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Nr. 269 Ministerkonferenz, Wien, 17. Jänner 1861 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 17. 1.), Mecséry 18. 1., Schmerling, Vay 19. 1., Plener vidit, Lasser 21. 1., Szécsen 21. 1., FML. Schmerling 22. 1.

MRZ. – KZ. 294 –

Protokoll II der zu Wien am 17. Jänner 1861 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Landesordnung für Österreich unter der Enns

Gegenstand der Beratung war der beiliegende Entwurfa einer Landes- und Landtagswahlordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns1.

Der Staatsminister wird in dem Entwurfe, welcher gleichzeitig mit jenem für Mähren lithographiert und verteilt worden ist, diejenigen Modifikationen vornehmen, welche bei Mähren in den allgemeinen Bestimmungen von der Konferenz am 15. d. [M.] angenommen wurden2.

Speziell für Niederösterreich unter der Enns [sic!] kam nur die Frage zur Sprache, ob ad § 3 außer dem Rector magnificus, der die historische Landtagsberechtigung für sich hat, auch der sub lit d) aufgeführte Präsident der Akademie der Wissenschaften ipso jure als Vertreter der Wissenschaft in den Landtag berufen werden soll. Der Polizeiminister, Graf Szécsen und der Ministerpräsident waren gegen dessen Berufung in den Landtag für Niederösterreich, weil er ein besonderes Landesinteresse nicht zu vertreten hat und als Repräsentant eines wissenschaftlichen Reichsinstitutes einen angemessenen Platz in der Reichsvertretung finden dürfte. Alle übrigen Stimmführer aber waren für dessen Beibehaltung, da die Akademie ihren Sitz in Wien hat und im Grunde für ihn dieselben Rücksichten sprechen, wie für den Universitätsrektor.

Zum § 5 der Landtagswahlordnung wurde in Gemäßheit desjenigen, was ad § 6 der mährischen Landtagswahlordnung beliebt worden, die Zahl der Vertreter der Wiener Handels- und Gewerbekammer von drei auf vier erhöht, damit dieselbe hierin doch einigen Vorzug vor den Handelskammern in Brünn und Olmütz, die mit je drei Vertretern bedacht sind, erhalte und aus jeder ihrer beiden Sektionen wenigstens zwei Abgeordnete zum Landtage stellen könne. Die Gesamtzahl der Landtagsmitglieder würde sich alsdann auf 68 erhöhen, nach dem Antrage der minderen Stimmen aber, welche den Akademiepräsidenten beseitigt wissen wollen, unverändert bleiben.

|| S. 283 PDF || Zum § 15 der Wahlordnung, betreffend die persönliche Ausübung des Wahlrechts nur in einem Wahlbezirke, bemerkte der Staatsminister , er habe zwar zum bezüglichen § 16 der mährischen Wahlordnung die Berücksichtigung des Antrags des Ministers v. Lasser zugesagt, daß diese Beschränkung für Wähler, die in mehreren Wahlbezirken die zur Ausübung des aktiven Wahlrechts vorgeschriebenen Erfordernisse haben, nur mit Rücksicht auf ein und dasselbe Objekt zu gelten haben solle. Allein, er glaube, daß bei der Ausübung eines politischen Rechtes, welches nach allgemeinen Grundsätzen nur ein höchst persönliches sein könne, der Besitz nicht entscheidend sei, wie etwa bei den Teilnehmern an einer Aktiengesellschaft, wo der Besitz mehrerer Aktien auch ein Recht auf mehrere Stimmen gebe. Wollte dieses Verhältnis hier als maßgebend angesehen werden, so würde dem Reichtum ein wie es scheint nicht hinlänglich begründetes Vorrecht in der Vertretung eingeräumt werden. Der Staatsminister würde es daher vorziehen, wenn nach seinem Antrage die Ausübung des Wahlrechts in einem Kronlande auch nur auf einen Wahlbezirk beschränkt bliebe. Dem Wähler stünde dann selbstverständlich die Option des Wahlbezirks frei, und ebenso bliebe sein passives Wahlrecht im ganzen Kronlande unangetastet. Diesen Betrachtungen fügte Minister Grafen Szécsen noch die Bemerkung bei, daß eine Stimme in einem großen Wahlkörper in der Regel nicht von solcher Bedeutung sei, um den Grundsatz der persönlichen Beteiligung an dem Wahlrechte aufzugeben. Allein, der Polizeiminister hob hervor, wie wirksam gerade die Beteiligung hervorragender Persönlichkeiten unter den Großgrundbesitzern an den Wahlen der Landgemeinden sein würde, in welchen sie, wie dies häufig der Fall ist, ebenfalls ein Besitztum haben, und Minister v. Lasser machte bfür den Fall, daß dem Wähler freigestellt bliebe zu optieren, in welcher Klasse er sein Recht üben wolle,b auf die Schwierigkeit aufmerksam, zu kontrollieren, ob ein Wähler wirklich nur in einem oder in mehreren Bezirken mitwirkt. cWenn der Satz, daß das Wahlrecht (den Großgrundbesitz ausgenommen) nur persönlich zu üben sei, stehen bleibe, verschwinden ohnedies praktisch die meisten Nachteile, welche aus der Zugestehung von mehrfacher Kumulierung des Wahlrechtes abgeleitet werden könnten; und es sei dann, um diesen Nachteilen auszuweichen, nicht nötig, jemandem sein an und für sich begründetes Wahlrecht zu entziehen.c

