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Nr. 59 Ministerrat, Wien, 1. Mai 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps) ; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 5. 5.), Rechberg, Mecséry, Vay, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Szécsen, Plener, Wickenburg, Pratobevera, Lichtenfels, Žigrović; BdR. Erzherzog Rainer 12. 5.

MRZ. 840 – KZ. 1474 –

Protokoll des zu Wien am 1. Mai 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Bitten des kroatischen Landtags: 1. Vertretung der Militärgrenze auf dem kroatischen Landtag; 2. Vereinbarung über den Anschluß Dalmatiens an Kroatien

Se. k. k. apost . Majestät geruhten, die Bitten zur Beratung zu bringen, welche die Deputation des kroatischen Landtags Allerhöchstenorts gegenwärtig zu halten beauftragt wurde1, und zwar:

1. Die Vertretung der Militärgrenze auf dem kroatischen Landtage2.

|| S. 4 PDF || Hofrat v. Žigrović äußerte, er könne nicht verhehlen, daß das Land sich in diesen Wunsch gewissermaßen hineingelebt hat. Allerdings sei es nicht tunlich, der Militärgrenze ganz dieselbe Vertretung zuzugestehen wie dem Provinziale. Indessen dürfte doch ein Ausweg gefunden werden, um die Gemüter zu beruhigen, und dieser bestünde darin, daß die Verhandlung über die alte Landtagsfrage wegen der Warasdiner Militärgrenze auf dem kroatischen Landtage wiederaufgenommen werde3. Das Grenzinstitut habe nämlich im Warasdiner Generalate dermal seine ursprüngliche Wichtigkeit verloren, und es wäre überhaupt sehr wünschenswert, wenn die Militärgrenze bei den bevorstehenden Verhandlungen über die Verständigung mit Ungarn auf dem kroatischen Landtage speziell ad hoc vertreten würde.

Der Staatsminister erinnerte, diese Frage sei bereits im Patente vom 7. April 1850 4 dahin entschieden worden, daß das Grenzgebiet mit Kroatien und Slawonien ein Territorialgebiet, jedoch mit gesonderter Provinzial- und Militärverwaltung und gesonderter Vertretung zu bilden habe5. Man sollte daher die Verhandlungen wegen einer getrennten Vertretung der Militärgrenze beginnen und eine Form suchen, um die Zivilbevölkerung derselben, ohne Provinzialisierung des Gebietes, vertreten zu lassen. Bei der bestehenden administrativen Trennung kann jedoch diese Verhandlung nicht auf dem kroatischen Landtage geführt werden. Der Kriegsminister erwiderte, daß er über die Art dieser gesonderten Vertretung noch zu wenig klar sehe, um darüber ein eingehendes Gutachten zu geben. Soviel scheine ihm aber gewiß, daß ein solches Zugeständnis durchaus nicht befriedigen, wohl aber unzählige Schwierigkeiten und Konfusionen zur Folge haben werde, da die Rechte einer Landesvertretung mit dem ain der Militärgrenze nötigena militärischen Kommando unvereinbarlich sind. Hiezu kommt noch, daß der Vorgang in der kroatischen Militärgrenze zu Konsequenzen in der Banater Grenze und somit auch dort zu neuen Verlegenheiten führen würde. bDer Kriegsminister glaubte, hauptsächlich darauf hinweisen zu sollen, daß die vom Staatsminister angedeutete Absicht, der Grenze eine selbständige Vertretung zuzuwenden, die vom Provinziale angestrebten Zwecke nicht fördern, folglich damit auch der Zweck, in dem Landtage eine geneigte Stimmung hervorzurufen, nicht erreicht, daher ein nutzloses Opfer gebracht werden würde.b Der Kriegsminister glaubte, hauptsächlich darauf hinweisen zu sollen, daß die vom Staatsminister angedeutete Absicht, der Grenze eine selbständige Vertretung zuzuwenden, die vom Provinziale angestrebten Zwecke nicht fördern, folglich damit auch der Zweck, in dem Landtage eine geneigte Stimmung || S. 5 PDF || hervorzurufen, nicht erreicht, daher ein nutzloses Opfer gebracht werden würde. Minister Graf Szécsen stimmte vollkommen mit dem Kriegsminister überein, daß eine gesonderte Vertretung der Militärgrenze den Wünschen Kroatiens keineswegs entsprechen würde. Es sei allerdings sehr schwer, auf diese Wünsche vollständig einzugehen, aber wenigstens dem jahrhundertealten Begehren wegen Provinzialisierung der Warasdiner Grenze, welches in den gegenwärtigen Territorial- und politischen Verhältnissen neue Stützen findet und das von der Regierung stets nur dilatorisch erledigt worden ist, könnte durch Wiederaufnahme der Verhandlungen Rechnung getragen werden. Minister Ritter v. Lasser , welcher dem Staatsminister beitritt, erinnert an die Verhandlungen mit dem Ban im Jahre 1850, wobei selbstc militärischerseits eine gesonderte Vertretung der Militärgrenze nicht als unmöglich betrachtet wurde6. Man dürfte sich daher jetzt mit der Erfüllung des gegebenen Versprechens beschäftigen. Bei dieser Verhandlung wäre auch zu erwägen, ob nicht im Sinne des vom Hofrate v. Žigrović gestellten Antrages Ausschüsse der beiderseitigen Landesvertretungen die gemeinsamen Angelegenheiten beraten könnten. Gegen eine Repräsentation der Grenze durch die Spitzen des militärischen Organismus fände der Kriegsminister wohl nichts zu erinnern. Er sehe jedoch nicht ab, was für Angelegenheiten ein Grenzlandtag mit Nutzen beraten könne. Der Minister des Äußern stimmte dem Grafen Szécsen bei. Der Polizeiminister stimmt für die gänzliche Ablehnung des Landtagsbegehrens. Daß man im Jahre 1850 an die Möglichkeit einer gesonderten Vertretung geglaubt habe, beweise nichts für die Möglichkeit unter den gegenwärtigen Verhältnissen, welche überhaupt so geartet sind, daß Baron Mecséry selbst nicht raten könne, die Verhandlung wegen der Provinzialisierung Warasdins wiederaufzunehmen, wenn man nicht auch bereits entschlossen ist, sie zu bewilligen.

