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Nr. 196 Ministerrat, Wien, 15. Februar 1862 — Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 15. 2.), Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, FML. Schmerling; abw. Degenfeld, Lasser, Pratobevera; BdR. Rechberg 23. 2.

MRZ. 1000 – KZ. 518 –

Protokoll I des zu Wien am 15. Februar 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg.

I. Erhöhung der Branntweinsteuer in geschlossenen Städten

Der Finanzminister referierte seinen au. Vortrag vom 18. Jänner l. J., Zahl 317, über die Erhöhung der Branntweinsteuer in geschlossenen Städten1.

Er erinnerte, daß infolge Ah. Ermächtigung vom 17. Septembera v. J. ein Gesetzentwurf über die künftige Besteuerung des Branntweines nach Menge und Alkoholgehalt des Erzeugnisses beim Reichsrate eingebracht wurde2. Dieses Gesetz ermögliche auch bdie Durchführung des in dem Verzehrungssteuersysteme enthaltenen Grundsatzes der Höherbesteuerung steuerbarer Momente und Objekte in geschlossenen Städten gegenüber dem flachen Lande, welcher Grundsatz jedoch nur bei der Gleichheit der Steuereinheit für die Erzeugung des steuerbaren Objektes und für dessen Einfuhr über die Steuerlinie ausführbar ist. Diese Gleichheit bestand bisher nicht, weil die Erzeugungssteuer nach dem Maischraume, die Einfuhrsteuer aber nach dem gewonnenen Produkte bemessen und über die aus einem gegebenen Maischraume erzeugte höchst relative Menge Alkohol keine feste Bestimmung möglich istb . Bei dem nun aufgenommenen Prinzipe der Besteuerung des fertigen Produktes nach dessen Menge und Alkoholgehalt falle diese Schwierigkeit weg und es könne der Differentialsteuersatz für Branntwein für die Einfuhr nach und die chöhere Erzeugungssteuerc in den geschlossenen Städten dohne Anstandd bemessen und bei der Ausfuhr eaus denselben der Differentialbetrag ohne Nachteil und Schwierigkeite vergütet werden. Der Differentialsteuersatz für || S. 265 PDF || Branntwein verhalte sich zur gewöhnlichen Steuer wie 5 : 6,3 bei Wein und wie 2,5 : 6,3 bei den anderen geschlossenen Quoten und sei somit geringer als bei der Biersteuer. Rum, Arrak, Liköre seien als Gegenstände des Luxus mit einer höheren Steuer zu belegen, und sei die hiebei gemachte Beschränkung auf ein Minimum von 50 Graden pro Eimer durch die Vorsorge gegen Verkürzungen geboten3. Dies vorausgeschickt verlas der Finanzminister den nebenliegenden Gesetzentwurff . Der Staatsratspräsident erklärte, daß sich dem Staatsrate bei der Begutachtung dieses Gesetzentwurfes4 keine andere Bemerkung ergab, als daß im Art. II statt „Branntwein“ im Einklange mit der Terminologie des Entwurfes selbst gesagt werden sollte „gebrannte geistige Flüssigkeiten“, worüber aber der Finanzminister bemerkte, daß, nachdem unter diesem Ausdrucke auch alle süßen geistigen Flüssigkeiten als Rum, Liköre etc. begriffen sind, der Art. II aber bloß von Branntwein und Branntweingeist handle, diese Modifikation nicht entsprechend wäre, dagegen er aber keinen Anstand nehmen würde, der besseren Deutlichkeit wegen nach dem Worte „Branntwein“ noch „und Branntweingeist“ einzuschalten, womit die Konferenz einverstanden war.

Im übrigen ergab sich gegen den Gesetzentwurf von keiner Seite eine Erinnerung5.

II. Ansuchen der Bergwerksbesitzer Constantin v. Nowicki und Franz Hausotter um Bewilligung der Aufnahme eines Anlehens zur Errichtung eines Hüttenwerkes bei ihren Kupfergruben bei Graslitz in Böhmen

Der Finanzminister referierte seine au. Anträge über das Gesuch der Bergwerksbesitzer Constantin v. Nowicki und Franz Hausotter um die Ag. Konzession zur Aufnahme eines Anlehens zur Errichtung eines Hüttenwerkes nächst den den Bittstellern gehörigen Kupfergruben bei Graslitz in Böhmen6.

Dieses Anlehen im Betrage von 70.000 Talern soll durch Ausgabe von 700 Stück Obligationen, jede von 100 Talern, unter hypothekarischer Verpfändung der den Bittstellern eigentümlichen, auf 405.000 fl. öW. geschätzten Kupferwerke aufgenommen werden. Dieses Kapital wollen die Bittsteller im Königreich Sachsen aufbringen. Dieser Umstand und die Geringfügigkeit des Betrages lassen den Finanzminister nicht besorgen, daß dieses Anlehen irgendeinen Einfluß auf den hiesigen Geldmarkt nehmen werde und er fände daher keinen Grund, dieses Anlehen zu beanständen. Es handle [sich] aber auch um eine Abweichung von der Bestimmung der Ah. Entschließung vom 19. Juni 1847 7, wornach die Ausfertigung von solchen Obligationen auf bestimmte Namen vorgeschrieben ist, hier jedoch die beabsichtigte Ausfertigung der fraglichen Teilschuldverschreibungen auf den Inhaber lauten soll. Nachdem aber von dieser Bestimmung schon viele Ausnahmen gemacht wurden und nachdem jene Form als ein notwendiges Erfordernis zu der || S. 266 PDF || beabsichtigten Realisierung des Anlehens im Auslande betrachtet werden kann, so dürfte nach der Ansicht des Finanzministers auch in dem vorliegenden Falle von der bestehenden Vorschrift abgegangen werden, und er glaubte daher, den au. Antrag auf die Ag. Bewilligung stellen zu sollen, daß bei dem in Rede stehenden Prioritätsanlehen von 70.000 Talern die auszugebenden 700 Teilschuldverschreibungen per 100 Taler auf den Inhaber ausgestellt werden dürfen.

