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Nr. 263 Ministerrat, Wien, 18. September und 1. Oktober 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Hueber; VS. Rechberg (18. 9.), Erzherzog Rainer (1. 10.); BdE. für das Protokoll vom 18. 9. (Rechberg 18. 9.), Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mertens, Degenfeld; BdE. für das Protokoll vom 1. 10. (Erzherzog Rainer 1. 10.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; BdR. Erzherzog Rainer 8. 12.

MRZ. 1066 – KZ. 3700 –

Protokoll des zu Wien am 18. September 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern Grafen Rechberg. [anw. Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mertens; abw. Degenfeld, Wickenburg, Pratobevera]

I. Sanktion der Gesetze zum Schutz der persönlichen Freiheit und des Hausrechtes

Der Minister Ritter v. Lasser bringt zur Kenntnis der Konferenz, es seien die Entwürfe der Gesetze zum Schutze der persönlichen Freiheit und des Hausrechtes, || S. 208 PDF || welche für die durch den engeren Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder Geltung erlangen sollen, nachdem von beiden Häusern des Reichsrates hierüber übereinstimmende Beschlüsse gefaßt worden sinda, an das Justizministerium gelangt und er habe in Gewärtigung der Zustimmung des Ministerrates mit dem au. Vortrage vom 17. August l. J., Z. 7586, die Bitte um Ah. Sanktion dieser beiden Gesetze gestellt1. In dem Gesetze zum Schutze des Hausrechtes sei die Schlußbestimmung enthalten, daß der Leiter des Justizministeriums und die Minister der Polizei und der Finanzen mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt werden, da der Wirkungskreis der letztgenannten beiden Minister dabei insoferne berührt werde, weil auch Hausdurchsuchungen zum Behufe der polizeilichen Aufsicht von Polizeiorganen und zum Behufe der finanziellen Aufsicht von Organen der Finanzverwaltung geschehen. Dagegen enthalte das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit in seinem Schlußsatze nur die Bestimmung, daß der Leiter des Justizministeriums mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt sei. Über Bemerkung des Polizeiministers , es werde durch den § 5 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit hinsichtlich der Internierungen auch der Wirkungskreis des Polizeiministeriums berührt, erklärte sich der referierende Minister bereit, den Schlußsatz dieses Gesetzes in nachstehender Weise zu ergänzen: „Der Polizeiminister und der Leiter Meines Justizministeriums sind mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt.“

Der Ministerrat erklärte sich sohin einhellig mit der Vorlage dieser Gesetze zur Ah. Sanktion Sr. Majestät einverstanden2.

II. Interpellation über das Verhalten des Gesamtministeriums zur Erklärung des Finanzministers betreffend die Zinsengarantie für die k. k. Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft

Der Staatsminister übergibt die demselben zugekommene, in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 18. September l. J. an das Gesamtministerium gerichtete, in Abschrift [als Beilage] 1 beiliegende Interpellation des Dr. Giskra und Konsorten betreffend die Zinsengarantie für die k. k. privilegierte Donaudampfschiffahrtsgesellschaft im Jahre 18623 dem Finanzminister zur Beantwortung, weil die in der Interpellation beanständete Äußerung von dem Finanzminister in der Sitzung des Herrenhauses am 9. August l. J. gemacht worden ist4.

|| S. 209 PDF || Der Finanzminister äußerte, es sei bekannt, daß der diesfällige Beschluß des Abgeordnetenhauses wegen dieser Zinsengarantiefrage ein übereilter gewesen sei und daß sich das Herrenhaus demselben gefügt habe. Der Wortlaut des Übereinkommens lasse durchaus keinen Zweifel zu, daß der Staat die 8%ige Verzinsung des Aktienkapitales zu garantieren verpflichtet sei. Wohl habe die Gesellschaft sowohl das materielle als das Geldkapital, letzteres durch Einlösung von Aktien, vermindert, dadurch habe aber das Verhältnis, welches im zweiten Übereinkommen wie im ersten eine 8%ige Zinsengarantie nach sich ziehe, eine Änderung nicht erfahren5. Der Streit im Abgeordnetenhause sei dadurch angeregt worden, daß die Gesellschaft in einer Rechnung besonders geschieden habe, was von der 8%igen Verzinsung die Aktionäre als Rente zu erhalten und was davon in den Reservefonds zu fließen habe. Wie aber die Gesellschaft die 8%igen Interessen verteile, das bekümmere die Staatsverwaltung nicht. Faktisch habe die Gesellschaft schon begehrt, daß ihr auch der die 8%ige Verzinsung ergänzende, von dem Reichsrate nicht zugestandene Betrag von 148.050 fl. ausbezahlt werde, und der habe begütigend dahin gewirkt, daß sich die Gesellschaft einstweilen mit dem begnüge, was die Aktionäre zu erhalten haben, und das andere nicht allsogleich fordere6. Der vortreffliche Vortrag, welchen der Abgeordnete Dr. Mühlfeld in dieser Sache gehalten7, und das bessere Verständnis der Sachlage, welches inzwischen bei der Majorität Platz gegriffen habe, lasse mit Grund erwarten, daß das Abgeordnetenhaus bei der Behandlung des Budgets pro 1863, bei welcher diese Zinsengarantiefrage abermals zur Sprache kommen müsse, von seinem pro 1862 diesfalls gefaßten || S. 210 PDF || Beschlusse abgehen werde8. In dieser Weise werde er die Sachlage darlegen und mit Beifügung noch anderer Bemerkungen die Interpellation beantworten, insbesondere aber hervorheben, daß nicht gesagt worden sei, die Regierung werde trotz des Beschlusses der beiden Häuser des Reichsrates den bezüglichen Mehrbetrag auszahlen lassen, sondern sich in dieser Beziehung von ihm nur dahin geäußert worden sei, die Regierung werde unter gewissen Umständen, wenn die Sache die Wendung nehme, daß es zum Prozesse komme, nicht umhin können, ungeachtet des Beschlusses des Reichsrates den Mehrbetrag gegen seinerzeitige Rechtfertigung auszahlen zu lassen. Hiemit sei aber weder eine Mißachtung gegen die Beschlüsse des Reichsrates oder eine Hinwegsetzung über konstitutionelle Formen verbunden gewesen oder beabsichtiget worden. Er werde die Antwort auf diese Interpellation unverweilt aufsetzen und dieselbe durch Zirkulation den Mitgliedern des Ministerrates zur Kenntnis bringen. Der Minister Graf Nádasdy fand eine Anomalie in dem Passus der Interpellation, daß ein gerichtliches Urteil vorliegen müsse, wenn der Finanzminister berechtiget sein solle, die Zahlung des Mehrbetrages über die zur Verausgabung von der Reichsvertretung bewilligte Summe zu leisten, weil dem Finanzminister in dem Falle, wenn er aufgrund eines Rechtsgutachtens der Finanzprokuratur voraussieht, daß das Ärar den Prozeß verlieren muß, doch nicht das Recht bestritten werden könne, in solchem Falle lieber die Zahlung selbst leisten zu lassen, als das Ärar durch einen Spruch des Gerichtes dazu verhalten zu lassen. Der Staatsminister war der Ansicht, es werde eine Erklärung in der Richtung genügen, daß die Äußerung und Absicht des Finanzministers nicht dahin gerichtet gewesen sei, daß er sofort zahlen werde, sondern daß er damit ausgesprochen habe, es könne der Fall eintreten, wenn zum Beispiel eine bestimmte Aufforderung vorläge oder das Ärar von einer Klage bedroht wäre, daß man dennoch im Interesse des öffentlichen Kredites sich der Zahlung des erwähnten Mehrbetrages nicht werde entschlagen können. Im Abgeordnetenhause, in welchem so viele rechtsverständige Mitglieder sich befinden, werde man sich mit einer solchen Erklärung gewiß zufriedenstellen. Übrigens sei es klug, die Sache in suspenso zu belassen, da sie bei der Debatte über das Budget pro 1863 ohnehin nochmals abgetan werden müsse. Wenn die Tragweite der Äußerung des Finanzministers in der Art präzisiert werde, könne man über die Stellen in der Interpellation, die von Verfassungsbruch etc. erwähnen, ohneweiters hinausgehen. Der Polizeiminister meinte, daß der Finanzminister entweder infolge eines Richterspruches oder eines Rechtsgutachtens der Finanzprokuratur in die Lage kommen könne, den erwähnten Mehrbetrag auszahlen zu lassen. Da nun ein solches Rechtsgutachten der Finanzprokuratur vorliege, nach welchem der für das Ärar ungünstige Ausgang eines allfälligen Prozesses hierüber vorausgesehen werden könne, so sei es bloß Sache der Rechthaberei gewesen, daß das Abgeordnetenhaus den mehrerwähnten Beschluß gefaßt habe. Da aber hienach im Budget für || S. 211 PDF || diesen Mehrbetrag keine Bedeckung vorhanden ist, so solle man es darauf ankommen lassen, daß ein Richterspruch hierüber erfolge, die Niederlage des Abgeordnetenhauses werde dann eine größere sein. Der Staatsratspräsident erwähnte, daß in der von dem Finanzminister angedeuteten Art, wie er die Interpellation beantworten wolle, über den ersten Punkt derselben: „Ob die Erklärung des Finanzministers in der Sitzung des Herrenhauses vom 9. August l. J. aufgrund einer vorausgegangenen Beratung und Beschlußfassung des Gesamtministeriums erfolgte“, keine Aufklärung enthalten wäre, die doch nach der Sachlage dahin gegeben werden müsse, daß diese Erklärung von dem Finanzminister nicht aufgrund einer Beratung und Schlußfassung des Gesamtministeriums erfolgt sei.

