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Nr. 240c Votum Wickenburgs in betreff der böhmisch-schlesischen Verbindungsbahnen (Beilage zu: MRP-1-5-04-0-18620621-P-0240.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; Beilage zum Originalprotokoll v. 21. 6. 1862.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Zur Belebung des öffentlichen Verkehrs erscheint es dringend notwendig, daß das österreichische und [das] preußische Eisenbahnnetz miteinander in vielfachere Verbindung gebracht werde und sonach der Übelstand verschwinde, welcher darin || S. 70 PDF || besteht, daß längs der langgestreckten österreichisch-preußischen Grenze zwischen Oderberg und Reichenberg nirgend ein Bahnanschluß besteht. Hiezu kommt noch die bedrängte ökonomische Lage der Reichenberg-Pardubitzer Eisenbahngesellschaft, welche alljährlich eine höchst bedeutende Aufzahlung von Seite des Staates in Anspruch nimmt und eine Besserung ihrer Verhältnisse nur von einem Anschlusse ihrer Bahn an das preußische Eisenbahnnetz erwarten kann. Allen diesen Interessen würde entsprochen, wenn die Pardubitzer Bahn sowohl in nördlicher als auch in östlicher Richtung, d. i. von Löbau nach Cottbus und von Schwadowitz in der Richtung auf Waldenburg, fortgesetzt und an die preußischen Bahnen angeschlossen würde. Die Fortsetzung der Josefstadt-Schwadowitzer Flügelbahn bis zum Anschlusse an die preußischen Bahnen bei Waldenburg würde der Pardubitzer Bahn den Transitoverkehr zwischen Breslau und Süddeutschland sichern und dieselbe überdies durch massenhafte Kohlentransporte aus dem nahegelegenen Waldenburger Kohlenreviere zureichend alimentieren. Der Erleichterung der Einfuhr der Waldenburger Kohle nach Böhmen steht kein Bedenken entgegen, da die preußische Kohle im Reichenberger Industriebezirke tatsächlich den Markt beherrscht und dermal auf der Achse zugeführt wird. Die erleichterte Einfuhr würde vielmehr das günstige Resultat zur Folge haben, daß die Industriellen im nordöstlichen Böhmen eine billigere Kohle erhalten würden. Leider haben aber die früheren Verhandlungen mit der preußischen Regierung zu keinem günstigen Ergebnisse geführt, indem preußischerseits ausschließlich eine Bahnführung von Glatz in der Richtung auf Wildenschwert, welche österreichischerseits aus strategischen Rücksichten für unzulässig erklärt wurde, angestrebt worden ist1. Preußen hat damals die Bahnführung von Löbau nach Cottbus einfach abgelehnt und dem Bahnanschlusse bei Waldenburg, wahrscheinlich im Hinblick auf die Festung Josefstadt, ebenfalls strategische Bedenken entgegengesetzt. Seither ist in dieser Angelegenheit eine Änderung insoferne eingetreten, als die preußische Regierung aufgrund einer königlichen Entschließung den Anschluß bei Waldenburg unter der Bedingung gestatten will, daß österreichischerseits einem Bahnanschlusse bei Wildenschwert kein Hindernis entgegengesetzt werde.

Ich könnte es, nur um aller möglichen Besorgnisse los zu werden, mit Freude begrüßen, wenn die preußische Regierung auf die von ihr gestellte Bedingung eines Bahnanschlusses bei Wildenschwert verzichten und daher unbedingt die Führung einer Bahn von Löbau nach Cottbus und den Bahnanschluß in der Richtung auf Waldenburg gestatten würde. Sollte dies jedoch nicht gelingen, so muß ich mich im Interesse des öffentlichen Verkehrs und des mit Vorschußleistungen an die Aktien-Gesellschaft der Süd-Norddeutschen-Verbindungsbahn schwer belasteten Staatsschatzes dahin aussprechen, daß Reziprozität geübt und daher den hinsichtlich Waldenburg schon erteilten und hinsichtlich Löbau-Cottbus noch zu stipulierenden preußischen Zugeständnissen gegenüber der Bahnanschluß bei Wildenschwert gestattet werde, wobei selbstverständlich alle jene Vorsichten in || S. 71 PDF || Anwendung zu bringen wären, welche geeignet sind, das Eindringen einer feindlichen Armee auf jener Bahnstrecke zu vereiteln. Daß solche Vorkehrungen, als Unterminierung der Brücken und anderer Anstalten zur schnell zu bewirkenden Zerstörung der Geleise, unschwer auszuführen sind, ist kein Zweifel, und wäre es zu beklagen, wenn bloß strategische Bedenken die Herstellung höchst wichtiger Verbindungen verhindern und den Staat zwingen sollten, alljährig eine Zubuße von beinahe einer Million zu leisten. Wird einerseits ein Eindringen der Preußen bei Wildenschwert besorgt, so stünde uns ja ebenso bei Waldenburg ein Vorgehen in Schlesien offen. Wickenburg.