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Nr. 266 Ministerrat, Wien, 3. und 6. Oktober 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. (Erzherzog Rainer 9. 10.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mertens; abw. Pratobevera, Burger; BdR. Erzherzog Rainer 15. 11.

MRZ. 1070 – KZ. 3483 –

Protokoll des zu Wien am 3. und 6. Oktober 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer. [Sitzung vom 3. Oktober 1862] [anw. Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera, Burger.]

I. Anträge der ungarischen Hofkanzlei wegen des Gesuchs des Superintendenten Kuzmány: 1) Rückkehr desselben in seinen Sprengel; 2) Zuweisung von Gemeinden anderer Sprengel an Kuzmány; 3) Verzeichnisse der koordinierten Gemeinden und ihrer Seniorate; 4) Gestaltung des Übertritts von der autonomen zur koordinierten Kirche

Der königlich ungarische Hofkanzler referierte über die im Schoße der evangelischen Kirche Augsburger Konfession in Ungarn bestehenden Reibungen und insbesondere über das Gesuch des Superintendenten Kuzmány: 1. um Bewilligung, seinen Sprengel von Wien aus leiten zu dürfen; 2. daß den evangelischen Gemeinden gestattet werde, zur Koordinierung zurückzukehren, dann über das Gesuch des Pfarrers der Pester evangelischen slawischen Gemeinde, Johann Podhradský, und einiger dortiger Gemeindeglieder um Absendung eines königlichen || S. 238 PDF || Kommissärs zur Behebung der Zerwürfnisse in der Gemeinde1. Graf Forgách beleuchtete in einem längeren Vortrage die verschiedenen Phasen, welche die evangelische Kirche in Ungarn seit dem Patente vom 1. September 1859 2 durchgelaufen hat, und insbesondere die Verhältnisse der lutherischen Kirche im Preßburger Sprengel — die Wünsche von drei Gemeinden in Arva — Thurocz, von der sogenannten autonomen zur koordinierten Kirche zurückzukehren — das Entstehen der slawischen Gemeinde Augsburger Konfession zu Pest, welche sich unter dem Pfarrer Podhradský koordiniert hat und dem Superintendent Kuzmány unterstellen wollte, gegenwärtig aber ohne Hirten, im Zustand der Auflösung befindlich ist3. Die ungarische Statthalterei habe aus Anlaß dieser Verhandlungen beantragt, daß die fünfte Superintendenz Augsburger Konfession, als Quelle unaufhörlichen Haders in der Kirche, Ah. aufgehoben werde und Kuzmány aufhöre, Superintendent zu sein. Auch die Hofkanzlei sei (der Majorität nach) der Ansicht, daß in Ungarn die Wiederkehr der Ruhe auf dem evangelischen kirchlichen Felde insolange nicht zu hoffen ist, als man die aPreßburger Superintendenz nicht aufhebta, zumal bloß etwa fünf koordinierte Gemeinden an Kuzmány halten. Graf Forgách erkennt bei Angelegenheiten dieser Art, bdie interne Zerwürfnisse von Glaubensgenossen betreffenb, die Pflicht der Regierung bloß darin, Ruhestörungen oder || S. 239 PDF || sonstige Gesetzwidrigkeiten zu verhindern. In Absicht auf die Koordinierung sei den Gemeinden volle Freiheit zu lassen, doch könne man dabei nur die Wahl zwischen zwei Alternativen — patentmäßige Koordinierung oder Nichtkoordinierung — zulassen und müsse den Velleitäten zur Bildung einer dritten Kategorie autonomer Gemeinden, cwelche von patentmäßigen Superintendenten, ohne Ah. Patent, oder patentmäßigen Gemeinden, welche von autonomen Superintendenten als kirchliche Oberbehörde erkennen wollen undc welche da und dort hervortreten, entschieden steuern, widrigenfalles aus den Fugen gehen würde. Der ungarische Hofkanzler las hierauf die von ihmd im Vortrage vom 14. Juni d. J. gestellten eau. Anträge vore, welche im wesentlichen dahin gehen:

