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Nr. 270 Ministerrat, Wien, 13. Oktober 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 13. 10.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mertens; abw. Degenfeld, Pratobevera, Burger; BdR. Erzherzog Rainer 6. 11.

MRZ. 1074 – KZ. 3375 –

Protokoll des zu Wien am 13. Oktober 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Ablehnung des Goldenen Verdienstkreuzes durch den Verwaltungsrat der Handelsakademie Bernhard Wilhelm Ohligs

Der Handelsminister setzte die Konferenz von den Feierlichkeiten in Kenntnis, welche bei der gestern in seiner und des Finanzministers Gegenwart || S. 274 PDF || stattgefundenen Eröffnung des Handelsakademiegebäudes zelebriert wurden, und bemerkte, daß das anwesende Publikum insbesondere die Ag. Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse an den Präsidenten des Verwaltungsrates, Friedrich Edler v. Schey, und des Goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Verwaltungsrat Ohligs, welchen Personen er die Dekorationen bei dieser Gelegenheit überreicht habe, sehr beifällig aufgenommen habe1. Aus der Miene des Ohligs, der sich bald darauf entfernt und bei der allgemeinen Besichtigung der Akademielokalitäten nicht mehr zugegen war, sei die Unzufriedenheit zu erkennen gewesen, und er habe von demselben nachmittags ein Schreiben erhalten, in welchem derselbe ausdrückte, daß so sehr er sich auch durch die ihm zuteil gewordene Ah. Auszeichnung geehrt fühle, doch Rücksichten des echten und wahren Patriotismus ihn bestimmen, diese Ah. Auszeichnung abzulehnen. Er hege die Überzeugung, daß den Behörden die näheren Verhältnisse über die Genesis des Institutes nicht bekannt seien, der hohe Zweck der von ihm ausgegangenen Anregung erfülle ihn mit Ehrgeiz, sein Verdienst sei der Geschichte überliefert, und diese Anerkennung werde ihn leiten, auch seine Söhne nach seinen Grundsätzen zu braven Bürgern heranzubilden. Mit diesem Schreiben habe Ohligs ihm zugleich die Dekoration des Goldenen Verdienstkreuzes zurückgesendet2. Der Waffenfabrikant Ohligs sei von Geburt ein Preuße und durch seine Ansässigkeit Wiener Bürger geworden, derselbe habe die Idee der Errichtung der. Handelsakademie zuerst angeregt, habe aber sonst keine besonderen Verdienste. Referent habe sich bestimmt gefunden, für Ohligs die erwähnte Ah. Auszeichnung bei Sr. Majestät zu beantragen, damit nicht der Präsident Schey allein einer Ah. Auszeichnung teilhaftig werde, zur Verleihung einer höheren Dekoration für Ohligs habe kein Grund bestanden, indem auch anderen sehr ehrenhaften Bürgern, die ihren Patriotismus in besonderer Weise betätiget haben, gleichfalls nur das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone in letzterer Zeit Ag. verliehen wurde. Er habe heute Ohligs zu sich beschieden, um ihn bei kaltem Blute von seinem taktlosen Vorhaben abzubringen, jedoch die Antwort erhalten, er bedauere, nicht kommen zu können, weil er heute abends verreise. Dem Schey, den er zu Ohligs gesendet habe, um ihn zu kapazitieren, sei dies ebenfalls nicht gelungen, Ohligs habe nur immer die Geldaristokratie im Munde geführt und sich geäußert, daß es für ihn eine Schmach wäre, diese Dekoration anzunehmen, und auf die Frage des Schey, ob er mit dem Franz-Joseph-Orden zufrieden gewesen wäre, bemerkt: Ja, wenn Sie (Schey) keine Auszeichnung bekommen hätten! Da Ohligs heute verreise, so sei es notwendig, noch heute Nachmittag dessen Schreiben zu beantworten. Diese Antwort beabsichtige er unter gleichzeitiger Zurücksendung der Dekoration in der Weise zu erteilen, daß er ihm erkläre, es stehe niemandem zu, Sr. Majestät vorzuschreiben, ob und welche Auszeichnung Allerhöchstdieselben jemand erteilen sollen. Übrigens sei || S. 275 PDF || es ihm unbenommen, auf diese Ah. Auszeichnung Verzicht zu leisten, und er werde Sr. Majestät von diesem Schritte in die Ah. Kenntnis setzen. Es befremde in jedoch, daß ein Bürger das Kennzeichen einer Ah. Auszeichnung verschmähe, welches Se. Majestät im Ausflusse der Ah. Gnade an seine Brust geknüpft habe.

