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Nr. 239 Ministerrat, Wien, 14. Juni 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 21. 6.), Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; außerdem anw. Schwarzwald; abw. Pratobevera; BdR. Rechberg 30. 6.

MRZ. 1043 – KZ. 1911 –

Protokoll des zu Wien am 14. Juni 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern Grafen Rechberg.

I. Rückkehr des ungarischen Flüchtlings Ladislaus Berzenczey

Der Polizeiminister erinnert an den Beschluß des Ministerrates vom 5. Juni l. J., wornach dem in Galatz befindlichen ungarischen Flüchtlinge Berzenczey über dessen Bewerbung um straffreie Rückkehr in die österreichischen Staaten durch das Konsulat bedeutet wurde, daß es ihm zwar unverwehrt sei, zurückzukehren, daß er jedoch die gesetzliche Untersuchung und Aburteilung durch das Kriegsgericht zu gewärtigen habe1. Berzenczey, der, wie er selbst sage, sich in den Donaufürstentümern des größten Ansehens erfreut, den Schutz des Fürsten Cusa genießt, mit allen revolutionären Elementen in Verbindung steht und durch Emigranten mit Geldmitteln unterstützt wird, habe wiederholt den Konsul Becke in Galatz um dessen Verwendung wegen Gestattung seiner Rückkehr angegangen und hiebei geäußert, daß das Treiben der Emigration ihn so anekle, daß er es vorziehe, sich an die österreichische Regierung á tout prix zu übergeben. Der Konsul hält es für wünschenswert, den Berzenczey von dort zu entfernen, und glaubt, daß es zweckmäßig wäre, auf seinen Wunsch einzugehen und ihm hiezu einen Paß auszufolgen, obgleich nicht verhehlt werden könne, daß Berzenczey, ein verschmitztes Individuum, den Hintergedanken hegen könne, mit dem österreichischen Paß irgendeine Pression auf seinen Anhang auszuüben. Der Polizeiminister erachtet, daß es der Regierung nur genehm sein könne, wenn Berzenczey nicht zurückkehre, weil, wenn er schon selbst sage, daß er es in der Walachei nicht mehr aushalte, sein dortiges Bleiben nicht mehr gefährlich sei. Deshalb könne er nur darauf antragen, daß es bei der früheren Schlußfassung bezüglich dieses Individuums verbleibe und daß der Konsul in Galatz der Übernahme der angesprochenen Vermittlung durch Erteilung eines Reisepasses sich zu enthalten habe.

Der Minister Graf Nádasdy war der Ansicht, daß man dem Berzenczey zwar keinen Paß ausfolgen, daß jedoch der Konsul in Galatz, wenn er sich demselben übergebe, ihn an die nächste k. k. Behörde in Österreich stellen lassen solle. Für Siebenbürgen sei es von Bedeutung, diesen Menschen aus der Nachbarschaft wegzubringen. Die kaiserlichen Gerichte in Siebenbürgen werden denselben verurteilen, und man wird dann in Erwägung nehmen können, ob auf seine Begnadigung || S. 57 PDF || anzutragen sei. Jedenfalls dürfte er ein apaar Jahrea als Inquisit bund Verurteilterb im Verhafte zuzubringen haben, was schon ein Gewinn sei, weil, wenn derselbe auch in der Walachei seine Rolle ausgespielt haben sollte, von ihm abzusehen sei, daß er mit den revolutionären Elementen in Sardinien in Verbindung treten werde. Der Kriegsminister meinte, der Konsul solle den Berzenczey, wenn er sich zur Übernahme antrage, anweisen, an einem bestimmten Tage an einem vorgezeichneten Grenzorte zu erscheinen, wo dann die betreffende, im vorhinein zu verständigende österreichische Behörde denselben aufzugreifen hätte.

Alle übrigen Stimmführer vereinigten sich mit dem Antrage des Polizeiministers, für welchen sich sonach der Majoritätsbeschluß ergab2.