1. Kuzmány habe binnen vier Wochen seinen Sitz innerhalb des Preßburger Sprengels aufzuschlagen, widrigens er zu entheben und eine Neuwahl anzuordnen wäre. 2. An dem Grundsatze festzuhalten, daß die Macht eines Superintendenten nicht über die Grenzen seines Sprengels hinausgehe, und somit nicht zu gestatten, daß die Pester slawische Gemeinde sich dem Superintendenten Kuzmány unterstelle. 3. Die Preßburger Superintendenz zu beauftragen, daß sie ein Verzeichnis der noch koordinierten Gemeinden vorlege und einen Plan zur Bildung der Seniorate entwerfe. 4. Den Übertritt einer sogenannten autonomen Gemeinde zu den koordinierten zwar zu gestatten, jedoch nur nach vorgängiger Anzeige an den autonomen Superintendenten, welchem das Recht einzuräumen wäre, sich noch vor dem Übertritt vom Willen der Majorität und deren Motiven persönlich zu überzeugen, und gegen die häufig vorkommenden Versuche mutwillig überzutreten, kirchliche Mittel anzuwenden. 5. Jede aktive Beteiligung der Regierungsorgane bei kirchlichen Fragen zu unterlassen, und jedem diesfalls volle Freiheit zu lassen4.

