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Nr. 22 Ministerrat, Wien, 3. März 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps) ; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 5. 3.), Rechberg, Mecséry, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Szécsen 6. 3., Plener, Wickenburg erhalten und befördert 9. 3., Pratobevera 9. 3., Szög yény; abw. Vay; BdR. Erzherzog Rainer 12. 3.

MRZ. – KZ. 741 –

Protokoll vom 3. März 1861 unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Bemessung der Bezüge des Judex Curiae, Graf Apponyi

Der zweite ungarische Hofkanzler v. Szőgyény referierte über die Bemessung der Bezüge des Judex Curiae Grafen Apponyi, welche den Gegenstand eines au. Vortrages des ungarischen Hofkanzlers bildet, welcher für denselben ad personam ein Gehalt von 15.000 fl. und ein Einrichtungspauschale von 10.000 fl. beantragt1. Der Finanzminister habe mit Berufung auf den Umstand, daß ein Amtsvorfahre des Grafen Apponyi — Graf Brunswik — 10.000 fl. Konventionsmünze jährlich bezog, für denselben bloß 6300 fl. Gehalt und 4200 fl. öW. Funktionszulage ohne Einrichtungspauschale beantragt2, allein hierauf müsse der zweite Hofkanzler folgende Gegenbemerkungen machen: 1. hatten die zwei unmittelbaren Vorfahren des Grafen Apponyi jeder 16.000 fl. Konventionsmünze Gehalt; 2. genoß Graf Apponyi selbst als Kanzler 16.000 fl. Konventionsmünze samt einer Naturalwohnung; 3. könne die auch politisch hohe Stellung eines Judex Curiae in Ungarn durchaus nicht mit der irgendeines Oberlandesgerichtspräsidenten verglichen werden, zumal ihm stets, vorzüglich aber während des Landtages eine sehr bedeutende Repräsentation obliegt, welche er selbst mit 15.000 fl. des Jahres bei weitem nicht bestreiten kann; 4. habe Graf Apponyi als Hofkanzler nebst seiner persönlichen Aufopferung für die Sache der Dynastie sehr große finanzielle Opfer gebracht. Sein Rücktritt im Jahre 1848 war ein Gebot der politischen Notwendigkeit und geschah doch, ohne daß ein (wohl gerechtfertigter) Anspruch auf Pension erhoben worden wäre; 5. könne dem Grafen Apponyi wohl nicht zugemutet werden, daß er jetzt, wo er aus Hingebung für Se. Majestät zu einer so verhängnisvollen Zeit wieder ins öffentliche Leben eintritt, nebst den übrigen laufenden Geldopfern noch die Einrichtung seines notwendigerweise großen Hausstandes ganz aus eigenem bestreiten solle. Der || S. 123 PDF || zweite Hofkanzler müsse daher auch dermal noch den au. Antrag auf 15.000 fl. Gehalt und 10.000 fl. Einrichtungspauschale ad personam und ohne weitere Konsequenzen unterstützen.

Der Finanzminister wiederholte die bereits in seiner Note niedergelegten Motive seines Antrages und machte geltend, daß, nachdem das Gehalt eines Ministers nur 8400 fl. öW. beträgt, für den Judex Curiae nicht wohl mehr als 6300 fl. systemisiert werden könnten, wozu dann noch 4200 fl. an Funktionszulage kämen. Für das Einrichtungspauschale könne er auch nicht stimmen, zumal Se. Majestät erst kürzlich das Einrichtungspauschale der Minister per 4200 fl. öW. abgestellt haben. Gegen eine so ausnahmsweise hohe Bemessung der Gebühren eines ungarischen Funktionärs müsse aber der Minister sich vom finanziellen Standpunkte um so mehr erklären, als die Steuerzahlung in Ungarn fast ganz aufgehört hat, folglich die Bezüge der ungarischen Beamten aus den Einnahmen der übrigen Kronländer gedeckt werden müssen. Plener könne daher dem Reichsrate gegenüber die Verantwortung für eine seinen eigenen Antrag überschreitende Gebührenbemessung für Graf Apponyi nicht auf sich nehmen aund bemerkte, daß eine geordnete Finanzwirtschaft in Österreich insolange nicht möglich sein wird, als man die vom Finanzminister über die Unzulänglichkeit der Einnahmsmittel hervorgehobenen Einwendungen unbeachtet läßt und, ohne daß die Mittel vorhanden sind, fortan erhöhte Ausgaben schaffta . Der Minister des Äußern stimmte für ein Gehalt von 8000 fl. und 4000 fl. Pauschale. Der Polizei- und der Staatsminister würden gegen die wenigstens provisorische Bewilligung von 15.000 fl. Gehalt keinen Anstand erheben. Der Kriegsminister stimmte dafür, daß wenigstens das Superplus der Bezüge des Judex Curiae über die Bezüge eines Oberlandesgerichtspräsidenten in den übrigen Ländern aus dem ungarischen Landesfonds angewiesen werde. Minister Ritter v. Lasser und mit ihm Baron Pratobevera hielten den Antrag auf 6000 fl. Gehalt, dann 9000 fl. zur Bestreitung der allerdings großen Repräsentationsauslagen gerechtfertigt, würden aber das Einrichtungspauschale nicht bevorworten. Minister Graf Szécsen , im wesentlichen dem Hof kanzler beitretend, glaubte, daß Graf Apponyi den Wert hauptsächlich auf die Anweisung des Einrichtungspauschales legen dürfte, bdamit er nicht ein zweites Mal gezwungen sei, dem öffentlichen Dienst so bedeutende Opfer zu bringen, als er schon einmal getanb, so daß, wenn schon der Jahresbezug nach dem Antrage des Finanzministers bemessen würde, doch das Pauschale von 10.000 fl. Ag. zu bewilligen wäre. Der Handelsminister stimmt für 6000 fl. Gehalt mit 9000 fl. Funktionszulage und ausnahmsweise ein Einrichtungspauschale3.