Der Präsident des Staatsrates verlas hierauf das Gutachten des Staatsrates, nach welchem die ganze Anlehensoperation eine Ausnahme vom Gesetze sei, die sich durch nichts begründen ließe, und worin die Motive umständlich dargelegt werden, welche gegen die Gestattung der Ausstellung der Obligationen auf den Inhaber sprechen8. Der Staatsrat ist sonach einhellig des Erachtens, daß dem Antrage des Finanzministers keine Folge zu geben wäre, wobei nur von zwei Stimmen in zweiter Linie bemerkt wurde, daß, wenn diesem Antrage Allerhöchstenortes keine Folge gegeben werden sollte, jedenfalls noch die Landesbehörden und auch das Justizministerium über das Ansuchen einzuvernehmen wären. Der Staatsratspräsident äußerte, daß er ebenfalls dem ministeriellen Antrage nicht das Wort zu führen vermag. Abgesehen davon, daß es sich um Ausländer handelt, welche, weil in ihrem Vaterlande Sachsen die Ausgabe von solchen Partialobligationen verboten ist, nun hier ein Geschäft versuchen wollen, welches wahrscheinlich nur auf Schwindeleien ausgehen dürfte, könne es nicht unbeachtet gelassen werden, daß es sich hier um ein altes Kupferwerk handelt, welches aufgelassen werden mußte, und nun auf einmal wieder mit der Hoffnung auf eine große Ergiebigkeit in Betrieb gesetzt werden soll. Überdies weichen sämtliche Bestimmungen, unter welchen die fragliche Anlehensoperation ausgeführt werden soll, von den bestehenden Gesetzen ab, und es scheine dem Votanten durchaus kein Grund zu solchen Ausnahmen vorhanden zu sein. Wolle man aber in der Sache doch etwas tun, dann könnte er nur dafür stimmen, daß noch vorläufig die Behörden hierüber vernommen werden.

Der Finanzminister erwiderte, daß die beiden Bittsteller wohlakkreditierte Industrielle sind, die einen sehr rühmlichen Betrieb haben und von denen ein Schwindel nicht zu besorgen ist, und daß auch das fragliche Kupferbergwerk nach den gder montanistischen Sektion des Finanzministeriums zu Gebote stehendeng Erhebungen allerdings zu guten Hoffnungen berechtige. Daß die betreffenden Behörden nicht vernommen worden sind, fände seinen Grund in der Dringlichkeit der Sache, und es habe der Finanzminister hiebei das Präzedens des Anlehens der süd-norddeutschen Verbindungsbahn, welches auch im Momente geschehen mußte, vor Augen gehabt. hIm gegenwärtigen Momente hat die bittstellende Bergwerksgesellschaft die Gelegenheit, das Darlehen zu erhalten. Wird die Verhandlung verzögert, so treten die betreffenden Offertgeber zurück und die ganze Sache zerfällt. In Geldangelegenheiten, wenn sie gelingen sollen, muß der richtige Moment benützt werden. Wenn aber die Einvernahme des Justizministeriums beliebt werden sollte, so dürfte gegenwärtig der au. Antrag auf Abweisung entfallen, vielmehr die erforderliche vorläufige Erhebung sogleich eingeleitet werdenh Im gegenwärtigen Momente hat die bittstellende Bergwerksgesellschaft die Gelegenheit, das Darlehen zu erhalten. Wird die Verhandlung || S. 267 PDF || verzögert, so treten die betreffenden Offertgeber zurück und die ganze Sache zerfällt. In Geldangelegenheiten, wenn sie gelingen sollen, muß der richtige Moment benützt werden. Wenn aber die Einvernahme des Justizministeriums beliebt werden sollte, so dürfte gegenwärtig der au. Antrag auf Abweisung entfallen, vielmehr die erforderliche vorläufige Erhebung sogleich eingeleitet werden.

Nachdem der vorsitzende Minister des Äußern noch bemerkte, daß es hier eigentlich ein Rechtsgeschäft betrifft, welches ohne Intervention der Gerichtsbehörden nicht abgeschlossen werden kann, mithin dieser Gegenstand jedenfalls auch an das Justizministerium zu leiten wäre, wurde einstimmig der Beschluß gefaßt, daß der in der Rede stehende Vortrag im Wege des Ministerratspräsidiums dem Finanzminister zur Veranlassung der gedachten Vorerhebungen zurückgestellt werde9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 22. Februar 1862. Erhalten 23. Februar 1862. Rechberg.