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Nr. 174 Ministerrat, Wien, 31. Dezember 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 4. 1. 1862), Rechberg, Mecséry, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy; abw. Pratobevera, Nádasdy, Forgách; BdR. Erzherzog Rainer 17. 1. 1862.

MRZ. 979 – KZ. 4192 –

Protokoll des zu Wien am 31. Dezember 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer.

I. Einlage von Sparkassengeldern bei der Credit-Anstalt

Der Präsident des Staatsrates referierte über einen Vortrag des Ministers Ritter v. Lasser über die Bitte des Ausschusses der Sparkasse zu Tetschen um || S. 147 PDF || die Gestattung, zeitweilig verfügbare Sparkassegelder bei der Filiale der Credit-Anstalt zu Prag in laufende Rechnung anlegen zu dürfen1.

Der ministerielle Antrag ist in dem Resolutionsentwurfe folgendermaßen formuliert: „Ich bewillige der Sparkasse zu Tetschen, Geldbeträge, die nicht sogleich und solange sie nicht auf eine andere statutenmäßige Weise fruchtbringend gemacht werden, mit Zustimmung des lf. Kommissärs zeitweilig bei der Prager Filiale der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe in laufende Rechnung anzulegen, und ermächtige Sie, die gleiche Bewilligung auch anderen in ähnlichen Verhältnissen befindlichen Sparkassen, welche darum ansuchen, zu erteilen.“ Freiherr v. Lichtenfels las aus dem Protokollsauszuge die Motive, welche die Majorität des Staatsrates bestimmten, auf die Ah. Ablehnung des vorstehenden Antrages anzutragen, während eine Minorität von zwei Staatsräten glaubte, daß die fragliche Anlegung der Sparkassegelder unter einer Beschränkung des Betrags allenfalls auf 1000 fl. Ah. gestattet werden dürfte. Die mehreren Stimmen erachteten ferner, dem Sparkassenregulative die Eigenschaft eines Gesetzes vindizieren zu sollen, so daß die in Rede stehende Modifikation desselben nur im verfassungsmäßigen Wege veranlaßt werden könnte. Der Staatsratspräsident glaubte, bei der heutigen Beratung von der Kompetenzfrage abstrahieren und sich schon aus der hier entscheidenden Rücksicht auf möglichst sichere Elozierung aller Sparkassegelder gegen den ministeriellen Antrag erklären zu sollen, laut welchem überdies dem lf. Kommissär ein Entscheidungsrecht eingeräumt würde, aus dem eine Haftung der Regierung für die schlimmen Folgen der Zustimmung des lf. Kommissärs gefolgert werden könnte.

