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Nr. 281 Ministerkonferenz, Wien, 2. Februar 1861 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 2. 2.), Mecséry, Schmerling, Degenfeld, Vay, Plener, Lasser, Szécsen 9. 2.; außerdem anw. Helfert.

MRZ. – KZ. 469 –

Protokoll I der zu Wien am 2. Februar 1861 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Besetzung des Bistums Trient

Der Unterstaatssekretär des Kultusministeriums referierte seinen Vortrag wegen Ernennung des Bischofs von Verona Riccabona zum Fürstbischofe von Trient, wogegen nichts eingewendet wurde1.

II. Zusätze zum Patent über die staatsrechtliche Stellung der Evangelischen der nichtungarischen Länder

Ebenderselbe las den Entwurf der Paragraphen, welche er zu dem Patente über die staatsrechtliche Stellung der Evangelischen in den nichtungrischen Ländern in Antrag zu bringen in der Konferenz vom 22. v. M. sich vorbehalten hatte2.

Diese Paragraphen betreffen: (nach § 2 des Patents) die Gliederung der Vertretung und Verwaltung der evangelischen Kirchen und deren Organe: Presbyteriat, Seniorat, Superintendenz und k. k. evangelischer Oberkirchenrat; die Bestimmung, daß jede Gemeinde ihre besonderen Unterrichts-, Wohltätigkeitsanstalten, Stiftungen und Fonds mit Beachtung der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen durch ihre Vertreter ordnet und verwaltet; die freie Wahl der Seelsorger, Senioren, Kuratoren und Superintendenten, welche letzteren von Sr. Majestät bestätigt werden; die Ernennung der Mitglieder des Oberkirchenrats durch Se. Majestät; die Bestätigung der Kirchengesetze durch Se. Majestät; (nach § 3 des Patents) die Berechtigung, zum Vollzuge getroffener Verfügungen und Erkenntnisse sowie zur Einbringung von Gebühren etc. die Mithilfe der politischen Behörden in Anspruch zu nehmen; die Bestimmung, daß der Unterricht in weltlichen Gegenständen nach den allgemeinen Gesetzen zu erteilen sei und daß zum Schul- und Kirchendienste Ausländer berufen werden können; endlich daß die Regelung des Volksschulwesens vom evangelischen kirchlichen Standpunkte vorbehalten bleibe; (nach § 5) die Gerichtsbarkeit über evangelische Geistliche; (nach § 9) die Bestimmung, daß den Evangelischen der Besitz und Genuß der für ihre Kirchen und Schulen bestimmten Fonds gewährleistet werde und daß Streitigkeiten über deren Verwendung von ihren kirchlichen Behörden zu entscheiden seien.

|| S. 334 PDF || Gegen diese Zusätze fand die Konferenz nichts zu erinnern, nachdem ein von dem Finanzminister geäußertes Bedenken, ob dadurch nicht etwa die der evangelischen Kirche in gleichem Maße wie der katholischen zu gewährende Autonomie beeinträchtigt und demnach ein Widerstand wie in Ungern zu besorgen sei, durch die Bemerkung des Unterstaatssekretärs beruhigt worden war, daß die gedachten Zusätze wörtlich den Anträgen der evangelischen Konsistorien entnommen worden, daß dieselben auf deren Aufnahme in das Patent einen besondern Wert legen, damit die erste auf Grundlage des Patents zusammentretende Synode nicht den Charakter einer Konstituante annehme; daß es endlich der Synode freistehen werde, die ihr zweckmäßig scheinenden Änderungen in den Bestimmungen des Patents und der Vollzugsvorschrift in Antrag zu bringen3.

Bei dieser Gelegenheit äußerte der Kriegsminister den Wunsch, daß bei der Auswahl der evangelischen Seelsorger für die k. k. Armee mit mehr Sorgfalt vorgegangen werden möge, damit er nicht wieder in die Notwendigkeit versetzt werde, sie mit Protest zurückzuschicken, wie dieses bereits zweimal, namentlich mit einem, der wiederholt seinen Glauben geändert hatte, der Fall gewesen ist. Der Unterstaatssekretär sicherte unter Notierung des obbemerkten Falles die eindringlichste Nachforschung zu, bemerkte aber zugleich, daß er bei den diesfälligen Vorschlägen an das Kriegsministerium sich zunächst wohl nur an die Berichte der evangelischen Konsistorien halten könne, welche er auch immer dem gedachten Ministerium mitgeteilt habe.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. Februar 1861.