichen Antrages au. einzuraten, bezüglich der Befreiung von der Einkommensteuer aber der au. Antrag zu stellen wäre, daß diese Angelegenheit der ordentlichen verfassungsmäßigen Behandlung vorbehalten wird5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 2. Mai 1863. Empfangen 2. Mai 1863. Erzherzog Rainer.