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Nr. 311 Ministerrat, Wien, 15. Jänner 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 17. 1.), Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, BdR. Erzherzog Rainer 24. 1.

MRZ. 1115 – KZ. 214 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 15. Januar 1863 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Errichtung einer griechisch-nichtunierten Metropolie für die Rumänen

Den Gegenstand der heutigen Beratung bilden die Allerhöchstenortes erstatteten Anträge in betreff der Errichtung einer griechisch-nichtunierten Metropolie für die Rumänen1.

Bei Beratung der Angelegenheit im Ministerrate hat sich eine Meinungsverschiedenheit ergeben, wobei sich die Stimmenmehrheit mit den Anträgen des Grafen Nádasdy, die Minorität aber mit jenen des ungarischen Hofkanzlers vereinigte. Se. k. k. apost. Majestät, Allerhöchstgeneigt, in dieser Sache einen entscheidenden || S. 179 PDF || Schritt zu tun, wünschten insbesondere auch in Erörterung gezogen zu sehen, welcher von den beiden vorgeschlagenen Wegen der weitergehende sei.

Minister Graf Nádasdy äußerte, er habe früher sein Augenmerk auf die Vereinigung aller griechisch-nichtunierten Rumänen ader Gesamtmonarchiea unter eine Metropolie gerichtet. Allein bald habe er sich überzeugt, daß derzeit keine Aussicht vorhanden sei, den Bischof von Czernowitz, Hackmann, dafür zu stimmen. Die Vereinigung der Rumänen in Ungarn und Siebenbürgen unter einem griechischnichtunierten Erzbischofe biete zwar weniger Schwierigkeiten, setze jedoch immerhin weitwendige Verhandlungen voraus, während es vom politischen Standpunkte aus sehr wünschenswert, ja notwendig erscheint, bdie Romanen Siebenbürgens und an ihrer Spitzeb den griechisch-nichtunierten Bischof von Hermannstadt, Baron Schaguna, durch die cErrichtung einer Metropoliec schon jetzt dazu zu bestimmen, daß dselbe, durchd seinen mächtigen Einfluß bei allen siebenbürgischen, eüber eine Million zählendene Romanen (lateinischen wie orientalischen Ritus) fgeleitet, das Zustandekommen und den zweckentsprechenden Verlauf eines Landtages in Siebenbürgen ermöglichenf . gOhne Zufriedenstellung der Romanen und bezüglich Schagunas sei nämlich nach Ansicht des Grafen Nádasdy kein Landtag in Siebenbürgen glücklich durchzuführeng . Ist einmal die Metropolie in Siebenbürgen – mit oder ohne einen Suffraganen im Lande – gegründet, so wird sich der Anschluß der Romanen in Ungarn im Wege der Verhandlung mit dem Patriarchen und den romanischen Bischöfen nach und nach erzielen lassen, und man kann sich darauf verlassen, daß Baron Schaguna, dem aus vielen Gründen daran gelegen ist, seinen Sprengel über mehrere Suffragane auszubreiten, sein hZiel erreichen wirdh . Hiebei wird nun auch der weitere politische Vorteil erzielt, daß die Romanen iSiebenbürgens durch die Bildung einer Metropolie an das Gesamtösterreich geleitet werden, in einem entgegengesetzten Falle aber zu der Union Siebenbürgens mit Ungarn übergehen dürfteni . Vom bloß kirchlichen Standpunkt aus erscheine die Bildung einer Metropolie jund eines Suffraganbistumsj für Siebenbürgen gleichfalls gerechtfertigt, wenn man erwägt, daß es sich um ein von Gebirgszügen durchschnittenes Kronland kvon über 900 Quadratmeilenk handelt, in welchem über 650.000 griechisch-nichtunierte Glaubensgenossen zerstreutl leben. Schließlich wolle Minister Graf Nádasdy || S. 180 PDF || noch erwähnen, daß v. Mocsonyi2, einerm der Leiter der Romanen in Ungarn, ngegen die ihm mitgeteilten Ansichten, daß zuerst in Siebenbürgen und sodann in Ungarn diese Angelegenheit geregelt werde, keine Anstände von Gewicht erhoben hatten . Der Staatsminister äußerte, daß, obgleich er sich bei der letzten Beratung in der Ministerkonferenz zum Antrage des ungarischen Hofkanzlers hingeneigt habe, er sich durch die soeben vernommenen gewichtigen politischen Rücksichten bestimmt finde, dem Antrage des Grafen Nádasdy beizutreten. Das Ziel einer allgemeinen walachischen Metropolie sei dermal unerreichbar, und selbst die Vereinigung der Bistümer in Siebenbürgen und Ungarn – ungeachtet die Serben nicht dagegen sein sollen – ist noch durch die vorläufige Lösung heikler Fragen über die Abgrenzung der Sprengel und über die Teilung des Religionsfonds bedingt, so daß bis dahin noch längere Zeit vergehen wird. Man sollte daher dermalen schon wenigstens das vollkommen Erreichbare und aus politischen Rücksichten Gebotene tun. Der Polizeiminister stimmte heute, so wie bei der ersten Beratung, mit dem Minister Grafen Nádasdy, wodurch die den Romanen Ah. erteilten Zusicherungen soweit jetzt tunlich erfüllt und das Weitere angebahnt würde. In gleicher Weise sprach sich der Präsident des Staatsrates aus mit dem Beisatz, daß der Ernennung des Barons Schaguna zum Erzbischofe, und zwar schon jetzt, kein Hindernis im Wege stehe. Derselbe unterstehe faktisch nicht dem Patriarchat zu Karlowitz, sondern – wie Graf Nádasdy bestätigte – nur dem siebenbürgischen Gubernium. Hiezu komme noch, daß einst zu Karlsburg ein griechisch-nichtunierter Erzbischof bestand, welcher aber infolge der eingetretenen Union ein katholischer Metropolit (von Alba Julia) wurde und seinen Sitz in Blasendorf erhielt. Gegen die vom ungarischen Hofkanzler vorgeschlagene Verhandlung zwischen den Bischöfen Baron Schaguna und Ivacskovics bestehe das kanonische Bedenken, daß der letztere Suffragan nicht ohne Wissen und Auftrag des Patriarchats über die Schmälerung seines Sprengels unterhandeln könne.

