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Nr. 122 Ministerrat, Wien, 13. September 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. ( Erzherzog Rainer 13. 9.), Rechberg, Schmerling, Degenfeld, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; außerdem anw. Holzgethan (die Anwesenheit Holzgethans — wohl nur für I — geht nur aus dem ersten Satz des Protokolls hervor) ; abw. Mecséry, Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 25. 9.

MRZ. 916 – KZ. 3009 –

Protokoll des zu Wien am 13. September 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer

I. Gesuch der Leocadie Gräfin Viczay um Ausfolgung eines bewilligten Darlehens

Es wurde vom Staatsrate v. Holzgethan das staatsrätliche Gutachten vorgelesen1 über den Vortrag der ungrischen Hofkanzlei vom 25. Juli d. J.2, betreffend das Ah. bezeichnete Gesuch der Gräfin Viczay um Erfolgung des ihrem Gatten mit Ah. Entschließung vom 18. Oktober 1860 3 aus den ungrischen Stiftungsfonds bewilligten Darleihens von 500.000 fr. in 5%igen Staats- oder Grundentlastungsobligationen in barem Gelde, und zwar mit 350.000 fr. öW. Während die ungrische Hofkanzlei dieses Begehren in der Art befürwortete, daß vorderhand nur 100.000 fr. bar zur Tilgung des gleichen Betrags intabulierter avitischer Schulden, weitere Beträge aber nur nach Ausweisung der bewirkten Tilgung erfolgt werden mögen, war der Staatsrat der Ansicht, daß dem Gesuche keine Folge zu geben, vielmehr den berufenen Behörden zur Pflicht zu machen sei, für die Sicherstellung des nach der Ah. Entschließung vom 18. Oktober etwa in Anspruch zu nehmenden Darleihens von 500.000 fr. in Obligationen mit Rücksicht auf die gegen die angebotene Hypothek erhobenen Bedenken zu sorgen. Der Staatsratspräsident fügte der diesfälligen Begründung im staatsrätlichen Beratungsakte noch folgende Bemerkung bei: Bei Aufrechthaltung des Ah. Gnadenaktes vom 18. Oktober v. J., welcher das Darleihen ausdrücklich nur in Obligationen bewilligte, könne auf eine Erweiterung desselben nicht angetragen werden, weil nach vorliegender ämtlicher Auskunft die Fonds hinreichende Barschaft nicht besitzen und, sollte das Darleihen in barem Gelde im angetragenen Betrage erfolgt werden, nicht nur die 500.000 fr. Obligationen verkaufen, sondern auch, wie im staatsrätlichen Gutachten nachgewiesen ist, noch einen Barbetrag von 10.000 fr. aufzahlen, also offenbar zu Schaden kommen würden; auch bei der Verzinsung des Darleihens würde sich ein Entgang von jährlich || S. 368 PDF || 7500 fr. für die Fonds ergeben. Und da auch gegen die gerichtliche Schätzung der angebotenen Hypothek von 1,708.000 fr., worauf bereits 700.000 fr. haften, wichtige Bedenken erhoben worden sind, indem nach der Berechnung der Staatsbuchhaltung nur 439.000 fr. als 100facher Steuerwert sich ergeben, so scheint es geraten zu sein, für die gehörige Sicherstellung des Darleihens zu sorgen, wenn es im Sinne der Ah. Entschließung vom 18. Oktober wirklich erfolgt werden sollte.

