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Nr. 246 Ministerrat, Wien, 9. Juli 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 13. 7.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, FML. Schmerling; abw. Degenfeld, Pratobevera; BdR. Rechberg 1. 8. Teildruck (III): SRBIK, Quellen zur deutschen Politik Österreichs 2, Nr. 281.

MRZ. 1050 – KZ. 2247 –

Protokoll des zu Wien am 9. Juli 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Beschwerde der rumänischen Intelligenz des Arader Komitates wegen Beeinträchtigung ihrer Nationalität — Gesetzesvorschlag zum Schutz der Nationalitätenrechte in Ungarn

Der Staatsratspräsident referierte über die au. Vorträge des Statthalters von Ungarn vom 24. April l. J., Z. 9156, dann des ungarischen Hofkanzlers v. 29. April l. J., Z. 6966, in betreff einer Beschwerde der romänischen Intelligenz des Arader Komitates wegen Beeinträchtigung ihrer Nationalität1. Die Beschwerden und Bitten, welche in dem von 33 Vertretern der romänischen Intelligenz im Arader Komitate unterzeichneten, dem Statthalter in Ungarn Grafen Pálffy unterm 8. März l. J. mit dem Ah. Auftrage zur Anordnung der notwendigen Verfügungen und sohinigen Berichterstattung zugefertigten Majestätsgesuche enthalten sind, lassen sich auf 6 Punkte zusammenfassen2, über welche Graf Pálffy aufgrund der bei seiner Anwesenheit im Arader Komitate gewonnenen eigenen Anschauungen in nachfolgender Weise seine Ansichten aussprach:

1. Klagen über den Druck und die systematisch betriebenen nationalen Verfolgungen von Seite der Magyaren während des Jahres 1861, wobei der gewesene Obergespan || S. 97 PDF || Johann Bohus insbesondere beschuldigt wird, jene Rücksichten ganz außer acht gelassen zu haben, auf welche die Romänen infolge des Ah. Diplomes vom 20. Oktober 1860 Anspruch zu machen berechtigt sind3.

2. Beschuldigungen gegen den derzeitigen königlichen Kommisär Ludwig Hofbauer, daß er wegen feindseliger Gesinnungen gegen die Romänen und bei inniger Beziehung zu Bohus dessen eingeschlagene Richtung ebenfalls verfolge.