II. Änderung des Gebührengesetzes

Der Finanzminister referierte über den Entwurf eines Gesetzes über durchzuführende Änderungen des Gebührengesetzes vom 9. Februar 1850 und jenes vom 2. August 1850 3. Dieser Entwurf sei aus der Beratung einer aus Vertretern des Finanz-, des Staats-, des Justizministeriums und des Ministeriums für Handel und Volkswirtschaft zusammengesetzten Kommission hervorgegangen und beabsichtige einen doppelten Zweck, nämlich eine Erhöhung der Einnahmen an Gebühren und eine Vereinfachung des Geschäftsganges4. Im allgemeinen haben die angetragenen Änderungen zum Zwecke, mit den fixen Gebühren den Kriegszuschlag zu verschmelzen und beziehungsweise sie angemessen zu erhöhen, verschiedene Urkunden und Rechtsgeschäfte in die Steuerpflicht nun einzubeziehen und bei anderen die Gebühr zu erhöhen, für die Besteuerung jener Geschäfte, welche zwischen Wechselgeschäften und jenen des gemeinen Verkehrs in der Mitte stehend angesehen werden, wie z. B. Aktien, Lotteriegewinne, eine neue Stempelskala III zu schaffen, welcher der Steuersatz von 1/2% des Wertes zum Grunde liegt, während derselbe gegenwärtig nach der Skala I bei Wechselgeschäften 1/20% und nach der Skala II bei anderen Rechtsgeschäften 1/4% des Wertes beträgt, ferner mehrfach die gegenwärtige unmittelbare, aufgrund einer ämtlichen Bemessung stattfindende Gebührenentrichtung zur Vereinfachung der Geschäfte und Beschleunigung der Steuerzuflüsse in eine Gebührenleistung mittels des Stempels umzuwandeln, andererseits aber namentlich bei Erwerbsgesellschaften zur mehreren Gefällsicherheit die periodische unmittelbare Gebührenentrichtung zu substituieren. Der durch diese Änderungen anzuhoffende Mehrertrag könne auf 9 bis 10 Millionen Gulden veranschlagt werden. Der Staatsrat habe sich mit den beantragten Bestimmungen || S. 58 PDF || bis auf wenige Punkte einverstanden erklärt, und er beantrage bei dem Umstande, als die Konferenzmitglieder das Gesetz samt Begründung sowie den modifizierten Tarif bereits seit längerer Zeit in Händen haben, lediglich die Beratung über die Differenzpunkte5.

