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Nr. 87 Ministerrat, Wien, 24. Juni 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 24. 6.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Degenfeld, Lasser, Szécsen (bei IIIV abw.), Vay (bei IIIV abw.), Plener, Wickenburg, Pratobevera 30. 6., Lichtenfels; BdR. Erzherzog Rainer 4. 7.

MRZ. 875 – KZ. 2081 –

Protokoll des zu Wien am 24. Juni 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Diäten für den armenischen Erzbischof und den evangelischen Superintendenten aus Lemberg

Der Staatsminister ist von dem Lemberger armenischen Erzbischofe1 und dem dortigen evangelischen Superintendenten2, welche Mitglieder des Herrenhauses sind, wegen ihrer beschränkten Einkünfte aber einen längeren Aufenthalt in dem kostbaren [sic!] Wien nicht zu bestreiten vermögen, um eine Beihilfe, etwa in dem für die Abgeordneten festgesetzten Ausmaße, angegangen worden. Er würde bedauern, wenn dieselben aus dem Hause austreten müßten, und gedächte daher, ihnen aus dem ihm vom Finanzminister für Reichsratsauslagen zur Disposition gestellten Pauschale eine monatliche Unterstützung von 300 f. anzuweisen, womit nicht nur der Finanzminister , sondern auch die übrigen Stimmen einverstanden waren.

II. Anstellungsgesuch des Mitglieds des verstärkten Reichsrates Carl Maager

Der 1860er Reichsrat Carl Maager3 hat sich vertraulich an den Staatsminister gewendet, damit ihm eine Anstellung in Wien zuteil werde. Im Staatsministerium ist kein für einen Kaufmann geeigneter Posten vorhanden, der Staatsminister könnte ihn also hier nicht anstellen; er fragte also, ob nicht einer seiner Kollegen, vielleicht der Finanzminister, der schon einmal für Maager sich verwendete, dieser Bitte zu entsprechen in dem Falle wäre.

Der Finanzminister erklärte, er habe wohl die Absicht gehabt, Maagern gleich Hein4 um seines im 1860er Reichsrate bezeigten Patriotismus der Ah. Gnade Sr. Majestät für eine Auszeichnung zu empfehlen, zu einer Anstellung desselben aber dürfte eher im Handels- als im Finanzministerium Gelegenheit sein. Allein auch dazu gebricht es, wie der Handelsminister versicherte, an einem geeigneten Posten, am ehesten könnte ihm durch Bewilligung einer Lotterie oder durch einen Konsulatsposten geholfen werden. In letzterer Beziehung bemerkte der Minister des Äußern , daß Maager für einen Konsulposten im Orient, wozu gewisse Qualifikationen erfordert werden, nicht tauge, von den übrigen Konsulaten aber nur 3—4 besoldete bestehen, für welche bereits vier disponible Konsuln, die zuerst berücksichtigt werden müssen, vorgemerkt sind. Es ergab sich sonach, daß dermal für Maager ein geeigneter Posten nicht vorhanden ist. Geschähe gar nichts für ihn, so würde er, meinte der Kriegsminister , aus einem Freunde ein Feind der Regierung. Vielleicht wäre ihm, glaubte der ungrische Hofkanzler , mit einer Geldunterstützung geholfen, da er, wie auch Minister Ritter v. Lasser bemerkte, avielleicht nura schuldenhalber nicht mehr in seiner Heimat bleiben kann.

Was übrigens immer für ihn getan werden wollte, dagegen müßte sich Minister Graf Szécsen verwahren, daß es aus dem Titel seiner politischen Wirksamkeit von 1860 geschähe, weil diese im direkten Gegensatze zu demjenigen stand, was Se. Majestät im Grunde des Majoritätsantrags des verstärkten Reichsrates durch das Ah. Diplom vom 20. Oktober den Völkern Österreichs zu gewähren geruhten. Geschähe es aus diesem Titel, so wäre die notwendige Folge davon die Entfernung derjenigen Minister, welche für das Zustandekommen des Diploms mitgewirkt haben. Nachdem übrigens noch vom Polizeiminister und vom Staatsratspräsidenten bemerkt worden war, daß Maagers politische Verdienste nicht von der Art seien, um auf eine Belohnung vom Staate Anspruch machen zu können, so einigte man sich in dem Beschlusse, dessen Begehren aus Mangel eines geeigneten Postens ablehnen zu lassen.

