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Nr. 293 Ministerrat, Wien, 6. Dezember 1862 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 6. 12.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Lasser, Pratobevera, Burger; BdR. Erzherzog Rainer 11.12.

MRZ. 1097 – KZ. 3829 –

Protokoll I des zu Wien am 6. Dezember 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Eingabe gegen die Anwendbarkeit des Pressegesetzes auf die amtlichen Kundmachungen der Bischöfe

Der Staatsminister referierte, es habe der Kardinal Fürst Schwarzenberg und sieben andere dem Reichsrate angehörige Bischöfe im März l. J. eine Vorstellung gegen die Anwendbarkeit des damals in Verhandlung gestandenen Preßgesetzes auf die amtlichen Kundmachungen der Bischöfe überreicht, indem die infolge dieses Gesetzes eintretenden Beschränkungen ihrer ämtlichen Tätigkeit mit der Ah. Entschließung vom Jahre 1850 und mit den Bestimmungen des Konkordates in Widerspruch stehen1.

|| S. 86 PDF || Mit der Erledigung dieser Eingabe glaubte der Staatsminister bis zu dem Zeitpunkte warten zu sollen, in welchem das Ergebnis der verfassungsmäßigen Behandlung dieser Gesetzesvorlage endgiltig festgestellt sein wird. Nachdem nun dieses geschehen ist und dieses Gesetz bereits zur Ah. Sanktion vorgelegt wurde2, gedenke er folgende Antwort an den Kardinal Schwarzenberg zu richten: „Zur Zeit, als die erwähnte Zuschrift an das Staatsministerium gelangte, sei die Gesetzesvorlage bereits der verfassungsmäßigen Behandlung unterzogen [gewesen]3, und es wäre daher selbst in dem Falle, als der Staatsminister die in der Zuschrift ausgesprochenen Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Preßgesetzes auf die bischöflichen Kundmachungen begründet gefunden hätte, der Regierung Sr. Majestät nicht leichta möglich gewesen, den eingebrachten Gesetzentwurf wieder zurückzuziehen oder wesentliche Änderungen an demselben zu beantragen. Nach eingeleiteter Verhandlung konnten Anträge im Sinne der überreichten Vorstellung füglich nur aus der Mitte der zur Mitwirkung bei der Legislatur berufenen Vertretungskörper gestellt und infolge derselben [Anträge] möglicherweise eine exzeptionelle Behandlung der durch Druck zu veröffentlichenden Erlässe der Bischöfe gesetzlich festgestellt werden. Derlei Anträge seien aber ungeachtet der vielfachen Beratung4 des Gegenstandes nicht vorgekommen, und es gelangte der Gesetzentwurf in seiner gegenwärtigen Fassung zur Annahme, wornach der Regierung nichts mehr erübrige als die Verpflichtung, das Gesetz Sr. Majestät zur Sanktion vorzulegen und im Falle der Ah. Genehmigung sofort in Vollzug zu setzen. Die in der Zuschrift ausgedrückte Besorgnis, daß durch die Anwendung des Preßgesetzes auf die ämtlichen Kundmachungen der Bischöfe die Ah. Entschließung vom 18. April 1850 und das Konkordat aufgehoben werde, vermöge das Ministerium nicht zu teilen und müsse vielmehr seine Überzeugung dahin aussprechen, daß durch die auf gedruckte Erlässe anwendbaren Bestimmungen des Preßgesetzes die den Bischöfen nach § 2 der gedachten Ah. Entschließung zustehende Freiheit, über Gegenstände ihrer Amtsgewalt ohne vorläufige Genehmigung der Staatsbehörde Anordnungen zu erlassen, ebensowenig berührt, als der durch Artikel 3 des Konkordates gestattete freie Verkehr mit der Geistlichkeit und den Gemeinden irgendwie beengt wird. So sehr sich das Ministerium einerseits zur gewissenhaftesten Achtung der den H[erren] Bischöfen unzweifelhaft zustehenden Rechte verpflichtet hält, ebenso sorgfältig müsse es darauf bedacht sein, daß die für den Gebrauch der Presse geltenden Vorschriften von allen jenen beobachtet werden, welche sich dieses Verbreitungsmittels für ihre Zwecke bedienen wollen. Es könne daher für amtliche Kundmachungen der Bischöfe einer Ausnahme von den gesetzlichen Anordnungen ebensowenig stattgegeben werden, als sie bei Benützung anderer Institutionen von der Beobachtung jener Gewerbs- und Polizeivorschriften enthoben werden können, durch welche derlei Anstalten im öffentlichen Interesse geregelt sind.“