Der ungarische Hofkanzler glaubt in dieser Frage von politischen Rücksichten abstrahieren und sich ausschließend auf den dabei maßgebenden kirchlichen Standpunkt stellen zu sollen. Es handelt sich ja nicht um eine Maßregel der politischen Opportunität, sondern man will Allerhöchstenortes den kirchlichen Bedürfnissen der Romanen abhelfen, und zwar der siebenbürgischeno [und der] ungarischen Romanen, welche darum lebhaft petitionierten. Wird aber diesen Wünschen durch die Gründung einer siebenbürgischen Metropolie entsprochen? Graf Forgách habe nichts gegen eine siebenbürgische griechisch-nichtunierte Metropolie an sich – obgleich drei Metropolien, denn die römisch-katholische wird auch nicht zurückbleiben wollenp, für ein Land von so mäßigem Umfang offenbar zuviel sind –, wohl aber || S. 181 PDF || gegen den Ausspruch darüber im gegenwärtigen Augenblick, wodurch die Erwartungen der ungarischen Romanen getäuscht würden, während die auf Ah. Befehl zu führenden Verhandlungen zwischen den Bischöfen Schaguna und Ivacskovics ihre Hoffnungen nun beleben würden. Eine sehr wichtige Rücksicht qerheische aberq die griechisch-katholische Kirche in Siebenbürgen, welche der nichtunierten gegenüber ohnehin einen schweren Stand hat, wie die häufigen Rückfälle beweisen. Der Kampf wird noch ungleicher, wenn die Nichtunierten durch den Glanz und das Ansehen einer Metropolie gehoben werden. rNach der Ansicht des ungarischen Hofkanzlers würde die wahre Stütze der kaiserlichen Regierung, das katholische Element, einer politischen momentanen Opportunitätsmaßregel für die Zukunft als Opfer fallen, ohne hiedurch etwas zu gewinnen, denn die ungarischen Romanen, in deren Interesse eine Trennung der Hierarchie erwünscht ist, wären nicht nur nicht befriediget, aber könnten mit Recht gegen diese rein aus politischen und nicht religiösen Rücksichten diktierte Maßregel Einsprache erhebenr . Minister Graf Esterházy will davon präszindieren, daß die beantragte Maßregel mit der traditionellen Politik Österreichs, der uralten Stütze des Katholizismus, im Widerspruch steht, indem von Staats wegen der schismatische Bischof in Siebenbürgen eine Rangerhöhung und eine Verbesserung seiner Bezüge erhalten soll, wodurch der (wohl auch mit russischem Geld bestrittene) Glanz des orientalischen Kultus mit einem noch größeren Nimbus umgeben werden würde. Der Minister wolle übergehen, daß manche gerechten Wünsche der unierten Griechen bezüglich der Seminarien etc. unerfüllt bleiben. Aber selbst bloß vom Standpunkte der Schismatiker betrachtet erscheine es unbillig, daß man in Siebenbürgen aus leicht erkennbaren Gründen politischer Opportunität eine Metropolie errichtet und für die Romanen in Ungarn nichts tut.