Der Staatsratspräsident erklärte, daß er mit Rücksicht auf die dermalige Finanzlage, welche zur Deckung des Defizits und zur Herstellung einer Gleichheit der Staatseinnahmen und Ausgaben allerdings auch die beantragte Maßregel als notwendig erscheinen lasse, der Vorlage dieses Gesetzesentwurfes gerade nicht entgegentreten wolle, daß er sich jedoch bei anderen Verhältnissen entschieden gegen die beantragte Maßregel ausgesprochen haben würde. Das Gebührengesetz sei an sich mißliebig, durch zahllose nachträgliche Verordnungen und Erläuterungen sei das ursprünglich schon verwickelte Gesetz beinahe bis zur Unverständlichkeit gelangt, und es tue wahrlich not, eine Umarbeitung desselben auf einfachere Grundsätze vorzunehmen. Anstatt dessen wird aber durch das beantragte Gesetz das ohnehin schon so komplizierte Gebührengesetz in vielen Punkten abermals geändert, und es werden auch die dermaligen bereits hohen Gebührensätze noch ungemein erhöht, insbesondere aber werde das Anrufen der öffentlichen Gewalt in der Administration und vorzugsweise in der Rechtspflege zum großen Nachteile des rechtsuchenden Publikums verteuert. Der Minister v. Lasser teilte die Ansicht des Staatsratspräsidenten über die Mißliebigkeit des komplizierten Gebührengesetzes. Er habe von einem geänderten Gebührengesetz immer nur ceine radikale Abhilfe in der Richtung einer sowohl die Gebührensätze als die Behandlungsart bezweckendenc Vereinfachung erwartet, dieselbe jedoch in den Vorlagen keineswegs gefunden. Den Klagen des Publikums, welche gerechterweise gegen die Kompliziertheit des Gebührengesetzes seit zehn Jahren erhoben wurden, sei damit nicht abgeholfen. Das Dekretieren der Erhöhung der Einnahmen dhabe nicht einen ausschließlichen Wert, sondern auchd die Ermöglichung des schnelleren Einfließens der Gebühren durch Vereinfachung des Geschäftsganges. Namentlich sei es die Gebührenbemessung bei Verlassenschaftsabhandlungen, die einer gründlichen Reform bedürfe. Nach dem dermalen verschriebenen Vorgange werden aber nicht nur die Gerichte gequält, sondern es kommen dabei auch die Finanzen zu kurz, die Durchführung und die Kontrolle verschlingen einen großen Teil der überdies in sehr verzögerter Weise einfließenden Gebühreneinnahmen. Er hätte es daher lieber gesehen, wenn diese Vorlage gar nicht gemacht und sogleich zur vollständigen Umarbeitung des Gebührengesetzes mit dem Hauptaugenmerke auf Vereinfachung geschritten würde. Aus diesen Gründen glaube er daher, prinzipiell gegen die Vorlage dieses Gesetzesentwurfes an den Reichsrat sich aussprechen zu sollen, ezumal er glaube, daß in der jetzigen Session das Gesetz doch nicht mehr zustande kommen werdee . Der Staatsminister äußerte mit Rücksicht auf den || S. 59 PDF || Umstand, daß die erste Session des Reichsrates doch in längstens zwei Monaten geschlossen werden soll, seine Bedenken gegen die Möglichkeit der verfassungsmäßigen Behandlung dieses Gesetzesentwurfes in dieser Session des Reichsrates. Es bestehe nämlich keine Aussicht, daß die beabsichtigte Vorlage, die so verschiedene Interessen des Hauses nahe berühre, in Bausch und Bogen werde angenommen werden. Die Besteuerung der ausländischen Wechsel werde den dem Handelsstande angehörigen Abgeordneten, die Erhöhung der Gebühren von Rechtsgeschäften den unter den Abgeordneten befindlichen Advokaten Anlaß zu vielen Reden geben. Da aber in der verhältnismäßig nur mehr kurzen Zeit das Budgeterfordernis sowie die Bedeckung pro 1862, die Bankfrage, das Budget für das Verwaltungsjahr 1863 erledigt werden soll, so leuchte ihm, wenn er gleich die gewichtigen Gründe, die den Finanzminister für die Vorlage bestimmten, anerkenne, doch nicht die Möglichkeit ein, wie dieses Gesetz noch in dieser Reichsratssession solle zustande gebracht werden können. Hierauf entgegnete