|| S. 87 PDF || Dem Minsterrate ergab sich hierwegen keine Erinnerung, nur machte Graf Nádasdy, dem sich Graf Esterházy bund Graf Rechbergb anschlossen, aufmerksam, daß vielleicht das Ministerium allein die Sache nicht auf sich nehmen sollte, sondern vielmehr diese Eingabe und die beabsichtigte Erledigung unverzüglichc zur Ah. Kenntnis Sr. Majestät umso mehr zu bringen wäre, als sich gegenwärtig das Preßgesetz in Ah. Händen befindet, worauf Se. k. k. Hoheit bemerkten, daß dieses ohnehin durch die Vorlage des Sitzungsprotokolles geschehe, wornach sich diese Stimmen auch ganz einverstanden erklärten5.

II. Note an den Reichsrat wegen des Beitrags für die modenesischen Truppen im Jahre 1863

Der Staatsminister verlas in Vertretung des wegen Unwohlsein abwesenden Ministers Ritter v. Lasser die gemäß des Ministerratsbeschlusses vom 1. Dezember l. J.6 verfaßte Note an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses in betreff des Beitrages für die modenesischen Truppen im Jahre 1863, und es wurde sodann, nachdem die Konferenz gegen den Inhalt dieser Note nichts einzuwenden fand, in bezug auf die Frage, von welchem Minister diese Erklärung eingebracht werden soll, sich dahin geeinigt, daß dieses dem Finanzminister zukomme, worauf Ritter v. Schmerling sofort den bezüglichen Akt diesem Minister zur weiteren Veranlassung übergab, dwelcher sich nur stante concluso diesem Vorgange fügte, sich jedoch auf seine abweichende Ansicht bezog, wornach die ordentliche Einbringung der Vorlage auf das Erfordernis für die modenesischen Truppen in einem präliminierten Maximalbetrage der allein richtige und verfassungsgemäße Weg gewesen wäred, 7.

Bei dieser Gelegenheit glaubte der Polizeiminister die Notwendigkeit betonen zu sollen, sich doch auch die Haltung der Regierung in dieser leidigen Sache über das Jahr 1863 hinaus klarzumachen, indem voraussichtlich der Reichsrat weiterhin in dieser Angelegenheit schwer zu gewinnen sein wird. Da sich bei diesem Anspruche von Seite des Herzogs auf einen Vertrag oder ein kaiserliches Versprechen berufen werde, so könne diese Verpflichtung wohl nicht anders als wieder nur infolge eines Übereinkommens emodifiziert odere gelöst werden, und Freiherr v. Mecséry würde daher glauben, daß die Negoziation mit dem Herzog in der Richtung durchzuführen wäre, daß er sich zu einer Modifikation herbeilasse, wornach die Lösung jenes Vertrages in einer bestimmten Zeit ausgesprochen wird. Kann man dann mit diesem Faktum vor den Reichsrat treten, so werde die Stellung der Regierung eine weit || S. 88 PDF || günstigere sein, als wenn man wieder nur mit der Forderung pro 1864 auftritt und die Fortdauer dieser Ansprüche für die folgenden Jahre unbestimmt lasse. Der Staatsminister hält es ebenfalls für wünschenswert, daß mit dem Herzoge in Unterhandlung getreten werde, wie diese Verpflichtungen nach und nach aufhören sollen. Die Verhältnisse, unter denen dieser Vertrag eingegangen wurde, haben gegenwärtig eine ganz andere Wendung genommen, und es müsse der Herzog von Modena selbst einsehen, daß es jetzt an ihm sei, hier entgegenzukommen.

Über die schließlich vom Minister Grafen Esterházy gestellte Frage, in welcher Summe eigentlich er dem Herzoge den pro 1863 von der österreichischen Regierung zu bezahlenden Zuschuß bezeichnen solle, wurde auf den Ministerratsbeschluß vom 24. November l. J. hingewiesen, wornach in der Voraussicht, daß im Reichsrat ein Abstrich gemacht wird, 600.000 fl. zu begehren sind, welche Summe also – meinte der Finanzminister – auch das Postulat pro 1863 sein wird, wobei jedoch der Staatsratspräsident bemerklich machte, daß dem Herzog nicht diese, sondern die voraussichtlich votiert werdende Summe von 500.000 fl. zu bezeichnen wäre, weil ihm dieses schon als ein Faktum mitgeteilt werden muß8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 17. Dezember 1862. Empfangen 17. Dezember 1862. Erzherzog Rainer.