Der Präsident des Staatsrates entwickelte hierauf die im staatsrätlichen Votum niedergelegte Meinung. Man sei von der Ansicht ausgegangen, daß an dem Patente vom 1. September und somit an den sechs lutherischen Superintendenzen festzuhalten wäre. — ad 1. sei der Staatsrat mit dem Antrage der Kanzlei einverstanden, doch dürfte dem Kuzmány ein längerer Termin, bis etwa ein Jahr, zu bewilligen sein. Gegen den Hofkanzleiantrag ad 2. fand man nichts zu erinnern; ebensowenig gegen den ad 3. wegen Vorlegung der koordinierten Gemeindeverzeichnisse; ad 4. wären die Gemeinden, die sich koordinieren wollen, lediglich zu verpflichten, ihrem bisherigen Superintendenten davon die Anzeige vom geschehenen Übertritt zu machen, und der Superintendent [wäre] daher nicht befugt, über die Gründe des Übertritts eine Untersuchung zu verhängen und Strafen anzuordnen, wodurch ihm Mittel gegeben würden, den freien Übertritt zu vereiteln. In zweifelhaften Fällen wäre ein unparteiischer königlicher Kommissär das beste Auskunftsmittel, um || S. 240 PDF || zu erheben, wie sich der von fremden Einflüssen befreite Wille der Gemeinde ausspricht. Was die slawische Gemeinde in Pest betrifft, so kann von ihrem Pfarrer Podhradský dermal kaum mehr die Rede sein, nachdem er Pest verlassen hat und geisteskrank zu sein scheint. Da jedoch auch Beschwerden von Gemeindegliedern vorgebracht wurden, so dürfte demselben durch einen königlichen Kommissär aus dem Gremio der in loco befindlichen Statthalterei auf den Grund zu sehen sein. Dieser Gegenstand werde übrigens vom Baron Lichtenfels später besonders vorgetragen werden5. Der ungarische Hofkanzler erwiderte, daß er gegen die Bewilligung einer ein- bis dreimonatigen Frist zur Übersiedlung Kuzmánys in seinen Sprengel nicht zu erinnern fände. Zum Punkt 4. sei es für ihn das Wichtigste, daß der Superintendent von dem Übertritte einer sich koordinierenden Gemeinde sofort in Kenntnis gesetzt werde. Dies sei schon der Ordnung wegen unerläßlich. Die Absendung königlicher Kommissäre werde die Koordinierung nicht bedeutend fördern. Das königliche Patent vom 1. September sei nun einmal, trotz des Guten, was es enthält, eine verlorene Sache und der dagegen geübte moralische Druck zu mächtig. Eben darum aber solle die Regierung sich nicht auf Versuche einlassen, das Unhaltbare zu halten. Es würde dies die Wiederholung der Vorgänge von 1859 nach sich ziehen6. Die Absendung eines königlichen Kommissärs zur Regulierung der Pester slawischen Gemeinde finde Graf Forgách nicht angezeigt. Die Gemeinde sei klein, unbedeutend, faktisch aufgelöst, und die Absendung eines königlichen Kommissärs stehe zu dem Zwecke, der erreicht werden solle, in keinem Verhältnisse. Minister Graf Nádasdy äußerte, er kenne nur einen Standpunkt, von dem er bei Begutachtung dieser schwierigen Frage ausgehen kann: dies sind die klaren und bestimmten Befehle. Se. Majestät haben nämlich in der Ah. Entschließung vom 15. Mai 1860 unter anderem verordnet, daß diejenigen Pfarrgemeinden, Seniorate und Superintendenzen, welche die dem Gesetze entsprechenden Einrichtungen bereits eingenommen haben oder deren Einführung schon vorbereiten, in ihrem gegenwärtigen Bestande oder in der Ausführung dieses ihres Vorhabens auf keine Weise angefochten oder gehindert werden. Allerhöchst dieselben geruhten ferner zu befehlen, daß die Preßburger und die Neu-Verbasser evangelischen Superintendenzen Augsburger Konfession in ihrem Bestande nicht beirrt und die koordinierten Gemeinden, Bezirke und deren Funktionäre sowie all diejenigen Personen, welche die Koordinierung angebahnt || S. 241 PDF || und befördert haben, in keiner Weise beunruhigt werden7. Eine weitere Richtschnur bilden folgende Worte, die Se. Majestät am 5. Julius 1860 an die unter Hodžas Führung um Schutz bittende slowakische Deputation zu richten geruhten: „Was Ich der evangelischen Kirche im Patente versprochen habe, das will Ich erfüllen. Verharren sie bei dem Patente und lassen sie sich durch nichts von der durch dasselbe zugesicherten Ordnung abbringen.“ Diese kaiserlichen Worte sind durch ein gedrucktes Zirkular fallen slowakischen Gemeinden Augsburger Konfession mitgeteiltf und auf anderen Wegen in weiten Kreisen verlautbart worden8. Als Minister Sr. Majestät halte Graf Nádasdy es für seine Pflicht, alles Mögliche zu versuchen, damit dieselben genau befolgt und zur Wahrheit werden. Im Widerspruche mit den kaiserlichen Befehlen und Zusicherungen aber würden tatsächlich die koordinierten oder eine Koordinierung anstrebenden slowakischen Gemeinden ihren Gegnern preisgegeben. Mitte März 1860 wurde dem Kultusminister berichtet, daß in Ungarn 340 Gemeinden mit 460.000 Seelen patentmäßig koordiniert seien9. Als aber Mitte April die fünf Statthaltereiabteilungen aufgehoben wurden und die Ofner Statthalterei zu wirken begann, bekamen die Gegner des Patentes vermehrten Mut. Nach dem 20. Oktober wurde erst vollends und mit Zustimmung der Dikasterien in Ofen und Wien gegen die Koordinierung offen und ungescheut agitiert, gund der illegal wiedergewählte Hochverräter Stromszky wurde vom Hofkanzler Baron Vay selbst als Superintendent anerkanntg . Der Erfolg davon ist, daß gegenwärtig kaum mehr 19 Gemeinden mit etwa 30.000 Seelen Sr. Majestät Patent befolgen und auch von diesen, wenn nicht bald eingeschritten wird, Abfälle zu besorgen sind, sodaß die von Sr. Majestät geschaffene Superintendenz faktisch zu existieren aufhört und der von 66 koordinierten Pfarrgemeinden || S. 242 PDF || gewählte, und Allerhöchstenortes bestätigte Superintendent Kuzmány ohne Sprengel bleibt. Dagegen fungiert der durch einen — wie es scheint — Ah. aufgehobenen Konvent somit ungesetzlich gewählte Inspektor Martin Szentiványi. Das Verlassen der Koordinierung, welche keineswegs aus dogmatischen Gründen perhorresziert wird, da das Dogma damit gar nicht im Zusammenhange steht, ist aber für die Monarchie umso bedenklicher, als die Gegner des Patentes gegenwärtig einen gefährlichen Weg betreten haben. Sie wollen nämlich nach dem Plane des Grafen Vay die 550.000 lutherischen Slowaken dadurch erdrücken, daß sie die beiden evangelischen Kirchen in eine einzige „ungarische“ Kirche vereinigen, wobei die 150.000 protestantischen Magyaren, durch 1,500.000 Kalviner verstärkt, in großer Majorität stünden. Nicht ohne Grund haben die lutheranischen Superintendenten aus der Eidesformel die Dreieinigkeit Gottes ausgelassen. Nicht ohne Grund mußten sie schwören, die vom Konvente gegebenen und noch zu gebenden Instruktionen zu befolgen! Nicht ohne Grund hat der Konvent in der Instruktion, die er dem Superintendenten Geduly am 22. August 1861 gab, sich mit dem Ausdrucke „evangelischer Glaube“ ohne Erwähnung des Augsburgischen Bekenntnisses begnügt! Ja, man ging noch weiter: II/2 dieser Instruktion lautet: „Hauptsächlich aber wird der Superintendent all sein Wirken dahin wenden, daß die ohne Ursache und zum großen Nachteile der Protestanten getrennten zwei Geschwister sich wieder vereinigen — d. i. mit den helvetischen Glaubensverwandten die Einigung je eher zustande kommt.“ Diese Unionstendenzen sind im hohen Grade gefährlich, und es erscheint daher umso notwendiger, eine patentmäßig koordinierte Superintendenz fortbestehen zu lassen, an die sich jene Gemeinden anschließen können, welche der Union nicht beitreten wollen. Dieses vorausgeschickt, stellte Minister Graf Nádasdy folgende Anträge:

1. Superintendent Kuzmány soll angewiesen werden, sich ordnungsmäßig in die Mitte seines Sprengels zu begeben, wo er allenfalls in Turócz-Szent Márton seinen Sitz aufschlagen könnte, indem er von Wien aus eine ganz in Ungarn gelegene Superintendenz nicht leiten kann. Sollte mit der Zeit sein Aufenthalt im Preßburger Sprengel unmöglich werden, könnte er, ohne daß es jetzt schon positiv ausgesprochen würde, auf seine Professur zurückversetzt werden, die einstweilen durch einen Supplenten zu versehen wäre. Sobald man nämlich merkte, daß er selbst seine Stellung jetzt schon für unhaltbar ansieht, würde umso kräftiger gegen ihn agitiert werden. 2. Da auch die gegenwärtigen Regierungsorgane in den Komitaten — wie man vielfach behauptet und es auch den Anschein hat — keine Freunde des Patentes vom 1. September 1859 und der Ah. Entschließung vom 15. Mai 1860 sind, so wäre es notwendig, einen ganz unparteiischen königlichen Kommissär samt Aktuar auszusenden. Derselbe hätte in allen Gemeinden, welche koordiniert waren, die Stimmberechtigten zu versammeln und ihnen nur die Frage zu stellen, welche zur koordinierten Superintendenz zu gehören wünschen und welche nicht. Darüber wäre ein Protokoll aufzunehmen, aus welchem die Majorität ziffernmäßig zu ersehen ist. Nach Maßgabe dieser Majorität wären die Gemeinden der bezüglichen Superintendenz zuzuweisen. In zweifelhaften Fällen aber wäre eine gütliche Einigung mit aller Unparteilichkeit anzustreben, und [es wäre] vor der Zuweisung der Gemeinde an eine Superintendenz ein Bericht zu [erstatten], || S. 243 PDF || welcher mit den Gutachten der Statthalterei und Hofkanzlei Allerhöchstenorts unterbreitet würde. 3. Sind die Eide, welche die gegenwärtigen lutherischen Superintendenten abgelegt haben, samt den Instruktionen, auf deren Erfüllung sie schwören mußten, wie auch die Protokolle jener Konventsitzungen, worin die Instruktionen ausgearbeitet wurden, abzuverlangen und Allerhöchstenortes gutächtlich vorzulegen. 4. Die Akten des Prozesses gegen Hodža wären sogleich abzuverlangen, und zwar re integra servata10, damit nicht zur Vollstreckung gleichlautender Urteile gegen ihn vorschnell geschritten werde. Der Fortbestand einer einzigen, isolierten koordinierten Gemeinde mitten in einer nichtkoordinierten Superintendenz scheint dem Minister Grafen Nádasdy nicht bloß unbedenklich, sondern selbst wünschenswert vom Standpunkt der Regierung, weil diese Gemeinde den Ausgangspunkt anderer Koordinierungen bilden kann. Schließlich machte der Minister den Hofkanzler auf den Pester Konvent vom 3. September 1862 aufmerksam, worin über die Nichtannahme von Stipendien durch Studenten ein anstößiger Beschluß gefaßt worden sein soll11.

