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Nr. 215 Ministerrat, Wien, 20. März 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 22. 3.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, FML. Schmerling; abw. Degenfeld, Esterházy, Pratobevera, Forgách; BdR. Erzherzog Rainer 2. 4.

MRZ. 1019 – KZ. 892 –

Protokoll des zu Wien am 20. März 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Gesuch der Kaiserin-Elisabeth-Westbahngesellschaft um staatliche Zinsengarantie für das dritte Prioritätsanlehen

Der Finanzminister referierte über die Frage, ob die staatliche Zinsengarantie für das demnächst zu emittierende dritte Prioritätsanlehen der Kaiserin-Elisabethbahn-Gesellschaft per 9,000.000 fl. nach dem Nominalbetrage dieses Anlehens oder nach jenem Betrage zu berechnen sei, welcher bei der Emission unter Pari, dafür bar eingehen würde1.

Die Differenz im Kapitale dürfte bei 500.000 fl., somit an Interessen jährlich 25.000 fl. ausmachen, um welche Summe der Staat mehr oder weniger zu garantieren hätte. An und für sich sei dieser Betrag wohl nicht für die Finanzen von Wichtigkeit, allein es handelt sich um ein Prinzip, und der Reichsrat dürfte es einer strengen Kritik unterziehen, wenn die oberwähnte Frage von der Regierung, im Widerspruche mit den Präzendentien, auf eine der Gesellschaft günstigere Art entschieden oder auch nur bevorwortet werden würde. Nach der Konzessionsurkunde2 || S. 360 PDF || garantiert nämlich die Regierung der Gesellschaft jährliche 5 % Zinsen von dem auf die Bahnstrecken verwendeten Anlagekapital. Nun wird aber nicht das volle Nominalkapital per 9 Millionen, sondern nur die hierauf bar eingezahlte Summe auf die Bahnstrecke wirklich verwendet, und die Zinsengarantie kann sich daher nach dem Wortlaute der gedachten Urkunde nicht weiter erstrecken. Diese Meinung war bereits bei Aufnahme des ersten Prioritätsanlehens der Elisabethbahn-Gesellschaft per 12,000.000 fl. von der Regierung ausgeprochen und deswegen auch die Garantie des vollen Nominalbetrags Allerhöchstenortes damals nur a„für diesen Fall“ unda „aus Gnade“ übernommen worden3. Bei dem zweiten Prioritätsanlehen wurde diese „Gnade“ nicht wieder in Anspruch genommen4. Dermal bittet die Gesellschaft darum. Allein der Finanzminister ist des Erachtens, es sei die Sache der Gesellschaft, die fragliche Differenz, welche in die Kategorie der Geldbeischaffungskosten gehört, ebenso zu tragen wie z. B. die 5 % weit übersteigenden Wechselspesen. Der Reichsrat würde sich ohne Zweifel gegen eine gnadenweise Erhöhung der ohnehin mißliebigen Rubrik Subventionen erklären.

Der Handelsminister zeigte in einem längeren Vortrage, daß die gegenwärtige Geldklemme der Elisabethbahn-Gesellschaft Wirkung eines Zusammenflusses widriger Umstände ist, die zum Teil in Verfügungen der Staatsverwaltung ihren Grund haben. Die Regierung habe nämlich die Gesellschaft gezwungen, aus strategischen Rücksichten die wohlfeilste und leichteste Bahntrasse an mehreren Stellen zu verlassen, was die Baukosten um mehrere Millionen erhöhte und den Betrieb fortwährend kostspieliger macht. Finanzminister Baron Bruck habe ferner die Gesellschaft veranlaßt, ihr Aktienkapital auf die Hälfte zu reduzieren und die Gmundnerbahn teuer einzulösen, woraus die Notwendigkeit zur fortwährenden Aufnahme von Anlehen entsprang. Dieses dürfte den Anspruch auf eine billige Behandlung der Garantiefrage begründen, zumal aus dem Inhalte der über die Garantie erteilten Zusicherungen die Absicht hervorleuchtet, für das ganze Kapital einen 5 % Zinsengenuß sicherzustellen. Der Polizeiminister würde, wenn die Frage noch offen wäre, keinen Anstand nehmen, die Geldbeischaffungskosten als conditio sine qua non von der Beischaffung des Baufonds in die Zinsengarantie einzubeziehen. Allein da die Regierung sich bereits einmal darüber im entgegengesetzten Sinn ausgesprochen hat und bei den übrigen vom Referenten geltend gemachten Gründen stimme Baron Mecséry mit den Finanzminister auf Abweisung. Der Staatsminister äußerte, daß nur eine hier offenbar nicht vorhandene äußerste finanzielle Bedrängnis die Regierung bestimmen könnte, mit der Zinsengarantie über die in der Konzessionsurkunde gezogenen Grenzen hinauszugehen. Das Gesuch wäre daher abzulehnen. Der Staatsratspräsident erwähnte, daß schon aus Anlaß des ersten Prioritätsanlehens die Grundfrage im ständigen Reichsrat genau erörtert und dabei erkannt worden sei, daß die Geldbeschaffungskosten || S. 361 PDF || nicht zu den die Garantie genießenden Baukosten gehören. Baron Lichtenfels könne daher auch heute nur mit dem Finanzminister stimmen. Die Minister Graf Rechberg, Graf Nádasdy und Ritter v. Lasser, dann FML. Ritter v. Schmerling sprachen sich im selben Sinne aus5.

