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Nr. 194 Ministerrat, Wien, 5. Februar 1862 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 8. 2.), Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 4. 3.

MRZ. 998 – KZ. 641 –

Protokoll II des zu Wien am 5. Februar 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.

I. Militärexekution bei der Einhebung der Steuern in Ungarn und Siebenbürgen

Der Kriegsminister referierte, er sei bereits mehrmals in der Lage gewesen, dem Ministerrate die Nachteile in militärischer Beziehung gegenwärtig zu halten, welche aus der Verwendung des Militärs zur Eintreibung der Steuern in Ungarn entspringen und welche es zur Notwendigkeit machen, baldmöglichst einen anderen Modus der Steuereinhebung anzuwenden1. Vor kurzem seien ihm nun zwei || S. 256 PDF || Berichte von den Kommandierenden Generalen in Ungarn und Siebenbürgen zugekommen, welche nebst den militärischen Bedenken auch die Nachteile in politischer Beziehung hervorheben, die sich aus der oft rücksichtslosen Art ergeben, mit der die Finanzbehörden die Militärexekution gegen Kontribuenten anwenden, welche nicht renitent, sondern zahlungsunfähig sind2. Die Stimmung werde dadurch gerade in jenen Klassen der Bevölkerung verschlimmert, welche der Regierung anhänglicher sind. Der Kriegsminister las die Berichte der Grafen Coronini und Montenuovo über diesen Gegenstand und fügte bei, daß es jetzt, wo man das Experiment gemacht hat, zahlreiche ungarische Urlauber nach Hause zu schicken, umso bedenklicher wäre, die unteren Klassen zu exasperieren3. Graf Degenfeld wolle es seinen Kollegen überlassen, aus den mitgeteilten Tatsachen Folgerungen zu ziehen, müsse jedoch von seinem Standpunkte zunächst die militärische Seite der Berücksichtigung anempfehlen.

Der Finanzminister erwiderte, daß auf solche allgemeine vage Anschuldigungen wohl kein großes Gewicht gelegt werden könne. Begreiflich müssen, wo so viele untere Finanzorgane Zwangsmaßregeln durchzuführen hatten, da und dort Miß- und Übergriffe stattgefunden haben. Aber die Zahl der nachgewiesenen konkreten Fälle sei verhältnismäßig sehr gering, besonders wenn man erwägt, daß 45 Millionen an Steuerrückständen im Wege der aSpezialkommissionen mittels des ausnahmsweisen Exekutionsverfahrensa, 4 eingebracht worden sind. In der Regel greift man nicht gleich zur exekutiven Eintreibung, sondern erst nach vorausgegangenen erfolglosen Ermahnungen. Auf die Anwendung dieser ultima ratio könne aber jetzt noch nicht verzichtet werden, da mit dem zweiten Quartal 1862 noch 14 Millionen an Steuern aushaften, wovon neun Millionen aus früheren Quartalen. Der Augenblick, die Steuereinhebung wieder auf die politischen Behörden zu übertragen, sei noch nicht gekommen. Die Obergespäne dürften sehr oft die ihnen wieder eingeräumte Macht benützen, um sich durch unzeitige Nachsicht || S. 257 PDF || Popularität auf Unkosten des Staatsschatzes zu erwerben. Jetzt, wo die Finanzbehörden die individuellen Steuerschuldigkeiten nicht ohne große Mühe ermittelt und das Einzahlungsgeschäft in Ordnung gebracht haben, könne man nicht wieder sich leichthin der Gefahr aussetzen, die frühere Konfusion wiederkehren zu sehen und die unentbehrlichen Zuflüsse des Staatsschatzes wieder versiegen zu lassen. Um jedoch die Kontribuenten so viel als möglich klaglos zu stellen, sei der Finanzminister bereit, folgende Erleichterungen anzuordnen: 1. daß die zweite Quartalsrate, obgleich sie in Ungarn schon mit dem Beginne des zweiten Quartals gesetzmäßig fällig ist, nicht gleich exekutiv eingetrieben werde5, und 2. daß man die Militärexekution dort, wo keine Renitenz, sondern Zahlungsunfähigkeit zum Grund liegt, nicht in Anwendung treten lasse.