Die übrigen Stimmführer erklärten sich mit der Beantwortung dieser Interpellation in der von dem Finanzminister vorgeschlagenen Weise, ergänzt durch den vom Staatsratspräsidenten beantragten Zusatz, einverstanden. Übrigens sprach sich der Ministerrat dafür aus, daß die Antwort auf diese Interpellation, insbesondere die Erklärung, daß man nicht umhinkönnen wird, auch den geforderten Mehrbetrag zur Verausgabung zu bringen, jetzt im Namen des Gesamtministeriums abgegeben werde. Über Anregung von Seite des Ministers Ritter v. Lasser verzichteten alle Mitglieder der Konferenz auf die frühere Mitteilung des Aufsatzes über die Beantwortung dieser Interpellation, indem sie es für genügend erachteten, wenn der Finanzminister dieselbe mit dem Staatsminister vereinbare9.

III. Gemeindeordnung und Gemeindewahlordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns

Der Staatsminister referierte über den Entwurf einer Gemeindeordnung und einer Gemeindewahlordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns, [Beilage] 2b, welchen Entwurf er mit dem au. Vortrage vom 15. Juli l. J., Z. 2027, Sr. Majestät mit der Bitte unterbreitet habe, diesen Gesetzentwurf als Regierungsvorlage bei dem niederösterreichischen Landtage einbringen zu dürfen10. Vom historischen Standpunkte ausgehend, bemerkte der vortragende Minister, daß Se. Majestät unterm 5. März l. J. das Gesetz, womit die grundsätzlichen Bestimmungen zur Regelung des Gemeindewesens vorgezeichnet werden11, Ah. zu sanktionieren geruhten, daß über seine Veranlassung bei sämtlichen Länderstellen kommissionelle Beratungen über die hiernach auszuarbeitenden Gemeindeordnungen stattgefunden haben und daß nunmehr sämtliche im Einvernehmen mit den Landesausschüssen abgegebenen Gutachten hierüber vorliegen. Dieselben haben ein verschiedenes Aussehen, und da es notwendig sei, || S. 212 PDF || voneinander mindest abweichende Statuten in den einzelnen Ländern hinauszugeben, um einer gar großen Zersplitterung vorzubeugen, so seien im Staatsministerium Entwürfe hierüber verfaßt worden, die in den wesentlichen Punkten untereinander übereinstimmen. Besonders sei zu bemerken, daß die Entwürfe der Gemeindeordnungen für die deutsche Ländergruppe, Österreich unter und ob der Enns, Steiermark, Kärnten, Krain und Salzburg miteinander vollständig in Übereinstimmung stehen und nur bezüglich der Virilstimmen teilweise abweichende Bestimmungen enthalten12. Verschieden seien die bezüglichen Entwürfe für Tirol und Dalmatien wegen der dortigen Lokalverhältnisse. Von Bezirksgemeinden sei in den Entwürfen für die genannten Länder nirgends die Rede, diese seien nur für Böhmen, Mähren und Galizien und im letztern Lande aus dem Grunde beantragt, weil der dortige Großgrundbesitz von der Ortsgemeinde ganz ausgeschlossen sei. Er habe vorläufig nur das Gesetz für das Erzherzogtum Niederösterreich vorgelegt, um das Gutachten des Staatsrates und die Meinung des Ministerrates zu erfahren13, und werde nach Ah. Sanktion desselben in kürzester Zeit in der Lage sein, auch die Entwürfe der Gemeindeordnungen für die übrigen Länder vorzulegen. Der Staatsrat habe den vorliegenden Entwurf gutgeheißen und nur zu zwei Punkten Bemerkungen gemacht, nämlich