3. Bitte der Rumänen, einen Mann aus ihrer Mitte an die Spitze des Komitats gestellt zu sehen.

Über diese im Zusammenhange stehenden drei Punkte habe Graf Pállfy bemerkt: ad 1: Es sei das Vorgehen der Jurisdiktionen aus dem vorigen Jahre in einer ultramagyarischen Richtung zu notorisch bekannt, als daß an der Begründung der vorliegenden Klage gezweifelt werden könnte, und es habe der gewesene Obergespan Johann Bohus unzweifelhaft dargetan, daß er dem Ah. Vertrauen nicht zu entsprechen vermochte, daher er (Graf Pállfy) beantrage, denselben bei einem sich ergebenden Anlasse der Würde des Obergespans, die er noch zeitlich bekleide, umsomehr gänzlich zu entheben, als er weder in bezug auf die Fähigkeit noch Tätigkeit den etwa zu stellenden Anforderungen je entsprechen dürfte; ad 2 glaube er den königlichen Kommissär Ludwig Hofbauer gegen die Beschuldigung einer feindseligen Gesinnung gegenüber den Romänen in Schutz nehmen zu sollen, denn Hofbauer sei ein vom Pflichtgefühle durchdrungener ehrenwerter Beamter, dessen Komitat sich in musterhafter Ordnung befinde und dessen Beeinflussung von Seite des gewesenen Obergespans nicht angenommen werden könne, obschon derselbe andererseits von der Schuld hinsichtlich der nachfolgenden Beschwerdepunkte — Sprachenfrage, Auswahl von Beamten, Notären etc. — insoweit nicht freigesprochen werde, daß er den wahrgenommenen Eigenmächtigkeiten oder Nachlässigkeiten seiner Untergebenen nicht mit größerer Energie entgegentrat, weshalb ihm auch ein Verweis erteilt worden sei; ad 3: Wenn auch die Bedachtnahme auf Persönlichkeiten der nicht ungarischen Elemente als ein in allen Zweigen des Dienstes zur Geltung zu bringender Grundsatz anerkannt werden müsse, so könne er doch in diesem Augenblicke keinen Romänen vermöge seiner sonstigen Eigenschaften als geeignet bezeichnen, an die Spitze des Arader Komitates gestellt zu werden, abgesehen davon, daß die Entfernung Hofbauers aus gar keiner Ursache wünschenswert erscheine. Der ungarische Hofkanzler habe sich in seinem au. Vortrage mit diesen Ansichten des Statthalters vollkommen einverstanden erklärt. Der Staatsrat habe sich mit überwiegender Majorität für die sofortige definitive Enthebung des Bohus von dem Obergespansamte ausgesprochen, nachdem derselbe || S. 98 PDF || ganz unzuverlässig sei und andere geeignete Persönlichkeiten romänischer Nationalität zur Bekleidung dieses Postens vorhanden seien, wie Szerb, Pópa, die beiden Brüder Moisonyi und Babesch. Weiters habe der Staatsrat erachtet, daß Se. Majestät den ungarischen Hofkanzler zu beauftragen beruhen dürften, im Hinblick auf die der romänischen Bevölkerung mit der Ah. Entschließung vom 27. Dezember 1860 gegebene Zusicherung im Vernehmen mit dem Statthalter in Ungarn für diesen Posten einen vollkommen befähigten und vertrauungswürdigen Mann unter vorzugsweiser Berücksichtigung der Individuen romanischer Nation in Vorschlag zu bringen4. Der Staatsratspräsident bemerkte, daß er die Ansicht des Staatsrates, es sei Johann Bohus definitiv zu entheben und bei der Besetzung vorzugsweise ein Individuum romanischer Nation in Vorschlag zu bringen, unbedingt teile, weil allseitig anerkannt sei, daß Bohus kein Vertrauen verdiene und daher kein Grund vorhanden sei, auf eine gelegene Zeit zu seiner Entfernung weiters zu warten, weil aber auch andererseits Hofbauer, wenn er gleich vom Statthalter in Schutz genommen werde, in bezug auf die Geschäftssprache den ausdrücklichen Ah. Anordnungen zuwiderlaufende Verfügungen hingehen gelassen habe und auch der Polizeiminister wichtige Bedenken gegen die fernere Belassung Hofbauers als königlichen Kommissär im Arader Komitate vorgebracht habe und weil er überhaupt die Überzeugung habe, daß die Reibungen unter der dortigen Bevölkerung nie aufhören werden, solange nicht ein Romäne an der Spitze des Komitates stehen werde. Übrigens wäre sich nach seiner Ansicht hiebei nicht auf die Ah. Entschließung vom 27. Dezember 1860 zu beziehen, da dieselbe speziell nur für die Woiwodina und das Temescher Banat erflossen sei.

