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Nr. 264 Ministerkonferenz, Wien, 5., 6. und 15. Jänner 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. (Rechberg 15. 1.), Mecséry 16. 1., Schmerling, Degenfeld 17. 1., Vay 17. 1.; Plener 17. 1., Lasser 18. 1., Szécsen 18. 1.

MRZ. – KZ. 282 –

Protokoll der zu Wien am 5., 6. und 15. Jänner 1861 abgehaltenen Ministerkonferenzen unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg. [Sitzung vom 5. Jänner]         [anw. Rechberg, Mecséry, Schmerling, Plener, Lasser, Szécsen, Szőgyény; abw. Degenfeld]

[I.] Finanzmaßregeln; Reichsrats- und Verfassungsangelegenheiten

Der Finanzminister eröffnete der Konferenz, daß er bei dem fast gänzlichen Ausbleiben der Steuern in Ungern1, welchem nun auch demnächst das Gleiche in der Woiwodina und den siebenbürgischen Komitaten nachfolgen dürfte, zur Deckung der Staatsbedürfnisse genötigt sei, die Ausschreibung einer Anleihe in Antrag zu bringen2. Hierzu wäre nach dem kaiserlichen Diplom vom 20. Oktober die Zustimmung des verstärkten Reichsrates erforderlich3. Dieser kann jedoch nicht vor Monaten berufen werden, weil die Landtage in den deutsch-slawischen Provinzen nicht vor Ende Februar, der ungrische aber erst im April versammelt sein können. Der Stand der Staatskassen läßt aber einen solchen Aufschub nicht zu. Der Finanzminister muß daher für den augenblicklichen Bedarf Vorsorge treffen, beantragt daher bei dem Umstande, wo auf den vollständigen Erfolg der von der ungrischen Hofkanzlei gegen die Steuerverweigerung in Ungern beschlossenen Erlässe nach der Bemerkung des zweiten ungrischen Hofkanzlers selbst mit voller Sicherheit nicht zu rechnen ist, die Ausschreibung eines 5%igen, in fünf Jahren vom Dezember 1862 an rückzahlbaren Anlehens, welches er wenigstens teilweise unter verhältnismäßig günstigen Bedingungen aufzubringen Aussicht hat, gegen dem, daß die verfassungsmäßige Zustimmung des Reichsrates, welcher dermal nicht berufen werden kann, nachträglich eingeholt werde.

Als ihm von Seite des Staatsministers dagegen eingewendet wurde, wie bedenklich es wäre, abermals mit einer Kreditoperation hervorzutreten und das Publikum wieder nur auf die nachträgliche Einholung der Zustimmung des verstärkten Reichsrates zu vertrösten, was nur zur Vermutung Anlaß gäbe, es sei der Regierung nimmermehr Ernst, das kaiserliche Diplom in Ausführung zu bringen, adeuteten der Finanzminister und Minister v. Lassera deuteten der Finanzminister und Minister v. Lasser darauf hin, daß die dermaligen außerordentlichen Verhältnisse des || S. 257 PDF || Reichs die Ergreifung außerordentlicher Maßregeln rechtfertigen dürften, und bezeichnetenb als eine solche die unverzügliche Einberufung einerc Reichsvertretung, um durch deren Mitwirkung das Zustandekommen der Kreditoperation zu ermöglichen4.

Fortsetzung am 6. Jänner 1861 Gegenwärtig: alle Minister Abwesend: der ungrische Hofkanzler