II. Einwände des Finanzausschusses gegen den Entwurf des Übereinkommens mit der Nationalbank

Der Finanzminister referierte umständlich über die zahlreichen Einwendungen, welche im Finanzausschusse gegen den Regierungsentwurf des Übereinkommens mit der Nationalbank6 erhoben wurden, sowie über die von ihm hierauf erfolgten Widerlegungen und Berichtigungen, welche ihre Wirkung nicht verfehlten.

Während übrigens die Mitglieder des Ausschusses mit sich noch nicht recht im klaren zu sein scheinen, und die einheimische Presse bereits ihre letzten Pfeile gegen den Entwurf abgeschossen haben dürfte, haben unabhängige Blätter des Auslands die Regierungsvorlage einer ernsten und leidenschaftslosen Prüfung unterzogen, deren Ergebnis ein dieser Maßregel günstiges ist. Der Stand der Kurse und Valuten, dann die Nachfrage nach österreichischen Papieren auf den großen ausländischen Geldmärkten beweist, daß die Geldmänner ihr Vertrauen auch praktisch betätigen, und so wird sich eine bessere Meinung bald allenthalben Bahn brechen. Allein es ist hiezu notwendig, daß das Ministerium im wesentlichen an den vom Finanzminister dargelegten Grundsätzen festhalte und daß er sich auch erforderlichenfalles bei den reichsrätlichen Verhandlungen darauf berufen könne. Zu kleineren Modifikationen des Übereinkommens, namentlich in bezug auf die Termine, wolle der Finanzminister gern die Hand bieten und würde die Zustimmung des Bankausschusses7 unschwer zu erzielen sein.

Der Staatsminister äußerte, daß er mit den im Ministerrate festgestellten Hauptpunkten des Übereinkommens mit der Nationalbank stehe. Dagegen könne Ritter v. Schmerling nicht alle vom Finanzminister in seinem umfassenden Vortrage8 namens der Regierung aufgestellten Grundsätze und gegebenen Erklärungen teilen, z. B. das apodiktische Versprechen, daß unter keinen Umständen je mehr Staatsnoten ausgegeben werden sollen. Überhaupt dürfte die Vorlage im Abgeordnetenhause besser aufgenommen worden sein, wenn damit nicht ohne Not so viele Grundsätze in Zusammenhang gebracht worden wären. Der Minister des Äußern erklärte, daß er für die durch Ministerratsbeschlüsse festgestellten Hauptpunkte des Übereinkommens einstehe; doch halte Graf Rechberg sich durch die vom Finanzminister bei Vorlage desselben weiters gegebenen Erklärungen und Motivierungen nicht gebunden. Der Polizeiminister äußerte, daß er an den Vorschlägen des Finanzministers nicht bloß in Konsequenz der früheren Beschlüsse || S. 362 PDF || des Ministerrates, sondern aus voller Überzeugung festhalte, zumal alle aufgetauchten Gegenprojekte gehaltlos sind. Minister Graf Nádasdy würde ebenfalls diese Anträge vertreten, wenn er dazu in die Lage käme. Minister Ritter v. Lasser ist jetzt wie früher mit manchen Detailbestimmungen des Übereinkommens nicht einverstanden, z. B. mit der 2 % Verzinsung des Vorschusses oder Darlehens von 80 Millionen. Ebenso hält er die Hinausgabe bder 1 fl. Noten als Staatsnoten bis zu einem limitierten, zur Deckung des dringendsten Bedarfs der Zirkulation erforderlichen Betrage (etwa 40—60 Millionen) für zulässig und zu keinem Disagio gegenüber den 5 fl. und 10 fl. Banknoten führend, vorausgesetzt nur insolange, als die Bank die Barzahlung nicht aufnimmtb . Dagegen betrachtet der Minister es als ein festzuhaltendes Prinzip, daß man die Bank nicht zur Liquidation zwingen und dadurch eine höchst gefährliche Krisis heraufbeschwören solle, cdaß man ferner schon jetzt die Frage der Privilegienverlängerung (wenn auch vielleicht auf eine kürzere Jahresreihe) und die Anbahnung der Verbesserung der Valuta in Angriff nehmen und endlich die Zentralisation des Zettelwesens in eine Nationalbank festhalte. Für diese Hauptgrundsätze solle allerdings das ganze Ministerium kämpfen, dagegen aber zweckmäßigen Modifikationen im Detail nicht direkt entgegentretenc .

