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Nr. 9 Ministerrat, Wien, 16. Februar 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 16. 2.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Degenfeld, Lasser 19. 2., Szécsen 19. 2., Plener, Wickenburg, Pratobevera 21. 2.; abw. Vay; BdR. Erzherzog Rainer 28. 2.

MRZ. – KZ. 575 –

Protokoll der zu Wien am 16. Februar 1861 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Einbegleitungsvortrag zum Reichsratsstatut und zu den Landesordnungen

Gegenstand der Beratung war der beiliegende Entwurf eines zur Veröffentlichung durch die Zeitung bestimmten au. Vortrags zur Begründung und Erläuterung der Reichsverfassung, d. i. des Reichsratsstatuts und der Landesordnungen1.

Bevor zu dessen Lesung geschritten wurde, entwickelte Minister Graf Szécsen seine prinzipiellen Bedenken gegen die Fassung des Reichsratsstatuts vom ungrischen Standpunkte aus — nur bedauernd die Abwesenheit des ungrischen Hofkanzlers, welcher jedoch — wie er hofft — dieselben bestätigen würde. Das kaiserliche Diplom v. 20. Oktober versuchte, einen Weg für die engere Verbindung Ungerns mit den übrigen Teilen der Monarchie einzuschlagen, indem es dort die alte Verfassung zwar wiederherstellte, jedoch für gewisse Angelegenheiten, welche die Gesamtmonarchie betreffen, eine gemeinsame Behandlung festsetzte. aWenn auch die in Ungern bei vielen vorherrschende Auffassung des Verhältnisses zwischen Ungern und den übrigen Ländern der Monarchie im Sinne einer reinen Personalunion eine falsche ist, indem dieses Verhältnis weder jenes einer einfachen Personalunion noch jenes einer wirklichen Realunion, wohl aber jenes einer politischen Verbindung auf Grundlage und unter der Bedingung des Fortbestandes der Erbrechte des regierenden Hauses war, so bildet dieses dynastische Recht denn doch für Ungern wie für die übrigen Länder dermaßen die Grundlage dieser Verbindung, daßa, wenn die Dynastie nicht mehr bestünde, was Gott verhüte, weder in jenen Ländern noch in Ungern eine Verpflichtung zum Zusammenhalten anerkannt werden würde. Die Idee der Staatseinheit ist in der aus so vielen Ländern der verschiedensten Nationalität zusammengesetzten Monarchie noch nicht zu jener Konsolidierung gelangt wie in Reichen ungemischter Bevölkerung. Darum muß das Unternehmen, diese Idee, die Herstellung einer wirklichen Realunion der Länder mittelst des Diploms zur Geltung zu bringen, in der gegenwärtigen Übergangsperiode in einer Form ausgeführt werden, welche nach keiner Seite hin verletzt und es namentlich für Ungern möglich macht, ohne Aufgebung seines eigentümlichen staatlichen Charakters sich daran zu beteiligen. || S. 71 PDF || Wäre die Durchführung in diesem Sinne unmittelbar nach dem Erscheinen des Diploms erfolgt, so wäre sie für Ungern obligatorisch gewesen. Gegenwärtig aber haben sich die Verhältnisse geändert. Das Statut, wie es aus der Beratung der Konferenz hervorgegangen, weicht in wesentlichen Bestimmungen und in Formen vom kaiserlichen Diplom ab. Es gibt zwar dem Reichsrate keine größeren Attributionen, es teilt ihn in zwei Häuser mit einer großen Anzahl Mitglieder und verleiht ihm einen parlamentarischen Charakter. Es spricht von der Reichsvertretung, von einem Reichstage und weiset Ungern die Zahl seiner Vertreter, die Teilnahme seiner Magnaten daran zu. Es enthält sogar die Bestimmung, daß erstere durch direkte Wahl aus den einzelnen Kommunitäten hervorgehen können. Mit solchen Bestimmungen, welche dem Wesen der politischen Selbständigkeit des Königreiches widerstreiten, kann die Regierung auf Beteiligung derselben an dem Institute nicht hoffen, sie muß sich vielmehr, wenn sie ohne Modifikationen darauf beharren wollte, auf einen ernsten Widerstand gefaßt machen. Noch lauten die Nachrichten aus Ungern so günstig, daß auf eine Verständigung zu hoffen ist. Die Regierung muß aber dann sich an das Diplom halten und alles beseitigen, was darüber hinausgeht und die politische Selbständigkeit des Landes verletzt.