Der ungrische Hofkanzler entgegnete: Die Ah. Bestimmung vom 18. Oktober 1860, daß das Darleihen in Obligationen zu erfolgen sei, beruhte vornehmlich auf der Rücksicht, daß die Fonds damals keine disponible Barschaft hatten. Zur Zeit aber, als die Gräfin Viczay ihr Gesuch um Erfolgung desselben im baren nach dem Kurswerte einbrachte, waren 150.000 fr. vorhanden, und die Äußerung, daß gegenwärtig Bewerber um Darleihen in barem Gelde nicht berücksichtigt werden können, beruht wohl nur auf dem Umstande, daß mittlerweile die Liquidation der Forderungen des Ärars an die ungrischen Stiftungsfonds zur Verhandlung gekommen ist. Allein diese erst später eingetretene Verhandlung kann weder dem bereits durch die Ah. Entschließung vom 18. Oktober v. J. grundsätzlich zugestandenen Rechte noch der wenige Monate darauf gestellten Bitte der Gräfin präjudizieren, welcher [Bitte], wäre sie gleich damals erledigt worden, der Mangel an Barschaft nicht hätte eingewendet werden können. Sie schiene daher auch dermal der Ah. Berücksichtigung würdig zu sein, da es ja auch eine Bestimmung der Stiftungsfonds ist, angesehenen alten Familien des Landes in ihren Bedrängnissen aufzuhelfen. Diese Bestimmung aber würde nur sehr unvollkommen erreicht, wenn das Darleihen in Obligationen gegeben wird, die die Bewerber nur mit Schaden verkaufen könnten. Was die Besorgnis betrifft, daß die Hypothek keine genügende Sicherstellung gebe, so entfällt dieselbe durch die Betrachtung der Bedingungen, an welche der ungrische Hofkanzler seinen Antrag geknüpft hat. Die Bittsteller erhalten zuerst nur 100.000 fr., haben damit den entsprechenden Betrag avitischer Schulden zu tilgen, und der darleihende Fonds tritt in die Rechte der befriedigten Gläubiger auf die Hypothek. Ein Gleiches würde bei den später nach Ausweisung der Tilgung obiger Schulden zu erfolgenden Beträgen der Fall sein. Die Fonds sind daher hierbei in ihrer Hypothekarsicherheit viel weniger gefährdet, als sie es sein würden, wenn Graf Viczay das ihm mit Ah. Entschließung vom 18. Oktober gewährte Darleihen von 500.000 fr. Obligationen sogleich und auf einmal erhoben hätte. Der ungrische Hofkanzler beharrte daher auf seinem Antrage vom 25. Juli 1861.

Der Finanzminister , ganz mit dem Staatsratspräsidenten einverstanden, findet in der Abrechnung zwischen dem Ärar und den Fonds einen Grund mehr, auf die Abweisung der Bitte anzutragen. Haben die Fonds wirklich bares Geld, so mögen sie es zur teilweisen Befriedigung der bedeutenden Forderungen des Ärars verwenden, denn es liegt wohl näher, mit den vorhandenen Mitteln die eigenen Schulden abzutragen, als damit Leihgeschäftea zu machen — wogegen der ungrische Hofkanzler nur erinnerte, daß dieses Argument wohl gälte, || S. 369 PDF || wenn es sich um eine neue Bewilligung eines Darleihens handelte, nicht aber hier, wo es bereits lange vor der Abrechnung zwischen Fonds und Finanzen zugestanden worden ist. Auf diese Bemerkung replizierte der Finanzminister , die Bittsteller seien an der Versäumnis bzw. dem Eintritte der Liquidation vor ihrer Befriedigung selbst schuld. Denn hätten sie das Darleihen gleich nach erhaltener Bewilligung vom 18. Oktober v. J. behoben, so wären sie der Liquidation zuvorgekommen. Sie taten es nicht, also müssen sie die Folgen selbst tragen. Nachdem auch der Staatsminister sich zwar für die Aufrechthaltung der Ah. Entschließung vom 18. Oktober, aber gegen jede Novation derselben um so mehr erklärt hatte, als man die Gesetze nicht kennt, nach denen die Rechtsgeschäfte in Ungern werden behandelt werden, unter deren Schutze jedoch — wie der ungrische Hofkanzler bemerkte — die Fonds immer prosperiert haben, traten auch alle übrigen Stimmführer dem Gutachten des Staatsrates bei4.