Der ungarische Hofkanzler äußerte seine Besorgnis, daß durch diese Verfügungen die Nationalitätsreibungen im Arader Komitate, die bereits beigelegt seien, wieder aufgefrischt werden dürften. Er habe den Hofbauer früher nicht gekannt, ihn jedoch als königlichen Kommissär aus der Liste der disponsiblen Beamten des Süd-Biharer Komitates gewählt, weil er gut romanisch spricht und gegen seine Amtsleitung nicht eingewendet worden war. Hofbauer entspreche auch vollkommen auf seinem dermaligen Posten, das Arader Komitat sei gut administriert, und der Statthalter sowie er seien mit der Tätigkeit und Energie des Hofbauer zufrieden. Die Bestrebungen der Romänen, bei der letzten Organisierung vorzukommen, seien bekannt, kein Mittel sei ihnen zu schlecht gewesen, um ihren Zweck zu erreichen. Einige — fünf bis sechs — Individuen haben die Agitation ins || S. 99 PDF || Werk gesetzt und alle möglichen Verdächtigungen und Mißtrauensvoten gegen Hofbauer vorgebracht, um ihn von seinem Posten zu entfernen. Auf diese ungegründeten Anschuldigungen habe er jedoch keine Rücksicht genommen, weil Hofbauer seiner Aufgabe mit sehr viel Takt entsprochen habe. Er habe auch für denselben dermalen keinen anderen Posten, auf den er ihn versetzen könnte, erkläre sich übrigens bereit, denselben bei sich ergebender Gelegenheit anderswohin zu versetzen. Zur Entfernung des Bohus sei diesmal keine Ursache vorhanden, er habe seit zehn Monaten nichts getan, was ihm zur Last gelegt werden könnte, er sei kein Oppositionsmann, habe sich speziell gegen die kaiserliche Regierung nichts zuschulden kommen lassen, er sei im Komitate stark begütert, und es sei klug, daß man ihm seinen Titel als Obergespan gelassen habe, da er dereinst bei den Landtagswahlen der Regierung gute Dienste leisten wird. Er stimme daher gegen die Entlassung des Bohus, weil kein Grund vorhanden sei, ihn zu verletzen, und weil derselbe, wenn man es wünschen würde, morgen seine Resignation selbst einschicken würde. Der Minister Graf Nádasdy erachtete es vor allem für wünschenswert, daß alle jene, die als Obergespäne belassen wurden, ohne ihr Komitat selbst zu leiten, langsam entfernt werden und daß man damit bald anfangen solle, weil diese Titularobergespäne als Pairs des Königreiches in eine falsche Stellung geraten seien5. Die dermalige Entfernung des Bohus aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde halte er nicht für angezeigt, vielmehr werde es, wenn man einmal angefangen haben werde, die Obergespäne, die keine Dienste leisten, zu entfernen, an der Zeit sein, auch dem Bohus einen geeigneten Wink zu geben. Was den Hofbauer betreffe, so müsse er großen Wert darauf legen, daß derselbe bei nächster Gelegenheit anderswohin versetzt werde, wozu in dem großen Königreiche Ungarn die Gelegenheit nicht lange auf sich warten lassen dürfte, denn nach dem, was er von ziemlich unparteiischen Leuten gehört habe, werde er kein schlechter Prophet sein, wenn er ausspreche, daß unter Hofbauers Leitung im Arader Komitate nie eine Ruhe sein werde. Was endlich die Wahl eines neuen Obergespans oder Administrators für das Arader Komitat betreffe, so müßte dieselbe nach dem früheren Plane, wonach in jenen Gebieten, wo sich eine dicht gedrängte romänische Bevölkerung befindet, für den öffentlichen Dienst nur geeignete Männer dieser Nationalität als Beamte angestellt werden sollen, wohl auf einen Romänen fallen, da mehr als drei Viertel der dortigen Bevölkerung der romänischen Nationalität angehören. Es sei jedoch nicht zu verkennen, daß damit immer eine Verlegenheit für die Regierung erwachsen werde, weil sich der romänische Obergespan immer an die Spitze der nationalen Bewegung stellen werde. Es wäre daher bedenklich auszusprechen, daß der für diesen Posten Vorzuschlagende ein Romäne sein müsse, und daher geraten, daß Wort „vorzugweise“ in dem vom Staatsratspräsidenten formulierten Resolutionsentwurfe wegzulassen. Wenn übrigens ein Romäne, der volles Vertrauen verdiene und sonst auch die erforderlichen || S. 100 PDF || Eigenschaften besitze, wie vielleicht Pópa oder Moisony, der eine vorzügliche Leitungsgabe besitze und immer zu der kaiserlichen Partei gehalten habe, für diesen Posten in Vorschlag gebracht werden sollte, so bestünde nach seiner Ansicht durchaus kein Anstand, einen solchen Vorschlag Sr. Majestät zu empfehlen. Hierauf bemerkte Graf Forgách , daß Pópa, den er selbst befragt habe, eine Obergespans- oder Administratorsstelle nicht anstrebe, sondern mit Vorliebe die juridische Karriere verfolge. Der Polizeiminister bemerkte, daß die vorliegenden Verhandlungen aus einer Zeit herrühren, wo die Organisierungen stattfanden, und daß dieselben die erste Zeit der Amtierung des Hofbauer betreffen, wo man ihn mit einer Verbindung mit Bohus gehalten und wo sich allgemein die Meinung geltend gemacht habe, daß eigentlich Bohus es sei, der das Komitat leite. Dermalen sei jedoch die Situation eine andere, es handle sich nicht mehr um Maßregeln, um die Wünsche der Bevölkerung zu erfüllen, sondern um einen Richterspruch über die vorliegenden Beschwerden. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen sei es aber schwer, bezüglich des Bohus einen augenblicklichen Wechsel auszusprechen, da ostensibel hiezu kein Anlaß vorhanden sei, dessen baldige Entfernung in einer Weise, wie Minister Graf Nádasdy dieselbe angedeutet habe, erscheine übrigens auch ihm zweckmäßig. Auch er müsse großes Gewicht darauf legen, daß Hofbauer, der fortwährend gegen zum Teile verdiente Antipathien zu kämpfen habe, anderswo als im Arader Komitate einen Wirkungskreis erhalte, glaube übrigens, daß bei der Wahl eines neuen Komitatsleiters einem Romänen der Vorzug zu geben wäre, weil ein solcher mehrere Garantie verspräche. Der Staatsminister erachtete in erster Linie, auf die baldige Enthebung des Hofbauer von seinem dermaligen Posten antragen zu sollen. Derselbe sei zwar ein tüchtiger Beamter, habe aber bei seiner Funktion Unglück und könne es niemandem recht tun. Wenn er auch einen deutschen Namen führe, sei er doch ein entschiedener Magyare, und daß die Renegaten die ärgsten Parteiumtriebe machen, sei eine notorische Tatsache. Er habe auch von ganz ruhigen Männern gehört, daß die Stellung des Hofbauer unhaltbar geworden sei, man halte ihn für einen Sohn des Bohus und äußere die Ansicht, daß durch den stattgefundenen Wechsel in der Komitatsleitung nichts geändert worden sei, weil Bohus als Intrigant auf Hofbauer immerhin einen Einfluß ausübe, den er vermöge seiner Kapazität wohl nicht geltend zu machen in der Lage wäre. Andererseits müsse er dringend anraten, alle Obergespäne, die ihre Komitate nicht selbst leiten, alsbald in einer anständigen Weise zu entfernen. Dieselben haben sich keine Meriten erworben, sie nützen nichts, und das Halten derselben en reserve neutralisiere nur das Wirken der Administratoren oder königlichen Kommissäre. Das alte System lasse sich nicht mehr aufrechterhalten, in jetziger Zeit sei mit illüstren Namen und begüterten Leuten, die nicht folgen, nicht gedient. Es sei eine Anomalie und ein entschiedener Nachteil, diese Leute fortfigurieren zu lassen. Man solle darüber hinausgehen, gerade Magnaten an die Spitze der Komitate zu stellen, es werden sich hiezu auch unter dem mittleren Adel geeignete Personen finden, und wenn unter ihnen einer mit einem illüstren Namen den Vorzug verdiene, so werde dies allerdings nur umso besser sein. Er glaube daher, daß man diesen Anlaß benützen solle, die Sache prinzipiell zu lösen, dann werde auch die Frage über die Entfernung des Bohus von || S. 101 PDF || selbst gelöst sein. Der Minister Ritter v. Lasser war gleichfalls der Ansicht, daß Hofbauer auf seinem dermaligen Posten nicht mehr haltbar sei, weil demselben Verdächtigungen entgegenstehen. Übrigens sei kein Anlaß, ihn fallen zu lassen, es wäre daher angezeigt, ihn als Administrator in ein anderes Komitat zu versetzen. Bezüglich der Zweckmäßigkeit der Entfernung aller nicht in Funktion stehenden Obergespäne teile er die Auffassung der Vorstimme, da es unvermeidlich sei, daß die Träger der Autorität sich an den betreffenden Obergespan anschließen, ein Weg, den auch Hofbauer gegangen sei. Übrigens halte er es nicht für angemessen, den Bohus Knall und Fall zu entlassen. Der Finanzminister trat dem Antrage des Staatsratspräsidenten mit Ausnahme der sogleichen definitiven Enthebung des Bohus, in welcher Beziehung er der Ansicht des Grafen Nádasdy beipflichtete, bei und stimmte auch bezüglich der Aufforderung zur Vorschlagserstattung für den Posten eines Obergespans im Arader Komitate für die Beibehaltung des Passus unter vorzugsweiser Berücksichtigung der Individuen romanischer Nation. Der Minister des Äußern, der Handelsminister und der Minister Graf Esterházy stimmten der Ansicht des Ministers Grafen Nádasdy, und zwar Graf Esterházy aus der Rücksicht bei, weil er die beantragte Modalität für gemäßigt und nicht überstürzt, daher auch für praktisch hielt und prinzipiell gegen den Grundsatz, daß Regierungsbeamte aufgrund der Petition einer Korporation entfernt werden, eingenommen sei. Der Kriegsministerstellvertreter trat dem Antrage des Staatsministers bei.