Der Staatsminister war der Ansicht, daß der Handelsminister diesen impertinenten Brief unter Zurückschickung der Dekoration mit ein paar Worten allenfalls dahin beantworten solle: „Ihr Schreiben habe ich erhalten, finde mich aber nicht bestimmt, über ihren Schritt eine weitere Verfügung zu treffen.“ Dem Ohligs stehe es dann frei, die Dekoration zu tragen und die Auszeichnung in seinen Titel aufzunehmen oder beides bleiben zu lassen. Zu einer Anzeige dieses Vorfalles bei Sr. Majestät und zu dem Zurückstellen der Dekoration an die Ordenskanzlei bestehe kein Grund. Der Polizeiminister war mit der vom Staatsminister vorgeschlagenen Beantwortung des erwähnten Schreibens einverstanden, meinte jedoch, daß es nicht notwendig sei, dem Ohligs die Dekoration zurückzuschicken, weil durch das Herumwandern derselben nur neuer Skandal zu besorgen stünde.

Dem von dem Polizeiminister amendierten Antrage des Staatsministers traten auch alle übrigen Stimmführer bei, wobei der Minister Ritter v. Lasser auf einen ähnlichen Fall, der sich vor längerer Zeit in der Steiermark ergab, aufmerksam machte, wo der dermalige Abgeordnete Kaiserfeld eine ihm verliehene Dekoration abgelehnt hatte, weil er es mit seinem politischen Gewissen nicht vereinbar hielt, ein ihm in der Reaktionsperiode verliehenes Ehrenzeichen an seine Brust zu heften, und wo damals auch keine weitere Verfügung getroffen und die zurückgestellte Dekoration einfach in der Registratur reponiert wurde3. Über Anregung von Seite des Finanzministers faßte der Ministerrat auch den Beschluß, daß die Verleihung des Goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone an Ohligs durch die Wiener Zeitung im amtlichen Teile nicht zu verlautbaren und Ohligs dereinst auch nicht im Staatshandbuch unter die Besitzer dieser Dekoration aufzunehmen sei4.

II. Gewerbliche Genossenschaften

Der Handelsminister referierte, es habe bei ihm heute eine Zusammentretung, welcher auch der Polizeiminister anwohnte und bei welcher der Minister Ritter v. Lasser wegen anderer Berufsgeschäfte leider nicht erscheinen konnte, stattgefunden, um über die Stellung zu beraten, welche die Regierung in der Frage wegen der Genossenschaften in der Kommission des Herrenhauses morgen einzunehmen habe. Bekanntlich sei diese Frage im Hause der Abgeordneten dahin erledigt worden, daß sie von zwangsweisen Genossenschaften nichts wissen wollten und nur zugestanden, daß Vereine zu Schul- und wohltätigen Zwecken gebildet werden können. Die Regierung hat damals erklärt, es für notwendig zu halten, daß in dieser wichtigen Frage Enqueten und genaue Erhebungen gepflogen und daß die Handelskammern darüber gehört werden. Das Abgeordnetenhaus ist jedoch nicht darauf eingegangen, und die Regierung behielt sich vor, weitere Entscheidungen || S. 276 PDF || zu treffen5. Die Kommission des Herrenhauses, für welche in dieser Sache Fürst Jabłonowski Berichterstatter sei, habe jedoch beschlossen, in die Ansicht der Regierung eingehend bei den Handelskammern diesfalls Umfrage zu halten6. Es wurden vier Fragen gestellt, nämlich:

1. Inwieweit Genossenschaften seit 6. Mai 1860 in Wirksamkeit getreten oder in der Bildung begriffen sind? 26 Handelskammern haben darüber berichtet, daß nur in sehr wenig Ländern und Orten dies geschehen sei, nur in Wien und namentlich in Böhmen haben sie sich in größerem Umfange gebildet, sodaß in letzterem Lande schon 1.300 Genossenschaften gebildet sind und ihre Statuten vorgelegt haben. Der Skenesche Antrag, nach welchem bei Bildung der Genossenschaften kein Zwang stattzufinden hätte, habe die Bildung weiterer Genossenschaften ins Stocken gebracht7. In vielen Ländern seien dieselben gar nicht ins Leben getreten, wie im lombardisch-venezianischen Königreiche in Dalmatien, Istrien, Kärnten und Illyrien, wo seit der Zeit der französischen Okkupation andere Richtungen Platz gegriffen haben. Daß diese Angelegenheit ins Stocken geriet, daran seien auch die Reden mehrerer Regierungsorgane im Abgeordnetenhause, welche sich gegen die zwangsweise Bildung aussprachen, wie der jetzige Minister Baron Burger und der Statthalter Baron Poche, Mitursache gewesen8.