Darum sollten im Statute die mißliebigen Bezeichnungen „Reichstag“ etc., die Aufnahme der ungrischen Magnaten ins Oberhaus und insbesondere die Bestimmung über die direkten Wahlen wegbleiben und die Austragung dieser Fragen der Verständigung mit dem ungrischen Landtage überlassen werden.

Der Minister des Äußern bemerkte: Die Zustände in Ungern waren es vornehmlich, welche die Regierung zum schnellen Abschluß des Friedens von Villafranca bestimmten. bEs mußte somit nach dem Friedensschlusse die Frage, was zu geschehen habe, um einen befriedigenderen Zustand in Ungern hervorzurufen, in den Vordergrund treten. Es seien zwei Wege gewesen, die einzuschlagen waren. Der eine, das Festhalten an dem bisher befolgten Prinzip, bot sichere Chancen des Erfolges, wenn auch nur für eine entfernte Zukunft. Er sei aber mit großen Gefahren verbunden. Die Geschichte habe gelehrt, daß es blutiger und langer Kämpfe bedürfe, um das Nationalitätsgefühl in einem so volkreichen Volksstamm zu entwurzeln und denselben den übrigen Teilen einer Monarchie so zu assimilieren, daß er auch in gefährlichen Zeiten verläßlich bleibe. Es habe Ströme von Blut gekostet, ehe es England gelang, sich Schottland und Irland dienstbar zu machen. Jedenfalls bedürfe es zur Durchführung eines solchen Systems tiefer Ruhe von außen. Jeder äußere Krieg werde eine doppelte Gefahr und werde dem Feinde in jenen Teilen der Monarchie einen Stützpunkt bieten. Ein längerer Frieden aber sei unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht zu erwarten. Vielmehr deuteten sie auf demnächstige schwere äußere Stürme. Diese Betrachtungen hätten die k. k. Regierung bestimmt, zu dem von der großen Kaiserin Maria Theresia befolgten System zurückzukehren. Dies habe sich erprobt, und unter diesem System sei Ungern mit allen seinen Kräften für das Kaiserhaus eingestanden.b Es mußte somit nach dem Friedensschlusse die Frage, was zu geschehen habe, um einen befriedigenderen Zustand in Ungern hervorzurufen, in den Vordergrund treten. Es seien zwei Wege gewesen, die einzuschlagen waren. Der eine, das Festhalten an dem bisher befolgten Prinzip, bot sichere Chancen des Erfolges, wenn auch nur für eine entfernte Zukunft. Er sei aber mit großen Gefahren verbunden. Die Geschichte habe gelehrt, daß es blutiger und langer Kämpfe bedürfe, um das Nationalitätsgefühl in einem so volkreichen Volksstamm zu entwurzeln und denselben den übrigen Teilen einer Monarchie so zu assimilieren, daß er auch in gefährlichen Zeiten verläßlich bleibe. Es habe Ströme von Blut gekostet, ehe es England gelang, sich Schottland und Irland dienstbar zu machen. Jedenfalls bedürfe es zur Durchführung eines solchen Systems tiefer Ruhe von außen. Jeder äußere Krieg werde eine doppelte Gefahr und werde dem Feinde in jenen Teilen der Monarchie einen Stützpunkt bieten. Ein längerer Frieden aber sei unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht zu erwarten. Vielmehr deuteten sie auf demnächstige schwere äußere Stürme. Diese Betrachtungen hätten || S. 72 PDF || die k. k. Regierung bestimmt, zu dem von der großen Kaiserin Maria Theresia befolgten System zurückzukehren. Dies habe sich erprobt, und unter diesem System sei Ungern mit allen seinen Kräften für das Kaiserhaus eingestanden. Diese Idee führte zur Erlassung des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober. Soll es — wie er nur wünschen kann — zur Ausführung gelangen, so müssen alle darauf abzielenden Regierungsakte damit in Einklang stehen, und darum würde der Minister des Äußern im wesentlichen mit dem Grafen Szécsen dafür stimmen, daß aus dem Reichsratsstatute alles entfernt werde, was mit dem Diplom nicht im Einklang steht. Wollte die Regierung aber einen anderen Weg einschlagen, so müßte die prinzipielle Genehmigung Sr. Majestät dazu eingeholt und die weitere Entwicklung eines neuen Systems beraten werden. Der Staatsminister bemerkte: Er vermöge in seinen Vorlagen keinen Widerspruch mit dem Diplom vom 20. Oktober, keine Überschreitung desselben zu erkennen. Noch weniger fände er die Bemerkung von einer