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Nr. 280 Ministerkonferenz, Wien, 31. Jänner 1861 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 2. 2.), Mecséry, Schmerling, Degenfeld, Vay, Plener, Lasser, Szécsen 9. 2.

MRZ. – KZ. 468 –

Protokoll II vom 31. Jänner 1861 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten und Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.

[I.] Behandlung der Journale, welche politische Artikel bringen, die sich unmittelbar auf die Ah. Person beziehen

Der Ministerpräsident brachte zur Sprache, daß das Wiener Journal „Die Morgenpost“ aus dem zu Leipzig erschienenen „Sendschreiben an den Kaiser von Österreich“ einige der bedenklichsten Stellen ihren Lesern mitgeteilt habe1. Das Journal habe dadurch die Schranken überschritten, welche die Ah. Person von den Besprechungen in der Presse bewahren sollen – Schranken, welche selbst in Ländern, wo volle Preßfreiheit besteht, heilig geachtet werden. Einem solchen Vorgehen müsse entgegengetreten werden.

Der Polizeiminister äußerte, es sei ihm kein Gesetz bekannt, welches überhaupt jeden auf die Person Sr. Majestät sich beziehenden Artikel oder den Abdruck eines an Allerhöchstdieselben gerichteten Sendschreibens, Adresse etc. absolut verbiete. Beides ist bereits öfter in harmloser Weise geschehen und wurde nicht beanständet. Anders wäre es freilich dann, wenn der Inhalt des Artikels dem Strafgesetze verfallen würde. Nachdem der Ministerpräsident dies bejaht und zum Beweise den inkriminierten Artikel vorgelesen hatte, äußerte der Staatsminister , er sei vollkommen der Meinung, daß zum Schutze der Ah. Person nichts unversucht bleiben und daher eine gerichtliche Klage angebracht werden solle. Die Gerichte haben in vielen Fällen weit harmlosere mündliche Äußerungen als Verbrechen der Majestätsbeleidigung bestraft. Der Polizeiminister äußerte dagegen die Besorgnis, daß die Gerichte in dem einfachen Abdrucke der fraglichen Stelle des Sendschreibens schwerlich den Tatbestand eines Verbrechens finden dürften und daß sohin nicht einmal das Erkenntnis auf Versetzung in den Anklagestand erfolgen dürfte.

Minister Graf Szécsen fand es sehr bedauerlich, daß man bei dieser Einrichtung des Strafprozesses nicht einmal das Mittel habe, durch ein kräftiges Plädoyer des Staatsanwaltes in einer solchen Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu appellieren. Ein Hauptfehler des dermaligen Strafprozesses ist, wie Minister Baron Mecséry weiters anführte, daß das Verfahren, dem Einfluß des Staatsanwalts entrückt, dergestalt in die Länge gezogen werden kann, daß das Urteil erst nach Monaten erfolgt, während in Preßsachen nur eine schnelle Justiz Wirkung macht.

|| S. 332 PDF || Über die Bemerkung des Ministers Ritter v. Lasser , daß, wenn Journale sich Ausschreitungen erlauben, die Beschlagnahme des bezüglichen Blattes ein sehr wirksames polizeiliches Koerzitiv sei, aund daß ein Widerspruch darin liege, eine Druckschrift, die einen als strafbar betrachteten Inhalt habe, ohne Anwendung der gesetzlich hiefür bestimmten Beschlagnahme unter das Publikum gelangen zu lassen, und dann post festum den Strafrichter zur Amtshandlung aufzurufen,a erwiderte der Polizeiminister, daß aber dann eine gerichtliche Klage eingebracht und, wenn diese zurückgewiesen wird, das mit Beschlag belegte Blatt wieder freigegeben werden muß. Der Ministerpräsident fand, daß bei Artikeln wie der in Frage stehende die Beschlagnahme ganz angezeigt wäre; übrigens hätte man den Redaktionen eine gemessene Weisung zu erteilen, daß sie sich aller Artikel, wodurch die Ah. Person in die Tagespolitik hineingezogen wird, zu enthalten haben.

Der Kriegsminister und der Leiter des Justizministeriums waren mit dem Minister­präsidenten einverstanden. Der ungarische Hofkanzler und der Finanzminister stimmten für die Anwendung jedes gesetzlichen Mittels zum Schutz der Ah. Person und Minister Graf Szécsen für eine gerichtliche Verfolgung des Journals in jedem Falle, wo in einem Artikel die politische Kombination direkt auf Se. Majestät gerichtet ist. bDer Finanzminister bemerkte, daß die Erteilung besonderer neuer Instruktionen an die Polizeibehörden gegenwärtig ohne Zweck sei, indem vielmehr die bestehenden Vorschriften genau zu beobachten und die einzuleitenden Preßprozesse mehr als es bisher geschah zu beschleunigen wärenb Der Finanzminister bemerkte, daß die Erteilung besonderer neuer Instruktionen an die Polizeibehörden gegenwärtig ohne Zweck sei, indem vielmehr die bestehenden Vorschriften genau zu beobachten und die einzuleitenden Preßprozesse mehr als es bisher geschah zu beschleunigen wären.2

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. Februar 1861.