2. Ob und welche Umstände und Schwierigkeiten sich bei der Bildung der Genossenschaften ergeben haben? Es sei dabei nichts anderes zu erwarten gewesen, als daß eine Menge Zünfte sich gegen die freien Beschäftigungen aussprechen werden. Zu dieser Frage wurden 20—30 Punkte aufgeführt, von denen jedoch ein großer Teil beseitiget wurde.

3. Sind solche Wünsche nach allfälligen Abänderungen von Bestimmungen, welche die Gewerbeordnung enthält, angeregt worden? Diese Frage haben die Handelskammern übergangen.

Endlich 4. Auf welche Weise können die Bildungszwecke der Genossenschaften ohne Zwang gesichert werden? Hierüber haben sich die Handelskammern dahin ausgesprochen, daß sich ohne Zwang diesfalls nichts erreichen lasse. Referent las hierauf die Grundsätze ab, welche Fürst Jabłonowski als Grundlage für das zu verfassende || S. 277 PDF || Gesetz in Antrag bringen wolle und welche sich darauf reduzieren, daß vor allem jeder Zwang zu beseitigen, an das Bestehende anzuknüpfen und jeder Zunft zu überlassen sei, sich in eine Genossenschaft umzugestalten, und bemerkte, daß es sich nur darum handle, einen Entschluß zu fassen, ob die Regierung bei der zwangsweisen Bildung dieser Vereine verharren wolle, obgleich die allgemeine Meinung dahin gehe, daß die zwangsweise Bildung kaum mehr durchzusetzen sein werde.