Wenn man die Frage stellt, ob das Ministerium mit dem Übereinkommen stehen oder fallen soll, müsse Ritter v. Lasser darauf mit Nein antworten. Er glaube selbst nicht, daß dies für den Finanzminister eine Notwendigkeit wäre, daher der letztere im Abgeordnetenhause erklären dürfte, er stehe nicht allein, und auch die übrigen Minister wollten im Großen am Übereinkommen festhalten. Schließlich machte Ritter v. Lasser aufmerksam, daß man in diesem Fall nicht, wie bei einem gewöhnlichen Gesetz, einfach die Vorlage zurückziehen könne, sondern daß man dann mit etwas anderem auftreten müßte, weil etwas geschehen muß. Der Finanzminister erwiderte, es sei keineswegs seine Absicht, leichthin mit jener Erklärung aufzutreten. Er wolle vielmehr den Gemütern Zeit lassen, sich zu beruhigen, und womöglich das Eintreten einer günstigen Stimmung abwarten. Aber wenn dies nicht geschieht und die Gegner auf Liquidierung der Bank oder Emission von Staatsnoten ohne Garantiefonds dringen, müsse zu jener Erklärung als dem äußersten Mittel geschritten werden. In bezug auf seinen bei Vorlage des Übereinkommens gehaltenen Vortrag bemerkte Minister Edler v. Plener, daß derselbe nicht kürzer gefaßt werden konnte, ohne der Klarheit in Darlegung der finanziellen Prinzipien und des ganzen Planes Abbruch zu tun. Die Motivierung bilde ein geschlossenes Ganzes und habe daher nicht bloß stückweise vorgebracht werden können. Der Handelsminister teilte im wesentlichen die vom Minister Ritter v. Lasser entwickelten Ansichten. Der Präsident des Staatsrates fand gegen die vom Finanzminister eventuell abzugebende Erklärung nichts zu erinnern, zumal über die fraglichen Grundsätze im Ministerrat keine Meinungsverschiedenheit besteht. || S. 363 PDF || FML. Ritter v. Schmerling äußerte, er halte sich nicht ermächtigt, in dieser mehr subjektiven Frage eine Meinung namens des Kriegsministers abzugeben, welcher bei Einsichtnahme des Protokolls in der Lage sein würde, seine persönliche Ansicht beizurücken9.

Schließlich erklärten die Minister über Aufforderung von Seite des den Vorsitz führenden durchlauchtigsten Herrn Erzherzoges, daß sie ihren Einfluß in den Kreisen der Abgeordneten zur Unterstützung der fraglichen Vorlage geltend machen werden10.

III. Erklärung der Regierung im Herrenhaus über die zwangsweise Ablösung der Lehen

Minister Ritter v. Lasser referierte über den Stand der Verhandlungen im Herrenhause über das Lehenablösungsgesetz, über die diesfälligen drei Anträge und den Sonderantrag des Grafen Kuefstein, der die großen böhmischen Kronlehen von der Aufhebung des Lehenbandes ausnehmen will11.