der Finanzminister , es sei zwar allerdings wahr, daß das Gesetz manche Schwierigkeiten habe, indessen sei auch der Gegenstand an und für sich schwierig und das Detail nach der Natur der Sache notwendig. Dem unter dem ehemaligen Finanzminister Krauß entstandenen dermaligen Gebührengesetz könne der Wert der Gründlichkeit nicht abgesprochen werden, und es sei auch bei den vielen nachträglichen Verordnungen das ursprüngliche Prinzip dieses Gesetzes nicht verlassen worden. Um der wegen der Komplikation desselben entstandenen Verstimmung entgegenzutreten, wurde seit eineinhalb Jahren im Finanzministerium eine Umarbeitung dieses Gesetzes angebahnt. Eine solche Arbeit sei jedoch sehr schwierig und müsse Hand in Hand mit der übrigen Gesetzgebung gehen. fIn dieser Beziehung müsse die Umstaltung der Zivilrechtspflege und des Gerichtsorganismus, welche bevorsteht, abgewartet werden, bevor man ein neues Rechtsgebührensystem bringen könnef . Man müsse vor allem erst abwarten, wie sich die Gesetzgebung in Ungarn gestalten werde, bei der dermaligen schwankenden Grundlage, wo insbesondere eine Änderung der Judexkurialkonferenzbeschlüsse schon als notwendig erkannt worden sei, sei der Zeitpunkt nicht geeignet, mit einem neuen Gebührengesetze gfür Rechtsgeschäfte und gerichtliche Handlungeng hervorzutreten. Die Vorlagen mußten sich daher an das halten, was in kurzer Zeit zu Ende gebracht werden kann, nämlich an die Erhöhung des Einkommens und an die Vereinfachung der Arbeit. Damit aber den Parteien die Handhabung des geänderten Gebührengesetzes erleichtert werde, sei eine Kompilation angelegt worden, welche, wenn [sie] auch nicht in ganz gesetzlicher Weise Aufschlüsse erteile, doch als eine unter behördlicher Prüfung zustande gebrachte Privatarbeit dem Publikum großen Dienst erweisen werde6. Die Einbringung des vorliegenden Gesetzes sei dem Abgeordnetenhause des Reichsrates bereits angekündigt und als eines der Mittel zur Deckung des Defizits und Erhöhung || S. 60 PDF || der Staatseinnahmen bei den Finanzvorlagen bezeichnet worden. Das Einhalten dieser Zusage werde daher keineswegs überraschen, und zwar umso weniger, als durch das neue Gesetz auch solche Objekte getroffen werden, deren Besteuerung nicht anstößig ist, wie die hAktien, Wechselgirih, ausländischen Wechsel und Lotteriegewinste. Man könne sich nicht dem Wahn hingeben, daß im Verwaltungsjahr 1863 kein Defizit im Staatspräliminare bestehen werde, und es müsse daher rechtzeitig an solche Erhöhungen der Einnahmen gedacht werden, die wenigstens eine teilweise Bedeckung des Abganges ermöglichen. Wenn die Session des Reichsrates geschlossen werde, bevor dieses Gesetz noch zur Verhandlung gekommen sein wird, so werde dasselbe nur gleiches Schicksal mit anderen Gesetzvorlagen ider politischen und Justizsphärei haben, dennoch aber für das nächste Jahr schon eine Vorarbeit gemacht sein. Der Finanzminister müsse sein Streben nach greifbaren Objekten richten, alle anderen Ideen und Theorien, Steuererfindungen etc. im Stiche lassen. Die Einbringung dieses Gesetzes hindere nicht die Fortsetzung der bereits unternommenen Umarbeitung des Gebührengesetzes, die finanzielle Notwendigkeit bedinge aber eine Erhöhung der Einnahmen und als Mittel hiezu die Einbringung des in Rede stehenden Gesetzes. Der ungarische Hofkanzler fand die Ansichten des Ministers Ritter v. Lasser zwar für richtig, er stimmte jedoch in Anbetracht, daß es sich jetzt nicht um ein neues Gebührengesetz, sondern um die Erhöhung gewisser Sätze des dermaligen Gebührengesetzes handelt, wozu die unbedingte Notwendigkeit treibe, für die Einbringung des Gesetzes, indem, falls dieselbe unterbliebe, der Entgang von 9 bis 10 Millionen Gulden anderswoher gedeckt und die Stellung des Finanzministers noch mehr erschwert werden müßte.