Der Finanzminister bemerkte, er habe schon bei Beratung des Gesetzes über die Gewerbefreiheit dargetan, daß es notwendig sei, gleichsam einen Riegel vorzuschieben, damit nicht alle Bande des Bestehenden zerrissen werden. Hiezu eignen sich vorzüglich die Genossenschaften, die eine Instanz bilden, die Überwachung der Gewerbsgenossen pflegen und in so vielen Angelegenheiten die notwendige Ordnung und Disziplin aufrechterhalten. Er verkenne nicht, daß die Stimmung des Hauses in dieser Frage eine schwierige sei, und Fürst Jabłonowski habe im Herrenhause dieselbe Stellung eingenommen wie Skene im Abgeordnetenhause. Dessenungeachtet solle die Regierung an dem aufgestellten Prinzipe festhalten und dasselbe wenigstens nicht ohne allen Versuch, es aufrechtzuerhalten, aufgeben. Durch eine angemessene Abmilderung des Prinzipes lasse sich vielleicht der angestrebte Zweck im allgemeinen doch erreichen. Der Staatsratspräsident bemerkte, bei der bezüglichen Kommission im Herrenhause nicht beteiligt zu sein, da der Obmann derselben ihn wegen anderer Geschäfte enthoben habe. Soviel ihm bekannt sei, habe die Kommission früher sehr für die Aufrechthaltung des Regierungsprinzipes gestimmt, es seien Vorträge dafür gehalten worden, auch sei eine Interpellation in dieser Richtung vorgekommen. Nach des Votanten Ansicht könne man über den Satz, ob bei Bildung der Genossenschaften der Zwang beizubehalten sei oder nicht, dermalen und insolange nicht unbedingt absprechen, bis man wissen werde, welche Bestimmungen hierüber die Kommission des Herrenhauses in Antrag bringen werde. Der Polizeiminister schilderte den historischen Hergang in dieser Frage, daß man ursprünglich die Bildung von Genossenschaften mit gewerblich korporativem Charakter und als Autoritäten mehr dem freien Übereinkommen überlassen wollte, später aber den Satz aufgestellt habe, daß jeder Gewerbetreibende einer Genossenschaft angehören müsse. Dort, wo die natürlichen Bedingungen hiezu vorhanden waren, wo die Art ihrer Beschäftigung die Gewerbetreibenden zu gemeinsamen Verbindungen gebracht habe und namentlich in größeren Städten habe die Bildung der Genossenschaften ohne Schwierigkeit Platz gegriffen, dort aber, wo die Elemente hiezu nicht vorhanden waren, wo kein gemeinsames gewerbliches Interesse die Leute zusammengeführt habe, insbesondere bei gewissen Gewerbetreibenden, wo gar keine Interessenhomogenität bestehe, wie z. B. bei den Höcklern9, und namentlich auf dem flachen Lande sei die Bildung von Genossenschaften auf Schwierigkeiten schon aus dem Grunde gestoßen, weil die Gewerbetreibenden die hiemit verbundenen Auslagen scheuten. Die Erfahrung gebe den Fingerzeig für Aufhebung des Zwanges, || S. 278 PDF || bei der Debatte sei man jedoch noch viel weiter gegangen, man habe nicht nur den Zwang aufheben, sondern auch die bestehenden Genossenschaften beseitigen und auf letztere das allgemeine Vereinsgesetz10 anwenden wollen. Jedes Extrem führe aber zu Nachteilen, und aus diesen Nachteilen ergebe sich der Standpunkt für die Regierung von selbst. Sosehr der allgemeine Zwang unzweckmäßig sei, ebenso nachteilig wäre es, den Genossenschaften die korporative Einheit zu benehmen und dieselben in Zerfahrenheit zu bringen. Der Zwang wird dort nicht auszuschließen sein, wo es konstatiert sein wird, daß räumliche und sachliche Verhältnisse insbesondere bei homogenen Gewerben denselben bedingen. Nach Ansicht des Votanten hätte daher die Regierung bei diesem Gegenstande die Position einzunehmen, daß sie der Aufhebung des unbedingten Zwanges nicht entgegentrete, jedoch für die Belassung des gewerblich korporativen Charakters der Genossenschaften mit der gesetzlichen Autorität einstehe. Der Minister Ritter v. Lasser stellte den formellen Antrag, in der Kommission des Herrenhauses auf Komplettierung der Gutachten der Handelskammern, die über wesentliche Fragen nicht zureichen, zu dringen. Wenn der Ausschuß darauf eingehe, so werde dieser Gegenstand heuer nicht mehr zur Verhandlung kommen, weil inzwischen für das Herrenhaus die Notwendigkeit, die Finanzfrage in Verhandlung zu nehmen, herangetreten sein wird. Im Prinzipe, jedoch erst in zweiter Linie, sprach sich Votant für den Antrag des Polizeiministers aus und bemerkte, daß der Zwang ein doppelter sein könne, nämlich ein Zwang zur Bildung von Genossenschaften und ein Zwang, daß