III. Einrücken des Oberstaatsanwalts Dr. Johann Haßlwanter in das Gremium des Tiroler Oberlandesgerichts

b Mit Bezug auf die Konferenzberatung vom 14. Juni (Protokollzahl 870, ad V) brachte Minister Freiherr v. Pratobevera zur Kenntnis der Konferenz, daß Oberstaatsanwalt Haßlwanter in Innsbruck seine Beurlaubung nicht wünscht, vielmehr um die Einrückung zum Gremium des Oberlandesgerichts, eventuell um seine Pensionierung und Zulassung zur Advokatur gebeten hat. Nachdem die Entfernung Haßlwanters aus dem Lande unter den gegenwärtigen Verhältnissen einen üblen Eindruck daselbst machen würde, gedächte der Minister, dessen Bitte um Übersetzung in das Ratsgremium zu gewähren und den Oberlandesgerichtsrat Kiechl zum Oberstaatsanwalt zu bestimmen, wogegen nichts erinnert wurde5.

IV. Gesuch des Triester Stadtrates um allgemeine Amnestie für politische Flüchtlinge

Minister Freiherr v. Pratobevera gedenkt ein an ihn gelangtes Gesuch der Triester Munizipalität um eine allgemeine Amnestie für politische Flüchtlinge Sr. Majestät mit dem Antrage vorzulegen, es in derselben Weise zu erledigen, wie ein ähnliches Gesuch des böhmischen Landtags erledigt worden ist, nämlich dahin, daß vorkommende Gesuche einzelner um Begnadigung etc. von Fall zu Fall werden gewürdigt und berücksichtigt werden, wenn Gründe für die Gewährung vorliegen6.

V. Verbot einer revolutionären Druckschrift Ludwik Mierosławskis

Eine in Krakau czur Einschwärzung bestimmte, in Paris aufgelegtec Druckschrift Mierosławskis7, enthaltend einen Aufruf zur Revolutionierung Polens, zur Leistung von Geldbeiträgen, Aufbringung einer Million Gewehre etc. zu diesem Zwecke, wurde mit Beschlag belegt, vom Statthalter Galiziens aber mit der Anfrage vorgelegt, ob es nicht zweckmäßig wäre, diese Schrift in der offiziellen Zeitung zur Warnung der Gutgesinnten und zur Abschreckung der Revolutionäre abdrucken zu lassen, nachdem Mierosławski beim größten Teile der Bevölkerung Galiziens alle Sympathien verloren hat und die Aufforderung zu Geldbeiträgen daselbst gewiß übel aufgenommen werden würde.

Diese Idee schien dem Kriegs- und [dem] Finanzminister nicht übel zu sein, besonders wenn etwa nur diejenigen Stellen abgedruckt würden, welche das Gehässige des Aufrufs ins Licht setzen. Allein der Polizeiminister erklärte sich gegen diesen Antrag, weil die Schrift, zur Verbreitung in ganz Polen, auch im russischen und preußischen Teile, bestimmt, ihre Publizierung in Galizien || S. 150 PDF || also die k. k. Regierung leicht in Konflikt mit den dortigen Regierungen bringen könnte, eine teilweise Veröffentlichung derselben aber nur entweder die Lust nach dem Besitze der ganzen reizen oder zur Bekrittlung der Beschlagnahme Anlaß geben würde. Es wäre sich daher lediglich auf die Inhibierung derselben zu beschränken, wogegen nichts erinnert wurde.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 3. Juli 1861. Empfangen 4. Juli 1861. Erzherzog Rainer.