Hiernach vereinigte sich die Konferenz schließlich in dem Antrage, die Worte des ersten Absatzes „und nur in einem Wahlbezirke“ fallenzulassen und statt des zweiten Absatzes diejenige Bestimmung einzuschalten, welche von dem Staatsminister selbst zum § 16 der mährischen Wahlordnung hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Stimmenübertragung der Großgrundbesitzer vorgeschlagen worden ist3.

II. Wirkungskreis der ungarischen Hofkanzlei in Strafsachen

Der ungrische Hofkanzler referierte seinen Vortrag wegen Übertragung des Wirkungskreises des Ministeriums des Inneren und des Obersten Gerichtshofes bezüglich der Abänderung, Milderung oder Nachsicht von Straferkenntnissen in Ungern an die ungrische Hofkanzlei, womit die Konferenz mit der Einschränkung einverstanden war, daß, solange die ungrische Sektion beim Obersten Gerichtshofe noch besteht, dessen Wirksamkeit hierwegen nicht geändert, sondern nur dasjenige Recht des Ministeriums des Inneren auf die ungrische Hofkanzlei übergehe, welches sich auf Straferkenntnisse der politischen Behörden bezieht.

In Ansehung der von Gerichtsbehörden geschöpften Straferkenntnisse würde der ungrische Hofkanzler sich seinerzeit mit dem Judex Curiae in das Einvernehmen setzen4.

III. Entlassung des wegen eines Exzesses assentierten Studenten Franz Abuda vom Militär

Unter den wegen der Juliexzesse in Pest5 zum Militär abgestellten Studenten befindet sich Franz Abuda, dessen Familie in einem Majestätsgesuche um seine Freilassung gebeten hat. FZM. Benedek hat nichts dagegen, und auch das Kriegsministerium ist in thesi für die Freilassung aller in dem gleichen Falle befindlichen Individuen gegen dem, daß, insofern sie an und für sich der gesetzlichen Stellung unterlagen und statt ihrer andere hätten abgestellt werden müssen, die Nachlosung vorgenommen werde. Da dem Abuda außer jenem Exzesse nichts anderes zur Last fällt, so trägt der ungrische Hofkanzler unter obiger Bedingung auf dessen Entlassung vom Militär bei Sr. Majestät an, womit die Konferenz, den Ministerpräsident ausgenommen, einverstanden war6.

IV. Besetzung der Obergespanstellen in den zu Ungarn einverleibten siebenbürgischen Komitaten

Gegen den Vorschlag des ungrischen Hofkanzlers zur Besetzung der Obergespansstellen der Komitate Kraszna, Szolnok, Zaránd und des Kővárer Distrikts mit Graf Bánffy, Wesselényi, Pipos und Dorgó fand die Konferenz, deren nichtungrischen Mitgliedern diese Personen nicht bekannt sind, kompromittierend auf die Empfehlung des Hofkanzlers und [des] Grafen Szécsen, nichts zu erinnern7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 26. Jänner 1861.