jeder neue Gewerbetreibende einer schon gebildeten Genossenschaft beitreten müsse. Wenn erst jetzt zur Bildung von Genossenschaften geschritten werden müßte, würde er sich gegen den Zwang aussprechen. Die unbedingte Aufhebung des Zwanges aber jetzt auszusprechen wäre nicht geraten, weil viele Genossenschaften, die naturgemäß bestehen, damit zum Zerfallen gebracht würden. Pro futuro solle man den Zwang zur Bildung von Genossenschaften nicht unbedingt aufrechterhalten, aber auch nicht die Bestimmung zulassen, daß jeder neue Gewerbetreibende einer schon gebildeten Genossenschaft beitreten müsse. Einstweilen habe man zu trachten, daß die Genossenschaften nicht aus dem Gesetze verschwinden und daß denselben der korporative autoritätsmäßige Charakter nicht benommen werde, dadurch werde man in dem Zwischenstadium vermitteln, daß der Fortbestand der naturgemäß bestehenden Genossenschaften gesichert werde, und wo diese nicht naturgemäß bestehen, werden sie ohnehin von selbst zerbröckeln. Der Staatsminister trat dem Antrage des Ministers Ritter v. Lasser bei, indem er von der Ansicht ausging, daß sich die Verhältnisse erst klären müssen und daß erst eine längere Erfahrung an die Hand geben werde, welcher Schritt der richtige sei. Es werde sehr schwer sein, den Zwang aufrechtzuerhalten, die Auflösung der Genossenschaften wäre aber gewiß von Übel. In erster Linie sei es daher zweckmäßig, diese Frage in der heurigen Session nicht zur Entscheidung zu bringen, weil man es oft erlebt habe, daß Dingen, die eingeschlafen sind, durch die Prolongation eine ganz andere Seite abgewonnen wurde. In zweiter Linie empfehle || S. 279 PDF || sich der Antrag des Polizeiministers, das, was schon gebildet ist, nicht verfallen zu lassen, aber auch nicht auf dem Prinzipe des Zwanges unbedingt zu bestehen. Der Staatsratspräsident glaubte, daß das Hinaustrainieren keinen Anklang finden und die Folge haben werde, daß die Bildung von Genossenschaften ins Stocken geraten werde und daß keine Beiträge mehr geleistet werden, und sprach sich sohin für den Antrag des Polizeiministers aus. Der ungarische Hofkanzler bemerkte, daß die Genossenschaften im praktischen Leben, was Bruderladen, Erziehung der Lehrlinge, Schulbesuch und viele andere Angelegenheiten betreffe, viel Gutes geleistet haben und daß die Regierung durch dieselben einen mächtigen Einfluß auf die gewerbetreibende Bevölkerung ausübe. Im allgemeinen seien nur die Fabrikanten gegen die Genossenschaften eingenommen, weil dieselben in ihren Fabriken mancherlei Handwerker beschäftigen, bezüglich deren sie eine anderweitige als ihre eigene Autorität nicht zulassen wollen. Er sei fest überzeugt, daß nur in Folge einer momentanen Aufwallung die Genossenschaft beseitiget werden wollen und daß, wenn einmal das Gewerbsgesetz längere Zeit in Wirksamkeit gestanden sein werde, auch eine andere Anschauung hierüber Platz greifen werde. Im Hinblick auf diese Umstände pflichte er daher den Ansichten und dem Antrage des Staatsministers bei. Der Finanzminister hielt es gefährlich, wie der Antrag des Polizeiministers bezwecke, zu erklären, daß der Zwang aufhören solle, weil dann auch die bestehenden Genossenschaften gewiß zerfallen würden. Er würde auch nicht beistimmen, einen solchen Antrag des Reichsrates der Ah. Sanktion Sr. Majestät zu empfehlen, und trat daher dem Antrage des Staatsministers beziehungsweise des Ministers Ritter v. Lasser auf Hinaustrainieren einer Entscheidung in erster Linie bei. Hierauf erklärte der Staatsratspräsident , daß er afalsch verstanden worden sei, wenn man ihm die Absicht beilege, die Genossenschaften aufzuhebena . Seine Meinung sei, daß in der Sache etwas geschehen solle, weil die bestehenden Genossenschaften sonst zerfallen würden. Er glaube jedoch, daß die vom Handelsminister abgelesenen Anträge des Fürsten Jabłonowski für die Regierung kein geeignetes Substrat wären, über Zwang oder Nichtzwang im Prinzipe abzusprechen, sondern daß ein bestimmter Organismus als Grundlage hiezu zu dienen hätte. Der Minister Graf Nádasdy äußerte, es müsse ja über diesen Gegenstand ein Gesetzentwurf des Abgeordnetenhauses vorliegen11, und das Herrenhaus werde in die Lage kommen, entweder die Paragraphen desselben anzunehmen oder dieselben zu ändern, dann erst werde sich die Regierung eine Meinung bildenb, jetzt sei die Sache nicht klar.

