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Nr. 36 Ministerrat, Wien, 23. März 1861 — Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 24. 3.), Rechberg, Mecséry, Vay 25. 3., Degenfeld, Lasser 26. 3., Plener 25. 3., Wickenburg 26. 3., Pratobevera 26. 3., Lichtenfels 26. 3., außerdem anw. Schmerling; abw. Szécsen; BdR. Erzherzog Rainer 29. 3.

MRZ. 809 – KZ. 942 –

Protokoll I des zu Wien am 23. März 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Personal- und Besoldungsstatus der wiederherzustellenden ungarischen Gerichtsbehörden

Der ungarische Hofkanzler referierte über seine au. Anträge bezüglich des Personal- und Besoldungsstandes bei dem Septemvirat, der königlichen Tafel und den Distriktualtafeln, wonach, im Vergleich mit dem Aufwande für die dermaligen Justizbehörden, sich eine Ersparung von 500.000 f. jährlich ergeben würde1.

Der Staatsratspräsident bemerkte, daß, nachdem dieser Status die Ah. Genehmigung der Sr. k. k. apost. Majestät unterlegten Anträge auf provisorische Umstaltung des ungarischen Justizwesens voraussetze2, die heutige Beratung im Ministerrat ebenfalls nur unter dieser Voraussetzung vorgenommen werden könne. Freiherr v. Lichtenfels bezog sich auf seine über die provisorische Umstaltung abgegebene Äußerung und erinnerte noch daran, daß die Distriktualtafeln in früherer Zeit bereits mißliebig gewesen seien. Minister Baron Pratobevera sieht in der beantragten durchgreifenden Organisierung auch eine nur im Gesetzeswege, also mit dem Landtage, zu vereinbarende Umstaltung, welche nicht gegen das eigene Prinzip, gegen den 20. Oktober 1860 und gegen die Grundgesetze vom 26. Februar 1861 nun im Oktroyierungswege als Provisorium acht Tage vor dem Landtage eingeführt werden kann und soll, um auf diese Art gegen die ausdrücklich und wiederholt ausgesprochene Ah. Willensmeinung den Umsturz der Behörden und der Verwaltung zu beschleunigen. Der Staatsminister erklärte die entsprechende Leitung der 72 Referenten bei der königlichen Tafel durch einen Präsidenten nach den beim Obersten Gerichtshof von ihm gesammelten Erfahrungen für eine bare Unmöglichkeit.

Bei der hierauf vorgenommenen speziellen Erörterung des Besoldungsstatus bedauerte der Finanzminister vor allem, daß ihm hierüber keine vorläufige schriftliche Mitteilung zugekommen sei, da ein finanzielles Gutachten dieser Art reife Erwägung und Vergleichung mit den früheren Verhältnissen erfordert. Ferner müsse der Minister bei dem vorhandenen schauerlichen Defizit auf die möglichste || S. 217 PDF || Beschränkung des Aufwandes dringen, zumal die berechnete Ersparnis, solange das Heer der disponibel werdenden Justizbeamten nicht untergebracht ist, eine Illusion bleibt. Aus diesem Grunde wären die Besoldungen der Septemvirorum3 statt mit 4200 f. nur mit 4000 f. und auch die übrigen Besoldungen mit Weglassung des 5%-Zuschlags zu bemessen, welcher wegen der österreichischen Währungsdifferenz beantragt wird. Von Seite des ungarischen Hofkanzlers wurde gegen diese Reduktion nichts erinnert, jedoch vorbehalten, daß die im Dienste bleibenden Funktionäre des alten Organismus bei der Umstaltung an Gehalt nichts verlieren sollen. Die geistlichen Beisitzer erklärte Baron Vay als im Organismus der beiden Tafeln — nach ungarischen Begriffen — unentbehrlich und bemerkte über den Vorschlag des Ministers v. Lasser aund des ihm beitretenden Finanzministersa, denselben zur Vermeidung der künftigen Pensionslast nur Funktionszulagen zu bewilligen, daß weder diese Beisitzer noch die anderen Septemviri jemals pensioniert, sondern bis an ihr Ende im Amte belassen worden seien.

II. Ernennung eines Causarum-Regalium-Direktors unter Aufrechterhaltung der Wirksamkeit der Finanzprokuraturen

Über die Anfrage des Finanzministers , ob das Causarum Regalium Directoratus Officium4 ebenfalls wiederaufleben solle, antwortete Baron Vay bejahend und las den hierauf Bezug habenden Absatz seines au. Vortrags.

Der Finanzminister sprach sein Befremden darüber aus, daß über die Wiedererrichtung einer im ungarischen finanziellen Organismus so wichtigen Behörde mit ihm vorläufig keine Rücksprache gepflogen worden sei, und erklärte, sich gegen die Wiederholung eines solchen Vorganges entschieden verwahren zu müssen. Wie könnte der Minister das Interesse des Staatsschatzes wahren, wenn derlei Maßregeln ohne seine Vernehmung beschlossen würden. Der ungarische Hofkanzler gab die Aufklärung, daß die Wiederherstellung der Würde des Causarum-Regalium-Direktors, welcher nach dem Gesetz auf dem Landtag zu erscheinen hat, dringend nötig sei. Durch einen Ah. Beschluß hierüber werde das Detail der künftigen Amtswirksamkeit dieses Funktionärs, der zugleich Staatsanwalt und Chef der Fiskalämter war, nicht berührt. Übrigens gehöre die Organisierung des Direktorates vor den Landtag. Der Finanzminister glaubte, die Kompetenz desselben hierüber nicht anerkennen zu sollen. Jedenfalls aber müsse er dringend beantragen, daß an dem Organismus der Finanzprokuraturen in Ungarn aus dem gegenwärtigen Anlaß nicht gerüttelt, ihre fortdauernde Wirksamkeit gesichert und dieses Allerhöchstenorts bei Wiederherstellung des Causarum-Regalium-Direktors bestimmt ausgesprochen werde. Der ungarische Hofkanzler fand gegen diesen Antrag nichts zu erinnern und sicherte auch zu, er werde die Komitate anweisen, daß sie die an sie gelangenden Zuschriften der || S. 218 PDF || Finanzprokuraturen künftig nicht mehr, wie es nach Angabe des Finanzministers zum Nachteil des Staatsschatzes, binsbesondere in Verjährungsfällenb, oft geschieht, uneröffnet zurückschicken. Baron Vay ersucht jedoch um eine schriftliche Mitteilung über diesen Gegenstand. Der Präsident des Staatsrates bemerkte schließlich, er sehe nicht ab, wie der Causarum-Regalium-Direktor fungieren könne, solange die alten ungarischen Gesetze nicht wieder in Kraft gesetzt worden sind, cgegen deren Einführung sich die Konferenz doch aus so triftigen Gründen ausgesprochen hatc, 5.

Über die anderen, in derselben Konferenz beratenen Gegenstände wird ein besonderes Protokoll verfaßt.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 28. März 1861. Empfangen 29. März 1861. Erzherzog Rainer.