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Nr. 107a Entwurf des königlichen Reskripts zur Auflösung des ungarischen Landtags, o. O., o. D. [Wien, 13. August 1861] (Beilage zu: MRP-1-5-02-0-18610813-P-0107.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • Konzept; MOL., Ungarische Hofkanzlei, Allgemeine Akten, Fasz. VIII-0-4 (Landtagssachen), Fol. 454 ff. Dieser Entwurf wurde von Forgách im MR. v. 13. 8. 1861 vorgelegt; das Konzept trägt den Vermerk nicht expediert ; dazu MR. v. 13. 8. 1861, Anm. 4.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Wir haben den ungarischen Landtag einberufen, um mit demselben über die Sicherung der verfassungsmäßigen Zustände des Landes, über die Anpassung der letzteren an die Ansprüche der obwaltenden Verhältnisse sowie über Vervollkommnung derselben nach dem Ergebnisse der gewonnenen Erfahrungen zu beraten und Unsere Krönung mit der heiligen Krone des Landes unter Ausfertigung Unseres Inauguraldiploms zu veranlassen. Indem Wir auf diese Weise beabsichtigten, den Wünschen des Landes zu begegnen, haben Wir zugleich erklären lassen, daß Wir um so bereitwilliger seien, den begründeten Ansprüchen desselben zu genügen, als Wir glauben wollten, daß die Nation die Grundsätze, durch welche die Anhänglichkeit des Landes zu seinen verfassungsmäßigen Einrichtungen bis zum höchsten Grade der Pietät gesteigert wurde, ebenso mit den || S. 286 PDF || unabweislichen Bedingungen des Bestandes und der Wohlfahrt des Staates als mit der Unversehrtheit und Unverletzlichkeit der Rechte und des Ansehens des Landesfürsten in Einklang zu bringen wissen wird, indem sie Uns gegenüber die von ihren Ahnen angestammte Treue, dem zwischen den einzelnen Teilen des Reiches durch Jahrhunderte bestehenden Verbande gegenüber eine aufrichtige Würdigung und Anerkennung betätiget.

Wir haben zur gewünschten Beruhigung der erregten Gemüter und Beseitigung unbegründeter Befürchtungen auch offen anerkannt, daß Unser Königreich Ungarn in einer sowohl in den Persönlichkeiten als auch des Systems und der Form eigentümlichen, der alten Konstitution und den Gesetzen des Landes entsprechenden Weise zu regieren sei. Und da es unleugbar ist, daß die faktische Reaktivierung mehrerer Gesetzartikel des Jahres 1848 in ursprünglicher Form und Gehalt ohne allgemeine Gefährdung des staatsrechtlichen Verbandes der Monarchie nicht möglich sei, welche hintanzuhalten Wir für Unsere Regentenpflicht erachten, so ist Uns eben durch diese die Notwendigkeit auferlegt, auf der von Uns bereits wiederholt angedeuteten landtäglichen Revision der 1848er Gesetzartikel zu beharren, bevor Wir Uns zur Vollziehung des feierlichen Krönungsaktes gegen Ausfertigung des üblichen Inauguraldiploms bereit finden lassen können.

Diesem gegenüber mußte es Unser väterliches Herz mit tiefem Kummer erfüllen, daß die landtäglich versammelten Magnaten und Vertreter Meines Königreiches Ungarn, obgleich sie das Vorhandensein der Notwendigkeit von Beratungen über unleugbar gemeinsame Angelegenheiten der Monarchie offen anerkannt haben, die dargebotene Gelegenheit von sich wiesen, über die Modalitäten der Beratung und Behandlung jener Interessen, welche den ganzen Umfang der österreichischen Monarchie untrennbar umfassen, in nähere Verhandlungen einzutreten. Schmerzlich war es Unserem väterlichen Herzen, Unsere wohlmeinenden Absichten verkannt und mißdeutet zu sehen; schmerzlich ist es, die Rückkehr der dem Lande und den Gemütern so nötigen Ruhe und in nächster Folge den Aufschwung der allgemeinen Wohlfahrt von neuem auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben zu wissen; schmerzlich, Unseren sehnlichsten Wunsch, auf Grundlage der Gesetze und des alten Rechtes als gekrönter konstitutioneller König Ungarns das geliebte Land und sein biederes Volk zum gemeinsamen Glück und Wohle regieren zu können, in die Ferne gerückt zu sehen.

Doch von einem Landtage, der seinen hochwichtigen Beruf in so schwerer Zeit zum größten Nachteile aller Beteiligten so arg mißkennt, daß er den Faden möglicher Vereinbarungen geradezu für abgerissen erklärt, weil Forderungen, deren Tragweite das Maß der Zulässigkeit bei weitem überschreitet, nicht willfahrt werden konnte, dürfen Wir zum großen Leide Unseres Herzens keine fernere für das Wohl Ungarns gedeihliche Wirksamkeit erwarten. Wir finden daher den gegenwärtigen, für den 2. April des Jahres einberufenen Landtag aufzulösen und die Wiederberufung eines neuen Landtages einem hiezu angemessenen Zeitpunkte vorzubehalten. Wir erwarten mit um so größerer Zuversicht von dem weisen Walten der göttlichen Vorsehung, daß sie die Dauer dieser neuen peinlichen Prüfung möglichst kürzen werde, je sicherer Wir in der Überzeugung || S. 287 PDF || leben, daß die gereifte Einsicht der Bevölkerung Unseres Königreiches Ungarn zur besseren Erkenntnis Unserer wohlmeinenden Absichten und schließlich zur gedeihlichen Verständigung über die Wahrung der unabweislichen gemeinsamen Interessen führen werde.