Diese Rücksichten bewogen auch die übrigen Stimmführer, dem Antrage auf Einbringung des Gesetzes beizutreten. Es ergab sich sonach der Majoritätsbeschluß für die Einbringung des Gesetzes an den Reichsrat.

In die Spezialdebatte wurde, nachdem der Staatsratspräsident die Bemerkung des Ministerialrates v. Schwarzwald, daß allenfalls eine Beratung über die Textierung der Tarifspost 57C bezüglich des Hoffnungskaufes von Kuxen noch erforderlich sei, damit beseitiget hatte, daß statt der im Entwurfe beantragten drei Unterabteilungen a, b und c nur zwei, nämlich a in beweglichen Sachen, worunter auch Kuxe im Sinn des Berggesetzes vom 23. Mai 1854, RGBl. Nr. 146, gehöre, und b in unbeweglichen Sachen etc. zu setzen wäre, nur die Tarifspost 113, Anmerkung 3, [in Beratung] gezogen. Bezüglich dieser Tarifspost äußerte der Staatsratspräsident, daß in betreff der Gebühr für die im Auslande ausgestellten Wechsel in dem dermaligen Gebührengesetze der Grundsatz ausgesprochen sei, daß im Ausland ausgestellte Urkunden, wenn sie auch zugunsten österreichischer Untertanen lauten, der Stempelpflicht nicht unterliegen, wenn dieselben ein Rechtsgeschäft betreffen, das in Österreich nicht Wirksamkeit zu erhalten hat oder solange von ihnen kein ämtlicher Gebrauch gemacht werde. Hier wolle nun die Ausnahme gemacht werden, || S. 61 PDF || daß im Auslande ausgestellte und zahlbare Wechsel, auch wenn von selben ein ämtlicher Gebrauch nicht gemacht werde, schon durch die Übertragung in das österreichische Staatsgebiet nach 14 Tagen der Stempelpflicht unterliegen sollen. Diese Bestimmung sei mit den allgemeinen Prinzipien des Gebührengesetzes nicht vereinbar, indem ein Geschäft, welches im Ausland Wirkung haben soll, nur dem auswärtigen Stempel unterliegen könne. Hiezu komme noch, daß die angefochtene Bestimmung durch die Anwendung des Giro in bianco jeden Augenblick umgangen werden könnte. Es sei daher kein Grund vorhanden, von den bisherigen Prinzipien in dieser Beziehung abzuweichen, höchstens könnte man sich zu einem Vorgange nach Reziprozität gegenüber anderen Staaten herbeilassen. Der Finanzminister erklärte, daß eine schärfere Bestimmung über das Eintreten der Stempelpflicht eines ausländischen Wechsels nach 14 Tagen nach Übertragung desselben in das Inland schon aus dem Grunde notwendig sei, weil bei der wilden, durch wirklichen Bedarf nicht hervorgerufenen Spekulation in Devisen eine Umgehung der Bestimmung zu sehr zu besorgen wäre. Von einer Rechtsverletzung könne bei Bestimmung der Frist von 14 Tagen nicht gesprochen werden, und zwar umsoweniger, da auch in England und Frankreich ähnliche Bestimmungen bestehen und Finanzgesetze schon ihrer Natur nach mehr Opportunitätsgesetze seien. Aus diesem Grunde habe z. B. die französische Regierung keinen Anstand genommen, einen großen Durchschnitt zu machen und die Hälfte der Aktien der österreichischen Staatseisenbahn, weil sie auf der Börse negoziert werden, einer Gebühr zu unterwerfen. Der Kriegsminister enthielt sich der Stimmabgabe. Der Minister Ritter v. Lasser, der ungarische Hofkanzler und der Minister Graf Esterházy stimmten für die Textierung der fraglichen Tarifpost nach Antrag des Finanzministers. Der Polizeiminister äußerte, es sich nicht denken zu können, wie ausschließlich der physische Besitz eines ausländischen Wechsels einen Rechtsgrund zur Besteuerung abgeben könne. Etwas anderes sei es, wenn der Name eines österreichischen Untertans auf dem Wechsel figuriere. Das bloße Berühren des Inlandes, eines Stückes Papier, das wieder ins Ausland gehen kann, könne doch nicht eine Stempelpflicht begründen. Sonst müßten auch alle Reisenden, die ausländische Wechsel bei sich führen, zur Stempelung derselben verhalten und aus diesem Grunde ihre Taschen von den Finanzorganen untersucht werden. In Frankreich trete für ausländische Wechsel die Stempelpflicht nur dann ein, wenn mit denselben eine Negotiation vorgenommen werde, was der Text des von dem Finanzminister vorgelesenen Gesetzes durch die Worte „transmis ou autrement negoués“ deutlich erkennen lasse. Werde ein im Auslande ausgestellter und im Auslande zahlbarer Wechsel im Inlande negoziert, ein Akzept, Giro oder anderes Indossement auf denselben aufgetragen, dann unterliege es keinem Anstande, denselben für stempelpflichtig zu erklären. Nachdem der Ministerialrat v. Schwarzwald darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die Anmerkung 3 der Tarifpost 113 in zwei Absätze geteilt werden könnte: a) im Auslande ausgestellte, im Inlande zahlbare Wechsel, bezüglich welcher das dermalige Gebührengesetz unverändert zu gelten hätte, und b) im Auslande ausgestellte und im Auslande zahlbare Wechsel, bezüglich welcher normiert werden könnte, daß dieselben der Stempelpflicht dann zu unterliegen haben, wenn sie im Inlande indossiert oder || S. 62 PDF || sonst negoziert werden, formulierte der Staatsratspräsident den Antrag dahin, daß ausländische, im Inlande zahlbare Wechsel jedenfalls vor Ablauf von 14 Tagen nach Übertragung des Wechsels in das österreichische Staatsgebiet der Stempelung zu unterziehen sind, daß jedoch die Gebühr für die im Auslande ausgestellten und im Auslande zahlbaren Wechsel [erst] bevor im Inlande eine Negozierung derselben stattfindet, ein Akzept, ein Giro oder anderes Indossement aufgetragen, die Zahlung geleistet, Protest erhoben oder von dem Wechsel ein ämtlicher Gebrauch gemacht wird, zu entrichten sei.

Hiemit erklärte sich der Ministerrat schließlich einverstanden7.

III. Mitteilung des mit der Türkei abgeschlossenen Handelsvertrages an den Reichsrat

Der Handelsminister wünschte einen Konferenzbeschluß über die Frage, ob der jüngst mit der Türkei abgeschlossene Handelsvertrag zur Kenntnis der beiden Häuser des Reichsrates gebracht werden soll. Der Vorsitzende Minister des Äußern erklärte die Beratung hierüber in der nächsten Ministerkonferenz eintreten lassen zu wollen, weil er vorher den Wortlaut in der Verfassungsurkunde genau einsehen wolle8.

[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Laxenburg, am 29. Juni 1862. Empfangen am 30. Juni 1862. Erzherzog Rainer.