1., daß hinsichtlich des der Gemeinde übertragenen Wirkungskreises die Verpflichtungen der Gemeinde zur Mitwirkung in Gegenständen der öffentlichen Verwaltung zwar nicht taxativ, aber doch demonstrativ speziell namhaft gemacht werden sollen, weil dies, soweit es wenigstens die aufgezählten Angelegenheiten betrifft, manche unfruchtbare Diskussion im vorhinein in der Gemeinde beseitigen, bezüglich der übrigen nicht genannten Gegenstände aber wenigstens zum Anhaltspunkt bei Entscheidung der darüber entstandenen Zweifel dienen würde. 2. daß die mit Ah. Genehmigung erlassene Verordnung des Kriegsministers vom 14. März 1861 in Absicht auf die Wahlberechtigung aktiver Offiziere und Militärparteien mit Offizierstitel aufrechterhalten [bleiben] solle14, da eine Änderung derselben weder notwendig noch empfehlenswert scheine, die in dem Gesetzentwurfe den aktiven Offizieren zur Pflicht gemachte Bestellung von Bevollmächtigten überdies schwer ausführbar sei15 und überhaupt die Motive, welche der obigen Verordnung des Kriegsministers zum Grunde liegen, noch immer volle Geltung haben.

|| S. 213 PDF || Übergehend zur Sache selbst, erwähnte der Staatsminister, daß das Operat in drei Teile zerfalle, wovon der erste das Kundmachungspatent, der zweite das Gesetz über die Gemeindeordnung und der dritte die Gemeindewahlordnung enthalte.

Der Staatsratspräsident bemerkte, daß er erst gestern in die Lage kam, sich über diese Vorlage zu informieren, und daß er in materieller Beziehung dem Gutachten des Staatsrates beitrete. In formeller Beziehung sprach er aber die Besorgnis aus, daß dadurch, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurf Bestimmungen aufgenommen wurden, welche durch das Gesetz vom 5. März 1862 bereits Gesetzeskraft erlangt haben, Anlaß gegeben werden könnte, daß in dem einen oder anderen Landtage Bestimmungen des Reichsrates bekrittelt werden. Dies sei besonders in Böhmen und Mähren zu befürchten, wo bekanntlich separatistische Tendenzen vorherrschen. Er hätte daher geglaubt, das bereits bestehende Gesetz als Gesetz stehenzulassen und in die Gemeindeordnungen nur die erforderlichen Komplemente hineinzunehmen. Eventuell müsse er wünschen, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurfe jene Bestimmungen genau bezeichnet werden, welche bereits Gesetzeskraft haben, über welche daher eine Debatte im Landtage nicht mehr zulässig sei. Der ungarische Hofkanzler teilte das von dem Vorvotanten angeregte Bedenken, glaubte jedoch bei dem Umstande, als es notwendig sei, daß die Gemeindeordnung einen logischen Zusammenhang habe, und als es in der Anwendung lästig wäre, sich die einzelnen Vorschriften aus mehreren Gesetzen zusammenzusuchen, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurfe jene Bestimmungen, welche bereits Gesetzeskraft haben, unter Zitierung der bezüglichen Paragraphen des Gesetzes vom 5. März 1862 besonders ersichtlich gemacht werden sollen. Hiedurch würde den Länderchefs und der Regierungspartei im Landtage ihre Stellung wesentlich erleichtert werden. Der Minister Ritter v. Lasser erachtete nicht nur die Zitate des Gesetzes vom 5. März l. J. in dem vorliegenden Gesetzentwurfe für notwendig, sondern hielt es auch für geraten, daß bei der Hinausgabe des Entwurfes den Länderchefs angedeutet werde, daß eine Debatte über jene Bestimmungen, welche bereits Gesetzeskraft haben, im Landtage nur in der Richtung, welche Vorstellungen gegen allgemeine Reichsgesetze bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des betreffenden Landes beabsichtiget, zulässig sei. Der Staatsminister bemerkte hierauf, daß die Gemeindeordnung doch ein systematisches Ganzes bilden und in Grundsätze eingeteilt sein müsse, deren Entwicklung darauf zu folgen habe. Übrigens sei er mit der Zitation der Paragraphen des Gesetzes vom 5. März l. J. in dem vorliegenden Gesetzentwurfe vollkommen einverstanden, habe sie sogar selbst angeordnet, dieselbe sei jedoch aus Versehen unterblieben.

Der Ministerrat sprach sich sonach für die erwähnte Zitation aus.

Der Staatsminister schritt sodann zur Ablesung der einzelnen Paragraphen des Gesetzentwurfes und verband damit überall die Darstellung der leitenden Grundsätze. Eine besondere Debatte ergab sich nur bei nachstehenden Paragraphen: § 16. Die Anordnung des Art. VIII des Gesetzes vom 5. März 1862: „Das Landesgesetz bestimmt, ob und inwiefern auch ohne Wahl Gemeindemitglieder, sei es persönlich oder durch Stellvertreter, an der Gemeindevertretung teilnehmen || S. 214 PDF || können“, habe, wie der Staatsminister bemerkte, in dem § 16 des vorliegenden Gesetzentwurfes Ausdruck gefunden, der demgemäß die Bestimmungen enthalte, daß diejenigen nach den §§ 9 und 11 der Gemeindewahlordnung wählbaren Gemeindemitglieder, welche von den gesamten in der Gemeinde vorgeschriebenen direkten Steuern wenigstens den vierten Teil entrichten, das Recht haben, auch ohne Wahl in den Gemeindeausschuß als Mitglieder desselben einzutreten. Bei der Beratung habe sich gegen diese Bestimmung kein Anstand ergeben. Dieselbe sei geeignet, die bisherige Mißstimmung des Großgrundbesitzes, welcher nicht mehr der Gefahr ausgesetzt ist, nicht gewählt zu werden, zu beseitigen, diese Bestimmung verstoße aber auch nicht gegen die Gleichberechtigung, und es werden überhaupt nach gepflogenen Erhebungen in Österreich unter der Enns bei einem Bestande von 1600 Gemeinden nur in 80 Gemeinden solche Virilstimmen vorkommen. Die Tangente bezüglich des aliquoten Teiles von den gesamten in der Gemeinde vorgeschriebenen direkten Steuern, die für Österreich unter den Enns wenigstens mit dem vierten Teile angenommen wurde, werde übrigens in mehreren Kronländern verschieden beantragt werden.