Es ergab sich daher in allen Positionen durch Stimmenmehrheit der Beschluß im Ministerrate auf Einraten: 1. auf Versetzung des Hofbauer auf einen anderen Dienstposten bei der nächsten Gelegenheit. 2. gegen die sogleiche Enthebung des Bohus von der Obergespanswürde, dafür aber auf die Einleitung der alsbaldigen Entfernung sämtlicher nicht fungierender Obergespäne, und 3. auf die Weglassung der Worte „unter vorzugsweiser Berücksichtigung der Individuen romanischer Nation“ an der bezeichneten Stelle des Resolutionsentwurfes. Der Staatsratspräsident schritt hierauf zum Vortrage bezüglich des Beschwerdepunktes: 4. Klage, daß den Romänen die Wohltaten der Ah. Bestimmungen vom 20. Oktober 1860 in bezug auf die Geschäftssprache in den Gemeinden verweigert werden6. Der Statthalter Graf Pálffy habe seine Überzeugung ausgesprochen, daß die zu Reibungen und Mißstimmungen Veranlassung bietenden Hemmnisse in der Durchführung der Ah. gemachten sprachlichen Zugeständnisse nur dadurch nachhaltig beseitiget werden können, wenn die Regelung der Geschäftssprache in den nicht ungarischen oder gemischten Gemeinden unter direktem behördlichen Einflusse vorgenommen und durch eine genaue, der Ah. Willensmeinung entsprechende Vorschrift festgestellt werde. Zu diesem Zwecke sollen die Gemeinden aufgefordert werden, über die Einführung ihrer Geschäftssprache ordnungsmäßig abzustimmen, und das in ein Protokoll aufzunehmende Resultat soll dann sowohl für die Gemeinden wie für die Regierungsorgane als unabweisliche Norm gelten. Das Amt des Gemeindenotärs soll sodann nur von solchen Individuen bekleidet || S. 102 PDF || werden, welche der von der Gemeinde gewählten Geschäftssprache in Wort und Schrift mächtig sind, doch sei es wünschenswert, daß die Notäre der nicht ungarischen Gemeinden auch in der ungarischen Sprache bewandert wären, um den Verkehr mit anderen Gemeinden zu vermitteln. Der ungarische Hofkanzler habe diese Maßregel, welche, wie er meint, die nationale Zwietracht auch dort erregen könnte, wo bisher Friede und Eintracht herrschte, nicht für zweckmäßig erachtet und wolle den behördlichen Schutz der betreffenden Muttersprache bloß auf das innere Gemeindeleben beschränkt wissen. In dieser Beziehung halte derselbe es für hinreichend, daß den Komitatsleitern und Komitatsbeamten unter neuerlicher Hinausgabe der bezüglich der Geschäftssprache in Ungarn erlassenen Ah. Bestimmungen zur strengsten Pflicht gemacht werde, die Landesbewohner und Gemeinden in den ihnen durch das Ah. Handschreiben vom 20. Oktober 1860 gewährten Begünstigungen nicht nur nicht zu beeinträchtigen, sondern mit aller ihnen zu Gebote stehenden Macht zu schützen, insbesondere 1. auf die Eingaben und Bittschriften einzelner Parteien, die Erledigung in derselben Sprache eintreten zu lassen, in welcher die Eingabe selbst gemacht wurde; und 2., da die Gemeinden bei Behandlung der Gemeindeangelegenheiten sich ihrer Nationalsprache ohne alle Anfechtung frei bedienen können, in den Gemeinden gemischter Nationalität entweder die Sprache, in der die Kirchenpredigten gehalten werden, oder, wo dies nicht möglich wäre, jene Sprache, die der Wille der konstatierten Mehrheit wählt, als Gemeindegeschäftssprache einzuführen. Bei der Beratung im Staatsrate habe sich die Mehrheit der Stimmen gegen den von dem Hofkanzler vorgeschlagenen Modus, der dem angestrebten Zwecke nicht vollkommen entspreche, und für den Antrag des Statthalters, daß die Festsetzung der zu wählenden Geschäftssprache nur durch Abstimmung in den einzelnen Gemeinden auf protokollarischem Wege zu geschehen hätte, ausgesprochen. Auch habe der Staatsrat erachtet, daß die aus Anlaß der in den romanischen Gemeinden über die Wahl der Geschäftssprache angewendeten gedruckten Protokollsformularien von der Statthalterei angeordnete Erhebung gegen die Urheber dieser Protokolle auf sich zu beruhen hätte, weil denselben keine unerlaubte Absicht zugrunde liege. Endlich habe der Staatsrat geglaubt, daß Se. Majestät den Ah. Willen auszusprechen geruhen dürften, daß die in der Ah. Entschließung vom 27. Dezember 1860 hinsichtlich der Wahl öffentlicher Beamter von der romänischen Nationalität für das Temescher Banat gegebene Vorschrift auch in anderen Teilen des Landes mit Berücksichtigung der betreffenden Nationalitäten beobachtet werde und daß für die genaue und den untergeordneten Organen strenge einzuschärfende Befolgung dieser Ah. Absichten der Hofkanzler verantwortlich zu machen wäre. Der Staatsratspräsident war der Ansicht, daß eine Abstimmung nur dort nötig sei, wo die Bevölkerung eine gemischte sei, er meinte jedoch, daß die Abstimmung überhaupt nur dann eintreten solle, wenn ein Streit entstehe, da durch die Einleitung solcher Abstimmungen von Amts wegen in der Tat leicht Anlaß zu Agitationen und Reibungen gegeben werden könnte. Anbelangend den Antrag des Staatsrates, daß dem Statthalter die weitere Verfolgung der Erhebungen in betreff der Protokollsformularien zu den Abstimmungen der Gemeinden untersagt werden sollte, riet er von einem solchen Ah. Auftrage ab, weil der Ton, in welchem diese || S. 103 PDF || Blankette abgefaßt seien, und der Umstand, daß sie in Druck gelegt wurden, den Verdacht einer beabsichtigten Agitation nicht ganz ausschließe und dem Statthalter in keinem Falle vom Ah. Throne vorgegriffen werden sollte. Auch die vom Staatsrate beantragte Stelle im Resolutionsentwurfe, worin die Ausdehnung der Ah. Entschließung vom 27. Dezember 1860 unbedingt auf das ganze Land ausgesprochen würde, wäre nach seiner Ansicht wegzulassen, ohne dadurch auszuschließen, daß es dort, wo die Bevölkerung eine größtenteils romanische sei, ratsam und billig erscheine, vorzugsweise auf Individuen romanischer Nationalität Rücksicht zu nehmen7.

