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Nr. 281 Ministerrat, Wien, 10. November 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 13. 11.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 22. 11.

MRZ. 1085 – KZ. 3561 –

Protokoll des zu Wien am 10. November 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Aufwand für die modenesischen Truppen im Verwaltungsjahr 1863

Der Finanzminister brachte zur Beratung, in welcher Weise der aus dem österreichischen Staatsschatze für 1863 zu leistende Beitrag zum Unterhalte der estensischen Truppen bezüglich der verfassungsmäßigen Genehmigung zu behandeln wäre1.

Dieser Aufwand, welcher mit der bedeutenden Summe von 780.000 fl. präliminiert wird, wäre laut einer vom Kriegsminister erhaltenen Zuschrift mittels einer Nachtragsvorlage an das Abgeordnetenhaus zur Bedeckung in Anspruch zu nehmen. Der Finanzminister findet sich nicht berufen zu beurteilen, ob der infolge der vom Herzog2 verfügten Reduktionen um 5000 fl. monatlich verminderte Aufwand durch weitergehende Herabsetzung des Standes von Mann und Pferd nicht noch in ergiebigerer Weise vermindert werden könnte, müsse dies jedoch der vorauszusehenden Schwierigkeiten im Reichsrate wegen lebhaft wünschen. Sollte aber eine solche Reduktion nicht tunlich sein, so erübrige nichts, als diese Dotationa mittels einer an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses zu richtenden Note in Anspruch zu nehmen.

Dem Staatsminister erscheint die in beiden Häusern des Reichsrates gegen den Beitrag für die estensischen Truppen herrschende, sehr ungünstige Stimmung als ein bedenklicher Umstand, der die volle Aufmerksamkeit der Regierung verdient. Man dürfe sich der Gefahr nicht aussetzen, daß beide Häuser diese Post verwerfen. Andererseits verkenne Ritter v. Schmerling nicht, daß die fortgesetzte Beitragsleistung an den Herzog von Modena – wenn auch aus dem Wortlaut des Vertrags nicht nachweisbar3 || S. 28 PDF || – für die Regierung Sr. Majestät eine Ehrenpflicht ist. Eben darum müsse er lebhaft wünschen, daß die Anforderung dergestalt vermindert und in der Art vorgebracht werde, daß sie dem Reichsrate annehmbar erscheine. Dies würde insbesondere dadurch erzielt werden, wenn man den Beitrag vorläufig nur auf etwa 6 Monate, und zwar in monatlich sich abstufenden Beträgen präliminiert, wobei man diesen Vorgang durch die Aussicht auf die vom Herzog von Modena hoffentlich zu erwirkenden Reduktionen motivieren würde. Die Gründe für den Fortbestand der Brigade würden hauptsächlich auch deswegen bestritten werden, weil Österreich – laut der vom Minister des Äußern im Reichsrate abgegebenen Erklärung – einer aggressiven Politik in Italien entsagt hat4.

Der Kriegsminister findet die Erwägungen der Vorstimme sehr gewichtig. Leider zeigt sich der Herzog von Modena für neue Reduktionsvorschläge – in neuester Zeit wurde diesfalls auf die Batterie und die Gendarmeriepferde hingewiesen – unzugänglich! Zur Wahrung des Prinzipes dürfte der Fortbestand eines Bataillons ebenso dienen als der einer Brigade; man könnte aber auf diese Weise 1200 Mann teils nach Hause entlassen, teils in k. k. Regimenter (statt der zu beurlaubenden Mannschaft) einteilen, den modenesischen General5 pensionieren und die Gebühren der in Disponibilität zu versetzenden Offiziers auf das Ah. Militärärar übernehmen. Durch diese Maßregel ließe sich der zu präliminierende Beitrag für 1863 auf eine Summe reduzieren, die im Reichsrat keinen Anstoß mehr erregen würde. Wäre aber der Herzog nicht dazu zu bestimmen, würde der Kriegsminister den vollen Beitrag lieber noch tacite auf eigene Verantwortung fortbezahlen, als einen Streit mit dem Reichsrate hervorrufen. Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu bemerken, eine nachdrückliche Einwirkung auf die Beschlüsse des Herzogs werde dadurch erschwert, weil Allerhöchstdieselben dem letzteren wiederholt den Beistand zum Unterhalt der Brigade zuzusichern geruht haben. Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Beratung glaubte Graf Rechberg , man solle dem Reichsrat anzeigen, daß mit Modena Unterhandlungen wegen Reduktion des Standes gepflogen werden, und zugleich die provisorische Flüssigerhaltung der Dotation auf die Dauer der Unterhandlungen ansprechen. Von der Führung dieser Unterhandlungen bitte jedoch Graf Rechberg Ag. enthoben zu werden, da er sein Pulver bei den bisherigen Unterhandlungen bereits verschossen habe. Minister Graf Esterházy war gleichfalls für das Aufnehmen ostensibler Verhandlungen mit dem Herzog, doch müßten die Rechte des letzteren Italien gegenüber nicht präjudiziert werden, denn das Aufgeben aggressiver Vorgänge in Italien habe keineswegs das Aufgeben der im Zürcher Vertrag festgestellten Prinzipe zur Folge. Gegen ein stillschweigendes Fortbezahlen des Beitrages, ohne Bedeckung zu erwirken, glaubt der Finanzminister – mit Bezug auf den Tadel des Reichsrates über den ähnlichen, bals verfassungswidrig bezeichnetenb als verfassungswidrig || S. 29 PDF || bezeichneten Vorgang des Marineministeriums6 – Verwahrung einlegen zu sollen. Übrigens sei mit Gewißheit zu erwarten, daß die fragliche Ausgabspost demnächst von Seite eines Abgeordneten im Ausschuß oder Hause zur Sprache gebracht werden wird. Vor allem sei es wichtig, durch die Aussicht auf Reduktion des Beitrages wenigstens das Kriegsbudget durchzubringen.