Der Minister Graf Nádasdy stellte es der Erwägung der Konferenz anheim, ob nicht in jenen Gemeinden, bei welchen der Gemeindeausschuß nach § 13 der Gesetzvorlage wenigstens aus 18 Mitgliedern gebildet werden soll, die zwei höchstbesteuerten Mitglieder der Gemeinde oder eventuell nur ein Gemeindemitglied als Höchstbesteuerter auch ohne Wahl in den Gemeindeausschuß als Mitglieder gesetzlich berufen werden sollen, weil auf diese Art in den meisten Gemeinden die ehemaligen Grundherrn in den Ausschuß hineingelangen würden. Der Minister Ritter v. Lasser klärte hierüber auf, daß nach dem Verhältnisse von Niederösterreich, wo in mehreren hunderten von Gemeinden der Gutsbesitzer nicht das höchstbesteuerte Gemeindemitglied ist, durch eine solche Anordnung ein ganz anderes Resultat sich ergeben würde als das vom Grafen Nádasdy intentionierte. Der Staatsminister bemerkte, man könne hiebei nur das beantragen, was voraussichtlich durchgehen werde. Es müsse schon als eine Errungenschaft bezeichnet werden, wenn die im § 16 der Vorlage beantragten Virilstimmen zu Geltung kommen. In der Sache müsse eine gewisse Vorsicht beobachtet werden, weil sonst das gewünschte Resultat, welches von Demokraten angestritten werden wird, gar nicht zu erreichen sein würde. Wenn sich aber das Ganze zu sehr zersplittern würde, hätte man kaum ein Recht, mit einem Privilegium hervorzutreten. Insbesondere müßte er aber dagegen Verwahrung einlegen, daß auf das Verhältnis der ehemaligen Gutsherrn zurückgegangen werde. Der ungarische Hofkanzler unterstützte die Ansicht des Staatsministers mit der Bemerkung, daß in Galizien und Ungarn meist nicht die ehemaligen Grundherrn, sondern Juden die höchstbesteuerten Gemeindemitglieder, in den anderen Ländern es aber zum größten Teile Bräuer, Metzger und Müller seien, daß man übrigens erfahrungsmäßig mit dieser Geldaristokratie auf dem flachen Lande am meisten zu kämpfen hätte und überhaupt durch eine Anordnung nach Ansicht des Ministers Grafen Nádasdy bei den vorherrschenden demokratischen Tendenzen Gefahr liefe, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Bezüglich der Stelle im § 16, daß Militärpersonen in der aktiven Dienstleistung, denen nach dem Gesetze eine Virilstimme zukommt, wenn sie || S. 215 PDF || von ihrem Rechte, in den Ausschuß einzutreten, Gebrauch machen wollen, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen müssen, bemerkte der Kriegsministerstellvertreter , daß er zu dieser Bestimmung sowie zu jener in der Gemeindewahlordnung, welche die Wahlberechtigung der aktiven Militärpersonen behandle, dem Kriegsminister Grafen Degenfeld die persönliche Äußerung reservieren müsse. Der Staatsratspräsident sprach sich bdahin aus, daß er zwar für seine Person nichts gegen die Bestimmungen des Entwurfes hinsichtich der Militärpersonen zu erinnern habe, daß es aber wünschenswert wäre, früher zu vernehmen, ob nicht der Kriegsminister im Sinne des Staatsratsgutachtens die Aufrechthaltung der Verordnung des Kriegsministers vom 14. März 1861, Nr. 30 RGBl., für nötig haltec . Der Staatsminister erklärte, er müsse eine große Bedeutung darauf legen, daß auch die aktiven Militärpersonen in ihrem Interesse von der Virilstimme Gebrauch machen können. Beispielsweise wies er auf den FML. Grafen Clam-Gallas hin, dem als großen Grundbesitzer in so vielen Gemeinden hieran sehr gelegen sein müsse. Vor einer Kollision der Person und der militärischen Ehre könne dabei keine Rede sein, weil jeder denkbare Kontakt dadurch, daß für einen solchen Militär ein Bevollmächtigter im Ausschusse einzutreten habe, vermieden sei.

Die übrigen Stimmführer erklärten sich hierauf mit der Belassung der Stelle im § 16 bezüglich der aktiven Militärpersonen einverstanden. Der Vorsitzende Minister des Äußern gab sohin seine Absicht bekannt, den Kriegsminister ersuchen zu wollen, seine diesfällige Äußerung zu Protokoll zu geben und bis dahin mit der Vorlage des Gesetzentwurfes zu Ah. Sanktion zu wartend .

Zu § 20 bemerkte der Minister Graf Nádasdy , daß es ihm nicht zweckmäßig erscheine, daß der ganze Ausschuß und die Mitglieder des Vorstandes alle drei Jahre neu gewählt werden sollen und daß es vielleicht mehr entsprechen würde, wenn nach drei Jahren die Hälfte der Ausschußmitglieder, nach weiteren drei Jahren aber die andere Hälfte durch Neuwahlen zu ersetzen wäre, weil auf solche Art immerhin einige Ausschußmitglieder vorhanden wären, welchen eine genauere Kenntnis der Gemeindeverhältnisse und einige Geschäftsroutine zur Seite stünde. Der Staatsminister klärte hierüber auf, daß der von der Vorstimme bezeichnete Modus in den Städtestatuten vorkomme, so z. B. in jenem für Wien, nach welchem jährlich ein Dritteil der Ausschußmitglieder ausgelost und durch Neuwahlen ersetzt werde. Dies sei aber bei Landgemeinden nicht notwendig, weil die besonderen Gemeindeverhältnisse jeder Insasse hinlänglich kenne und bei den einfachen Angelegenheiten auch eine besondere Geschäftsroutine nicht erforderlich sei, daher auch kein zureichender Grund bestehe, diesen Gemeindeausschüssen einen permanenteren Charakter zu erteilen.

|| S. 216 PDF || Zu § 78, Absatz 2, enthaltend die Anordnung: Zuschläge, welche 50% der direkten Steuern oder 20% der Verzehrungssteuer übersteigen, können nur kraft eines Landesgesetzes stattfinden, bemerkte der Finanzminister , daß es ihm jedenfalls wegen der Rückwirkung auf die Steuerkraft zu hoch gegriffen erscheine, daß dem Landesausschusse ohne Zustimmung der Regierung die Ermächtigung eingeräumt werden solle, Gemeindezuschläge bis zu 50% der direkten Steuern zu bewilligen, dwogegen die Maximalgrenze höchstens mit 30—35 % festzusetzen wäre, indem die Gemeindezuschläge eben die größte Last der Steuerträger bildene . Dieser Bemerkung hielt der Staatsminister die Praxis entgegen, indem fast keine Gemeinde bestehe, die nicht tatsächlich wenigstens 50% der direkten Steuern an Zuschlägen entrichte. Die Bestimmungen der Gemeindewahlordnung, welche nach Bemerkung des Staatsministers einfach aus der Landtagswahlordnung abgeschrieben sind, wurden unter Berücksichtigung der von dem Staatsratspräsidenten zu § 4, Absatz 3, gewünschten Änderung der Worte: „öffentlicher oder Gemeindegeschäfte“ in jene „Gemeinde- oder anderer öffentlicher Geschäfte“ von dem Ministerrate einer Detailberatung nicht unterzogen16.