Verletzung der ungrischen Verfassung durch das Statut begründet. Es ist darin nichts enthalten, was sie verletzt, sondern nur die im Diplom klar ausgesprochene Idee der gemeinsamen Behandlung allgemeiner Reichsangelegenheiten durch eine gemeinsame Vertretung ausgeführt und erweitert. Nimmt man an der Bezeichnung „Reichsangelegenheiten“, „Reichstag“ etc. Anstoß, so vergißt man, daß dieselbe Bezeichnung auch im Diplom vorkommt. Dort ist von einem „Reichsrate“, von einem für die Angelegenheiten des „Reiches“ geschaffenen politischen Körper, die Rede, in welchem Ungern nach dem Verhältnisse seiner Volkszahl mit etwa 33 Mitgliedern auf 100 hätte vertreten werden sollen. Wenn nun im vorliegenden Statut die Zahl der Vertreter überhaupt, also auch für Ungern, ansehnlich vermehrt wird, so ist dies keine Abweichung, keine Änderung des politischen Systems, sondern nur eine weitere Entwicklung desselben. Gerade diese war durch die Verhältnisse im allgemeinen sowohl als auch Ungern gegenüber notwendig geworden. Mehr als einmal hat der ungrische Hofkanzler sie als ein Gebot der Notwendigkeit erklärt, indem er bemerkte, daß nur ein großer politischer Körper mit möglichst gleichen Attributionen wie der ungrische Landtag den Ungern imponieren werde. Es ist gesagt worden, daß das Diplom, aber nur das Diplom, in Ungern zur Geltung gebracht werden könne. Die bisherige Erfahrung zeigt aber das Gegenteil. Will es also die Regierung auf dem ungrischen Landtage zur Ausführung bringen, so bedarf sie dazu nach dem eigenen Erkenntnisse des ungrischen Hofkanzlers eines anderen imponierenden politischen Körpers, der durch seine bestimmte Erklärung, es annehmen zu wollen, einen moralischen Druck auf Ungern zu üben geeignet ist. Führt auch dieses Mittel nicht zu dem gehofften Erfolg, so bliebe Sr. Majestät doch nichts anderes übrig, als den Widerstand dagegen mit Anwendung von Zwangsmaßregeln zu besiegen. Hierzu sind aber materielle Mittel, Geld und Truppen, nötig. Beide können nur von den nichtungrischen Provinzen beschafft werden. Um sie zu erhalten, müssen aber eben diese Provinzen in ihren gerechten Erwartungen befriedigt werden, indem man ihnen die Verwirklichung der mit dem Diplom verheißenen Rechte in möglichst liberaler Weise sichert. Alles dieses und die Überzeugung, daß in Ungern nichts Beifall finden wird, was von der österreichischen Regierung ausgeht, bringen diese in das Dilemma, entweder || S. 73 PDF || die deutsch-slawischen Länder durch die Verfassung zufriedenzustellen oder sie durch Konzessionen für Ungern in ihren Erwartungen zu täuschen und die Ungern doch nicht damit zu befriedigen. Daß sich unter solchen Umständen nur die erste Alternative als annehmbar ergibt, dürfte wohl nicht zweifelhaft sein. Der Staatsminister machte einen Rückblick auf die jüngste Vergangenheit Ungerns. Seine Klagen über Unterdrückung können wohl nur darauf Bezug nehmen, daß es, statt nach seiner alten Verfassung, absolut regiert wurde. Aber seine Verwaltung war vollkommen geordnet und begünstigte die materielle Entwicklung des Landes in einem Grade wie nie zuvor unter der alten Verwaltung, die in der Tat keine war. Zur Befriedigung Ungerns bedarf es also, wenn es sein wirkliches Interesse vor Augen hat, der unbedingten Rückkehr zu seinem früheren Verwaltungssystem nicht, und, indem die Regierung des Landes [die] alte Verfassung wiederherstellt und mit dem Diplom vom 20. Oktober in Einklang zu bringen sucht, hat sie alles getan, was das Land billigerweise fordern kann. Sie darf dabei das Gesamtinteresse der Monarchie nicht aus den Augen verlieren und nicht zugeben, daß um einer Empfindlichkeit Ungerns willen den anderen Völkern ein Abbruch geschehe. Ob man Ungern schmeichelt oder diese seine Empfindlichkeit verletzt, der Erfolg ist, wie die Erfahrung lehrt, der gleiche. Was speziell ungrische Anschauungen verletzen könnte, ist nach den Konferenzbeschlüssen aus dem Statut ohnehin entfernt worden. Weiter zu gehen und eine Form zu wählen, welche andere Länder nicht befriedigen würde, dazu könnte der Staatsminister nicht raten.

