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Nr. 288 Ministerrat, Wien, 25. November 1862 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 25. 11.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera, Burger; BdR. Erzherzog Rainer 13. 12.

MRZ. 1092 – KZ. 3778 –

Protokoll I des zu Wien am 25. November 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Gesetzentwürfe: a) Schulkonkurrenzgesetz für Oberösterreich, Steiermark, Krain, Kärnten, Salzburg, Görz und Gradiska und Istrien; b) Kirchenkonkurrenzgesetz für Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Görz und Gradiska und Istrien; c) Straßenkonkurrenzgesetz für Salzburg, Steiermark, Görz und Gradiska und Istrien

Der Staatsminister referierte über die als Regierungsvorlagen für die bezüglichen Landtage bestimmten Entwürfe: a) eines Schulkonkurrenzgesetzes für Oberösterreich, Steiermark, Krain, Kärnten, Salzburg, Görz und Gradiska und Istrien1; b) eines Kirchenkonkurrenzgesetzes für Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Görz [und] Gradiska und Istrien2; c) eines Straßenkonkurrenzgesetzes für Salzburg, Steiermark, Görz und Gradiska und Istrien3, a .

Diese Gesetzentwürfe seien im wesentlichen jenen Entwürfen nachgebildet, welche als Regierungsvorlage für den niederösterreichischen Landtag bestimmt sind und bereits der Beratung im Ministerrate unterzogen wurden, dessen Beschlüsse hier vollkommen berücksichtigt wurden4. Die geringen Abweichungen von dem Inhalte der || S. 65 PDF || Entwürfe für Niederösterreich beruhen auf speziellen faktischen Verhältnissen der betreffenden Kronländer, denen Rechnung getragen werden mußte. Im Staatsrate erklärte sich die Mehrheit mit allen diesen Entwürfen einverstanden. Bezüglich des Entwurfes des Kirchenkonkurrenzgesetzes sei der Staatsrat Baron Halbhuber, dem sich Ritter v. Holzgethan anschloß, mit Rücksicht auf die gegenwärtig durch das Konkordat geschaffenen Stellung der Kirche gegenüber dem Staate der Ansicht, daß der Schlußparagraph, in welchem der Staatsverwaltung das Recht der Oberleitung bezüglich der Herstellung und Erhaltung der katholischen Kirchen und Pfründengebäude vorbehalten ist, Ah. zu beseitigen und die frühere im Entwurfe für Niederösterreich enthaltene Fassung desselben beizubehalten wäre. Diese Änderung sei aber eben aus dem Beschlusse des Ministerrates vom 15. Oktober l. J., wo man in dieser Beziehung gerade die Notwendigkeit der Beibehaltung der früheren Bestimmungen anerkannte, hervorgegangen, und der Staatsminister sehe sich einer Widerlegung der zwei staatsrätlichen Stimmen umsomehr enthoben, als sich die Konferenz ohnehin nicht bestimmt finden dürfte, von ihrem obigen Beschlusse abzugehen.

Dem Ministerrat ergab sich in keiner Richtung eine Erinnerung5.

II. Entwurf eines Gemeindegesetzes für Dalmatien

Der Staatsminister referierte in betreff des Entwurfes eines Gemeindegesetzes für Dalmatien6. Dieser Entwurf sei mit Rücksicht auf die eigentümlichen Verhältnisse Dalmatiens abweichend von den bereits für andere Länder vorgelegten Entwürfen des Gemeindegesetzes7.

Eine wesentliche Frage habe sich über die Notwendigkeit eines zwischen die Gemeinde und die Landesvertretung einzufügenden autonomen Organes (Bezirksvertretung) ergeben8. Die Landeskommission habe sich gegen die Bildung von Bezirksvertretungen, dagegen aber für die Konstituierung von Kreisvertretungen für die dermaligen vier Kreise9 ausgesprochen, welchem Antrage sich der Statthalter anschloß, jedoch die Besorgnis nicht verschweigen konnte, daß das Institut der Kreisvertretung wegen der Kostenfrage schwer auszuführen sein dürfte. Diese Besorgnis teile auch der Staatsminister, denn bekanntlich kann Dalmatien kaum die Mittel zur Bedeckung der Kosten der Landesvertretung aufbringen, zudem haben die Kreise Dalmatiens keine so gemeinsamen materiellen Interessen, daß jene Institution absolut notwendig wäre, und da auch politische Rücksichten eher dagegen als für dieselbe sprechen, so wurde die Konstituierung von Kreisvertretungen abgelehnt. Eine zweite Frage war hinsichtlich der Einrichtung des sogenannten Convocato rücksichtlich wegen Beibehaltung dieser bisherigen Institution. Auch gegen diese Versammlungen || S. 66 PDF || sprechen bei dem bekanntlich heftigen, zu Gewalttätigkeiten geneigten Charakter der Dalmatiner gewichtige Bedenken, daher der Staatsminister auch diese Institution entschieden ablehnen zu sollen erachtete10. Endlich sei auch eine Abweichung bezüglich des Rechtes der Gemeinden und des Landesausschusses zur Bewilligung von Steuerzuschlägen mit Rücksicht auf die dortlands gegenwärtig stattfindende Abnahme von Zuschlägen zu direkten Steuern zwischen 5 und 25% und zur Verzehrungssteuer bis 50 und 80% angenommen. Im Staatsrate erklärte sich die Majorität mit dem vorgelegten Entwurfe einverstanden, nur eine Stimme (Baron v. Ožegović) sprach sich für die Einführung von Kreisvertretungen und Beibehaltung der Institution des Convocato aus, da aber der Staatsminister durch dieses einzelne Votum seine Gründe für das Gegenteil nicht widerlegt finde, so glaube er bei seinen Anträgen verbleiben und selbe der Konferenz empfehlen zu sollen.

Der Staatsratspräsident , welcher der diesbezüglichen Beratung im Staatsrate nicht beiwohnte, erklärte, mit der Mehrheit respektive mit dem Staatsminister in allen Punkten einverstanden zu sein, und es ergab sich bei der darauffolgenden Abstimmung dem Ministerrate in keiner Beziehung eine Erinnerung11.

III. Vorlage des Gesetzes über das Ausgleichsverfahren zur Ah. Sanktion

Der Minister Ritter v. Lasser erbat sich in Absicht auf das voraussichtlich dieser Tage zustandekommende Gesetz über das Ausgleichsverfahren die eventuelle Ermächtigung, dasselbe sofort zur Ah. Schlußfassung vorlegen und nach Herablangung desselben im Hinblicke auf die Dringlichkeit dieses Gesetzes unverweilt die Publikation desselben veranlassen zu dürfen.

Sämtliche Mitglieder der Konferenz mit Ausnahme des ungarischen Hofkanzlers waren einverstanden, welch letzerer bei seiner in früheren Konferenzen abgegebenen Meinung, daß die Gesetze erst am Schlusse der Session des Reichsrates publiziert werden sollen, zu verbleiben erachtete, weil er es für eine prinzipielle Frage halte12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. Dezember 1862. Empfangen 13. Dezember 1862. Erzherzog Rainer.