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Nr. 134 Ministerrat, Wien, 2. Oktober 1861 — Protokoll IV - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 2. 10.), Mecséry, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, FML. Schmerling; abw. Rechberg, Degenfeld, Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 27. 10.

MRZ. 935 – KZ. 3350 –

Protokoll IV des zu Wien am 2. Oktober 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer

I. Kirchenbank für den Staatsrat

Der Staatsratspräsident brachte aus Anlaß des bevorstehenden feierlichen Gottesdienstes bei St. Stephan zum Ah. Namensfeste Sr. Majestät die Rangierung des Staatsrates in der Kirche zur Sprache, da bei der letzten Ah. Geburtsfeier hierwegen keine Vorsorge getroffen war. Der Staatsminister glaubte, daß durch Aufstellung einer dritten Querbank abgeholfen werden könnte, und übernahm es, hierwegen den Erzbischof anzugehen.

II. Wünsche des Komitees für die Londoner Industrieausstellung

Der Handelsminister referierte über nachstehende Desiderien des Komitees für die Londoner Ausstellung1:

a) Um Erhöhung der Dotation von 30.000 fr. auf 130.000—150.000 fr., weil die Auslagen für Transport, Aufstellung, Überwachung der Expositionsobjekte sehr bedeutend sein werden und insbesondere diejenigen, so kostbare Gemälde aus ihren Galerien dahin senden, nicht auch noch außer dem Risiko für dieselben mit Transport- und Aufstellungskosten belastet werden sollen, Maler aber, die ihre eigenen Bilder ausstellen wollen, ohnehin nichts haben, woraus sie diese Auslagen bestreiten könnten. Nachdem diese Angaben unzweifelhaft sind und andere Regierungen ihre Industriellen bei diesem Anlaß mit großer Munifizenz unterstützen — Frankreich gibt zu diesem Ende 1,200.000 fr. —, so kann die österreichische Regierung wohl auch nicht zurückbleiben. Der Handelsminister schlug daher eine Dotationserhöhung um 100.000 fr. bis 120.000 fr. mit der Versicherung vor, daß man sich der strengsten Sparsamkeit befleißen werde2.

|| S. 422 PDF || Nach einigem Widerstreben stimmte der Finanzminister zu, daß von Sr. Majestät eine Dotation von höchstens 100.000 fr. im ganzen, mit Einrechnung der bereits bewilligten 30.000 fr., erbeten, daß damit gewissenhaft gewirtschaftet und daß sie keinesfalls auf einmal, sondern nur in Raten werde in Anspruch genommen werden. aDie Bestreitung eines Mehraufwandes über den erwähnten Maximalgesamtbetrag von 100.000 fr. sei jedoch mit Hinblick auf den Zustand der Finanzen ganz und gar unmöglich, daher der Finanzminister erklärte, daß er sich schon itzt dagegen verwahre, eine Mehranforderung auf die Finanzen zu übernehmen.a

b) Der Kaiser der Franzosen hat den Industriellen Frankreichs, wenn sie ausgezeichnete Erzeugnisse präsentieren, Legionskreuze versprochen. Ein Gleiches wünschen auch die unsrigen. Das Komitee hat gebeten, der Handelsminister möchte ihnen im Namen Sr. Majestät bei besonderen Leistungen die Ag. Anerkennung derselben durch sichtbare Zeichen in Aussicht stellen. Da Ehrenzeichen für Vermögliche mehr Sporn sind, sich hervorzutun, als Geld, so glaubte der Handelsminister , auf diese Bitte eingehen und beantragen zu sollen, Se. Majestät geruhen, die Ag. Geneigtheit zur Auszeichnung besonders hervorragender Leistungen der Künstler und Industriellen bei dieser Ausstellung Ag. auszusprechen und zu gestatten, daß ihnen dies der Handelsminister mündlich in Aussicht stelle.

Die mehreren Stimmen waren damit einverstanden. Der Polizeiminister , welchem Ritter v. Lasser und der ungrische Hofkanzler beitraten, erklärte sich gegen eine derartige Zusage, weil wahres Verdienst noch immer die Ag. Anerkennung Sr. Majestät gefunden hat und gewiß auch hier finden wird3.