Der ungarische Hofkanzler verharrte bei seinem in dem au. Vortrage vom 29. April l. J., Z. 6966, gestellten Antrage, indem er die Ansicht aussprach, daß die Haupttendenz, die er und Graf Pálffy anstrebe und die auch in dem Ah. Diplome vom 20. Oktober 1860 verlangt werde, jene sei, daß den Gemeinden und Landesbewohnern die immediate letzte Erledigung in jener Sprache erteilt werde, in welcher ihre Eingaben und Gesuche abgefaßt seien. Er habe sich gegen die nominelle Abstimmung ausgesprochen, weil es unverkennbar sei, daß dadurch Reibungen hervorgerufen werden. Wo einzelne Klagen vorkämen, hätte man zu konstatieren, welche Sprache in gemischten Gemeinden die Majorität für sich habe, und die Entscheidung darnach zu treffen. Unter den dermaligen Verhältnissen sei es auch nicht angezeigt, den Gemeinden die Wahl ihrer Notäre zu lassen. Der Minister Graf Nádasdy bemerkte, daß es keinem Anstande unterliegen würde, in gemischten Gemeinden die Sprache, in der die Kirchengemeinden gehalten werden, als die Sprache der Majorität der Gemeinde anzusehen, wenn alle Gemeindeinsassen sich zu einer Religion bekennen würden. Da jedoch mitunter in ein und derselben Gemeinde die Kirchenpredigten für die ag[riechisch] u[nierten] oder disuniertena Romanen in romanischer, für die Reformierten aber in ungarischer Sprache gehalten werden, könne dieser Grundsatz nicht als maßgebend angesehen werden. Zweckmäßiger sei es, jene Sprache für die Gemeindesprache anzusehen, welche die absolute große Majorität der Gemeindeinsassen spreche, hierüber könne aber kein Zweifel bestehen, indem verläßliche statistische Tabellen, die auch der ungarischen Hofkanzlei zu Gebote stehen, darüber den Aufschluß erteilen. In gemischten Gemeinden hätte daher der Stuhlrichter eine Vereinbarung hierüber zu treffen, und es würde unter gewissen Umständen von dem Obergespan abhängen, in einigen Gemeinden auch beide Sprachen als Gemeindesprachen zu erklären. Eine allgemeine Maßregel in dieser Beziehung, wie sie der Statthalter beantrage, schiene ihm nicht zweckmäßig. Auch sei er mit dem Grafen || S. 104 PDF || Forgách einverstanden, daß es noch nicht an der Zeit sei, den Gemeinden die Wahl der Notäre zu überlassen. Was die Untersuchung wegen der Protokollsblankette betreffe, so solle man selbe ihren Weg fortgehen lassen und den Statthalter auffordern, das Ergebnis derselben Sr. Majestät anzuzeigen. Der Polizeiminister war gleichfalls der Ansicht, daß bei dem Umstande, als die Vorschrift bestehe, daß den Gemeinden die Wahl der Sprache freistehe, die beantragte Maßregel der gemeindeweisen Abstimmung ungeeignet erscheine. Die Beschwerdepunkte 5. und 6. wurden, als durch Verfügungen des Statthalters bereits erledigt, im Ministerrate nicht weiter besprochen8.