Der ungarische Hofkanzler bemerkte, die Anwendung der Militärexekution, welche früher eine unentbehrliche Maßregel war, habe nun aufgehört, notwendig zu sein, da man in Ungarn allgemein bereit ist zu zahlen und auch wirklich zahlt, wo man kann. Allein die Finanzorgane gehen in ihrem Eifer zu weit. Z. B.: Die Kontribuenten des Gácser Bezirks, wo Graf Forgách begütert ist, haben voriges Jahr infolge der exekutiven Einhebung ihre ganzjährige Schuldigkeit für 1861 auf einmal bezahlt. Bald darauf forderte man das erste Quartal 1862, was sie nur mit großen Opfern aufzubringen im Stand waren. Am 2. Februar 1862 aber begehrte man noch die Zahlung der Rate für das am 1. Februar erst begonnene zweite Quartal bei sonstiger unmittelbarer Exekution ein. Dieses zu leisten sei der keineswegs wohlhabende Bezirk, der früher niemals rückständig blieb, schlechterdings nicht imstande. Solche Vorgänge machen den schlimmsten Eindruck, und die Regierung verliert dadurch ihre Stütze bei den Bauern, welche früher gegen die Edelleute gestimmt waren, die sie vom Steuerzahlen abhielten, jetzt aber umzuschlagen beginnen. Man müsse suchen, wieder in das gesetzliche Geleise einzulenken, und die Instruktion für die Obergespäne, wornach sie das Steuerwesen zu leiten haben, zu einer Wahrheit machen6. An Willfährigkeit zu diesen Geschäften werde es den Männern, welche jetzt an der Spitze der Komitate stehen, nicht fehlen, zumal viele darunter früher sich als Komitatsvorstände im Steuergeschäfte bewährt haben. Die Hauptsache bei der Steuereinhebung ist, daß man hiezu den rechten Zeitpunkt wahrnehme, und dies vermögen die politischen Beamten besser, da sie die Zustände des agrikolen Landes genauer kennen als die Finanzbeamten. Man werde wohl auch künftig in manchen Fällen Strenge anwenden müssen, allein dies sollte nicht geschehen ohne Vorwissen der politischen Beamten, damit sie ihre Bedenken noch rechtzeitig geltend machen können7. Der Minister Graf Nádasdy äußerte, daß in Siebenbürgen die Steuerschuldigkeit für 1861 bereits fastb vollständig eingezahlt worden sei, freilich nicht, ohne daß die Leute mitunter || S. 258 PDF || Vieh und Ackergerät verkaufen mußten. Auch dort sei es vorgekommen, daß die Androhung der Exekution ihrer wirklichen Einlegung nur um zwei Tage vorausging. Übrigens cbemerkt Graf Nádasdy, daß für den Fall, wenn auch in Siebenbürgen die in Ungarn bestehende Norm eingeführt werden wollte, daß nämlichc die Steuerraten schon beim Beginn des Quartals fällig sind, währendd in den übrigen Ländern eder Monarchiee die Fälligkeit erst am Ende eintritt, fer für die Beseitigung dieser empfindlichen Ungleichheit sich angelegentlich erklären müssef . In bezug auf die Steuereinhebung für 1862 in Siebenbürgen dürfte der Landeschef angewiesen werden, im gEinvernehmen mit dem Finanzlandesdirektionspräsident Grafen Béldi jene politischen Behörden zu bezeichnen, welchen mit voller Beruhigung das Steuergeschäft, ebenso wie es im Jahre 1859 war, anvertraut werden könnteg Einvernehmen mit dem Finanzlandesdirektionspräsidenth Grafen Béldi jene politischen Behörden zu bezeichnen, welchen mit voller Beruhigung das Steuergeschäft, ebenso wie es im Jahre 1859 war, anvertraut werden könnte. Der Finanzminister äußerte, die von den zwei Vorstimmen erwähnten grellen Fälle könnten nur als seltene Ausnahmen gelten, widrigens längst zahlreiche Beschwerden vorgekommen sein müßten. iÜbrigens müsse er mit aller Entschiedenheit in Abrede stellen, daß die zweite Quartalsrate allenthalben in Ungarn bereits zum Gegenstande der Exekution gemacht worden sei. Die diesfalls von der Vorstimme zitierten Berichte können nicht glaubwürdig sein, weil man am 5. Februar in Wien noch keine Berichte aus allen Teilen Ungarns von den ersten Tagen des Februar selbst, mit welchen das zweite Quartal beginnt, haben kann. Es müsse daher jedenfalls ein Mißverständnis von Seite der berichterstattenden Militär- und politischen Organe obwalten; wie überhaupt alle derlei Klagen und Beschwerden, wenn man ihnen genau auf den Grund sieht, in nichts zerfallen, sondern der Abneigung der Steuerpflichtigen, und zwar insbesondere der größeren Grundbesitzer gegen die Zahlung und dem Streben derselben, sich bei den höheren Militärs und politischen Funktionären Protektion gegen die Verhaltung zur Schuldigkeit zu verschaffen, ihren Ursprung verdanken und am Ende nur zeigen, daß die Finanzpflichten ihrer sehr schwer erfüllbaren Pflicht nachgekommen sind. Ebenso sei es ganz unrichtig, daß die Spezialfinanzkommission gleich unmittelbar mit der Militärexekution beginne, diese wird nur bei fruchtloser Zahlungsaufforderung angewendet. Der Finanzminister hat in sehr zahlreichen Fällen die Nichtrealisierung der angedrohten oder die Abziehung der bereits eingelegten Militärexekution über die Zusicherung der Steuerträger, die Schuldigkeit bis zu einem gewissen Termine ohne Exekution zahlen zu wollen, verfügt. Der Erfolg war, daß mit dem Termine nicht gezahlt wurde und daß nach Monaten dann doch wieder zur Militärexekution geschritten werden mußte. Die Abneigung gegen die Militärexekution in Ungarn ist gleichbedeutend mit der Abneigung gegen Zahlung der Steuern. Will man sich damit populär machen, so verzichte man auf das Steuereinkommen. Die Regierung wird dann sehr beliebt, aber zugleich bankrott werdeni Übrigens müsse er mit aller Entschiedenheit in Abrede stellen, daß die zweite Quartalsrate allenthalben in Ungarn bereits zum Gegenstande der Exekution gemacht worden sei. Die diesfalls von der Vorstimme zitierten Berichte können nicht glaubwürdig sein, weil man am 5. Februar in Wien noch keine Berichte aus allen Teilen Ungarns von den ersten Tagen des Februar selbst, mit welchen das zweite Quartal beginnt, haben kann. Es müsse daher jedenfalls ein Mißverständnis von Seite der berichterstattenden Militär- und politischen Organe obwalten; wie überhaupt alle derlei Klagen und Beschwerden, wenn man ihnen genau auf den Grund sieht, in nichts zerfallen, sondern der Abneigung der Steuerpflichtigen, und zwar insbesondere der größeren Grundbesitzer gegen die Zahlung und dem Streben derselben, sich bei den höheren Militärs und politischen Funktionären Protektion gegen die Verhaltung zur Schuldigkeit zu verschaffen, ihren Ursprung verdanken und am Ende nur zeigen, daß die Finanzpflichtenj ihrer sehr schwer erfüllbaren Pflicht nachgekommen sind. Ebenso sei es ganz unrichtig, daß die Spezialfinanzkommission gleich unmittelbar mit der Militärexekution beginne, diese wird nur bei fruchtloser Zahlungsaufforderung angewendet8. Der Finanzminister hat in sehr zahlreichen Fällen die Nichtrealisierung || S. 259 PDF || der angedrohten oder die Abziehung der bereits eingelegten Militärexekution über die Zusicherung der Steuerträger, die Schuldigkeit bis zu einem gewissen Termine ohne Exekution zahlen zu wollen, verfügt. Der Erfolg war, daß mit dem Termine nicht gezahlt wurde und daß nach Monaten dann doch wieder zur Militärexekution geschritten werden mußte. Die Abneigung gegen die Militärexekution in Ungarn ist gleichbedeutend mit der Abneigung gegen Zahlung der Steuern. Will man sich damit populär machen, so verzichte man auf das Steuereinkommen. Die Regierung wird dann sehr beliebt, aber zugleich bankrott werden.