IV. Verhalten des Ministeriums bei der Verhandlung über das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch

Der Minister Ritter v. Lasser setzte die Konferenz von dem Fortgange der Verhandlung über das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuche im Abgeordnetenhause mit dem Bemerken in Kenntnis, daß die Beratung in der heutigen Sitzung ungefähr bis zur Mitte gediehen sei und daß sich eine wesentliche Differenz zwischen der Regierungsvorlage und den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses bisher nur bei § 6 der Regierungsvorlage, welcher auch die fakultative Firmenprotokollierung zulasse, ergeben habe17. eEr habe einverständlich mit dem Staatsminister dem Abgeordnetenhause (im Sinne des diesfälligen Beschlusses in der Sitzung des Ministerrates vom 23. November 1861) die Gründe mitteilen lassen, warum die Alinea 2 in den § 6 aufgenommen wurde, aber auch erklärt, gegen den etwas abweichenden Beschluß des Hauses nicht Einsprache erheben zu wollen. Ein für die Regierung wichtiges Prinzip ist in der Frage nicht berührt. Eine Aussicht, mit der fakultativen Protokollierung im Abgeordnetenhause durchzudringen, sei im vorhinein nicht vorhanden gewesen. Die Juristen im Hause hätten diese Bestimmung mit dem Geiste des Handelsgesetzes, insbesondere mit § 10 desselben, nicht vereinbar gehalten, und die Industriellen, welche in Hinblick auf die durch das Vergleichsverfahren und den Mißbrauch desselben hervorgerufenen Nachteile keine unbeschränkte Protokollierung wollen, hätten den Ausschlag gegeben. Sonach ist der bezügliche § 7 des Ausschußantrages, nach welchem die Protokollierung nur obligatorisch und nicht auch fakultativ sein könne, von dem Abgeordnetenhause einstimmig zum Beschlusse erhoben wordenf Er habe einverständlich mit dem Staatsminister dem Abgeordnetenhause (im Sinne des diesfälligen Beschlusses in der Sitzung des Ministerrates vom 23. November 1861) die Gründe mitteilen lassen, warum die Alinea 2 in den § 6 aufgenommen wurde, aber auch erklärt, gegen den etwas abweichenden Beschluß des Hauses nicht Einsprache erheben zu wollen18. Ein für die Regierung wichtiges Prinzip ist in der Frage nicht berührt. Eine Aussicht, mit der fakultativen Protokollierung im Abgeordnetenhause durchzudringen, sei im vorhinein nicht vorhanden gewesen. Die Juristen im Hause hätten diese Bestimmung mit dem Geiste des Handelsgesetzes, insbesondere mit § 10 desselben, nicht vereinbar gehalten, und die Industriellen, welche in Hinblick auf die durch das Vergleichsverfahren und den Mißbrauch desselben hervorgerufenen Nachteile keine unbeschränkte Protokollierung wollen, hätten den Ausschlag gegeben. Sonach ist der bezügliche § 7 des Ausschußantrages, nach welchem die Protokollierung || S. 217 PDF || nur obligatorisch und nicht auch fakultativ sein könne, von dem Abgeordnetenhause einstimmig zum Beschlusse erhoben worden, 19.

Wichtiger sei übrigens die Differenz, welche in der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses zur Sprache kommen werde, nämlich jene bei den Übergangsbestimmungen § 47 der Regierungsvorlage. Hienach seien die dermalen bestehenden Handelsregister beizubehalten, und dem Richter würde die Verpflichtung auferlegt, dieselben unter Beiziehung der Parteien nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches zu berichtigen und fortzusetzen. Der bezügliche § 48 des Ausschußantrages des Abgeordnetenhauses überläßt es den Parteien selbst, ihre Eintragungen in die Handelsregister innerhalb einer bestimmten Frist mit dem neuen Gesetze in Einklang zu bringen. Hienach würden überall neue Register angelegt werden, und es dürfte von dem Beginne der Wirksamkeit des Handelsgesetzbuches eine Eintragung in das ältere Register außer zu dem Zwecke der Löschung oder Aufhebung einer früheren Eintragung nicht mehr geschehen. Der Ausschußantrag stimme im wesentlichen mit dem diesfälligen ursprünglichen Antrage des Justizministeriums fsowie mit der bei der früheren Beratung in der Ministerkonferenz von ihm selbst (Lasser) und vom Staatsminister vertretenen, jedoch in der Minorität gebliebenen Ansichtg überein. Da der Ausschuß des Abgeordnetenhauses einstimmig sich gegen die Berichtigung der bereits bestehenden Handelsregister und für die Anlegung ganz neuer Register ausgesprochen habe, so habe er, um neue Anhaltspunkte zur Festhaltung der Regierungsvorlage zu gewinnen, schon vor längerer Zeit den Handelsgerichten und den die Handelsgerichtsbarkeit ausübenden wichtigeren Landesgerichten Druckexemplare der Regierungsvorlage und des Ausschußantragesh unter Beifügung ganz objektiv gehaltener Fragepunkte zur Begutachtung mitgeteilt, hbei welcher Fragestellung die Justizstellen nicht erkennen konnten, in welchem Sinne etwa das Justizministerium eine Antwort wünschei . Demzufolge sprachen sich die meisten Handelsgerichte für den Ausschußantrag aus, da es unmöglich sei, die erforderlichen Korrekturen in den älteren, verschieden gestalteten Registern vorzunehmen, und durch die Abänderungen und Korrekturen auch die Rechtssicherheit leiden könnte. Insbesondere sprach sich auch || S. 218 PDF || das Wiener Handelsgericht für die Anlegung neuer Register mit dem Bemerken aus, daß mit einer Korrektur der älteren Register eine unsägliche Mühe und Arbeit verbunden wäre, indem sie wenigstens drei Referenten durch drei Monate ausschließend beschäftigen würde, welchen Entgang an Arbeitskräften das Handelsgericht unmöglich erleiden könne, wenn nicht der ganze kurrente Geschäftsgang ins Stocken geraten soll20. Bei diesem Stande der Dinge und bei der Einstimmigkeit, mit welcher sich der Ausschuß für die Anlegung neuer Register aussprach, sei vorauszusehen, daß für die Regierungsvorlage im Abgeordnetenhause nicht zehn Stimmen zu gewinnen sein werden, zumal es sich nicht leugnen lasse, daß für das System des Ausschußantrages auch wesentliche Vorzüge sprechen, namentlich der, daß man auf diesem Wege mit einem Schlage überall neue und ganz gleichförmige, auf sichere Basis gestellte Bücher gewinne. Nach alledem werde die Konferenz es begreiflich finden, daß er keine Lust habe, für die Regierungsvorlage ins Feld zu ziehen, er müsse jedoch einen Beschluß des Ministerrates darüber wünschen, ob etwa der Justizministerialrat Benoni sich in der betreffenden Sitzung des Abgeordnetenhauses im Namen des Ministeriums für die Regierungsvorlage aussprechen solle oder ob sich derselbe gegenüber des bezüglichen Ausschußantrages passiv zu verhalten habe. iIm Falle, daß die Ministerkonferenz ihm darin beistimme, daß gegen den Ausschußantrag keine Opposition zu machen sei, würde er persönlich es auf sich nehmen, die Gründe, welche für die Regierungsvorlage sprechen, dem Abgeordnetenhause mitzuteilen und erst, wenn bewiesen sei, daß die Regierung gute Gründe für ihren Antrag gehabt habe, zu erklären, daß man dem Beschlusse des Hauses nicht weiter entgegentrete im Interesse der Beschleunigung der Sachej .