II. Budget für 1862 zur Vorlage an den Reichsrat

c Der Finanzminister referierte über die Zustandebringung des dem Reichsrate vorzulegenden Budgets für 1862. Der Reichsrat soll Mittel für die finanziellen Übel schaffen. Da ist es allerdings vor allem nötig, diese Übel, d. i. die Finanzlage, genau kennenzulernen. Allerdings sei es außerordentlich schwer, ein Budget für das kommende Jahr schon auch nur annähernd zu entwerfen, wo sowohl über die Einnahmen als die Ausgaben des Staates eine so große Ungewißheit schwebt. Vieles in der politischen Organisation der lf. sowohl als der autonomen Behörden ist noch unentschieden. Die Justizverwaltung geht Reformen entgegen, deren Umfang und somit auch deren Einfluß auf das Budget noch gar nicht ermessen werden können. Die Einnahmen und Ausgaben in Ungarn sind in hohem Grade hypothetisch, ebenso beruht der Militärvoranschlag im laufenden Jahre auf Voraussetzungen, welche sich bereits als illusorisch gezeigt haben und auf die für 1862 noch fortzubauen sehr gewagt wäre. Indessen glaubt der Finanzminister doch, daß alle diese Schwierigkeiten nicht von dem Bestreben abhalten dürften, ein der Wirklichkeit sich möglichst näherndes Budget zusammenzustellen. Gleichzeitig wäre aber auch dem Reichsrate ein gewissermaßen ideales Budget der Zukunft vorzulegen und darin die Möglichkeit einer Herstellung der Ordnung im Staatshaushalte darzustellen. Für jetzt muß man sich leider durch Auskunftsmittel beinahe von einem Tage zum anderen helfen, aber bei Wiederkehr normaler Verhältnisse im In- und Auslande werde auch das Gleichgewicht im Staatshaushalte hergestellt werden können. Diese Beruhigung muß man im Interesse des Staatskredits geben, und das Ausland erwartet den Nachweis darüber.

Nachdem die Konferenz diesen Ansichten beigetreten war, ersuchte der Finanzminister seine Kollegen dringend, ihm die in beiden Beziehungen benötigten Budgetdaten fördersamst zukommen zu lassen. Dieselben wurden auch allseitig nach Tunlichkeit zugesichert, jedoch zugleich der Wunsch nach einer schriftlichen Mitteilung über diesen Gegenstand ausgesprochen4.

III. Deputation der Venediger Stadtgemeinde und der Zentralkongregation wegen Nachsicht der Haftung der Gemeinden für die Stellungstaxe der Rekrutierungsflüchtlinge

Minister v. Lasser referierte, daß die Venediger Stadtgemeinde und die Zentralkongregation an Se. Majestät den Kaiser eine Deputation wegen Ag. Nachsicht der Haftung der Gemeinden für die Einstandsgelder der Rekrutierungsflüchtlinge abzusenden beabsichtigen, und der Minister glaubte, daß diese Absendung Ag. zu gestatten wäre.

Die Konferenz war damit einverstanden, vorausgesetzt, daß den Bittstellern nicht eine günstige Entscheidung vornweg in Aussicht gestellt werde5.