Der Minister des Äußern erläuterte hierauf sein früheres Votum dahin, daß er keine Änderung der Konferenzbeschlüsse in merito beabsichtigt habe, sondern bloß solche Modifikationen in der Form und Sprache des Statuts, welche dessen Annahme von Seite Ungerns erleichtern und wodurch — käme es deswegen zum Kampfe — wenigstens eine Tür zur Rückkehr und Verständigung offengelassen würde. Auch Graf Szécsen ist weit entfernt, eine meritorische Änderung des Statuts zu beantragen. Er erkennt dessen Inhalt für gut bezüglich aller Länder und wünscht nur um der leichteren Verständigung mit Ungern willen — wozu die Hoffnung nicht so ganz, wie der Staatsminister behauptete, verschlossen ist — die Beseitigung jener Formen und Bestimmungen, welche in Ungern entschiedenes Mißfallen finden müssen. Dahin gehört namentlich die Bezeichnung „Reichstag“ — welche mit dem nach ungrischen Begriffen ganz unmöglichen Reichstage der Verfassung vom 6. März 1849 2 zusammenfiele. Ganz anders würde ein Reichsratsstatut mit Berufung auf die ungrische Konstitution aufgenommen werden. Nach dem Erachten des Polizeiministers handelt es sich also vornehmlich nur um einige unwesentliche Änderungen in den Ausdrücken, welche, wenn die Hauptsache bleibt, um so eher zugestanden werden könnten, als damit der Anstoß, den Ungern daran nähme, beseitigt würde und in den übrigen Ländern ein minderer Wert auf Worte als auf das Wesen der Dinge gelegt zu werden pflegt. Wesentlich ist nur die beantragte Weglassung der direkten Wahl zum Reichsrate. Aber diese Bestimmung wird sich vielleicht in die Landesstatute verweisen || S. 74 PDF || lassen, und somit würde der Anstand, der dagegen von Seite Ungerns besorgt wird, behoben werden können. Um jedoch über die Ansichten des Grafen Szécsen mit voller Beruhigung absprechen zu können, müßten dessen Modifikationsanträge formuliert vorliegen, daher der genannte Minister zur Einbringung seiner formulierten Anträge einzuladen wäre. Der Kriegsminister war in der Ansicht von der Zulässigkeit unwesentlicher Änderungen mit dem Polizeiminister einverstanden, cmuß jedoch wiederholen, daß er bei seinem Votum beharre, wonach der zu bestimmende vertretende Körper „Reichsrat“ und nicht „Reichstag“ benannt zu werden [habe], da er in dem Beharren bei dieser ursprünglich im Diplom vom 20. Oktober v. J. vorgesehenen Benennung auch eine Bürgschaft für das Beharren bei dem eingeschlagenen System erblicktc . Minister v. Auch er faßte die Pragmatische Sanktion Lasser bemerkte dagegen: Scheinbar stelle sich die Formfrage voran, der Kern aber liege in der Auffassung des Verhältnisses der Länder der österreichischen Monarchie. Die Pragmatische Sanktion hat nicht eine bloße Personalunion, sondern die Untrennbarkeit der unter dem Szepter ihres Urhebers vereinigten Königreiche und Länder festgesetzt und begründet. Durch die feierliche Erklärung von 1804 sind dieselben unwidersprochen ein Kaisertum Österreich, ein Reich, geworden3, und Ungern kann als ein integrierender Bestandteil dieses Reiches sich davon sowenig als die anderen Königreiche und Länder trennen. Ungerns Geschichte von 1848/49 hat ihre natürlichen und rechtlichen Folgen gehabt. Diesen gegenüber ist das kaiserliche Diplom vom 20. Oktober nicht eine Wiederverleihung entzogener Rechte, sondern ein Gnadenakt, ein Vergeben und Vergessen, jedoch unter den ausdrücklichen Bedingungen, welche in demselben aufgestellt sind. Weiset Ungern es zurück, so hat es auch dieses, wie seine frühere Verfassung im Jahre 1849, selbst verwirkt. Die Bedingungen also, unter denen allein das Diplom Giltigkeit hat, müssen als das Minimum aufrechterhalten werden, und [es] kann von denselben ohne Gefährdung der Monarchie nicht abgegangen werden. Dafür hat jedes Land einzustehen. Keines darf eine Suprematie über die anderen ansprechen oder sich bloß durch Personalunion an Österreich gebunden betrachten. Wie auch die Wirksamkeit des Reichsratsstatuts — sei es mit, sei es ohne Ungern — sich entwickeln möge, die Regierung muß an demselben als einem Ausfluß des Diploms festhalten, um den Vorwurf zu entkräften, daß sie, nachdem sie Ungern soviel gegeben, die Mißachtung desselben dort zugelassen habe. Möge sich Ungern, insbesondere aber dessen Adel, an Polens Geschichte ein Beispiel nehmen und eher einlenken, bevor Elemente gegen ihn sich kehren, die bisher von der Regierungsgewalt niedergehalten worden sind. Nicht eine politische, sondern eine soziale Revolution wäre in Ungern zu besorgen. Er stimmte also mit dem Staatsminister. Ebenso der Finanzminister . Auch er faßte die Pragmatische Sanktion als Grundlage des Realverbandes Ungerns mit den deutschen Provinzen auf und bedauerte, daß die Idee vom 6. [sic!] März 1849 von einer einheitlichen Reichsverfassung nicht zur Ausführung gebracht wurde. Auch er erkennt im vorliegenden Statut || S. 75 PDF || nichts als die Entwicklung des Diploms vom 20. Oktober. Glaubte man mit diesem in Ungern durchdringen zu können, so ist keine Ursache zur Besorgnis vorhanden, daß die Konsequenz desselben, das Statut, wegen einiger Namen allein Anstoß erregen sollte. Für die übrigen Länder aber haben diese Namen Wert: sie wollen eine „Verfassung“, eine „Reichsvertretung“, einen „Reichstag“, indem sie darin allein die Gewähr für das Zusammenhalten der Monarchie erblicken. Der Finanzminister teilt diese Ansicht und legt das größte Gewicht auf die Aufrechterhaltung des Reichsbegriffs als unentbehrlich für den öffentlichen Kredit. Will Ungern im Ernst sich an Österreich anschließen, so wird es an der Gesamtvertretung teilnehmen, ohne sich an deren Namen zu stoßen. Will es nicht, wie es den Anschein hat, so liegt eben auch nichts an dem Namen. Es muß dann der Kampf mit Ungern, der tatsächlich mit den Beschlüssen der Komitate bereits begonnen hat4, mit dem Beistande der übrigen Völker ausgefochten werden, und dann ist es gewiß besser, diesen zu gewähren, was ihnen gefällt, als weitere Konzessionen für Ungern zu machen, für welche dieses sowenig als für das bisher Gegebene erkenntlich sein würde. Der Handelsminister teilte im wesentlichen die Ansichten der Vorstimmen über die Notwendigkeit, an dstimmte mit dem Staatsminier Idee der Reichseinheit festzuhalten und über das Diplom hinaus den Ungern keine Konzessionen mehr zu machen, weil dieselben nach der bisherigen Erfahrung nur von üblen Folgen gewesen. Wenn indes eine Formulierung einiger Ausdrücke beliebt wird, ohne dem Wesen der Bestimmungen Eintrag zu tun, so würde er dagegen nichts einwenden. Minister Freiherr von Pratobevera endlich stimmte mit dem Staatsminister, weil alle vom Grafen Szécsen hier berührten Punkte bereits in der Beratung über das Meritum des Statuts diskutiert worden sind und durch die Beschlüsse der Majorität in der Konferenz ihre Erledigung erhalten haben, so daß es nicht notwendig erscheint, abermals auf dieselben zurückzukommen. Se. k. k. Hoheit konkludierten für die Vorlage der formulierten Anträge des Grafen Szécsen, welcher dieselben in der nächsten Sitzung einzubringen sich vorbehielt, und erklärten, daß er nur, um die Beratung über den Vortragsentwurf nicht länger aufzuhalten, auf die Bemerkungen der Vorstimmen nichts erwidere, jedoch bereit sei, die Diskussion darüber jeden Augenblick, wenn es gewünscht wird, wieder aufzunehmen.