II. Vereidigung eines pensionierten Offiziers als Ortsvorstand in Hátszeg

Aus Anlaß der Erwählung eines pensionierten k. k. Offiziers zum Ortsvorsteher in Hátszeg hat das Landesmilitärkommando angefragt, ob gegen dessen Beeidigung als solche kein Bedenken bestehe. Der Kriegsminister hat die bezügliche Eidesformel eingesehen und darin nichts Verfängliches gefunden. Er gedächte daher, die Bewilligung zur Ablegung dieses Eides gegen dem zu erteilen, daß der Erwählte, falls er in seiner Funktion mit dem Militäreide in Kollision geriete, von seinem Posten zurückzutreten hätte.

Hiergegen wurde nichts erinnert.

III. Fonds für den Kommandierenden General in Ungarn zur Unterstützung entlassener Beamter

Der Kriegsminister referierte über einen Antrag des Kommandierenden Generals in Ungern, ihm zur Unterstützung der sich in ihrem Elende an ihn wendenden entlassenen und disponiblen Beamten in Ungern einige Fonds zur Disposition zu stellen5.

Nach dem Erachten des ungrischen Hofkanzlers wären diese Leute an die ungrische Statthalterei zu weisen. Allein es wurde von mehreren Seiten bemerkt, daß man sich im Lande selbst um dieselben nicht kümmere. Minister Ritter v. Lasser machte daher den Vorschlag, eine spezielle Dotation für gewisse Kategorien derselben zu bewilligen, und zwar für diejenigen Beamten, welche, nicht Eingeborne des Landes, es aus Mangel an Geldmitteln nicht verlassen können; diesen wäre daher eine Reiseunterstützung zu bewilligen. Und da, wie der Staatsminister bemerkte, die Leute sich einmal bereits an den Kommandierenden gewandt und bei ihm Hilfe gesucht haben, es zur Vermeidung aller Weiterungen am zweckmäßigsten wäre, wenn ihnen das Almosen durch dessen Hand gespendet würde, so erklärte sich der Finanzminister — unter Zustimmung der übrigen Votanten — bereit, dem Kommandierenden eine Summe von 2000 fr. zu obigem Zwecke zur Disposition zu stellen.

IV. Umtriebe der Honvedvereine

Welche Tätigkeit die Honvedvereine — ungeachtet ihre Unterdrückung angeordnet ist6 — noch immer entwickeln, zeigte der Kriegsminister aus zwei || S. 370 PDF || ihm zugekommenen Berichten, wornach 1. ein ehemaliger Honvedoberleutnant, Grundbuchskommissär in Kaposvár, also k. k. Staatsbeamter, in einem Honvedkomitee Reden gehalten haben und zum Notär des Vereins gewählt worden sein soll; 2. in Temesvár eine geheime Sitzung gehalten wurde, in welcher der Ausschuß mit Besorgung der Vereinsgeschäfte beauftragt ward und wobei Baron Lopresti in einer Rede die Versicherung gab, daß die Vereinsangelegenheiten gutgehen, daß Waffen und Erkennungszeichen vorhanden seien und daß man einen tätigen Widerstand gegen die Steuereinhebung organisieren wolle.

Auf die Frage des Kriegsministers, ob gegen solche Vorgänge — selbst außer dem Belagerungszustande — nicht mit militärischen Mitteln eingeschritten werden könne, wie etwa gegen Falschwerber etc., erwiderte der ungrische Hofkanzler , daß vorerst eine Untersuchung stattfinden müsse, ob die angegebenen Fakta wirklich wahr sind, ehe gegen jemand wegen Übertretung des Verbots jener Vereine etc. eingeschritten werden könnte. Der Kriegsminister wurde demnach eingeladen, die betreffenden Berichte an den ungrischen Hofkanzler zur weiteren Amtshandlung zu leiten, bwobei sich ersterer zu einer dringenden schriftlichen Aufforderung an den königlich ungarischen Hofkanzler veranlaßt sah, dem unter modifizierter Form wieder auftauchenden Unwesen der Honvedorganisation kräftig entgegenzuwirken, da weder der Kriegsminister noch das Landeskommando einen solchen die militärische Sicherheit gefährdenden Fürgang bestehen lassen könntenb, 7.