Minister Graf Nádasdy wies auf die relativ bedeutend höhere Unterstützung des griechisch-katholischen Kultus aus Staatsmitteln hin und erwähnte, daß der griechisch-katholische Erzbischof Sterka-Sulucz sdie große Herrschaft Balázsfalva und dessen Klerus überdiess eine Dotation von jährlich 70.000 fl. habe und somit die Schagunas immerhin erhöht werden könnten, ohne darum jene zu erreichen. Graf Nádasdy bedaure, mit dieser Frage politisches Kapital machen zu müssen, allein er werde dazu durch die Bestrebungen der Gegner gedrängt, die bei tjeder Gelegenheit trachten, politisches Kapital zu machent . Freiherr v. Lichtenfels bemerkte, daß die ungarischen Romanen sich dadurch beruhigt finden dürften, wenn bei Gründung der Metropolie in Siebenbürgen deren Ausdehnung auf Ungarn Allerhöchstenortes ausdrücklich vorbehalten wird. Die häufigen Rücktritte zur schismatischen Kirche seien nicht mehr befremdend, wenn man an die unglücklich gewählten Mittel zurückdenkt, womit der massenhafte Übertritt zur Union im Jahre 1835 bewirkt wurde3. Will man aber die schismatischen Romanen für Österreich gewinnen, || S. 182 PDF || so muß die Regierung auch etwas für ihren Kultus und ihre Geistlichkeit tun. Die bestehende Vorschrift, wonach bei dem Übergang einer Gemeinde zur Union das Kirchengebäude mitfolgt, während bei dem Rückfall derselben Gemeinde das Gotteshaus dem griechisch-katholischen Gottesdienst geweiht bleibt, wurde von mehreren Seiten in der Konferenz angefochten, von anderen wieder verteidigt. Bezüglich der vom ungarischen Hofkanzler beantragten Verhandlung zwischen Bischof Schaguna und Bischof Ivacskovics wurde vom Staatsminister angedeutet, daß nebst dem letzteren noch andere romanische Bischöfe – z. B. jener von Arad – beigezogen werden könnten, wofern nicht selbst die Intervention des Patriarchatsverwesers Maschirevics4 beliebt werden sollte, die allerdings von Nutzen sein würde. Minister Graf Nádasdy bezweifelte jedoch unter Beitritt des ungarischen Hofkanzlers, daß Bischof Maschirevics als Administrator sich ermächtigt und berufen halten werde, in die uVerhandlungen zuru Dismembration des Patriarchats einzugehenv .

Se. k. k. apost. Majestät geruhten Allerhöchstsich schließlich dahin auszusprechen, daß es in politischer Beziehung bedenklich wäre, dermalen eine spezifisch siebenbürgische Metropolie zu gründen, die Errichtung einer griechisch-nichtunierten Metropolie für Siebenbürgen und die romanischen Teile des Karlowitzer Patriarchats aber sei schwer von der Behandlung der großen serbischen Frage zu trennen. In bezug auf die Lösung der letzteren finden Se. Majestät den Vorschlag des Hofkanzlers Mažuranić den einzig praktischen, während der Antrag des Staatsrates zu unlösbaren administrativen Verwicklungen führen dürfte5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 23. Jänner 1863. Empfangen 24. Jänner 1863. Erzherzog Rainer.