Aufgefordert, seinen Antrag näher zu entwickeln, bemerkte der Finanzminister , es wäre auf Grundlage des Wahlgesetzes von 18495 die Vertretung (Reichstag) der deutsch-slawischen Kronländer dmit dem in der Reichsverfassung vom Jahre 1849 eingeräumten Wirkungskreised mit dem in der Reichsverfassung vom Jahre 18496 eingeräumten Wirkungskreise zu obigem Behufe zu berufen. eDurch welche Ausführungsbestimmungene dies ins Werk zu setzen, müsse er anderen Stimmführern überlassen, zur Rechtfertigung dieser außerordentlichen Maßregel aber auf die bedenkliche Lage des Reichs im Inneren wie nach außen hin und auf seine wiederholt vor der Konferenz ausgesprochene Ansicht hinweisen, daß nur in einer konstitutionellen Einrichtung die Bürgschaft gegen den Zerfall des Reichs gefunden werden könne, fwelche (leider) von sehr vielen Seiten als ein bevorstehendes Ereignis betrachtet werde und mit dessen Gegenwärtighaltung man sich bereits vertraut mache. Es müsse ein mutvoller energischer Schritt geschehen, welcher nur in einer Vertretung der deutsch-slawischen Länder und von ihr unterstützt in kraftvoller Niederwerfung der ungrischen Losreißungstendenzen bestehen könne.f Das kaiserliche Diplom vom 20. Oktober, an dessen ursprünglicherg Beratung er nicht teilgenommen7, habe die Wiederherstellung der alten Verfassung Ungerns zur Folge gehabt; zum Dank dafür habe das Land mit Steuerverweigerung, Vertreibung der eingesetzten lf. Organe und mit vollständiger Anarchie hund Zurückberufung der Hochverräterh geantwortet. Von dem ersten ungrischen Landtage werde es abhängen, ob er das kaiserliche Diplom in Bezug auf die allgemeine Reichsvertretung im verstärkten Reichsrate und dessen Kompetenz für Ungern annehmen werde. Nach allem, was bisher geschehen, sei sehr daran zu zweifeln, und es sei gewiß, daß vor Austragung jener Frage kein Vertreter || S. 258 PDF || Ungerns bei der etwa früher zu berufenden Reichsratsversammlung erscheinen werde. Bis dahin aber zu warten, ist bei der dringenden Not der Finanzen unmöglich. Um ihr abzuhelfen, den allgemein und laut ausgesprochenen Wünschen der Bevölkerung der übrigen Kronländer mit den Forderungen der Finanzmänner insbesondere, die nur gegen genügende Garantien Geld hergeben wollen, gerecht zu werden, erübrigt nichts anderes, als den deutsch-slawischen Kronländern (ob Venetien auch, wäre noch zu erwägen)8 eine gemeinsame Vertretung mit einer der ungrischen gleichen Wirksamkeit zu gewähren. Sie haben es Ungern gegenüber sicher nicht verdient, demselben in dieser Hinsicht so weit nachgesetzt zu werden. Die Regierung aber würde sich durch die Gewährung der gerechten Gleichstellung dieser Länder mit Ungern nicht nur in ihnen eine mächtige Stütze gegen Ungern schaffen, sondern auch den mehr und mehr zu Tag tretenden Separationsgelüsten einen kräftigen Damm entgegensetzen. Inzwischen hat der Finanzminister bei der Dringlichkeit der Kreditoperation Se. Majestät vorläufig um die Ah. Genehmigung in thesi gebeten, um einige auf die Manipulation bezügliche Voreinleitungen einstweilen treffen zu können9. Den Entwurf der hierwegen zu erlassenden kaiserlichen Verordnung wird er vortragen, sobald die Beratung über die hier in Anregung gebrachte Verfassungsfrage wird geschlossen sein10.

Über diese letztere bemerkte der Ministerpräsident , eine Konstitution müßte für die ganze Monarchie erlassen werden, zwei Konstitutionen, eine für Ungern, eine für die übrigen Kronländer aber würden die Monarchie zerreißen. Eine Konstitution für alle wäre bei der Verschiedenheit der Nationalitäten nur sehr schwer durchzuführen. Ungern habe seit Jahrhunderten seine Verfassung, könne also für die übrigen Kronländer nicht zum Beispiele angeführt werden. Denn iin diesen ist nach dem Urteil eines englischen, gewiß nicht als parteiisch angesehenen Staatsmannes, der mit Österreichs Verhältnissen genau bekannt ist, die politische Erziehung und Entwicklung der großen Masse der Bevölkerung noch nicht weit genug vorgeschritten, sie müßte vorerst durch das Selfgovernment herangebildeti und für freiere politische Institutionen im Großen erzogen werden, wenn sie nicht, die Beute des nächsten besten Agitators, auf den Weg der Revolution wie im Jahre 1848 geführt werden sollen11. Eine Konstitution kann endlich nicht improvisiert werden, es braucht Zeit, um sie auszuarbeiten; in derselben Zeit aber kann auch das Reichsratsstatut ausgearbeitet sein und in Wirksamkeit treten, ohne daß die Regierung zu dem sehr bedenklichen Schritte genötigt werde, von den Bestimmungen des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober abzuweichen. Diese müßten jedenfalls aufrechterhalten bleiben. || S. 259 PDF || jWende man die ungleiche Behandlung Ungarns und der übrigen Kronländer ein, so sei dieser Einwand nicht ganz begründet, auch in Ungarn habe der Landtag keine beschließende Stimme, und es würde dort wie in den übrigen Kronländern auf dem Wege der Vereinbarung mit dem Landtage und dessen Mitwirkung vorgegangen. Man möge nicht vergessen, daß durch das Diplom vom 20. [Oktober] Ungarn Rechte, die es früher besessen, verloren habe, und den anderen Kronländern Rechte eingeräumt worden seien, die ihnen früher nie zugestanden worden waren.j Fühlt die Regierung in sich die Kraft nicht, an dem Gegebenen festzuhalten, so ist sie verloren. Denn man darf sich der Illusion nicht hingeben, daß neue Zugeständnisse befriedigen würden; nach acht Tagen würde Neues und wieder Neues verlangt und der Zustand wie im Jahre 1848 herbeigeführt werden, der schließlich nur mit Anwendung von Gewaltmitteln unterdrückt werden könnte. In ähnlicher Weise sprach sich der Polizeiminister aus: Vor dem 20. Oktober wäre ein Antrag der besprochenen Art noch zulässig gewesen. Seit dem Erscheinen des kaiserlichen Diploms muß auch der Standpunkt dieses letzteren eingehalten werden, und jedes Eingehen auf einen davon abweichenden Antrag erscheint als untunlich. Das wesentliche der Begründung des letzteren ist, die Kreditoperation kann ohne Zustimmung des Reichsrates nicht gemacht werden, dies einzuholen ist wegen der Dringlichkeit der Sache unmöglich, daher notwendig, eine außerordentliche Vertretung der nicht ungrischen Kronländer hierwegen zu berufen. Allein, der Zweck würde damit nicht erreicht, weil, was auch immer diese Vertretung beschlösse, die Zustimmung Ungerns fehlen, somit das Anlehen auf Ungern keinen Bezug haben würde. Eine Konstitution für die nicht ungrischen Länder als Gegengewicht gegen die ungrische hinauszugeben, würde nur, wie schon der Ministerpräsident bemerkte, zur Spaltung des Reichs in zwei Teile führen und sicher auch niemanden zufriedenstellen. In Ungern kann der dermalige Zustand der Anarchie nicht länger geduldet werden. Bleiben die von der ungarischen Hofkanzlei zur Herstellung der Ordnung verfügten Maßregeln erfolglos, so wird es wohl zur Anwendung von Gewalt kommen müssen, um der Gesetzlosigkeit ein Ende zu machen. Mit der Ordnung wird auch das Vertrauen in die Regierung dort wiederhergestellt sein. Es handelt sich also darum, das Vertrauen in den übrigen Kronländern zu befestigen. Da berechnet werden kann, bis zu welchem Tage die Landesvertretungen in Wirksamkeit treten können, so mögen gleichzeitig mit der Verkündigung des Vorhabens der Kreditoperation auch die Ausschreibung der Landtage erfolgen; alsdann wird die Bevölkerung zur Überzeugung kommen, daß es der Regierung mit der Ausführung des kaiserlichen Diploms wirklich ernst ist.