IV. Veräußerung des Montanwerkes Altwasser bei Schmöllnitz

Der Finanzminister referierte, daß ihm für eine aufgelassene Erzhütte samt Gruben bei Schmöllnitz ein Kaufschilling von 7500 fl. wiederholt angeboten worden sei und daß sowohl finanzielle als volkswirtschaftliche Gründe für die Annahme dieses dringend gemachten Anbotes sprächen. Allein es frage sich, ob die Bestimmungen des Diploms vom 20. Oktober6 sowie des Statuts vom 26. Februar (§ 10 c)7, daß zur Veräußerung des unbeweglichen Staatsvermögens die Zustimmung des Reichsrates notwendig sei, einer selbständigen Entscheidung im administrativen Wege nicht entgegenstehen? Der Finanzminister subsumiert zwar diesen Veräußerungsfall nicht unter den § 10 c, der offenbar nur große Staatsbesitzungen im Auge hat, während es sich hier nur um ein relativ geringfügiges und ganz unproduktives Objekt handelt, und er hat auch in diesem Sinne einen au. Antrag gestellt8. Infolge Ah. Auftrages aber liegt ihm ob, diesen Gegenstand im Ministerrate zur Beratung zu bringen.

Der Staatsminister trat der Meinung des Finanzministers bei mit dem Bemerken, daß die Veräußerung von relativ so kleinen Entitäten wohl nur als eine zum gewöhnlichen Betriebe des ärarischen Montanbesitzes gehörige Verfügung gelten || S. 126 PDF || könne und es sich daher höchstens darum handeln würde, diese Veräußerung nachträglich zur Kenntnis des Reichsrates zu bringen. Die Stimmenmehrheit war hiermit einverstanden, und nur der Minister Baron Pratobevera glaubte, sich als justizmann strenge an den Wortlaut des Statuts halten zu müssen, wornach die Bewilligung zur Veräußerung dieser Parzelle des unbeweglichen Staatsvermögens in den Wirkungsbereich des Reichsrates fällt.

V. Unterzeichnung des Patents vom 26. Februar 1861 durch den Hofkanzler Vay

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer eröffneten, daß, nachdem gegen die Unterzeichnung des Ah. Erlasses vom 26. Februar durch den Hofkanzler Baron Vay Bedenken erhoben werden, Se. k. k. apost. Majestät darüber die Ansichten der Konferenzglieder zu vernehmen wünschen.