V. Versetzung des Donaudampfschiffkapitäns Roberto Cavaliero

Eine vom Kriegsminister mitgeteilte Anzeige des Kommandierenden Generals in Ungern, daß der Donaudampfschiffskapitän Cavaliero Vorschub zur Auswanderung nach den türkischen Provinzen gebe und bedenkliche Korrespondenzen nach Belgrad vermittle, daher dessen Entfernung von der bezüglichen Route wünschenswert erscheine, wird der Handelsminister berücksichtigen und die Versetzung des gedachten Kapitäns auf eine andere Route veranlassen8.

VI. Interpellation über die Staatsbeamten, die bei Aktiengesellschaften Stellen bekleiden

Der Handelsminister las den Entwurf der Antwort auf die Interpellation im Abgeordnetenhause, ob die Regierung nicht beabsichtige, im Wege der Gesetzgebung dahin zu wirken, daß Staatsbeamte, welche Verwaltungsrats- oder andere mit Bezügen verbundene Stellen bei Aktiengesellschaften etc. bekleiden, dieselben niederlegen oder daß sie auf ihre Staatsanstellung verzichten, nachdem durch Ah. Entschließung vom 5. November 1859 die Unzulässigkeit der Vereinigung solcher Anstellungen in einer Person bereits ausgesprochen und nur den schon damals Angestellten die Beibehaltung derselben zugestanden worden ist9. In der Antwort wird zuvörderst auf die Verordnung von 1837 hingewiesen, welche die Bedingungen enthält, unter welchen Staatsdienern eine Nebenbeschäftigung erlaubt ist10, sonach wird dargetan, daß derzeit nur mehr 15 Staatsbeamte, darunter sechs Professoren, auf welche laut Ah. Entschließung vom 27. Juni 1860 11 das Verbot keine Anwendung zu finden hat, mit derlei Posten betraut sind und diese geringe Zahl sich im Laufe weniger Jahre so vermindern werde, daß die Erlassung eines rückwirkenden Gesetzes nicht erforderlich sei. Schließlich wird versichert, daß die Regierung sich die Bestimmungen der Ah. Entschließung vom 5. November 1859 stets gegenwärtig halten werde.

Im allgemeinen ward gegen diese Antwort nichts erinnert. Minister Ritter v. Lasser und der Staatsratspräsident hätten es gleichwohl vorgezogen, wenn diese Sache im Sinne der Interpellation geordnet werden könnte, weil bei der Doppelstellung solcher Leute — besonders wenn sie im Finanz- oder im Handelsministerium sind, sehr leicht wirkliche Kollisionen zwischen den Pflichten des Staats- und des Gesellschaftsamts vorkommen können, in jedem Falle aber dem Publikum der Verdacht der Parteilichkeit kaum zu benehmen ist. Im übrigen wünschte Ritter v. Lasser, daß ein Gewicht darauf gelegt werde, wienach die Wahrnehmung der Dienstesrücksichten zunächst dem Amtschef des beteiligten Beamten zustehe, und der Staatsratspräsident, daß in der Antwort gesagt werde, die Regierung werde das mögliche tun, um diese Angelegenheit im Sinne des Grundsatzes der Verordnung von 1859 baldigst zu ordnen. Dieses wird der Handelsminister berücksichtigen12.