Hierauf vereinigte sich der Ministerrat mit dem schließlich von Sr. Majestät Ag. genehmigten Antrage des Ministers Ritter v. Lasser , behufs der dilatorischen Behandlung im Finanzausschusse auf Befragen zu erklären, daß die Regierung mit dem Herzoge wegen weiterer Herabminderung des Beitrages in Unterhandlung stehe, dieselbe jedoch noch nicht so weit gediehen sei, um Ziffern angeben zu können. Übrigens werde man im Laufe des Jahres um eine Nachtragsdotation einschreiten.

Zur Führung der Unterhandlung geruhten Se. Majestät über Vorschlag des Kriegsministers den Minister Grafen Esterházy – wegen seiner Kenntnis der italienischen Verhältnisse und wegen seiner persönlichen Beziehungen zum Herzoge von Modena – Ah. zu bestimmen, und wird diesem Minister militärischerseits GM. v. Rossbacher beigegeben werden. Insbesondere erscheine bei den über die estensischen Truppen zu fassenden Beschlüssen der Punkt rücksichtswürdig, daß man den modenesischen Soldaten nicht die Möglichkeit nehmen soll, von der sardinischerseits bewilligten Amnestie binnen des festgesetzten Termins Gebrauch zu machen7. Se. k. k. apost. Majestät behalten sich vor, den Herzog von der Aufnahme der Unterhandlungen direkt zu verständigen. Graf Esterházy werde mit den zur Vollziehung des Ah. Auftrages nötigen Instruktionen zu versehen sein, und Ritter v. Lasser habe die im Finanzausschusse abzugebende Erklärung zu entwerfen8.

II. Reduktionen beim Armeebudget für 1863 durch den Finanzausschuß

Nachdem der Finanzausschuß9 dem Anschein nach beabsichtigt, sehr bedeutende Reduktionen am präliminierten Extraordinarium für die Armee vorzunehmen, während man doch bereits mit den Ersparungen am Militäretat bis zu der äußersten, mit der Sicherheit der Monarchie verträglichen Grenze gegangen ist, haben Se. Majestät der Kaiser den Kriegsminister anzuweisen geruht, sich kategorisch gegen solche weitern Reduktionen zu erklären. Minister Graf Degenfeld äußerte, er habe den Ausschußmitgliedern gesagt, sie mögen reduzieren so viel sie wollen, er werde sich doch nicht darnach richten. Der Staatsminister bemerkte hierauf, daß – wenigstens nach den vom Präsidenten Hein erhaltenen Mitteilungen – der Referent Abgeordneter Giskra keine großen Streichungen zu beantragen gedenke10.

III. Vorkehrungen der Minister wegen der nicht mehr stattfindenden Drucklegung der Berichte der Spezialausschüsse an den Finanzausschuß

Bis in die neueste Zeit wurden die Berichte der Spezialausschüsse an den Plenarfinanzausschuß des Abgeordnetenhauses in Druck gelegt, und die Minister waren durch Mitteilung eines solchen Exemplares in den Stand gesetzt, sich auf die bevorstehenden Diskussionen vorzubereiten. Nun findet aber eine solche Drucklegung nicht mehr statt, was die Stellung der Minister bei Verteidigung ihrer Anträge im Finanzausschusse erschwert. Diese Änderung der Geschäftsbehandlung wurde vom Minister des Äußern mit der Bemerkung zur Sprache gebracht, daß eine Wiederkehr zur früheren Übung sehr wünschenswert wäre – in welcher Beziehung die Minister des Handels und der Finanzen vollkommen beistimmten.