Der Staatsratspräsident bemerkte vor allem über die Vertretung der Regierungsvorlage in den beiden in Frage stehenden Punkten im Ausschuß des Abgeordnetenhauses folgendes: Die Anträge, welche gegenwärtig von dem Ausschusse gestellt werden, wurden bekanntlich ursprünglich von dem Justizministerium gestellt, und der Verfasser des diesfälligen Entwurfes war der Ministerialrat Benoni. Derselbe wurde den Beratungen des Staatsrates beigezogen, der Staatsrat hat sich jedoch gegen seine Anträge ausgesprochen, und die Mehrheit der Ministerkonferenz ist diesem beigetreten, und so ist die Regierungsvorlage entstanden. Ministerialrat Benoni ist also begreiflicherweise Widersacher dieser Vorlage. Im „Botschafter“ sind einige Zeit später wiederholte Aufsätze gegen die in Frage stehenden und mehrere andere Punkte unter Invektiven gegen den Staatsrat erschienen, welche nach Erachten des Votanten mit einer solchen Kenntnis des Details des Gegenstandes geschrieben sind, daß er sie nach seiner Überzeugung nur dem Ministerialrat Benoni zuschreiben kann, und diese Überzeugung wird auch von anderen geteilt21. Auch von dieser Mutmaßung abgesehen, ist es aber klar, daß || S. 219 PDF || Ministerialrat Benoni als Widersacher der Regierungsvorlage nicht wohl Vertreter derselben in dem Ausschusse des Abgeordnetenhauses sein konnte. Gleichwohl war ihm diese Vertretung in den fraglichen Punkten übertragen, und das Resultat ist, daß in dem Berichte des Ausschusses im wesentlichen seine von dem Staatsrat und der Ministerkonferenz verworfenen Anträge erscheinen. Da dem Votanten dieser Umstand und in einigen anderen Punkten die beinahe wörtliche Übereinstimmung des Textes, welchen der Ausschuß vorschlägt, mit dem nicht angenommenen Entwurfe des Justizministeriums auffiel, so nahm er Anlaß, bei Gelegenheit einer Zusammenkunft über das Preßgesetz den Abgeordneten Dr. Mühlfeld hierüber und insbesondere darüber zu befragen, woher der Ausschuß Anlaß genommen habe, auf eine ganz neue Anlage der Handelsprotokolle anzutragen, worüber ihm vom Dr. Mühlfeld die Auskunft erteilt wurde, daß Ministerialrat Benoni dieses an die Hand gegeben habe. Votant könne nun nicht verhehlen, daß ihm eine solche Art, die Regierungsvorlagen zu vertreten, mit einer gehörigen Disziplin nicht vereinbar scheine. Was aber die Sache selbst betrifft, so vermöge Votant nur bei seinen früheren Ansichten zu beharren. Die Protokollierung fakultativ zu gestatten liegt in der Natur des Verhältnisses. Ob jemand der Protokollierung bedarf oder nicht, hängt keineswegs von der Größe seiner Steuer und dem Umfange seines Geschäftes, sondern davon ab, ob die Art seines Geschäftsbetriebes es ihm notwendig macht, häufig Wechsel und andere Kreditspapiere auszustellen, bei denen er sich der Firma zu bedienen hat und rücksichtlich deren Echtheit jedermann das Handlungsprotokoll soll einsehen können. Es kann aber jemand ein sehr umfangreiches Geschäft betreiben, ohne daß er irgend in die Lage kommt, derlei Papiere auszustellen, und es kann umgekehrt ein geringerer Geschäftsbetrieb zu vielen solchen Geschäften Anlaß geben. Die Steuer ist auch darum durchaus kein richtiger Maßstab für das Bedürfnis der Protokollierung, weil ein Steuerbetrag, der in einem Kronlande als ein bedeutender erscheint, in dem anderen ein sehr geringfügiger sein kann, und umgekehrt. Auch würde die Folge davon sein, daß jedermann das Recht zur Protokollierung bald hätte, bald wieder verlöre, je nachdem seine Steuer steigt oder fällt. Nur denjenigen die Protokollierung zu gestatten, welche eine gewisse Steuergröße zahlen, wäre offenbar eine Verletzung des Grundsatzes „gleiches Recht für alle“, denn der geringere Geschäftsmann hat für seine geringeren Geschäfte ebensogut Anspruch auf das Recht, sich der Protokollierung zu bedienen, als der Reiche. Wenn die Industriellen im Abgeordnetenhause diesem widerstreben, damit die geringeren Handelsleute des Ausgleichsverfahrens nicht teilhaftig werden, so heißt dieses nichts anderes, als die großen Industriellen wollen für sich die Vorteile des Ausgleichsverfahrens genießen, sie wollen aber diese Wohltat den kleineren Handelsleuten nicht gönnen, und hierin liegt eine offenbare Ungerechtigkeit. Daß übrigens das Deutsche Handelsgesetzbuch die fakultative Protokollierung