Im Verlauf der über diesen Gegenstand gepflogenen längeren Erörterung äußerte der Staatsminister , es sei wohl noch nicht geraten, daß die Finanzbehörden jetzt schon das Steuergeschäft aus der Hand geben und den Magistraten die Steuerrollen erfolgen. Allein es dürfte sich lohnen, den Versuch durch einige Wochen zu machen, ob und was ohne Anwendung der Militärexekution erreicht werden könne. Der Polizeiminister , der die Steuerrenitenz in Ungarn dermal für gebrochen hält, glaubte ebenfalls, daß die Finanzbehörden mit der Einhebung betraut zu bleiben hätten, aber von nun an nicht sofort mit Militärexekution vorzugehen, sondern die Einwirkung der untern politischen Behörden zu versuchen wäre. Ein Widerruf der Militärexekutionsmaßregel im allgemeinen hätte jedoch nicht Platz zu greifen, sondern dieselbe als letztes Mittel — über gepflogenes Einvernehmen der politischen und Finanzbehörden — in Anwendung zu treten. Mit dieser Meinung erklärten sich im wesentlichen einverstanden die Minister Ritter v. Lasser, Graf Degenfeld, Graf Wickenburg und Graf Esterházy sowie der Präsident des Staatsrates, endlich der den Vorsitz führende Minister des Äußern , welcher beifügte, daß die Militärexekution, wenn sie einmal erfolglos angedroht worden sei, auch wirklich in Vollzug gebracht werden müsse.