Alle übrigen Stimmführer traten dem Antrage des Staatsministers aus den für denselben geltend gemachten Motiven bei, cund die Minister v. Lasser oder Graf Wikkenburg übernahmen es, in der nächsten Ausschußsitzung den bezeichneten Standpunkt zu vertreten und vor allem für tunliche Hinausschiebung der Verhandlung zu wirkenc und die Minister v. Lasser oder Graf Wikkenburg übernahmen es, in der nächsten Ausschußsitzung den bezeichneten || S. 280 PDF || Standpunkt zu vertreten und vor allem für tunliche Hinausschiebung der Verhandlung zu wirken, 12.

III. Entschließung über die Proklamation der sächsischen Nationsuniversität Siebenbürgens

Der dritte Gegenstand der Beratung, nämlich der Entwurf der Ah. Entschließung über die Repräsentation der sächsischen Nationsuniversität, erscheint als Fortsetzung im Ministerratsprotokoll vom 10. Oktober l. J.13

IV. Errichtung eines Obergerichts für das Sachsenland in Siebenbürgen

Der Minister Graf Nádasdy teilte der Konferenz den Inhalt des au. Vortrages der siebenbürgischen Hofkanzlei vom 21. August l. J., Z. 3181, und seines au. Präsidialvortrages vom 1. September l. J., Z. 378, betreffend die Errichtung eines ständigen provisorischen Obergerichtes für das Sachsenland in Siebenbürgen mit und bemerkte, daß in betreff des für diesen Gerichtshof zu bestellenden Personales sein Antrag auf Kreierung des Postens eines Vizepräsidenten mit 3.000 fl. Gehalt von dem Staatsrate nicht befürwortet wurde, weil nach dessen Ansicht die Stellvertretung des Präsidenten dieses Obergerichtes, des Comes14 Schmidt, bei einem so kleinen Gremium leicht durch den ältesten Rat versehen werden könne15. Er halte jedoch die Beibehaltung des Vizepräsidenten für notwendig, da der Comes häufig in Klausenburg beschäftigt sein, zeitweise auch die elf Distrikte bereisen und daher der Vizepräsident eigentlich die Geschäfte des Obergerichtes leiten werde, habe sich jedoch bereit erklärt, die Zahl der Beisitzer um einen zu vermindern, sodaß statt sechs, wie beantragt war, nur fünf Räte bestellt würden. Mit seinen Anträgen habe sich auch der Finanzminister einverstanden erklärt.

Der Staatsratspräsident stimmte der Bestellung eines Vizepräsidenten unter Beschränkung der Ratsstellen auf fünf Posten insbesondere aus dem Grunde bei, weil für die Selbständigkeit der Rechtspflege sicher dadurch mehr gesorgt sei, wenn ein Vorsteher bestehe, der die Judizialgeschäfte in der Regel selbständig besorge, als wenn die politische und Judizialgeschäftsleitung gänzlich vereiniget ist.

Der Ministerrat sprach sich sohin einhellig für die Beibehaltung der Vizepräsidentenstelle und für die Errichtung von fünf Ratsstellen für das Obergericht in Hermannstadt aus16.

V. Neuorganisierung der siebenbürgischen Gerichtstafel

Der Minister Graf Nádasdy setzte die Konferenz von den Anträgen, welche die siebenbürgische Hofkanzlei mit dem au. Vortrage vom 21. August l. J., Z. 3180, wegen provisorischer Neuorganisierung der siebenbürgisch königlichen Gerichtstafel gestellt habe17, mit dem Bemerken in Kenntnis, daß eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Hofkanzlei und dem Finanzministerium nur mehr in zwei Punkten bestehe, indem erstere 15 Räte und 30 Kanzlisten beantrage, letzteres aber nur 12 Räte und 20 Kanzlisten bestellt wissen wolle. Die Herabminderung der Ratsstellen auf 12 gehe aber durchaus nicht an, indem bei einem derart beschränkten Ratsgremium mit Rücksicht darauf, daß in einem Senate ein Rat als Vorsitzender fungieren muß, die Urbarial-, Zivil- und Kriminalsenate mit der vorschriftsmäßigen Stimmführeranzahl nicht gebildet werden könnten. In seiner früheren Eigenschaft als Justizminister habe Referent auch die Erfahrung gemacht, daß die Leistungsfähigkeit der siebenbürgischen Gerichtsbeamten, die die österreichischen Gesetze erst später gelernt haben, nicht so groß ist, als jene der in Siebenbürgen früher verwendeten deutschen Beamten war. Auch könne nicht unbeachtet gelassen werden, daß die Anwendung von drei Sprachen beim Obergerichte, nämlich der romanischen, ungarischen und deutschen, die Amtierung für die Räte ungemein erschwere. In Vásárhely könne man sich auch nicht mit Supplenten behelfen, da man sie nicht von der gewählten Sedria nehmen könne. Er müsse daher bei dem Antrage der Hofkanzlei auf Bestellung von 15 Räten verharren, finde aber auch die Zahl von 30 Kanzlisten nicht zu hoch gegriffen, weil bei dem siebenbürgischen Oberlandesgerichte früher 80 Auskultantenstellen bestanden und weil die Kanzlisten nicht nur bei der königlichen Gerichtstafel, sondern nach Bedarf auch bei anderen Gerichten zu verwenden sein werden18. Der Staatsrat habe den Anträgen der Hofkanzlei beigestimmt und bezüglich der Angemessenheit des Antrages auf Kreierung von 15 Ratsstellen das Argument angeführt, daß bei der Banaltafel in Agram, deren Jurisdiktionsgebiet ungefähr die Hälfte der im Sprengel der königlichen Tafel in Siebenbürgen enthaltenen Einwohnerzahl begreift, 14 wirkliche und drei Honorarassessoren bestellt worden sind19.