III. Beitrag zum Bau einer Kapelle für die Kongregation der Schwestern der heiligen Vorsehung

Der Staatsminister referierte seinen au. Vortrag wegen Bewilligung einer Unterstützung von 1000 fr. aus dem Religionsfonds zum Bau einer Kapelle für die Kongregation der Schwestern der heiligen Vorsehung, welcher Antrag, da der betreffende Religionsfonds passiv ist, also aus dem Staatsschatze subventioniert wird, der Zustimmung des Finanzministers bedarf. Dieser erklärte sich nicht dagegen, insofern besondere Gründe zur Unterstützung jener Schwestern vorhanden sind4.

IV. Umdruck des Staatsvoranschlags 1862

Der Finanzminister erbat sich und erhielt die Zustimmung des Ministerrates zum Umdruck der Staatsvoranschläge pro 1862, nachdem sich seit der Verfassung und Indrucklegung derselben so wesentliche, und zwar sehr erfreuliche Änderungen in den Ansätzen ergeben haben, daß die gegenwärtig gedruckten den wahren Zustand des Budgets, wie es sich nach den neueren Ergebnissen gestalten || S. 423 PDF || wird, nicht mehr darstellen, mithin zur Vorlage an den Reichsrat nicht geeignet sind5.

V. Interpellationen: Jesuitengymnasien; die Schule in Castelnuovo; slawische Sprachen im Unterricht; Bergwerk in Přibram; Bautätigkeit in Prag

[Es] folgen nun die Anträge zur Beantwortung nachstehender im Abgeordnetenhause gemachter Interpellationen, und zwar vom Staatsminister 6:

a) Wegen der Jesuitengymnasien. Von den fünf Gymnasien sind nur drei, zu Ragusa, Feldkirch und am Freinberg zu Linz, mit dem Rechte der Öffentlichkeit ausgestattet. Ihre Privilegien sind: Befreiung der Lehrer von der Konkursprüfung und die Bestellung von Klassen- statt Fachlehrern im Untergymnasium sowie die Verlegung der Naturwissenschaft aus dem Unter- ins Obergymnasium, endlich die Vermehrung der Lehrfächer des letzteren um Metaphysik und Moralphilosophie. Das Ministerium ist gesonnen, bezüglich der von Jesuiten geleiteten Gymnasien künftig dieselben Normen anzubringen, die bezüglich aller von den übrigen religiösen Körperschaften geleiteten Gymnasien bestehen.

Die Mehrheit des Ministerrates fand gegen diese Beantwortung nichts zu erinnern. Nur bemerkte der Polizeiminister , daß die Frage, ob Fach- oder Klassenlehrer, für welch letztere aus pädagogischen Rücksichten gewichtige Gründe sprechen, im allgemeinen bei Revision des Studienplans wird in Verhandlung genommen werden müssen, und Minister Graf Esterházy , dem der ungrische Hofkanzler beistimmte, gab zu bedenken, ob es nicht geraten sei, den üblen Eindruck zu vermeiden, den eine solche Erklärung machen dürfte, da die Jesuiten nach ihren Ordensstatuten kein Gymnasium mehr übernehmen oder behalten könnten, wenn ihnen jene Begünstigungen entzogen werden.

b) Über die Schule in Castelnuovo. Hier wird detailliert nachgewiesen, was zur Verwirklichung der betreffenden Stiftung getan worden.

c) Wegen Einführung der slawischen Sprachen im Unterrichte. [Es] wird von Gymnasium zu Gymnasium angegeben, was infolge der Ah. Befehle von 1854 und 1859 veranlaßt worden ist und geeignet sein dürfte, alle billigen Forderungen zufriedenzustellen.

Vom Finanzminister :

d) Wegen der bangeblichen Forcierung der Ausbeuteb des Bergwerks in Přibram. [Die Sachlage] wird durch detaillierte Angaben aufgeklärt7.

e) Wegen Begünstigung der Baulust in Prag durch Gewährung längerer Steuerfreiheit und durch Ärarialkapitalsvorschüsse. Erstere könne ohne Steuerreform im allgemeinen nicht zugestanden werden. Übrigens möge der Landtag diese || S. 424 PDF || Sache in die Hand nehmen. Kapitalien aber hat der Staatsschatz zum Ausleihen nicht. Wüßte er sie billig zu finden, würde er sie für sich in Anspruch nehmen8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 25. Oktober 1861. Empfangen 27. Oktober 1861. Erzherzog Rainer.