Se. Majestät der Kaiser geruhten, darauf aufmerksam zu machen, daß die Warasdiner Grenzregimenter selbst die Annexierung nicht wünschen, es auch an einem entsprechenden Modus zu ihrer Vernehmung fehle, daher es besser sei, diese Frage gar nicht zu berühren. Was das Grenzinstitut im allgemeinen betrifft, so werde auch dieses einst, und zwar mit großen finanziellen Opfern, aufgehoben werden müssen, aber jetzt sei die Zeit dazu noch nicht gekommen. Gefährliche Einflüsse aus den Nachbarländern würden sich geltend machen, und bei dem Charakter des Grenzvolkes, welches militärisch geschult und bewaffnet ist, müßte gleichzeitig mit der Provinzialisierung zur Aufrechthaltung der Ordnung ein Armeekorps in diesen Distrikt verlegt und vielleicht der Belagerungszustand verhängt werden7.

|| S. 6 PDF || Schließlich bemerkte Hofrat v. Žigrović , man habe in der k[roatischen] Militärgrenze geglaubt, daß die im kaiserlichen Diplome vom 20. Oktober 1860 enthaltenen Zusicherungen auch auf dieselbe Bezug hätten8. Seiner Meinung nach würde die Vertretung der Grenze auf dem kroatischen Landtage doch vielleicht in der Art stattfinden können, daß die militärische Einrichtung nicht beirrt, sondern nur der Zivilbevölkerung das politische Recht der Vertretung zuerkannt würde9.

2. Die Vereinbarung über den Anschluß Dalmatiens an Kroatien10.

Der Staatsminister referierte, daß der Landtag in Dalmatien sich nicht absolut weigere, Deputierte zu dieser Vereinbarung zu entsenden, sondern daß man nur vorerst noch abwarten will, wie sich das Verhältnis Kroatiens zu Ungarn gestalten wird. Wesentlich erleichtert würde die Vereinbarung allerdings dadurch werden, wenn man in Agram die künftige Stellung Dalmatiens zu Kroatien jetzt schon näher und in annehmbarer Weise präzisieren wollte. Was man übrigens in Dalmatien — mit Ausnahme von Ragusa — am meisten zu fürchten scheint, das ist die Einführung der sogenannten Komitatswirtschaft. Hofrat v. Žigrović bemerkte, durch die Beschlüsse des kroatischen Landtags, die Verständigung mit Ungarn erst nach der Vereinbarung mit Dalmatien vorzunehmen, und durch den Beschluß in Zara, die Deputation nach Agram erst dann entsenden zu wollen, wenn das Verhältnis zu Ungarn geregelt sein wird, seien beide Verhandlungen ins Stocken geraten, und seiner Meinung nach dürfte das ganze dadurch wieder in Gang gebracht werden, wenn Se. Majestät den Dalmatinern wiederholt aufzutragen geruhen, sich mit Kroatien zu verständigen. Der Staatsminister glaubte, daß die Beschickung des Reichsrates durch Kroatien ddie Frage der Stellung Dalmatiens zu Kroatiend am einfachsten lösen würde11. Minister Graf Szécsen bemerkte, daß in Kroatien die Meinung herrscht, die Regierung verhindere die Absendung der Vereinbarungsdeputierten, um Kroatien zur Beschickung des Reichsrates zu verhalten. Wenn man jetzt hier in einer Weise vorgeht, welche diesen Glauben bestätigt, werde es in Kroatien nicht gut wirken.

|| S. 7 PDF || Die Minister v. Plener und Baron Pratobevera äußerten, daß nach den ihnen zugekommenen Mitteilungen die Dalmatiner bei den jetzigen administrativen Einrichtungen und in dem direkten Verbande mit der Gesamtmonarchie zu bleiben wünschen12.

II. Untersuchung in Ragusa wegen Majestätsbeleidigung

Über eine Allerhöchstenorts gestellte Frage referierte Minister Baron Pratobevera, daß die Untersuchung in Ragusa, deren Einstellung der kroatische Landtag zu begehren sich erlaubt hat, wegen Majestätsbeleidigung und auf gerichtliche Anordnung begonnen wurde, daher dieselbe im gesetzlichen Wege durchgeführt werden muß13.

III. Errichtung der Bürgerwehr in Pest

Infolge der vom Polizeiminister erhobenen Bedenken gegen den Beschluß des Pester Magistrats, in jedem Stadtviertel eine Kompanie Bürgerwehr zu bilden, erklärte der ungarische Hofkanzler , daß dies nicht werde gestattet werden14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 12. Mai 1861. Empfangen 12. Mai 1861. Erzherzog Rainer.