VII. Vollmachten für den königlichen Kommissär Eduard v. Kapy in Steuersachen

Der zum königlichen Kommissär für das Pester Komitat designierte v. Kapy13 hat bezüglich der Steuereinhebung einige Vollmachten in Anspruch genommen, welche ihm der Finanzminister unter der Bedingung einzuräumen || S. 372 PDF || bereit wäre, wenn Kapy das ganze Steuergeschäft im Sinne der bestandenen Einrichtungen übernehmen wollte. Nachdem jedoch Kapy erklärt hat, dies jetzt nicht tun zu können, sondern die besonderen Vollmachten, von denen weiter unten ausführlich Erwähnung gemacht wird, nur darum verlangt, um den an ihn sich wendenden Bittstellern die tunliche Erhörung angedeihen lassen und hiermit zeigen zu können, daß er auch Gutes tun könne, und hierdurch das öffentliche Vertrauen zu gewinnen, so glaubte der Finanzminister gegen die Zugestehung solcher Vollmachten um so mehr Bedenken tragen zu sollen, als selbe unter gewissen Bedingungen den Exekutionskommissionen selbst eingeräumt sind, sonach also, wenn sie auf ihn übergingen, auf die Finanzbehörden allein das ganze Odium der Steuereintreibung falle und die Ehre der Abhilfe und Milderung dem königlichen Kommissär bliebe. Kapy verlangt nämlich: 1. die von den Kontribuenten etwa entrichtete Domestikalsteuer14 von der lf. Steuerschuldigkeit abrechnen, 2. den infolge der Katastralrekla­mationen richtiggestellten, den Kontribuenten jedoch noch nicht intimierten Steuerabfall von der Exekution ausnehmen und 3. über ihm vorgebrachte rücksichtswürdige Bitten einzelner die Exekution aus eigener Macht sistieren zu dürfen.

Ad 1. Die Verhandlung wegen der Domestikalsteuer ist czwischen der ungarischen Hofkanzlei und dem Finanzministeriumc noch im Zuge. Dermal ist deren Einhebung, wo sie stattfand, gegen die Komitatsinstruktion, also unbefugt, geschehen15. Würde eine Abrechnung der wirklich eingezahlten Domestikalsteuer zugestanden, so könnte sich dieselbe nach der Ansicht des Finanzministers nur auf den Landeserfordernisbeitrag, niemals aber auf die lf. Steuer erstrecken. Sonach wäre der Finanzminister prinzipiell gegen diesen Punkt der Kapyschen Begehren. Dagegen unterläge die Gewährung des Verlangens ad 2. um so weniger einem Anstande, als die Steuerexekution ohnehin nur auf ⅔ der vorgeschriebenen Schuldigkeit geführt wird und es nicht wahrscheinlich ist, daß der aus der Reklamationsverhandlung resultierende Abfall an der Steuerschuldigkeit ⅓ oder gar mehr ausmachen sollte. Ad 3. Gegen die Zugestehung dieses Begehrens sprechen außer den bereits oben angeführten allgemeinen Rücksichten noch insbesondere folgende Gründe: Wird es dem Kapy zugestanden, so kann es anderen königlichen Kommissären nicht verweigert werden. Hiermit kommt das den Steuerkommissionen eingeräumte Recht, die Exekution zu sistieren, in andere Hände, und die Folge davon ist, daß der Eifer der Finanzbehörden erlahmt und das Steuerexekutionsgeschäft, das sie bisher so gut in Gang gebracht, ins Stocken gerät. Jetzt ist der günstigste Moment zur Steuereinhebung; die Leute können ihre Fechsung verwerten und sich die Mittel zur Steuerzahlung verschaffen. Das Geschäft ist im besten Zuge, es in andere Hände legen, die von der Vollmacht zu || S. 373 PDF || sistieren, um sich beliebt zu machen, gewiß den ausgedehntesten Gebrauch machen würden, hieße auf die Früchte verzichten, auf welche die Finanzverwaltung bei der Maßregel gerechnet hat und fortan rechnen muß. Kommt der Winter, so kann mit der Steuerexekution durch Militär ohnehin nicht fortgefahren werden. Unter diesen Umständen wäre der Finanzminister nicht in der Lage, diesem Begehren nachzugeben. Alles, was er zuzugestehen vermöchte, wäre, den Finanzlandesdirektor anzuweisen, Kapys Einschreiten um derlei Steuerexekutionssistierungen die tunlichste Berücksichtigung angedeihen zu lassen und in Fällen, wo er es selbst zu tun nicht erachtete, unverweilt die Entscheidung des Finanzministers einzuholen.