Der Minister hält es für angezeigt, daß die Regierung im gegenwärtigen Stadium sich über die Hauptfragen ausspreche, ohne übrigens daraus Kabinettsfragen zu machen. Diese Erklärung hätte vor allem dahin zu gehen, daß der Regierung die Annahme des Entwurfes, der von der Majorität des Herrenhauses unter B vorgelegt worden ist, und dem Prinzipe der zwangsweisen Ablösung als Regel Ausdruck gibt, am willkommensten sein wird. Gegen die zwischen diesem Entwurf und der Gesetzvorlage obwaltenden Differenzen werde vom Ministerium kein prinzipieller Widerspruch erhoben werden. Ritter v. Lasser würde ferner seine Meinung dahin aussprechen, daß es unter gewissen Modalitäten zulässig wäre, die großen böhmischen Kronlehen in Mähren und Schlesien von der zwangsweisen Ablösung auszunehmen. Für diese Ausnahme spricht nämlich der von den gedachten Lehen auf die böhmische Krone zurückstrahlende Glanz und noch der weitere Umstand, daß diese Güterkomplexe noch anderweitig vinkuliert sind, so daß dieselben selbst nach Aufhebung des Lehenbandes nicht dem freien Verkehre anheimfallen würden. Übrigens teile der Minister auch die vom Freiherrn v. Lichtenfels vertretene Meinung, daß die Afterlehen des Erzbistums Olmütz von der zwangsweisen Ablösung nicht auszunehmen wären und die diesfälligen Freimachungsgebühren als direkte Geldlehen zu behandeln sein würden.

Der Staatsminister und die übrigen Stimmführer waren mit der Abgabe der vom Minister Ritter v. Lasser skizzierten Erklärung einverstanden.

Der Staatsratspräsident referierte, es sei ihm mitgeteilt worden, daß Graf Hartig ein neues Projekt entworfen habe, wonach bloß die bäuerlichen und die italienischen Lehen imperativ abzulösen wären und der Beschluß über die Ablösung der übrigen Lehen einer späteren Periode vorbehalten bliebe. Präsident Fürst Carl Auersperg sei für dieses Projekt gewonnen, dessen Chancen überhaupt günstig stehen, obgleich Baron Lichtenfels sich dagegen erklären müßte. Minister Ritter v. Lasser behielt sich gleichfalls vor, gegen dieses Projekt in der Ansprache an das || S. 364 PDF || Herrenhaus vorbeugend zu wirken, womit der Staatsminister völlig einverstanden war12.

IV. Bestreitung der Ruhegenüsse des FZM. Johann Kempen Freiherr v. Fichtenstamm

Der Finanzminister brachte die zwischen den Ministerien streitige Frage zur Sprache, aus welcher Kasse die Ruhegenüsse des FZM. Freiherrn v. Kempen zu bestreiten kommen. Diese Bezüge bestehen aus 6300 fl. Pension für seine Militärdienste und 4000 fl. Zulage ex camerali. Der Finanzminister fände es sowohl der Sachlage als den bestehenden Normen am angemessensten, wenn die Militärpension aus dem Gendarmeriefonds bestritten würde, da Baron Kempen zuletzt Gendarmeriegeneralinspektor war, und wenn die Zivilzulage auf die Polizeihauptkasse13 überwiesen werden möchte. Nachdem die Minister Baron Mecséry, Ritter v. Schmerling und Ritter v. Lasser sich mit diesem Teilungsmodus einverstanden erklärt, die übrigen Stimmführer aber dagegen keine Einsprüche erhoben hatten, äußerte der Finanzminister, er werde in diesem Sinne dden Gegenstand erledigen, indem bei der Einigung der früher differierend gewesenen Meinungen des staatsund des Polizeiministeriums der Anlaß zu einem au. Vortrag entfalled .

eDer nachträglich zur Abgabe seiner Ansicht gelangte Kriegsminister schließt sich der von Sr. Exzellenz dem Herrn Minister v. Lasser geäußerten Auffassung an.e Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Venedig, 31. März 1862. Empfangen 2. April 1862. Erzherzog Rainer.