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Nr. 260 Ministerrat, Wien, 25. August 1862 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. Rechberg 25. 8.; Nádasdy, Schmerling, Lasser 1. 9., Plener 17. 10., Forgách, Esterházy, FML. Schmerling (die BdE. leistete Degenfeld mit dem Vermerk: „FML. Schmerling abgereist“); abw. Mecséry, Degenfeld, Wickenburg, Lichtenfels, Pratobevera; BdR. fehlt.

MRZ. 1064 – KZ. 2721 –

Protokoll [II] des zu Wien am 25. August 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Finanzgesetz zum Voranschlag für das Verwaltungsjahr 1862 — Unterteilung des Voranschlags in Rubriken

Der Finanzminister referierte, daß nach stattgefundener verfassungsmäßiger Behandlung des Staatsvoranschlages für das Verwaltungsjahr 1862 von Seite beider Häuser des Reichsrates es sich um die Feststellung des bezüglichen Finanzgesetzes handelte1. Der Abgeordnete Taschek habe einen umständlichen Entwurf dieses Gesetzes, welchem er eine weitläufige Beilage zufügte, ausgearbeitet und bei den betreffenden Posten die Bedingungen und in einem zweiten Hefte die Wünsche nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses aufgenommen2. Der Staatsminister habe in der letzten Sitzung des Finanzausschusses des Abgeordnetenhauses eine Beschlußfassung über den heiklichsten Punkt in betreff der Bewilligung des Reichsrates offengehalten, da der verfassungsmäßige Einfluß des Reichsrates schon durch den Kopf des Gesetzes, in welchem von der Zustimmung des Reichsrates Erwähnung gemacht wird, gewahrt ist und daher im weiteren Verlaufe der Ausdruck „Feststellung“ des Erfordernisses und der Bedeckung angemessen erscheine, dagegen aber die von dem Abgeordnetenhause gewählten Ausdrücke „wird bewilliget“, „wird genehmigt“ beseitiget werden sollten. Der Staatsminister habe dem Finanzausschusse erklärt, den Entwurf dieses Finanzgesetzes selbst vorbereiten zu wollen, und habe ihm (dem Finanzminister) eine Abschrift dieses Entwurfes — Beilage 1a — durch den Minister Ritter v. Lasser zukommen lassen. In der Hauptsache sei im § 2 dieses Entwurfes eine ähnliche Richtung wie in der ursprünglichen Regierungsvorlage über das 1862er Finanzgesetz in betreff der Festsetzung der Bedeckung nach dem von dem Reichsrate eingenommenen Standpunkte, daß zur Einhebung der bestehenden Steuern eine Zustimmung der Reichsvertretung nicht erforderlich sei, angenommen worden. Eine klare Expression dieses Standpunktes sei jedoch in diesem Entwurfe nicht enthalten. Auch in dem Finanzgesetze über den Staatsvoranschlag für das Verwaltungsjahre 1862 || S. 199 PDF || wurde nicht gesagt: „Die Bedeckung wird festgestellt“, weil dessen § 2 mit dem Worte „Da“ beginnt. Es wäre daher angemessen und konsequent, die §§ 2 und 6 des von dem Staatsminister vorbereiteten Entwurfes zu verschmelzen und den § 2 zu fassen: „An dieser Erfordernissumme ist durch die bestehenden Steuern ein Betrag von ... bedeckt, wovon ... entfallen.“ Nachdem der Finanzminister die Bestimmungen des Absatzes 2 des kaiserlichen Diplomes vom 20. Oktober 1860 und des § 10, lit. c, des Grundgesetzes über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861, von denen die ersteren die Prüfung und Feststellung der Voranschläge der Staatsauslagen, die letzteren aber die Voranschläge des Staatshaushaltes als dem Wirkungskreise des Reichsrates zukommende Gegenstände der Gesetzgebung bezeichnen, einander gegenüber gehalten und von der Form der Gesetze über den Staatshaushalt in anderen Staaten wie in Sachsen, Preußen, Bayern, Württemberg und Belgien Erwähnung gemacht und bemerkt hatte3, daß bei der Oktroyierung einiger ausländischer Verfassungen wohl die Bestimmungen mitenthalten war, es seien bis zum ersten Zusammentritte der Kammern die bestehenden Steuern einzuheben, deren Ausschreibung könne aber dann nur alljährlich durch ein Gesetz festgestellt werden, gelangte er zu dem Schlusse, daß bezüglich der Einhebung der bestehenden Steuern ohne weitere Ingerenz der Reichsvertretung in der österreichischen Verfassung bereits eine meritale Bestimmung für alle Zukunft getroffen sei und daß daher die Wahl des von ihm vorgeschlagenen prägnanten Ausdruckes „ist durch die bestehenden Steuern bedeckt“ im Interesse der Krone nur angemessen erscheinen könne.

Der Staatsminister erklärte sich mit dieser Formulierung mit dem Bemerken einverstanden, daß er sie selbst derart verfaßt haben würde, wenn er den Entwurf des ursprünglichen 1862er Finanzgesetzes zur Hand gehabt hätte4. Der Minister Ritter v. Lasser war in erster Linie mit der Formulierung des Finanzministers einverstanden, erklärte aber auch eventuell die Fassung „die Einnahme an den Steuern wird mit ... fl. festgestellt“ als unbedenklich und dem § 10 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung entsprechend, weil dabei der Unterschied zwischen Feststellen und Bewilligen noch immer scharf gewahrt bliebe. Nachdem der Finanzminister noch bemerkt hatte, daß er voraussehe, daß das Durchbringen seiner Textierung im Reichsrate großen Schwierigkeiten unterliegen werde, weil das Abgeordnetenhaus viel weiter gegangen sei und die Wahl der Ausdrücke „bewilligt“ und „genehmigt“ anstrebe, erklärte sich der Ministerrat mit der diesfälligen Formulierung des Finanzministers einverstanden.