Der ungrische Hofkanzler unterstützte die Bitten Kapys auf das wärmste. Soll es dem königlichen Kommissär gelingen, die Ordnung in der Verwaltung wiederherzustellen, so muß er mit Vollmachten ausgerüstet sein, die ihm das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen helfen. Das sicherste Mittel dazu ist die Befugnis, gerechten Klagen über Steuerbedrückungen augenblicklich und im eigenen Namen abzuhelfen. Muß er die Bittsteller — und ihre Zahl wird nicht gering sein — mit ihren Vorstellungen erst an die Steuerkommissionen oder an den Finanzlandesdirektor weisen, kann er ihnen nicht selbst Gerechtigkeit oder Nachsicht gewähren, so ist es um sein Ansehen, um seinen Einfluß im Komitate geschehen, und alle Bemühungen, Ordnung in die Verwaltung zu bringen, sind vergeblich. Gewiß haben noch nicht alle Kontribuenten ihre Erzeugnisse an den Mann bringen können. Soll nun in solchen Fällen dem königlichen Kommissär gestattet sein, kleine Fristen zur Steuerzahlung gleich zu bewilligen und die Bittsteller wenigstens mit dem Troste zu entlassen, daß ihnen von ihm einige Schonung zuteil geworden? Es liegt im eigenen Interesse der Regierung, ihr ergebene Männer zu königlichen Kommissären in die Komitate zu bestimmen. Findet sich nun ein Mann, der das Vertrauen der Regierung verdient, und knüpft er die Übernahme seiner Mission an Bedingungen, von deren Erfüllung das mögliche Gelingen der ersteren abhängt, so sollte wohl kein Anstand genommen werden, auf dieselben einzugehen. Der ungrische Hofkanzler würde daher glauben, daß dem Kapy die angesuchte Ermächtigung zu erteilen und etwa dadurch einzuschränken wäre, daß er von seinen unter eigener Verantwortung diesfalls getroffenen Verfügungen unverweilt den Finanzlandesdirektor verständige und Zufristungen nicht über zwei Wochen gewähre. Der Staatsminister machte einen Vermittlungsvorschlag. Beide, der königliche Kommissär und der Finanzlandesdirektor, befinden sich sozusagen an demselben Orte, in den Schwesterstädten. Kommen die Bittsteller mit ihren Steueranliegen zum königlichen Kommissär, so wird er ihnen auch nicht stante pede den Bescheid hinausgeben, er wird ihre Klagen prüfen und zur Abholung der Entscheidung eine Frist geben müssen. Mittlerweile kann er sich mit dem Finanzlandesdirektor brevi manu ins Einvernehmen setzen, und stimmt dieser mit seinem Vorhaben, der Beschwerde oder Bitte eine Folge zu geben, überein, so kann er den günstigen Bescheid in seinem Namen hinausgeben. Der Zweck ist erreicht, ihm bleibt die Ehre, dem Bittsteller gerecht geworden zu sein, und der Finanzminister ist befriedigt, indem nicht ohne Zutun seiner Organe eine Verfügung getroffen worden ist. Alle Klagen und Beschwerden || S. 374 PDF || wird ja auch der königliche Kommissär selbst nicht für begründet erkennen müssen.

Diesem Vermittlungsvorschlage traten sofort die mehreren Stimmen bei, nachdem Minister v. Lasser noch bemerkt hatte, daß hiernach doch die eigentliche Entscheidung in die Hände des Finanz[landes]direktors gelegt ist und der königliche Kommissär nur als der Spender der Gnade vor den Parteien erscheint. Nur der Kriegsminister und der Staatsratspräsident fanden es bedenklich, von der Ansicht des Finanzministers abzuweichen, weil nach einem Zugeständnis solcher Art die Gehässigkeit der Steuerexekution auf die Finanzbehörden allein fallen und eine Rückkehr zum bisherigen Verfahren nicht mehr möglich sein würde.

Der Finanzminister behielt sich schließlich vor, noch einmal mit Kapy Rücksprache nehmen zu wollen, ob und in [wie] weit derselbe sich seinen, des Finanzministers, Ansichten konformieren könne16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 23. September 1861. Empfangen 25. September 1861. Erzherzog Rainer.