Der Staatsratspräsident referierte endlich über den Antrag des Staatsrates wegen Ah. Aufforderung des ungarischen Hofkanzlers zur Vorlage eines Gesetzvorschlages zum Schutze der Nationalitätsrechte der Landesbewohner Ungarns nichtmagyarischer Zunge, sowohl hinsichtlich ihrer Sprache und nationalen Entwicklung als auch ihres die öffentliche Verwaltung betreffenden Verhältnisses, welcher Gesetzesvorschlag bis zur Einführung des nächsten Landtages im administrativen Wege provisorisch auszuführen und dem Landtage seinerzeit in der Form einer königlichen Proposition mitzuteilen wäre. Er habe gezweifelt, ob es in der Wirksamkeit des Staatsrates gelegen sei, in solchen Sachen die Initiative zu ergreifen. Teilweise seien solche Verhandlungen bezüglich der Woiwodina schon anhängig, und er halte die beantragte Verfügung für zweckmäßig, glaube jedoch, daß die Ah. Aufforderung hiezu nicht in Erledigung der vorliegenden au. Vorträge, sondern mit besonderen Ah. Handschreiben an den Hofkanzler zu ergehen hätte. Der ungarische Hofkanzler sprach sich entschieden gegen diesen Antrag aus, da es bei den gegenwärtigen Zeitverhältnissen nicht opportun wäre, zu den vielen pendenten außerordentlichen Fragen auch noch die vom Staatsrate angedeutete anzureihen, indem dadurch die Nationalitäten nur aufgeregt und zu Petitionen eingeladen [werden würden] und anstatt einer Konsolidierung nur eine Aufregung der Gemüter veranlaßt werden würde. Je mehr man in solchen Beziehungen handle, desto mehr werde man schaden und den beabsichtigten Zweck nicht erreichen. Wo einzelne gerechte Klagen vorkämen, müsse man, bei dem Ah. ausgesprochenen Grundsatze der Gleichberechtigung der Nationalitäten, die geeignete Abhilfe verschaffen, und dadurch werde man alle Parteien befriedigen. Der Minister Graf Nádasdy teilte die Ansicht des ungarischen Hofkanzlers, daß zu Kommissionen und Manifesten in dieser Beziehung kein Anlaß vorhanden sei, weil, wenn die Obergespäne ihre Schuldigkeit tun und die untergeordneten Beamten in deren Geiste wirken, die Gleichberechtigung von selbst Platz greifen werde. Dies hindere jedoch nicht, daß sich der ungarische Hofkanzler mit dieser Frage schon jetzt beschäftige und sie für den nächsten Landtag vorbereite. Der Staatsminister war gleichfalls der Ansicht, daß man die angeregte Frage nicht aus Anlaß der vorliegenden Petition nebenbei in Verhandlung nehmen solle. Wenn übrigens Graf Forgách glaube, die ganze Sache auf sich beruhen zu lassen, so könne er dem nicht beistimmen. Denn einerseits sei in der Antwort auf die erste || S. 105 PDF || Landtagsadresse mit [dem] Ah. Reskripte vom 21. Juli 1861 der ungarische Landtag Ah. aufgefordert worden, die Verhandlung eines Gesetzesvorschlages in Angriff zu nehmen, welcher die Nationalitätsrechte der Bewohner des Königreiches Ungarn nichtungarischer Zunge, den Umfang derselben sowohl hinsichtlich ihrer Sprache und nationalen Entwicklung als auch ihres die öffentliche Verwaltung betreffenden Verhältnisses bestimmt und deutlich formuliert zu enthalten hätte9, und andererseits habe auch der Landtag selbst die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes anerkannt, indem er noch im letzten Momente, wenngleich aus Sucht nach Popularität, infolge eines Landtagsbeschlusses eine Deputation entsendete, welcher die Aufgabe zu Erhebungen und Vorschlägen in betreff der Regelung der Sprachenfrage erteilt worden war. Man müsse sich daher mit dieser Frage schon jetzt beschäftigen, damit man, wenn der Landtag einmal zusammenberufen werde, die bezügliche königliche Proposition, die nicht in den letzten acht Tagen ausgearbeitet werden könne, einzubringen in der Lage wäre. Die Regierung lasse sich ein großes Verdienst entgehen und erschwere ihre Lage, wenn sie hierin dem Landtage die Initiative überlasse und die Anträge an sich herankommen lasse, in denen dann der Magyarismus ohne Zweifel vorwalten werde.

