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Nr. 204 Ministerrat, Wien, 6. März 1862 — Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 6. 3.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 24. 3.

MRZ. 1008 – KZ. 768 –

Protokoll I des zu Wien am 6. März 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Dienstgrad und Bezüge des Statthaltereirates Friedrich Haupt

Der Minister Graf Nádasdy referierte, daß die siebenbürgische Hofkanzlei die erledigte Stelle eines Referenten bei dem siebenbürgischen Oberlandeskommissariate durch den disponiblen k. k. Statthaltereirat Friedrich Haupt besetzt habe, und daß aus diesem Anlasse in Berücksichtigung der vielseitigen Verdienste des Haupt, der ohne sein Verschulden in Disponibilität versetzt wurde, bei Sr. Majestät der au. Antrag gestellt wird, dem genannten Statthaltereirate bei seinem Eintritte auf die ihm verliehene Stelle seinen früheren Dienstcharakter und seine bisherigen Bezüge als k. k. Statthaltereirat Ag. zu belassen.

Dem Ministerrate ergab sich hierwegen keine Erinnerung1.

II. Einwand des Erzbischofs von Prag und der Bischöfe von Budweis und Königgrätz gegen die kirchliche Feier des Jahrestags der Verfassung

Der Staatsminister referierte über die in Böhmen vorgefallene Remonstration gegen die Feier des Jahrestages der Verfassung. Diese Feier ist bekanntlich, einige Fälle ausgenommen, nur in der Art veranlaßt worden, daß die Gemeinderepräsentanten sich an die Geistlichkeit mit dem Wunsche gewendet haben, diesen Gedächtnistag durch einen solennen Gottesdienst zu feiern, welchen Wünschen auch nachgekommen worden ist.

In Böhmen ging der Beschluß zur Feier des 26. Februar vom Landesausschusse aus, und es hat sich über Ansuchen des letzteren der Statthaltereivizepräsident Baron Kellersperg an den Kardinal Erzbischof von Prag und an die übrigen Bischöfe des Landes um die Anordnung einer angemessenen kirchlichen Feier verwendet2. Der Kardinal und die Bischöfe von Budweis und Königgrätz lehnten dieses Ansuchen ab, und zwar in einer Art, die von der Regierung nicht mit Gleichgiltigkeit hingenommen werden kann. Der Kardinal erklärte nämlich, daß er die Mitwirkung der Kirche zu politischen Demonstrationen nicht gestatten könne und für die Kirche nur den Standpunkt der Indifferenz in Anspruch nehmen müsse. Der Bischof von Königgrätz, Karl Hanl, und der Bischof von Budweis, Valerian Jirsík, gingen bei ihrer Ablehnung von denselben Gründen aus und nahmen für sich den angeblich objektiven Standpunkt zwischen den divergierenden Parteiansichten über die Verfassung in Anspruch, wobei [sie] sich auf das Beispiel ihres Metropoliten beriefen. || S. 307 PDF || Solche Vorgänge müssen nach der Ansicht des Staatsministers zu einer solchen Verwirrung führen, welche die bedenklichsten Folgen haben kann. Se. Majestät haben einmal die Verfassung Ag. verliehen, und wenn nun kirchliche Würdenträger sich erlauben, diese Verfassung als eine Parteisache hinzustellen und Angriffe gegen dieselbe nur als Meinungsverschiedenheiten zu betrachten, so heiße dies doch jene Bestrebungen unterstützen, welche gegen die Befestigung der gesetzlichen Ordnung und gegen die gedeihliche Wirksamkeit des Ag. erlassenen Staatsgrundgesetzes gerichtet sind. Diesem offenbar an Hochverrat grenzenden Benehmen müsse mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden, und der Staatsminister gedenkt daher, unter Darstellung des Sachverhaltes sich den Ah. Befehl zu erwirken, daß den genannten böhmischen Bischöfen das mißfällige Befremden Sr. Majestät über ihren Vorgang rücksichtlich der angesuchten kirchlichen Feier des 26. Februar und die Ah. Erwartung bekanntgegeben werde, daß sie künftighin eine den landesväterlichen Absichten Sr. Majestät und den Staatsgrundgesetzen zusagende Haltung einnehmen werden. Nachdem der Staatsminister schließlich noch die gedachten Ablehnungszuschriften des Kardinals Fürsten Schwarzenberg und des Bischofs Jirsík dem ganzen Inhalte nach vorgelesen hatte3, erwähnte er nur noch, daß der Bischof Hanl trotz seiner anfänglichen Weigerung im letzten Augenblicke dennoch einen feierlichen Gottesdienst abgehalten haben soll.