Der ungarische Hofkanzler äußerte, daß diesen Anträgen der Vorstimme durch die bereits getroffenen Verfügungen zum Teile schon entsprochen worden sei. So sind die Eide und Protokolle abgefordert und werden einer genauen Prüfung unterzogen werden. Man würde sich dabei an das Gesetz halten und die Ausschreitungen der Konvente zurückzuweisen wissen. Bezüglich Hodžas bestehe das eigentümliche Verhältnis, daß er hfür seine Person sich zum Ah. Patente bekenne und von Kuzmány als Stellvertreterh bestellt ist, während seine Gemeinde nicht koordiniert ist und dem Superintendent Geduly untersteht. Gerichtliche Urteile gegen den ersteren liegen vor, idoch dürfte diese Frage nicht zur heutigen Verhandlung gehöreni . Was die Unionsbestrebungen betrifft, so könne Graf Forgách nur dringend empfehlen, daß sich die Regierung denselben gegenüber ganz passiv verhalte, weil die Union dann am sichersten nicht zustande kommt.

Fortsetzung am 6. Oktober 1862. Gegenwärtige wie bei der Beratung am 3. Oktober 1862, jedoch mit Ausnahme der Minister des Äußern und des Krieges, welcher letztere durch FML. Freiherrn v. Mertens vertreten war.

Die wesentlichsten Punkte, die den Gegenstand der Beratung am 3. Oktober gebildet hatten, wurden heute zur weiteren Beratung und Abstimmung gebracht, wie folgt:

1. a) Sämtliche Stimmführer waren der Meinung, daß Superintendent Kuzmány den Wohnsitz in seinem Sprengel aufzuschlagen habe. b) Für die Festsetzung eines Termins von sechs Monaten zu dieser Übersiedlung erklärten sich die Minister der Polizei und der Finanzen. Die übrigen Stimmen fanden einen so langen Termin || S. 244 PDF || nicht für nötig und glaubten, daß Kuzmány, der erst vor kurzem seinen Sprengel bereist und die dortigen Verhältnisse erhoben hat, anzuweisen wäre, sich „sofort“ daselbst niederzulassen. Seine Supplierung bei der Lehrkanzel werde keine Schwierigkeiten bieten und ein allfälliges kurzes Fristgesuch desselben berücksichtigt werden können.

2. Es wurde allgemein anerkannt, daß die Ausdehnung der Jurisdiktion eines Superintendenten auch über die geographischen Grenzen seines Sprengels nicht absolut unzulässig sei und somit koordinierte Gemeinden in anderen Superintendenzen sich dem Superintendenten Kuzmány unterstellen können. Allein während die Minister Graf Nádasdy und Edler v. Plener dieses im Interesse des Fortschritts der patentmäßigen Koordinierung als allgemeinen Grundsatz aufgestellt zu sehen wünschten, verwahrte sich der ungarische Hofkanzler gegen einen solchen Ausspruch, wodurch Kuzmány gewissermaßen zum Superintendenten für ganzj Ungarn erklärt würde. Zur Vermeidung des damit verbundenen unliebsamen Aufsehens dürfte es genügen, derlei Zuweisungen Allerhöchstenorts von Fall zu Fall zu verfügen, wobei am Ende dasselbe erreicht wäre.

3. Sämtliche Stimmführer waren damit einverstanden, daß Kuzmány angewiesen werde, ein Verzeichnis der koordinierten Gemeinden seines Sprengels wie auch der in demselben bestellten Senioren vorzulegen, sofern dies nicht bereits geschehen wäre.