Der Finanzminister glaubte den Beschluß des Ministerrates in folgenden Punkten formulieren zu können: k1. Die Verwaltung der direkten Steuern wird bis auf weiters den politischen Behörden nicht übergeben und bleibt bei den Finanzbehörden, allerdings ist eine gewisse Intervention der politischen Behörden bei der Exekution einzuleitenk . 2. Die Einhebung der Steuerrückstände mittels Militärexekution bleibt prinzipiell noch aufrecht. 3. Die zwangsweise Einmahnung der Quartalsrate hat auch in Ungarn lnicht gleich im Beginne, sondern erst im Verlaufel des Quartals einzutreten. 4. Die Finanzbehörden erlassen am Ende des Quartals an die rückständigen Gemeinden Zahlungsaufträge mit Anberaumung eines bestimmten Termines und machen hierüber gleichzeitig Mitteilungen an die politischen Behörden, welche ihre mEinwirkung auf die Einzahlung auf die betreffenden Gemeinden und sonstigen Steuerträger eintreten zu lassen und ihre allfälligen Bemerkungen über rücksichtswürdige Gründem zum Behuf einer Verlängerung des Termins nan die Finanzbehörde zu machen habenn . Der Finanzminister wird den Text der hierüber zu erlassenden Vorschrift mit dem Minister Grafen Nádasdy und || S. 260 PDF || dem ungarischen Hofkanzler ound mit dem Kriegsministero vereinbaren, womit der Ministerrat einverstanden war9.

II. Handelsvertrag mit Frankreich

Der Minister des Äußern las einen Bericht des Botschafters Fürsten Metternich aus Paris über die sich äußernde Geneigtheit der französischen Regierung, mit Österreich einen Handelsvertrag zu unterhandeln10. Der Botschafter frägt an, ob auch österreichischerseits die gleiche Geneigtheit vorhanden sei und, dieses vorausgesetzt, ob er den französischen Minister über die gewünschten Konzessionen sowie über die uns dafür anzubietenden Vorteile im allgemeinen sondieren solle. Der vorsitzende Minister glaube sich hierüber vor allem die Wohlmeinung seiner Kollegen des Handels und der Finanzen erbitten zu sollen, deren baldige Mitteilung auch sofort zugesichert wurde11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 3. März 1862. Empfangen 4. März 1862. Erzherzog Rainer.