Im Laufe der hierüber gepflogenen Erörterung äußerte der Polizeiminister , daß, nachdem das Benehmen der gedachten Bischöfe offenbar den Charakter einer mißbilligenden Demonstration gegen das Ah. erlassene Staatsgrundgesetz an sich trägt, er sich nur der Ansicht und dem Antrage des Staatsministers anschließen könne. Der Minister des Äußern war dagegen der Ansicht, daß man in dieser heiklichen Sache mit der größten Vorsicht vorgehen sollte; die Regierung habe bezüglich der Anordnung der kirchlichen Februarfeier nicht die Initiative ergriffen und könne daher auch die Weigerung der böhmischen Bischöfe, auf die Einladung des Landesausschusses einzugehen, nicht rügen. Auch geben diese Bischöfe in ihren Ablehnungszuschriften keineswegs die Erklärung ab, daß sie die Verfassung nicht anerkennen, sondern nehmen bloß den Standpunkt der Indifferenz in Anspruch, und wenngleich hiebei ihre eigentliche Gesinnung verraten ist, so biete dieses dennoch keinen Anhaltspunkt zu einem Einschreiten von Seite der Regierung. Graf Rechberg hält es überhaupt für sehr ratsam, daß von Seite der Regierung jeder schriftliche Konflikt mit dem Klerus vermieden werde, indem das Resultat hievon kaum zum Nutzen der ersteren ausfallen dürfte. Insbesondere würde aber Votant wünschen, daß in diese Sache nicht der Ah. Name Sr. Majestät hineingezogen werde, und wäre sonach der Meinung, daß diese ganze Angelegenheit bloß mündlich mit den gedachten geistlichen Würdenträgern abzutun wäre. Minister Graf Esterházy schloß sich dieser Meinung an, indem er in dieser unangenehmen Sache schon deshalb jeden Schriftwechsel vermieden wissen möchte, weil es kaum zu etwas Besserem führen dürfte und man heute nicht wissen kann, wer das letzte Wort behalten wird. Minister Graf Nádasdy sprach sich für die Auffassung || S. 308 PDF || des Staatsministers aus. Der böhmische Statthaltereivizepräsident habe über Ansuchen des Landesausschusses die Sache eingeleitet und sich wegen Anordnung des feierlichen Gottesdienstes an den Kardinal und die anderen Bischöfe ämtlich verwendet. Diese Bischöfe konnten allerdings dieses Ansuchen ablehnen, ohne daß man ihnen deshalb etwas anhaben könnte. Aber das nicht zu Rechtfertigende, mithin Anstößige in dieser Sache sei die Motivierung der Ablehnung, worin die feierliche Begehung des Jahrestages der Verfassung auf eine Linie mit politischen Demonstrationen gestellt wird, welche von den Feinden der Ordnung und der Regierung ausgehen. Nachdem nun die Regierung verpflichtet ist, an der Ah. verliehenen Verfassung festzuhalten und alles Dawiderlaufende hintanzuhalten und nachdem, wenn diese allgemein bekannt gewordene Verweigerung unbesprochen bleiben würde, es nur dahin ausgelegt werden möchte, daß Se. Majestät mit der Deklarierung der Verfassung als eine Parteifrage einverstanden seien, glaubt Votant, daß es vollkommen angezeigt ist, diesen Bischöfen amit Ausschließung des Beinamens „mißfällig“a das Befremden Sr. Majestät über ihr Benehmen auszudrücken, nur würde er die Modifikation für wünschenswert halten, daß bdieser Ah. Ausspruch nur damit motiviert werde, daß sie die kirchliche Feier des 26. Februar als politische Demonstration einer Partei betrachten und erklärenb . Der Kriegsminister , der Minister Ritter v. Lasser , der Finanzminister und der Handelsminister stimmten für den Antrag des Staatsministers mit der Modifikation des Grafen Nádasdy, indem sie anerkannten, daß die Regierung in dieser Sache Ernst zeigen und ihre Autorität wahren muß. Der ungarische Hofkanzler erblickt in dem fraglichen Vorgange keine Beleidigung der Regierung und würde mit Rücksicht auf die politische Stimmung Böhmens davor warnen, in dieser Sache den vorgeschlagenen Weg zu betreten, welcher kaum zu einem Siege der Regierung führen dürfte. Wohl fände es Graf Forgách für gut, wenn Se. Majestät in mündlicher Audienz diesen Herrn ihr Benehmen zu verheben [sic!] und für die Zukunft eine loyalere Haltung anzubefehlen geruhen möchten, was gewiß von besserer Wirkung wäre und jeden schriftlichen Konflikt vermeiden würde. Der Staatsratspräsident hat die volle Überzeugung, daß Se. Majestät die Ag. verliehene Verfassung auch aufrecht erhalten wissen wollen, das Benehmen des Kardinals Fürsten Schwarzenberg sei aber offenbar eine Aufreizung gegen die Verfassung, und ces fehle wenig, daß dieselbec nach dem Strafgesetze behandelt werden könnted, und Votant glaubte daher, dem Antrage des Staatsministers mit der Modifikation des Grafen Nádasdy beipflichten zu sollen, wofür sich somit die Mehrheit des Ministerrates aussprach4.