4. a) Den sogenannten autonomen Gemeinden soll knach dem einstimmigen Beschlusse des Ministerratesk ganz freistehen, sich patentmäßig zu koordinieren. b) Der ungarische Hofkanzler sprach sich im Verfolg seiner bei der ersten Beratung geäußerten Ansicht dahin aus, daß, wenn auch die von der ungarischen Hofkanzlei vorgeschlagene Prüfung der Motive des Übertritts und die Verhängung von Strafen durch den sogenannten autonomen Superintendenten zu entfallen habe, die Gemeinde doch immerhin gehalten sein soll, diesem Superintendenten den gefaßten Beschluß zu seiner Kenntnis anzuzeigen. Der Staatsminister und mit ihm die Minister Graf Nádasdy, Ritter v. Lasser, Edler v. Plener und FML. Baron Mertens beantragten jedoch, daß die Gemeinde von dieser für sie immerhin mißlichen Anzeige enthoben werde, sodaß sie sich nur an den von ihr gewählten koordinierten Superintendenten zu wenden haben würde. c) Sämtliche Stimmführer waren darüber einverstanden, daß, wenn sich über die Gültigkeit des Koordinierungsbeschlusses einer Gemeinde im Preßburger Sprengel oder sonst im Königreiche Ungarn Zweifel oder darauf bezügliche Beschwerden ergeben, ein königlicher Kommissär zur Untersuchung, tunlichen Beilegung im gütlichen Wege und Erstattung eines Berichts vor der Zuweisung abzusenden wäre. Dieser Bericht sei von der Hofkanzlei Allerhöchstenortes gutächtlich zu unterbreiten. lDer Polizeiminister war der Ansicht, daß die Intervention eines königlichen Kommissärs nur dort stattzufinden habe, wenn aus der Gemeinde gegen die Gültigkeit eines konventmäßigen Beschlusses über die Koordination Beschwerde erhoben würde. Auch dann aber stehe der Oberkirchenbehörde, welcher die Gemeinde bisher unterstand, die Untersuchung zu, und der königliche Kommissär habe nur die Aufgabe, darüber zu wachen, daß die Untersuchung ordnungsgemäß und ohne Parteilichkeit vorgenommen werdel Der Polizeiminister war der Ansicht, daß die Intervention eines königlichen Kommissärs nur dort stattzufinden habe, wenn aus der Gemeinde gegen die || S. 245 PDF || Gültigkeit eines konventmäßigen Beschlusses über die Koordination Beschwerde erhoben würde. Auch dann aber stehe der Oberkirchenbehörde, welcher die Gemeinde bisher unterstand, die Untersuchung zu, und der königliche Kommissär habe nur die Aufgabe, darüber zu wachen, daß die Untersuchung ordnungsgemäß und ohne Parteilichkeit vorgenommen werde. d) Eine längere Diskussion ergab sich über den Antrag des Ministers Grafen Nádasdy , daß ein solcher Kommissär nicht bloß zu jenen Gemeinden zu senden wäre, wo sich in bezug auf ihr Vorhaben der Koordinierung dermal oder in der Folge Anstände ergeben, sondern daß ein zu wählender königlicher Kommissär überhaupt alle protestantischen Gemeinden in Ungarn, welche einst koordiniert waren und vom Patente später abgefallen sind, nach und nach zu bereisen hätte, um zu ermitteln, wie dieser Beschluß seinerzeit zustande gekommen ist und wie sich dermal der freie Wille der Majorität ausspricht. Zu diesem Ende hätte er die Gemeindeglieder einzuberufen und mit Berufung auf den Ah. Auftrag zur freien Äußerung aufzufordern. Auf diese Weise würde man der Wahrheit auf den Grund kommen und der von Sr. Majestät Allerhöchst ihren protestantischen Untertanen zugesicherte Schutz verwirklicht werden. Für eine solche Mission dürfte sich ein unparteiischer Mann wie der Septemvir Fábinyi oder selbst ein Katholik wie Präsident v. Andreánszky eignen. Der Staatsminister erinnerte, wie das Protestantenpatent gewaltsam zu einer politischen Parteifrage gestempelt und im regierungsfeindlichen Sinne ausgebeutet worden sei12. Die ungarischen Staatsbehörden nahmen selbst Partei gegen das Patent, suchten Koordinierungen zu hintertreiben und selbst die bereits zustande gekommenen durch allerlei Mittel rückgängig zu machen. Mit welchem Erfolg, ist bekannt! Die Regierung habe allerdings in evangelischen Religionsangelegenheiten eine unparteiische Stellung einzunehmen, aber mit dieser Stellung verträgt es sich eben nicht, daß sie einen Stand der Dinge, der in vielen Gemeinden dem Wunsch der Mehrheit zuwider eingeführt wurde und noch besteht, fortdauern lasse und eine Renitenz gegen das Patent schütze, welche von Agitatoren und pflichtvergessenen Beamten herbeigeführt wurde. Um zu einer restitutio in integrum13 diesfalls zu gelangen, müsse den Gemeinden klargemacht werden, daß sie sich ungestraft offen aussprechen können, und deswegen trete der Staatsminister dem Grafen Nádasdy bei. Mit demselben Antrage vereinigten sich ferner der Staatsratspräsident, dann die Minister Graf Wickenburg, Ritter v. Lasser und Edler v. Plener , die letzteren beiden mit dem Beisatze, daß dem königlichen Kommissär eine besondere Instruktion zu erteilen wäre, wonach er nicht seine Rundreise im ganzen Land anzukündigen und vorläufig bloß die Gemeinden des Preßburger Sprengels zu bereisen hätte. Der ungarische Hofkanzler erklärte, daß er sich mit dem Antrag des Ministers Grafen Nádasdy durchaus nicht vereinigen könne. Derselbe gehe über die Tragweite der gegenwärtigen Verhandlungen maßlos hinaus. Er sei durch nichts provoziert, da in ganz Ungarn, mit Ausnahme des Preßburger Sprengels, keine Beschwerden erhoben werden; man rufe dadurch || S. 246 PDF || eine tiefgehende Agitation unter den Evangelischen im ganzen Land hervor, deren Wogen leicht so hoch gehen können, daß es dann keineswegs rätlich wäre, dort den Armeestand herabzusetzen. Es würde das Seitenstück zur Agitation von 1859/60 werden und der Erfolg keineswegs der gewünschte sein, indem ja die Rückkehr von der Koordination zur Autonomie an vielen Orten auch unabhängig von äußerem Drucke stattfand. Der Polizeiminister , mit dem sich Graf Esterházy und der Stellvertreter des Kriegsministers vereinigten, trägt Bedenken gegen eine solche Reassumierung der Koordinierungsfrage bei so zahlreichen, im ganzen Lande zerstreuten Gemeinden, von welchen keine Beschwerde vorliegt. Daher dürfte die Aufgabe des königlichen Kommissärs dermal nicht weiter zu gehen haben, als wie sie in der oben ad 4. c) mvon ihm formulierten Weisem bezeichnet wurde.