Der Staatsminister bedauere, daß ministeriellerseits diese Wiederkehr nicht bewirkt werden könne und daß man außerstande sei, derlei von den Kommissionsmitgliedern verabredete Manöver zu verhindern. Es erübrige daher nichts zu tun, als daß jeder Minister sich in den Finanzausschuß von den zur eingehenden Widerlegung der Angriffe geeigneten Fachmännern begleiten lasse und er in Fällen, wo eingehende Prüfung notwendig erscheint, eine Vertagung der Ausschußberatung begehre.

IV. Behandlung der vom Reichsrat bei Votierung des Budgets ausgesprochenen „Wünsche“

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Frage zu stellen, wie sich den vom Reichsrate bei Behandlung des Budgets ausgesprochenen Wünschen oder Erwartungen – die mitunter auch als Beschlüsse formuliert werden – gegenüber zu benehmen sei11.

Der Finanzminister äußerte, daß derlei Auslassungen der Häuser, sie mögen unter was immer für einer Benennung stattfinden, verfassungsmäßig keine Verpflichtung zur Darnachachtung für die Minister in sich schließen, wohl aber zur Prüfung der Angelegenheit auffordern. Edler v. Plener sei bereits mehrmals in der Lage gewesen, sich über „Wünsche“ des Abgeordnetenhauses zu äußern. Über diesfällige Interpellationen wird man ohne Zweifel öfter in den Fall kommen, Auskünfte etc. zu erteilen.

Der Kriegsminister sagte, er habe über die aus Anlaß des Armeebudgets vom Abgeordnetenhause vorgebrachten 13 Wünsche eine eigene Kommission zusammengesetzt, welche dieselben eingehend zu würdigen habe12.

V. Behebung ohne Ah. Sanktion der vom Abgeordnetenhaus votierten Unterstützungen für Beamte

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zur Sprache zu bringen, daß das Staats- und das Justizministerium die vom Abgeordnetenhause für Unterstützungen an Justiz- und politische Beamte votierten Summen ohne vorläufig erhaltene Ah. Genehmigung || S. 31 PDF || bei den Finanzen behoben haben. Es frage sich hiebei vor allem, ob ein Haus des Reichsrates befugt sei, eine Summe ohne diesfälligen Antrag der Regierung zu votieren.

Der Präsident des Staatsrates äußerte, daß dem Reichsrate hiezu allerdings eine Initiative zustehe, welche das Abgeordnetenhaus aus Anlaß der Überschwemmungsschäden bis zur Erteilung einer Ermächtigung an die Regierung auszudehnen versucht hat13. Minister Ritter v. Lasser klärte den Sachverhalt rücksichtlich der in Rede stehenden Posten von 50.000 fl. beim Staats- und 57.800 fl. beim Justizministerium auf, welche vor mehreren Monaten vom Abgeordnetenhause cund Herrenhause unter Zustimmung des Ministeriumsc in die Budgets der beiden Ministerien eingestellt wurden14. Wegen der mangelnden Ah. Genehmigung15 seien aber diese Dotationen nicht behoben worden, bis man sich gedrängt sah, sub spe Altissimi rati16 das Finanzministerium um deren Flüssigmachung für Oktober 1862 anzugehen, widrigens dieselben nach dem bestehenden System für Rechnung des Verwaltungsjahres 1862 nicht mehr hätten behoben werden können – was für die beteiligten Beamten ein schwerer Verlust geworden wäre. Der Finanzminister fügte bei, er habe ddie Unstatthaftigkeit eines bloß vom Abgeordnetenhause ausgegangenen Beschlusses auf Vermehrung der Aushilfen für politische und Gerichtsbeamte und die Notwendigkeit der Einholung der Ah. Willensmeinung nie verkannt, diese seine Überzeugung auch auf dem betreffenden Akte konstatiert und nur dem Drängen der betreffenden Ministerien nach Realisierung der Mehrauslage im Monat Oktober nachgebend, die Anweisung nicht verweigeifd, gleichzeitig aber die Ah. Bedeckung dazu angesucht17.

Se. Majestät der Kaiser geruhten Ah. zu erinnern, daß solche Vorgänge künftig zu unterbleiben haben und berechtigte Beschlüsse der Häuser, bevor ihnen Folge gegeben wird, der Ah. Sanktion zu unterziehen seien18.

VI. Frage der Erlassung eines neuen Eisenbahnkonzessionsgesetzes

Über eine Allerhöchstenortes gestellte Frage gab der Handelsminister die Auskunft, daß den im Reichsrate ausgesprochenen Wünschen auf Erlassung eines neuen Eisenbahnkonzessionsgesetzes dermal schon deswegen nicht entsprochen || S. 32 PDF || werden könne, weil dies ein Gegenstand ist, der zur Kompetenz des Gesamtreichsrates gehört.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 22. November 1862. Empfangen 22. November 1862. Erzherzog Rainer.