III. Abschluß der Verhandlungen der Staatsverwaltung mit der Nationalbank

Unter Berufung auf seine in den Konferenzen vom 3. Dezember 1861 und 16. Jänner 1862 5 gehaltenen Vorträge in betreff der Grundzüge wegen der Regelung des Schuldverhältnisses zwischen dem Staate und der Nationalbank rücksichtlich der Abschließung eines die Verlängerung des Privilegiums regelnden Übereinkommens referierte der Finanzminister , daß nun diese Verhandlungen und die damit verbundene Revision der Statuten und des Reglements beendet sind, mithin die ganze Angelegenheit in das Stadium getreten ist, daß nunmehr die Ah. Ermächtigung zu erbitten ist, die Sache zur verfassungsmäßigen Behandlung an den Reichsrat bringen zu dürfen6.

Der Finanzminister besprach in längerer Rede vorerst die vereinbarten Punktationen7, indem er die einzelnen Artikel beleuchtete, und insbesondere die Abweichungen, welche sich bei dieser Vereinbarung gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen ergeben haben und sich hauptsächlich auf die Herabsetzung der permanenten Staatsschuld von 100 auf 80 Millionen, auf deren Verzinsung mit 2 %, auf die nicht — wie anfänglich beabsichtigt war — im letzten Jahre zu erfolgende, sondern schon vier Jahre früher zu beginnende Rückzahlung dieser Schuld, endlich auf den Modus der Zurückgabe der 1860er Lose sich beziehen, hervorhob und begründete. Durch das Zustandekommen dieses Übereinkommens, fährt Redner fort, entfalle nun auch das für den Fall des Mißlingens dieser Verhandlungen im Hintergrunde gehaltene, in der Konferenz vom 16. Jänner l. J. besprochene Projekt bezüglich der Übernahme der Banknoten à 1 fl. und 5 fl. als Staatspapiergeld etc., was umso erfreulicher sei, als bekanntlich das doppelte Papiergeld sehr störend in alle Verkehrsverhältnisse eingegriffen hätte, hiedurch auch auf keine Verbesserung des Agio zu hoffen gewesen wäre und überhaupt mit dieser Maßregel eine Schleuse geöffnet worden wäre, die sich nicht so leicht wieder hätte schließen lassen. Nachdem sodann der Finanzminister sowohl vom politischen und ökonomischen als auch vom finanziellen Standpunkte die absolute Notwendigkeit des dauernden Fortbestandes der Nationalbank nachwies und hiebei alle die Nachteile besprach, welche durch die etwaige Maßregel, die gegenwärtige Bank absterben zu lassen und allenfalls eine Staatsbank zu kreieren, hervorgehen würden, machte er schließlich bemerklich, daß ihn bei der Abschließung des Übereinkommens nicht bloß die Idee der Defizitsbedeckung, sondern auch höhere Rücksichten, namentlich die von Sr. Majestät selbst Ah. anbefohlene Herstellung der Unabhängigkeit der Bank geleitet haben8. Dem Ministerrate ergab sich in dieser Angelegenheit keine Erinnerung.

Als hierauf der Finanzminister den Entwurf der Bankstatuten und des Reglements zum Vortrage bringen wollte und die Bemerkung vorausschickte, daß sich bei der Vereinskommission einige Differenzen ergeben haben, stellten Se. k. k. Hoheit || S. 310 PDF || die Frage, ob es nicht zweckmäßiger wäre, diese Entwürfe früher durch den Staatsrat, wohin sie ohnehin gelangen müssen, begutachten zu lassen, welche Frage allseitig bejahend beantwortet, sonach beschlossen wurde, vorläufig die Sache an den Staatsrat zu leiten, wobei der Finanzminister sich nur erbat, daß diese sehr dringende Sache im Staatsrate möglichst schleunig behandelt werde9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Venedig, 21. März 1862. Empfangen 24. März 1862. Erzherzog Rainer.