Der Finanzminister erwähnte ferner, daß der Staatsvoranschlag bezüglich des Erfordernisses in ein zu großes Detail, bei manchen Rubriken in den Kronländern auf Posten mit einigen hundert Gulden, eingehe. Der preußische Staatsvoranschlag pro 1863 sei viel weniger detailliert, und die Spezialisierung versteige sich dort nicht in die Kronländer. Ähnlich sei es auch in Bayern, wo nur eine Generalübersicht || S. 200 PDF || gegeben werde. Wir würden zu sehr abstechen, wenn man bei uns ein so minutiöses Detail zuließe, und man solle sich daher darauf beschränken, wenigstens bei den Landesbehörden nur die Hauptrubriken einzustellen, indem sonst das Revirement bei einer so übermäßigen Detaillierung lästig sein und das Regieren ungemein erschweren würde.

Der Staatsminister erklärte, prinzipiell mit dieser Ansicht vollkommen einverstanden zu sein, bezweifelte übrigens, daß die Regierung jetzt schon in der Lage sein werde, die Unterabteilungen aus dem Gesetze fallenzulassen, weil 1. die Regierungsvorlage selbst so enorm spezialisiert war, daß zum Beispiel das Livreegeld der Türhüter besonders eingestellt war, daher die Frage des Revirements von der Regierung selbst hervorgerufen wurde, weil 2. das Abgeordnetenhaus hierüber schon Beschluß gefaßt habe und diesen Beschluß gewiß nicht aufheben werde und weil endlich 3. die Sache eigentlich von selbst schon abgetan sei, da das Verwaltungsjahr 1862 beinahe schon abgelaufen sei. Freilich werde es in Zukunft Pflicht der Regierung sein, einen anderen Weg zu betreten und keine so eingehenden Rechnungen, wodurch nur selbst zur Kritik aufgefordert werde, zu zeigen. Diese Bemerkungen veranlaßten den Finanzminister zu erinnern, daß auch das Budget pro 1863 wieder so spezifiziert gegeben wurde und daß er wegen Anbahnung eines zweckmäßigeren Vorganges einen au. Vortrag mit dem Antrage erstattet habe, daß die Voranschlagsentwürfe in Hinkunft im kommissionellen Wege unter Beiziehung von Abgeordneten aller Zentralstellen zusammengestellt und dabei nur die Form des Rechnungsabschlusses gewählt werden solle5. Der Minister Ritter v. Lasser meinte, von dem Gesichtspunkte ausgehend, daß der von dem Staatsminister verfaßte Entwurf des Finanzgesetzes keine Regierungsvorlage, sondern nur ein Ausarbeitungssubstrat sei, daß es noch immer möglich sein werde, gewisse Bedenken noch geltend zu machen. So werde er nicht unterlassen, das Abgeordnetenhaus aufmerksam zu machen, wie unzweckmäßig es zum Beispiel beim Baudienste sei, den Etat auf ein Land zu beschränken, da besondere nicht vorherzusehende Eventualitäten, eine Überschwemmung, größere Feuerschäden etc., notwendigerweise einen Riß in die Rechnung machen und das Erfordernis von Nachtragsdotationen in einem Lande herbeiführen müßte, obgleich die Deckung für dererlei Auslagen aus Ersparnissen der gleichnamigen Rubrik der anderen Länder anstandslos gefunden werden könnte. Derlei Bemerkungen seien immerhin noch möglich und haben manchmal doch noch Effekt. Der Minister Graf Nádasdy war gleichfalls der Ansicht, daß die Unterabteilungen aus dem Gesetze fallen zu hätten und daß jeder Minister für diesen Grundsatz kämpfen solle, wenn die beiden Häuser des Reichsrates wieder zusammentreten werden.

|| S. 201 PDF || Die Folge werde lehren, ob dieselben nachgeben oder nicht, und dann werde es an der Zeit sein, über den Gegenstand in der Ministerkonferenz Beschluß zu fassen. Es vereinigte sich hierauf der Ministerrat mit der Ansicht des Finanzministers, daß alle Unterabteilungen im Gesetze wegzulassen wären und daß alle Minister, jeder in seinem Ressort, diesen Grundsatz zu verteidigen hätte, wenn der Reichsrat seine Tätigkeit wieder aufgenommen haben wird6.

Der Staatsminister bemerkte hierauf, nachdem über die Stellung, welche das Ministerium in dieser Frage einzunehmen hätte, Beschluß gefaßt war, daß es mit Rücksicht auf die vorausgegangenen Verhandlungen zweckmäßig sein dürfte, auf den vorliegenden Entwurf des Finanzgesetzes — dessen Schlußredaktion dem Finanzminister auch im Hinblick auf die von ihm gewünschten Modifikationen im Eingange und insbesondere in der von ihm nicht als vollkommen treffend erkannten Bezeichnung „Finanzgesetz über den Staatsvoranschlag für das Verwaltungsjahr 1862“ zu überlassen wäre — ausdrücklich die Worte ersichtlich zu machen: „Nach dem vom Staatsminister verfaßten Entwurfe“. Seine Aufgabe würde es dann sein, mit dem Berichterstatter Taschek diesen Entwurf in das rechte Geleise zu bringen und denselben dem gefaßten Beschlusse zu akkommodieren.

Hiemit, sowie mit der Ansicht des Finanzministers , daß die von dem Abgeordnetenhause bei einigen Positionen eingestellten Bedingungen aus dem Gesetze ausgeschieden und in die, die Wünsche und Erwartungen des Hauses enthaltende Beilage aufzunehmen wären, erklärte sich der Ministerrat einverstanden7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 13. September 1862.