Der Finanzminister ist im Prinzipe mit dem Votum des Staatsrates einverstanden; auch sieht er die Notwendigkeit nicht ein, die Summen, welche eine Sparkasse stets verfügbar halten muß, gerade in der Credit-Anstalt einzulegen. Der Einkauf von Salinenhypothekarscheinen gewähre einen noch höheren Zinsengenuß mit derselben Fazilität, sich bares Geld schnell zu verschaffen. aÜbrigens sollen Sparkassen ihre disponiblen Gelder den Darlehenswerbern auf Hypotheken zugänglich erhalten und ihre Anlagen nicht in Anstalten machen, welche spekulative Unternehmungen betreibena . Der Minister des Äußern , sowie Minister Graf Esterházy , mit dem Staatsrate einverstanden, weist auf die der Regierung den Sparkassaeinlegern gegenüber obliegende moralische Garantie hin, wodurch die Staatsverwaltung genötigt ist, darauf zu dringen, daß die Sparkassegelder nur mit vollkommen pupillarischer Sicherheit eloziert werden. Wegen Außerachtlassung dieser Vorsicht seien bereits manche deutsche Sparkassen zugrunde gegangen. Der Kriegsminister sprach sich dahin aus, daß, wenn überhaupt dem Ansuchen willfahrt werden sollte, mindestens eine Limitierung in bezug auf den Betrag des einzulegenden Sparkassegeldes und auf die Dauer solcher Einlagen festgesetzt werde, bglaubt aber im allgemeinen, daß der Kredit der Sparkassen bei den unteren Schichten der Bevölkerung sehr erschüttert werden würde, wenn man zugibt, daß diese Kassen Anlagen bei Spekulationsetablissements machen dürfenb glaubt aber im allgemeinen, daß der Kredit der Sparkassen bei den || S. 148 PDF || unteren Schichten der Bevölkerung sehr erschüttert werden würde, wenn man zugibt, daß diese Kassen Anlagen bei Spekulationsetablissements machen dürfen. Der Staatsminister nimmt keinen Anstand, sich dem Antrage des Ministers Ritter v. Lasser anzuschließen. Jede Sparkasse muß stets einen relativ nicht unbedeutenden Teil ihres Kapitals momentan disponibel halten, wenn sie sich vor der Gefahr, insolvent zu werden, schützen will. Die Haltung eines Barschatzes verursacht große Zinsenverluste, der gezwungene Verkauf von Staatspapieren nicht selten großen Kapitalverlust. Hypothekarposten aber können nur nach Monaten flüssig gemacht werden. Am schwierigsten ist die Lage der kleinen Landsparkassen, welche dem Geldmarkte fernstehen und nicht zu den Mitteln greifen können, welche den Sparkassen zu Wien und Prag zugänglich sind. Aus diesem Grunde scheint es dem Staatsminister wünschenswerter, auf dem Lande Filialen der großen Institute als Duodezsparkassen entstehen zu sehen. Die Kompetenz, in dieser Angelegenheit auf administrativem Wege vorzugehen, scheint dem Staatsminister unzweifelhaft. Das Sparkassa­regulativ ist eben nichts weiter als ein administratives Reglement, welches aus Opportunitätsgründen so wie viele andere Reglements ohne Dazwischenkunft des Reichsrates geändert werden kann. Was die Limitierung betrifft, so sei eine Limitierung in der Zeit mit Hinblick auf den bleibenden Bedarf disponibler Mittel unpraktisch. Die Limitierung des Betrages aber dürfe auch nicht zu eng sein, wenn nicht Verlegenheiten eintreten sollen. c1000 fl. wären jedenfalls viel zu wenigc . Minister Ritter v. Lasser erinnerte, daß die Regierung den Einlegern der Sparkassen gegenüber durchaus keine Garantie übernommen habe. Dagegen besteht in Tetschen so wie bei den übrigen Landsparkassen die Garantie der bezüglichen Gemeinde. Zudem scheine dem Minister die Einlegung in die Kreditbank mehr Sicherheit zu gewähren, als der Ankauf der im Kurs variablen Staatspapiere. Die Anlegung dvon Geldern bei einer andernd großen Sparkasse sei von den Bestimmungen der Statuten beider Sparkassen abhängig und werfe niedrigere Perzente ab als jene in der Kreditbank. Die Negozierung der Salinenhypothekarscheine erfordere einen eigenen völlig sicheren Mandatar in Wien, somit Auslagen für sein Honorar, für Geldtransporte etc. Mit einer Limitierung des Betrags allenfalls bis 10.000 fl. sei Ritter v. Lasser einverstanden. Der Polizeiminister ist mit dem ministeriellen Antrage bei gehöriger Limitierung des Betrages einverstanden. Die Schwierigkeit aber, diese Limitierung in der Ah. Resolution festzusetzen, sei nicht zu verkennen. Es müssen dabei die hierorts nicht bekannten speziellen Verhältnisse der bezüglichen Sparkasse berücksichtigt werden. In diesem letzteren Umstande liegt ein triftiger Grund, welcher die allgemeine Limitierung auf einen numerisch bestimmten Geldbetrag als unzweckmäßig, ja unmöglich erscheinen läßt. Ein Auskunftsmittel würde darin gefunden werden können, wenn die Einlagen in die Kreditbank auf die Hälfte des von der Gemeinde garantierten Haftungskapitals beschränkt würden. Darin wäre eine vollkommen hinlängliche Garantie gegen mögliche aber nicht wahrscheinliche Verluste bei der Kreditbank. Ohnehin könne unter allen Umständen ja nicht von dem Verlust der || S. 149 PDF || ganzen Einlage, sondern nur eines Teils derselben die Rede sein. Der Staatsminister vereinigte sich mit dem Antrage des Polizeiministers in bezug auf die Limitierung des Betrags, so auch eventuelle der Finanzminister und Minister Graf Esterházy. Der Handelsminister fände es am rationellsten, die Größe der zu gestattenden Einlagen in die Credit-Anstalt in Perzenten des gesamten jeweiligen ganzen Einlagskapitals der Sparkasse — etwa 10% — auszudrücken, da dieses Kapital eine veränderliche Größe ist und die momentan verfügbar zu haltenden Beträge sich eben nach dem Einlagskapitale richten müssen2.

II. Einsichtnahme des Finanzausschusses des Abgeordnetenhauses in die Protokolle der Ministerialbudgetkommission vom Jahre 1860

Der Finanzminister referierte, er sehe voraus, daß sich die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses3 durch Einsicht jener Protokolle werde informieren wollen, welche über die Beratung der Budgetkommission im Jahre 1860 aufgenommen wurden4. Der Minister fände dagegen nichts zu erinnern, würde jedoch der Kommission des Abgeordnetenhauses nicht die Originalprotokolle, welche manches Ungeeignete enthalten, sondern jenen epurierten, aber sonst sehr vollständigen Auszug mitteilen, der zum Gebrauche des verstärkten Reichsrates gedient hat5. Der Staatsminister war hiemit einverstanden, und die Minister Graf Rechberg, Baron Mecséry und Ritter v. Lasser fanden gegen die beantragte Mitteilung nichts zu erinnern, wofern dieselbe infolge eines offiziellen Ansinnens unvermeidlich werden sollte6.

[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Venedig, den 13. Jänner 1862. Empfangen 17. Jänner 1862. Erzherzog Rainer.