Der zweite ungarische Hofkanzler schickte voraus, daß diese Unterzeichnung eigentlich eine persönliche Angelegenheit des Barons Vay sei, welcher leider durch Unwohlsein gehindert ist, an der heutigen Konferenz teilzunehmen. Derselbe sei allerdings bereit zu unterzeichnen, wenn es ihm Allerhöchstenorts befohlen wird. Allein man könne nicht verkennen, daß die Stellung des ungarischen Hofkanzlers dem Lande gegenüber durch die Mitfertigung außerordentlich erschwert wird. Die Doppelstellung des Barons Vay als Hofkanzler und Minister sei zu berücksichtigen. Andererseits ist zwar auch das Praecedens vorhanden, daß er das Patent über die Staatsanleihe mitgefertigt hat9. dDer Stimmführer habe jedoch auch hiergegen Bedenken gehabt.d Wenn schon seine Unterzeichnung am 26. v. M. nicht unbedenklich gewesen wäre, so würde dieser Akt des Barons Vay jetzt, nach der in Ungarn ausgebrochenen Efferveszenz gegen das Statut über die Reichsvertretung, den Charakter einer Herausforderung annehmen. Seine Wirksamkeit würde von nun an gänzlich paralysiert, was sehr zu bedauern wäre, weil, wenn auch Baron Vay bis jetzt wenig Positives geleistet habe, es ihm doch gelang, manches Schädliche zu verhindern. Die Unterschrift desselben würde faktisch daher nicht nur nichts mehr nützen, sondern vielmehr schaden, denn es handelt sich ja nicht darum, ob Baron Vay das Reichsratsstatut anerkennt, sondern ob die Millionen Ungarn es sofort und ohne vorausgegangene landtägliche Verhandlung werden anerkennen wollen, ewas Votant entschieden verneinen muß. Die Unterschrift Baron Vays würde die bestehende Schwierigkeit der Beschickung des Reichsrates von Seite des ungarischen Landtages nicht nur nicht vermindern, sondern vermehren. Auch die wärmsten Anhänger der Idee des 20. Oktober und alle jene, die aufgrund derselben ihre Dienste Sr. Majestät angeboten haben, können darüber ungarischerseits keine andere Auffassung gehabt haben, als daß die Kompetenz des Reichsrates für Ungarn lediglich im Wege der verfassungsmäßigen Vereinbarung mit dem Landtage zur allgemeinen, verpflichtenden Anerkennung im Lande gebracht werden kann, wodurch die Unterschrift des ungarischen Hofkanzlers dem Lande gegenüber sich als kaum tunlich darstellte . Minister || S. 127 PDF || Graf Szécsen erklärt, er wolle die Frage nicht vom spezifisch ungarischen, sondern vom allgemein politischen Standpunkte erörtern und müsse gleich beifügen, daß es ihm für seine persönliche Stellung erwünscht sein müßte, neben seiner Unterschrift auch die des ungarischen Hofkanzlers zu sehen. Seit dem 20. Oktober wolle man mit Ungarn eine Verständigung zustande bringen. Bis jetzt ist es nicht gelungen, aber vielleicht gelingt es später auf dem Landtage, und eben darum scheint es angezeigt, vor diesem letzten Versuche nicht zur Anwendung materieller Gewalt zu schreiten. Der Rahmen, in welchen Ungarn sich einfügen soll, ist im Statute gegeben. Die Willfährigkeit Ungarns dazu wird aber — wie auch die Vorstimme gezeigt hat — leichter zu erreichen sein, wenn Baron Vay nicht mit unterzeichnet. Graf Szécsen müsse sich daher gegen die Beifügung seiner [sic!] Unterschrift aussprechen. Der Minister des Äußern erklärte, daß, wenn Baron Vay Mitglied des Kabinettes Sr. Majestät ist und bleiben will, ihm nichts anderes erübrige, als diesen hochwichtigen kaiserlichen Erlaß zu unterzeichnen. Schwächliche Nachgiebigkeit dem unbändigen Treiben in Ungarn gegenüber ermutigt nur zu weiterer Renitenz, und es muß daher vollkommen klargestellt werden, daß Se. Majestät auf Allerhöchstihren Beschlüssen verharren. Der Polizeiminister erkennt ebenfalls den ungarischen Hofkanzler formell zum Unterschreiben des von ihm mitberatenen Statuts verpflichtet. Es sei sehr bedauerlich, daß seine Bedenken erst so spät offen ans Licht getreten sind und soviel Zeit durch dessen Abwesenheit und verschiedene Zögerungen, welche man im Publikum als Tergiversationen deutet, verlorengegangen ist. Wird die Frage, ob ein Ah. Befehl an Baron Vay ergehen solle, bloß vom Standpunkte der Opportunität aufgefaßt, so kommt alles darauf an, ob der Hofkanzler für die Durchführung des von ihm nicht unterschriebenen Statuts auf dem Landtage mit solchem Ernste und Erfolge tätig sein wird, daß dieser Vorteil den nachteiligen Eindruck des Vorganges in den übrigen Ländern überwiegt. Minister Graf Szécsen erwiderte, daß Baron Vay an der Schlußberatung nicht teilgenommen und der § 7 wesentliche Veränderungen erlitten habe10, mithin seine Unterschrift nicht wohl gefordert werden könne. Graf Szécsen habe seine Bedenken gegen diesen Paragraph unverhohlen geäußert, fseinerzeit darauf hingewiesen, daß Baron Vay sich kaum mit der Fassung beruhigen werde, die gewählt worden sei, und zugleich auch bemerkt, daß es nicht möglich sei, sich auf telegraphischem Wege über solche delikate Textierungsfragen zu verständigenf . Der Staatsministeräußerte , daß, wenn Baron Vay in dem Statute bloß das, was es ist, nämlich eine Ausführung des Diploms ohne wesentliche Änderung und ohne Verkürzung der Ungarn gegebenen Zusicherungen erkennt, wenn er somit dessen Bestimmungen zur Durchführung bringen und dazu beitragen will, daß die Ah. Erlässe in Ungarn eine Wahrheit werden, so müsse er dies auch feierlich durch seine Unterschrift zum Patente bekennen. Will er es nicht, so tritt er mit den übrigen Kabinettsmitgliedern in einen offenen, unlöslichen Widerspruch, und dieser Antagonismus unter den Räten der Krone könne dann bloß durch den Austritt auf der einen oder der || S. 128 PDF || anderen Seite behoben werden. Der Kriegsminister tritt dieser Meinung vollkommen bei gund begreift nicht, wie Baron Vay einem Statut, welches er in seiner dermaligen Form beraten und ausdrücklich bevorwortet habe, seine Unterschrift versagen könne, womit ihm ein Verbleiben in seiner dermaligen Wirksamkeit vollkommen unerklärlich seig . Minister Ritter v. Lasser ist durch die Weigerung des Hof kanzlers in hohem Grade überrascht, nachdem Baron Vay selbst ihm gleich nach seiner Rückkehr gesagt hatte, er werde den kaiserlichen Erlaß ohne Anstand unterschreiben. Es müssen daher erst später Gründe eingetreten sein, welche seine Meinungsänderung zur Folge hatten. Übrigens handle es sich bei der Frage der Unterzeichnung nicht bloß um die Erfüllung einer Form, sondern um ein Prinzip: die Solidarität des Ministeriums. Die seit Baron Vays Abreise vorgenommenen Änderungen im § 7 des Statuts seien auf Antrag des Ministers Grafen Szécsen und des Kanzlers v. Szögyényi vorgenommen worden, und die Abweichung von dem Texte, welcher dem Baron Vay vorlag, habe zudem nur eine Konzession für Ungarn begründet. Man müsse nicht bloß an Ungarn, sondern auch an die übrigen Länder denken, wo die fehlende Unterschrift gleich anfangs einen schlechten Eindruck gemacht hat, der sich, wenn die Unterschrift nicht nachgetragen würde, noch vermehren und das Übel, an dem wir schwer leiden, das Mißtrauen, noch verschlimmern muß. Der Finanzminister bemerkte, daß das Statut vielleicht als königliche Proposition an den ungarischen Landtag hätte gegeben werden können, um dessen Durchführung zu erleichtern. Aber dies hätte zu rechter Zeit und nicht erst jetzt in Anregung gebracht werden sollen. Statt aber gegen die Oktroyierungsidee überhaupt sind die ungarischen Herren Minister nur gegen einzelne Bestimmungen aufgetreten. Die neueste Phase kommt jetzt leider zu spät. Die Regierung muß daher konsequent mit der Bemerkung in der „Wiener Zeitung“ vom 27. Februar bei Publizierung des Patentes auf der Unterfertigung durch Baron Vay bestehen11. Der Handelsminister stimmt auch dafür, daß der ungarische Hofkanzler peremptorisch aufgefordert werde, zu unterschreiben — ebenso Minister Baron Pratobevera , welcher noch daran erinnert, daß die Vermehrung der Zahl der Mitglieder des Reichsrates über 100 ausdrücklich vom Baron Vay bevorwortet wurde, um durch diese Vermehrung ein imposanteres Gegengewicht zum ungarischen Landtage zu schaffen. Minister Graf Szécsen erörterte umständlich, wie nach seiner Auffassung die Entschließung vom 26. Februar vom Diplome h zwar nicht in der Kompetenz, aber in dem Umstande abweiche, daß die größere Zahl der Abgeordneten und die Teilung in zwei Häuser den Charakter der reinen Delegation abschwächen und jenen einer parlamentarischen Versammlung mehr entwickeln, daß ferner in dem Vorbehalte der Krönung auch gelegen sei, daß alle mittlerweiligen königlichen Anordnungen auf dem Landtage zu verhandeln [sein] werden. Indessen — fährt der Minister fort — handelt es sich jetzt hier nicht mehr um eine Diskussion über diesen Punkt, sondern um die Wahl der Mittel zum Zwecke, und in dieser Beziehung sei es rätlich, || S. 129 PDF || nicht auf die Unterzeichnung zu dringen, zumal deren Unterlassung sich durch den Umstand, daß Baron Vay den Schlußberatungen nicht beigewohnt hat, vor dem Publikum plausibel rechtfertigen läßt. Auf diese Art könnten seinerzeit vielleicht doch noch eine Annäherung und das Beschicken des Reichsrates durch eine landtägliche Deputation ioder eine andere befriedigende Kombination ermöglicht werden. Er habe, trotz mancher Bedenken, seine Unterschrift nicht versagt, jene Baron Vays könne seiner persönlichen Stellung nur nützen. Er glaube daher doppelt Beachtung zu verdienen, wenn er vom Standpunkte der wichtigsten Interesssen der Monarchie sich dagegen erkläre, daß diese verlangt werdei . Der Minister des Äußern erinnerte, daß niemals davon die Rede gewesen sei, das Patent bei dem ungarischen Landtage zur Verhandlung und Diskussion zu bringen, sondern nur dessen einfache Registrierung zu verlangen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 11. März 1861. Empfangen 12. März 1861. Erzherzog Rainer.