nicht ausschließt, hat Votant schon in der früheren Beratung aus dem Texte desselben gezeigt, und die Stimmenmehrheit der Konferenz hat diese Ansicht geteilt. Was die Übergangsbestimmungen betrifft, so hält es Votant jetzt wie früher für eine ganz überflüssige Schreiberei, wenn alle schon bestehenden Protokollierungen für die Folge für ungiltig erklärt und alle Parteien gezwungen werden sollen, sich neu anzumelden, || S. 220 PDF || weil die gegenwärtig bei den Handelsgerichten liegenden Anmeldungen mit sehr geringen Ausnahmen hinreichen, alles in den Handelsprotokollen zu verzeichnen, was das neue Handelsgesetz erfordert. Die dagegen vorliegenden Berichte beweisen, soviel Votant davon vernommen hat, nach seiner Überzeugung nichts dagegen. Aus denselben gingen nur hervor, daß die Protokolle, so wie sie lauten, nicht entsprechend sind und durch bloße Zusätze und Korrekturen nicht berichtigt werden können, und dieses mag insofern richtig sein, als die Protokolle mancher Gerichte sich mehr oder minder bloß auf die bei Gericht liegenden Anmeldungen und Urkunden beziehen. Hierauf kommt es aber nicht an, sondern darauf kommt es an, ob die bei Gericht liegenden Anmeldungen der Parteien und die dabei befindlichen Urkunden alles enthalten, was erforderlich ist, um das Handelsprotokoll, sei es nun durch bloße Korrekturen oder ganz neu geschrieben, in Rücksicht aller Punkte auszufüllen, welche das neue Handelsgesetzbuch erfordert, oder ob es notwendig ist, alle diese Anmeldungen beiseite zu werfen und alle Parteien zu ganz neuen Anmeldungen zu zwingen. Votant ist aber von der Zulänglichkeit der bisherigen Anmeldungen in den bei weitem meisten Fällen überzeugt, denn sowohl nach den Vorschriften für diejenigen Kronländer, für welche die Handelsprotokolle erst in den letzten Jahren ganz neu hergestellt wurden, als nach den älteren Protokollierungsvorschriften mußten die Anmeldungen viel vollständiger und über mehrere Punkte geschehen, als gegenwärtig durch das neue Handelsgesetz gefordert wird, und es kann daher keine Schwierigkeit sein, aus diesen vorhandenen Anmeldungen die Protokolle so auszufüllen, wie es das neue Gesetz vorschreibt, und es wird hinreichen, da, wo einzelne Anmeldungen nicht genügend sind, deren Ergänzung zu veranlassen. Daß diese Arbeit für die Gerichte und für die Parteien eine viel geringere ist, als wenn alle Anmeldungen weggeworfen und das ganze Geschäft durch Abforderung neuer Anmeldungen, die auch erst geprüft werden müssen, ehe sie eingetragen werden können, ganz vom Anfang zu beginnen, dürfte jedermann einleuchten. Daß übrigens, wo die gegenwärtig vorhandenen Materialien ganz unbrauchbar sind, eine neue Anlegung von Protokollen wirklich stattzufinden habe, ist in der Regierungsvorlage enthalten. Der Minister Ritter v. Lasser bemerkte hierauf, daß ihm nichts bekannt geworden, daß die von der Vorstimme erwähnten Artikel im „Botschafter“ von dem Ministerialrat Benoni herrühren, in den ersteren Ausschußsitzungen über diesen Gegenstand sei er selbst zugegen gewesen, und später habe er teils wegen Mangel an Zeit, teils weil Benoni schon durch die Verhandlungen bei der Konferenz in Nürnberg in diesem Fachgegenstand genauer eingeweiht ist, denselben als Abgeordneten des Justizministeriums hiezu entsendet. Daß Ministerialrat Benoni den Ausschuß für die von dem Justizministerium beantragten Bestimmungen hinsichtlich der obligatorischen Protokollierung zu beeinflussen gesucht habe, sei ihm nicht bekannt geworden, nur das wisse er, daß, wie einmal im Ausschusse über das Prinzip abgestimmt war, Ministerialrat Benoni mit dem Abgeordneten Dr. Mühlfeld die diesfällige Formulierung vorgenommen habe. Der Polizeiminister glaubte, daß über den ersten Punkt eigentlich keine Beratung in der Konferenz einzutreten hätte, da das Abgeordnetenhaus in der Sache schon Beschluß gefaßt habe und daher höchstens nur noch im Herrenhause für die Regierungsvorlage gestritten || S. 221 PDF || werden könnte. Bezüglich des zweiten Punktes in betreff der Übergangsbestimmungen (§ 47 der Regierungsvorlage) stimmte er mit Rücksicht auf die von dem Minister Ritter v. Lasser dargestelle Sachlage dafür, daß der Vertreter des Justizministeriums im Reichsrate auf der Regierungsvorlage diesfalls nicht zu bestehen hätte.