Hierauf erwiderte Graf Forgách , daß die Anschauung der Verhältnisse, die er bei seiner jüngsten Anwesenheit in Ungarn gewonnen habe, leider nicht von der Art sei, daß an eine Einberufung des Landtages in nächster Zeit gedacht werden könnte. Er wolle von den Gesetzen aus den Jahren 1790 und 1848 ganz absehen, müsse aber auf die durch das Ah. Diplom vom 20. Oktober 1860 wieder in Wirksamkeit getretenen Landtagsartikel von den Jahren 1836, 1842 und 1844 hinweisen, in welchen die Fragen, die jetzt angeregt werden wollen, bereits ihre gesetzliche Lösung erhalten haben. Offen und redlich könne er es nicht als einen Akt der Staatsklugheit erkennen und sich kein gedeihliches Resultat davon versprechen, wenn zu einer Änderung dieser Gesetze jetzt geschritten werden wollte. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen könne er dieser Frage auch keine besondere Wichtigkeit beimessen und glaube dermalen vor allem, jene großen Fragen im Auge behalten zu müssen, die auf den einheitlichen Bestand der Monarchie eine wesentliche Wirkung ausüben können. Der Polizeiminister bemerkte im allgemeinen, daß ihm die vorliegende Eingabe der romänischen Intelligenz des Arader Komitates nicht als ein würdiger Anlaß erscheine, um etwas so nebenbei anzuhängen, was an und für sich einen besonderen Ah. Auftrag erfordern würde10.