Was nun den Vortragsentwurf selbst betrifft, so hat sich der Staatsminister , nach dem Beispiele früherer Vorgänge, dabei von der doppelten Rücksicht leiten lassen, daß einerseits die hohe Bedeutung der erscheinenden wichtigen Staatsakte einer umständlichen Darlegung der Motive und Veranlassungen würdig ist und daß andererseits damit beabsichtigt wird, der öffentlichen Meinung eine bestimmte Richtung zu geben. Allein für ein offizielles Aktenstück erschien dieser Vortrag den Ministern des Äußern und der Polizei als zu lang und von der sonst üblichen geschäftsmäßigen Form zu sehr abweichend, so daß sie ihn eher für einen den Verfassungsakten nachfolgenden erläuternden Zeitungsartikel als zu einem dieselben einleitenden Geschäftsvortrage geeignet fänden, zumal da hiermit — wie der Minister des Äußern beifügte — der Impuls dazu als von dem Ministerium ausgegangen || S. 76 PDF || erscheinen würde, während die Erteilung der Verfassung als ein Ah. Gnadenakt Sr. Majestät sich darstellt. Wenn daher ein Vortrag hierwegen zu erstatten und zu publizieren ist, so müßte dieser kürzer, mit minder oratorischer Ausschmückung abgefaßt und darin der Umstand betont werden, daß die gegebene Verfassung ein Ausfluß der kaiserlichen Gnade sei. Dagegen unterläge es keinem Anstande, den vorliegenden Entwurf, in die Form eines Leitartikels gekleidet, der Publikation der Verfassungsakte nachfolgen zu lassen. Der Staatsminister , bereit, der Idee des Gnadenaktes Sr. Majestät den umfassendsten Ausdruck zu geben, glaubte nichtsdestoweniger, auf der Erstattung und Publizierung eines motivierten Vortrags bestehen zu müssen, weil das Ministerium von Sr. Majestät beauftragt worden ist, die zur Ausführung des Ah. Gnadenaktes erforderlichen Vorschläge zu erstatten, es also in der Natur der Sache liegt, diese Vorschläge in einem an Se. Majestät zu erstattenden Vortrage zu begründen und zu rechtfertigen.

Nachdem die Mehrheit der Stimmen sich einerseits für die Auffassung der beiden Minister des Äußern und der Polizei über den vorliegenden Entwurf erklärt, andererseits mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Gegenstandes die Notwendigkeit der Erstattung und Veröffentlichung eines au. Einbegleitungsvortrages in angemessener Form anerkannt hatte, behielt sich der Staatsminister vor, denselben in dem angedeuteten Sinne auszuarbeiten, und [es] ward sofort zur Lesung des vorliegenden, für einen Leitartikel bestimmten Entwurfes geschritten. Als solcher wurde derselbe mit den von einigen Stimmführern gewünschten und vom Staatsminister akzeptierten Textesmodifikationen angenommen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph, Wien, den 27. Februar 1861. Empfangen 28. Februar 1861. Erzherzog Rainer.