Mit Ausnahme des Finanzministers, der sich der Ansicht des Staatsratspräsidenten anschloß, pflichteten alle übrigen Stimmführer der Ansicht des Polizeiministers bei, und zwar Minister Graf Nádasdy insbesondere aus dem Grunde, weil die Zeit drängt, eine Aussicht, die diesfällige Bestimmung der Regierungsvorlage durchzubringen, nicht vorhanden und bei einem Konflikte zwischen beiden Häusern des Reichsrates zu besorgen stünde, daß das Gesetz über die Einführung des Deutschen Handelsgesetzbuches in dieser Session des Reichsrates gar nicht zustande kommen werde. Es ergab sich daher der Beschluß, gegen den Ausschußantrag § 48 von Seite der Regierung nicht zu opponieren22.

Wien, am 18. September 1862. Rechberg.

Fortsetzung ad III. vom 1. Oktober 1862 unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer. Gegenwärtige: Dieselben mit Ausnahme des Kriegsministerstellvertreters, FML. Freiherr v. Mertens, dann der Kriegsminister Graf Degenfeld und der Handelsminister Graf Wickenburg.

Der Staatsminister referierte, es sei der Konferenz bekannt, daß der Entwurf des Gesetzes über die Gemeindeordnung und Gemeindewahlordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns in der Sitzung des Ministerrates vom 18. September l. J. in Abwesenheit des Kriegsministers beraten und daß demselben von dem Kriegsministerstellvertreter FML. Freiherr v. Mertens die nachträgliche Erklärung in betreff des aktiven Wahlrechtes der Offiziere vorbehalten wurde. Der Kriegsminister habe nun den § 1, lit. c, der Wahlordnung „wahlberechtigt sind: c. Offiziere und Militärparteien mit Offizierstitel“ durch den Beisatz „welche sich in definitivem Ruhestande befinden oder mit Beibehalt des Militärcharakters ausgetreten sind“ abgeändert. Er müsse auf die Konsequenzen dieser Änderung aufmerksam machen. Bekanntlich sei in diesem Gesetze ein großer Wert darauf gelegt worden, daß den Großgrundbesitzern eine ausgiebige Vertretung gewahrt werde. Sie wurden daher bei der aktiven und passiven Wahlberechtigung und bei den Virilstimmen besonders berücksichtiget. Beides können nun Militärs sein, die gewählt werden oder auch ohne Wahl in den Ausschuß eintreten können. Durch die von dem Kriegsminister vorgenommene Modifikation des § 1, Absatz 2, lit. c, der Wahlordnung werden zwar die aktiven Offiziere als Gemeindeangehörige von || S. 222 PDF || der aktiven Wahlberechtigung ausgeschlossen, es werde aber dadurch keineswegs ein absolutes Fernhalten der Offiziere erzielt, indem dieselben nach § 1, Absatz 1, insoferne sie einen Realbesitz haben, als Gemeindeglieder in den Ausschuß gewählt werden können, und insoferne ihnen nach § 16 der Gemeindeordnung eine Virilstimme zukomme, auch ohne Wahl in den Ausschuß eintreten können. Nun müsse aber vom Regierungsstandpunkte es besonders gewünscht werden, daß die aktiven Offiziere auch als Gemeindeangehörige unter den übrigen Kapazitäten als wahlberechtiget erklärt werden, weil sonst diese Bestimmung auch nicht in die Städtestatute übergehen werde und weil es namentlich in den größeren Städten der Regierung daran gelegen sein muß, 30 bis 40 verläßliche Stimmen an den Ausschußberatungen teilnehmen zu lassen. Von dem besonderen Werte der Virilstimmen für die großen Grundbesitz habenden Militärs, wie z. B. Fürst Windischgrätz [und] Graf Clam-Gallas, habe er schon in der Ministerratssitzung vom 18. September l. J. Erwähnung gemacht, und da durch die Bestimmung des § 4, Absatz 2, nach welcher dienende Offiziere ihr Wahlrecht nur durch Bevollmächtigte ausüben können, dann durch die Bestimmung des § 16 des Gemeindegesetzes, daß Militärpersonen in der aktiven Dienstleistung, welche von der Virilstimme Gebrauch machen wollen, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen müssen, jeder denkbare persönliche Kontakt eines Offiziers im vorhinein beseitiget sei, so glaube er, für die Weglassung des von dem Kriegsminister zu § 1, Absatz 1, lit. c, der Wahlordnung gemachten Zusatzes, somit für die Belassung der Wahlberechtigung für die aktiven Offiziere, auch insofern sie als Gemeindeangehörige erscheinen, sich aussprechen zu sollen.

Der Kriegsminister äußerte das Bedenken, daß die aktiven Offiziere, weil sie abhängig von ihren Angehörigen sind, durch ihre Bevollmächtigten in den Gemeindeausschüssen anders stimmen werden, als man erwarte. Da er übrigens erst jetzt in die Kenntnis gelange, daß die aktiven Offiziere ihr aktives und passives Wahlrecht jedenfalls nur durch Bevollmächtigte ausüben können, so nehme er für seine Person keinen Anstand, dem Antrage des Staatsministers beizutreten, müsse übrigens in dieser wichtigen Sache die Ah. Ansicht Sr. Majestät einholen, da er sich nicht ganz von der Besorgnis freimachen könne, daß ein Offizier auch per procuram in mißliebige Verwicklung geraten und ein Offizier, der ein kleines Gut besitzt, auch durch den Bevollmächtigten kompromittiert werden könnek . Der Minister des Äußern glaubte, daß man den leitenden Grundsatz im Auge zu behalten habe, daß die Armee von jeder Teilnahme an dem politischen Leben ferne gehalten werden soll. Durch die Zulassung der aktiven Offiziere in die Gemeindeausschüsse und zu den Wahlen für dieselben werden aber die Offiziere notwendigerweise in politische Parteiungen hineingezogen werden. Diese Bemerkung widerlegte der Staatsminister damit, daß die Gemeinden keine Politik zu treiben, sondern nur für ihre eigenen Angelegenheiten || S. 223 PDF || Sorge zu tragen haben, daß die Wahlen der Gutsbesitzer in die Gemeindeausschüsse für dieselben nur vorteilhaft sein können, damit ihnen nicht ohneweiters zu große Prästationen auferlegt werden, und daß die beantragte Maßregel mit dazu beitragen werde, daß die Gutsbesitzer zu solchen übermäßigen Leistungen nicht in contumaciam verhalten werden. Der Minister Ritter v. Lasser bemerkte, daß die Sache faktisch sich derart gestalten werde, daß die aktiven Offiziere nur insoferne sie Großgrundbesitzer sind, in die Gemeindeausschüsse gelangen werden. Bezüglich der anderen Offiziere, deren Garnison von der Ortsgemeinde, kder sie angehören und zustehen, oft hundert Meilen entfernt sein kann, werde die Ausübung des Wahlrechtes in der Regel gar nicht stattfindenl . Indessen können immerhin solche Ausnahmsfälle sich ergeben, insbesondere bei den Wahlen in Wien könnte man auf die Vota aktiver Offiziere mbei den Wahlenm rechnen. Von besonderer Entscheidung sei übrigens die in Rede stehende Maßregel für die Virilstimmen. Der ungarische Hofkanzler meinte, daß die Offiziere im praktischen Leben nicht gut in solche Kollegien passen, dies trete besonders bei den pensionierten Offizieren hervor, die zu den größten Schimpfern zählen, wenig lenksam seien und denen auch bei Konflikten schwer beizukommen sei, weil sie einem besonderen Gerichtsstande unterstehen. Der Staatsratspräsident meinte, daß man entweder die ältere Verordnung des Kriegsministers vom 14. März 1861 in Absicht auf die Wahlberechtigung aktiver Offiziere und Militärparteien mit Offizierstitel intakt aufrechterhalten solle, wofür sich auch der Staatsrat in des Votanten Abwesenheit aussprach, oder daß man dieselbe ganz aufheben sollen . Ein Mittelding nach der von dem Kriegsminister vorgenommenen Modifikation, nach welcher bezüglich der aktiven Offiziere die passive Wahlbefähigung bliebe, die Wahlberechtigung ihnen aber nur insofern zustünde, als sie als Gemeindeglieder dazu berufen würden, scheine ihm nicht zweckmäßig. Übrigens habe er schon in der Konferenz vom 18. September l. J. bemerkt, daß er für seine Person gegen die Bestimmungen des Entwurfes hinsichtlich der Militärpersonen nichts zu erinnern habe23.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 6. Dezember 1862. Empfangen 8. Dezember 1862. Erzherzog Rainer.