5. In bezug auf die Beteiligung der Regierung an rein kirchlichen Fragen, namentlich an den gegenwärtigen Bestrebungen, die Vereinigung beider Konfessionen in Ungarn herbeizuführen, wurde einstimmig beschlossen, davon Umgang zu nehmen. Das Zustandekommen dieser Union wäre allerdings, wie der ungarische Hofkanzler bemerkte, keineswegs für die Regierung wünschenswert. Allein es stehen so viele sachliche und persönliche Schwierigkeiten der Union entgegen, daß man mit Zuversicht darauf rechnen kann, sie werde nicht zustande kommen. Diese Vereinigung sei übrigens schon vor Jahren durch den Grafen Vay in Anregung gekommen, aber die Regierung habe auch damals nichts dagegen getan. Was aber den jetzigen schwachen Versuchen zuverlässig den mächtigsten Impuls gewähren und selbst Chancen des Gelingens eröffnen würde, wäre ein Kampf der Regierung gegen die Union. Graf Forgách enthalte sich daher sorgfältig jeder offenen Gegenwirkung. Was die neuen Eide der Superintendenten betrifft — von denen Minister Graf Nádasdy die Formel vorlas, — so findet sich allerdings nicht mehr darin eine ausdrückliche Erwähnung der Heiligen Dreifaltigkeit. Dies geschah jedoch nicht, um das Dogma zu beseitigen, sondern nur um durch Vermeidung seiner speziellen Aufnahme möglich zu machen, daß dieselbe Formel auch den Unitariern diene. Überhaupt hat die Religion an den Unionsbestrebungen wenig Anteil14.