Der Finanzminister bemerkte, daß er bei der Beratung der Anträge über den Personalstand der Banaltafel in Agram im Ministerrate überstimmt worden sei20, daß er übrigens mit Rücksicht auf die in der Note des Finanzministeriums vom || S. 282 PDF || 18. August l. J., Z. 41.982, enthaltenen Gründe und insbesondere im Hinblick auf den Umstand, daß bei dem früheren für ganz Siebenbürgen bestellten Oberlandesgerichte nur 17 Räte bestanden, bei seiner Ansicht, daß 12 Räte für die königliche Tafel in Siebenbürgen ungeachtet der Zuweisung des Urbariales genügen dürften, umsomehr verharre, als der Wirkungskreis der königlichen Gerichtstafel infolge der Ausscheidung der partes adnexae und des Sachsenlandes auf einen viel kleineren Gebietsumfang sich erstreckt21.

Alle übrigen Stimmführer traten den Anträgen des Ministers Grafen Nádasdy bei, und Minister Ritter v. Lasser glaubte nur darauf aufmerksam machen zu sollen, daß für die Dotierung der Gerichtstafel als Urbarialinstanz ein angemessener Teilbetrag dem Ärar aus dem Grundentlastungsfonds rückzuvergüten sein werde, worauf der vortragende Minister bemerkte, daß die Hofkanzlei hierüber sowie über die vorläufig offen gelassene Pensionsfrage für das Personale der königlichen Tafel ihre Anträge abgesondert Sr. Majestät unterbreiten werde22.

VI. Berufung der Stadt Mühlbach gegen die vom Gubernium verfügte Aufhebung der Restauration der Stadt

Der Minister Graf Nádasdy referierte über den au. Vortrag der siebenbürgischen Hofkanzlei vom 15. Juli l. J., Z. 891, womit dieselbe über Berufung der Mühlbacher Stadtkommunität gegen die von dem königlichen Gubernium mit Dekret vom 14. August v. J., Z. 4889, verfügte Aufhebung der am 10. und 11. April v. J. vorgenommenen Restauration der Mühlbacher Stadt und des gleichnamigen Stuhles ihr Vorhaben zur Ah. Kenntnis brachte, vermöge des ihr zustehenden Wirkungskreises die Aufhebung der berufenen Gubernialentscheidung aus formellen Gründen zu verfügen und dem neu erwählten Königsrichter Andreas Thalmann sowie dem Stuhlrichter Simon Balomiri die Bestätigung zu erteilen23. Referent bemerkte, daß dieser Antrag von der Hofkanzlei mit Stimmenmehrheit gestellt wurde und erwähnte den wesentlichen Inhalt der dem au. Vortrage beiliegenden Sondermeinungen der Mittelshofräte Baron Reichenstein und Moldovan24.

|| S. 283 PDF || Der ungarische Hofkanzler äußerte, in formali entscheide die Mehrheit der Stimmführer der Hofkanzlei, es sei daher nicht notwendig, die vota separata zu erfahren, weil sonst die Ministerkonferenz noch als Schiedsrichter hierüber aufzutreten genötiget wäre. In merito sei er mit dem Antrage der Hofkanzlei, die nach seiner Ansicht hiebei den richtigen Weg gehe, vollkommen einverstanden.

Nachdem der referierende Minister noch erwähnt hatte, daß auch der Staatsrat den Antrag der Hofkanzlei einstimmig gutgeheißen habe25 dund daß instruktionsmäßig die vota separata den au. Vorträgen beigelegt werden müssen, daher auch deren Erwähnung in der Ministerkonferenz umsomehr am Platze sei, als es nicht ausgeschlossen sei, daß Se. Majestät eine Ah. Schlußfassung nach den Andeutungen eines solchen Separatvotums treffen könnend, erklärte sich der Ministerrat mit demselben gleichfalls einverstanden26.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 4. November 1862. Empfangen 6. November 1862. Erzherzog Rainer.