II. Interpellation in betreff des Eintritts Österreichs in den Deutschen Zollverein

Der Minister des Äußern teilte der Konferenz sein Vorhaben mit, die in der 65. Sitzung des Herrenhauses von Altgrafen Salm und Genossen11, dann in der 142. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Dr. Giskra und Genossen an das Gesamtministerium gestellten Interpellationen wegen des Eintrittes Österreichs in den Deutschen Zollverein12 in den nächsten Reichsratssitzungen in beiden Häusern einfach damit zu beantworten, daß die kaiserliche Regierung sämtlichen Regierungen des Zollvereins bereits die Mitteilung habe zugehen lassen, daß sie bereit sei, nach Ablauf der gegenwärtigen Zolltarifvertragsperiode in den Zollverein einzutreten13.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden, und der Staatsminister äußerte nur noch, daß es den günstigen Eindruck, den diese Antwort hervorbringen werde, nur erhöhen dürfte, wenn beigefügt würde, daß den erwähnten Mitteilungen an die Regierungen des Zollvereins auch schon die Vertragsentwürfe angeschlossen worden seien14.

III. Einflußnahme auf die Presse bezüglich des Frankfurter Vorparlaments

Der Minister des Äußern entwickelte die Gründe, welche es ihm als rätlich erscheinen lassen, in geeigneter Weise die Zeitungen abzumahnen, sich für das Beschicken des Frankfurter Vorparlamentes auszusprechen15. In dieser Beziehung bestehen drei Parteien.

1. Die Gothaer, welche bis auf den letzten Mann gut geschult sei und den König von Preußen an der Spitze Deutschlands haben wolle; 2. die großdeutsche Partei, welche die einheitliche Spitze in Österreich anstrebe; und 3. eine Partei, welche keine einheitliche Spitze wolle, Partikularisten, deren Versammlungen zu revolutionären Bestrebungen führen werde.

Der Zweck der großdeutschen Partei lasse sich vorderhand ohne große Umwälzungen nicht erreichen, und man müsse sich einstweilen darauf beschränken, die Bundesinstitutionen zu reformieren und zu stärken. Österreich sei aber immer im Nachteile, denn es seien nur zwei Alternativen denkbar, entweder daß das Gothaer Projekt, die Organisation Deutschlands ohne Österreich, siege, oder daß das großdeutsche Projekt das Übergewicht erlange und daß dann, wenn Österreich im Interesse der Einheit der Monarchie auf dasselbe nicht unbedingt eingehen würde, es mit seiner eigenen Partei brechen würde. Wenn von Seite Österreichs die Beschickung des Vorparlaments in Frankfurt unterbleibe, so werde es auch von Süd- und Mitteldeutschland nicht beschickt werden und die ganze Sache in Staub und Sand zerfallen16. Es wäre also sehr verderblich, wenn die offiziöse Presse sich für die Beschickung von Seite Österreichs aussprechen würde.

Der Staatsminister klärte auf, daß nur „Der Botschafter“ einen, und zwar nur allgemein gehaltenen Artikel hierüber gebracht habe17, alle anderen Journale seien gegen die Beschickung, und auch im Abgeordnetenhause sei niemand dafür18. Bei der allgemeinen Teilnahmslosigkeit würde er es daher nicht für gut finden, wenn die Regierung die Sache gar sehr hervorheben würde, weil sie der anderen Partei nur Anlaß geben würde, für die Sache zu schwärmen. Der Polizeiminister war gleichfalls der Meinung, daß es am klügsten sei, diese Sache totzuschweigen und nur dann schreiben zu lassen, wenn es notwendig werden sollte, der anderen Partei entgegenzutreten.

|| S. 108 PDF || Mit dem negativen Auftreten der Regierung in dieser Beziehung erklärte sich der Ministerrat einverstanden.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Laxenburg, den 30. Juli 1862. Empfangen 1. August 1862. Rechberg.