II. Gesuch des slawischen Pfarrers A. B. Joseph Podhratzky um Entsendung eines unparteiischen königlichen Kommissärs

Der Präsident des Staatsrates referierte über das Gesuch des Pester evangelisch-slawischen Pfarrers Joseph Podhradský und einiger Mitglieder seiner Gemeinde um Entsendung eines königlichen Kommissärs zur Untersuchung und Beilegung der in dieser Gemeinde obwaltenden Reibungen, welches Gesuch den Gegenstand eines von der ungarischen Hofkanzlei am 18. August d. J. erstatteten au. Vortrages bildet15. Podhradský habe zwar mittlerweilen seine Gemeinde und Pest verlassen, indessen beantrage dort der Staatsrat — aus den durch Baron Lichtenfels verlesenen Motiven — nachstehenden Resolutionsentwurf: „Die Statthalterei ist zu beauftragen, die Ausübung des ihr zustehenden Aufsichtsrechtes zur Untersuchung dieser Angelegenheit einen der beiden Statthaltereiräte, Dobrzánszky oder Mandics, abzuordnen. Das Ergebnis ist Mir gutächtlich vorzulegen.“16 Der Staatsratspräsident findet diesen Vorschlag zweckmäßig und in Einklang mit dem in der heutigen Konferenz über den Punkt I. 4. ad d) gefaßten Beschlusse. Durch die Absendung eines unparteiischen Kommissärs wird man der Sache auf den Grund gehen und vielleicht eine Beilegung der jahrlangen Zerwürfnisse etc. bewirken können. Vielleicht könnte der auszusendende Generalkoordinierungskommissär für die protestantischen Gemeinden auch mit dieser Aufgabe betraut werden.

Der Finanzminister trat der Meinung des Staatsratspräsidenten vollkommen bei, nachdem die Angelegenheit der Frage mit der Koordination zusammenhängt. Der ungarische Hofkanzler fand, daß die Beschwerde eines, wie es scheint, irrsinnigen Pfarrers und einiger Mitglieder aus einer in der Auflösung begriffenen Gemeinde von nur 200 Seelen wohl nicht als hinlängliche Veranlassung gelten könne, um den eingeführten Instanzenzuge zu derogieren, einen königlichen Kommissär vom Allerhöchstenorte aus zu bestimmen und die Akten, bevor noch die Statthalterei in erster Instanz entschieden hat, Sr. Majestät vorlegen zu lassen. Fände sich die Gemeinde gekränkt, so kann sie ja gegen die erste Entscheidung an die Hofkanzlei rekurrieren. Der Statthalter Graf Pálffy habe daher auch in seinem vorliegenden Präsidialberichte darauf angetragen, dem Statthaltereigremium die Amtshandlung zu überlassen, und zwar ohne Aussendung eines Spezialkommissärs, da hiezu die kirchlichen und Pester städtischen Autoritäten verwendet werden können17. Der Polizeiminister fand, daß diese Autoritäten in dem fraglichen Streite zu befangen erscheinen, als daß man sich von ihnen eine unparteiische Erhebung und Amtshandlung erwarten könne. Die Aussendung eines Statthaltereirates sei daher in diesem Falle ganz angezeigt, und die Berichterstattung an Se. Majestät entspreche den Gepflogenheiten bei Ah. bezeichneten Gesuchen. Übrigens glaubt Baron Mecséry, daß es nicht nötig sein dürfte, der Statthalterei die Person des auszusendenden Kommissärs zu bezeichnen.

|| S. 248 PDF || Die Minister Graf Nádasdy, Ritter v. Schmerling, Graf Wickenburg und Ritter v. Lasser erklärten sich mit dem Antrage der Vorstimme einverstanden, wobei der letztgenannte Minister bemerkte, daß der Statthaltereirat Mandic, ein Serbe von Geburt — nach seinen Antezedenzien —, eine unparteiische Haltung als Kommissär behaupten dürfte. Auch FML. Freiherr v. Mertens stimmte für die Aussendung eines Spezialkommissärs durch die Statthalterei. Der ungarische Hofkanzler , dem Minister Graf Esterházy beitrat, äußerte schließlich nochmals, daß er den Gegenstand nicht für so wichtig halte, um einen Kommissär von der Statthalterei abzusenden, indessen wolle er der Meinung der Majorität sich konformieren und werde dem Grafen Pálffy den Statthaltereirat Mandic in einem Präsidialschreiben als Kommissär bezeichnen18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 15. November 1862. Empfangen 15. November 1862. Erzherzog Rainer.