Der Staatsminister bemerkte, auch er halte an den Grundbestimmungen des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober pflichtgemäß und unverbrüchlich fest, sie erscheinen ihm aber nach reiflicher Prüfung nicht so entschieden abgeschlossen zu sein, daß sie einer weiteren Entwicklung unfähig wären, ohne ihre Prinzipien zu verlassen. Fände sich eine Modalität, unter welcher der Antrag des Finanzministers innerhalb des Rahmens des Diploms ausgeführt werden könnte, so wäre dem dringenden Bedürfnisse des Augenblicks abgeholfen. || S. 260 PDF || Eine solche Modalität nun glaubte der Staatsminister in dem 2. Alinea des Art. III des kaiserlichen Diploms gefunden zu haben, wo es heißt: „Nachdem jedoch mit Ausnahme der Länder der ungrischen Krone auch in betreff solcher Gegenstände, welche nicht der ausschließlichen Kompetenz des gesamten Reichsrates zukommen, seit einer langen Reihe von Jahren für Unsere übrigen Länder eine gemeinsame Behandlung und Entscheidung stattgefunden hat, behalten Wir Uns vor, auch solche Gegenstände mit verfassungsmäßiger Mitwirkung des Reichsrats unter Zuziehung der Reichsräte dieser Länder behandeln zu lassen.“ Hieraus ergibt sich, daß innerhalb des Rahmens des kaiserlichen Diploms eine partielle Berufung der Reichsvertretung zulässig ist durch Versammlung der Landtage der nichtungrischen Provinzen in einen Körper. Es wurden auch in früheren Zeiten die Stände mehrerer Provinzen zusammen in eine Versammlung berufen, so nach Prag der vereinigte Landtag der Länder der böhmischen Krone, nach Wien die Stände der beiden Länder ob und unter der Enns, Steiermarks etc., um über gewisse wichtigere und gemeinsame Angelegenheiten mit ihnen zu verhandeln. Fragt man weiters, ob eine Erweiterung des Wirkungskreises solcher vereinigter Landtage nach dem Sinne des Diploms möglich sei, so ergibt sich die bejahende Antwort, denn, wenngleich im Artikel III nur von der Mitwirkung derselben die Rede ist, so darf nach den Stadien, die der Reichsrat selbst von dem Beirate zur Mitwirkung bis zur Zustimmung durchgemacht hat, vorausgesetzt werden, daß Se. Majestät nicht abgeneigt sein werden, auch dem vereinigten Landtage für besondere wichtige und dringende Verhandlung die Erweiterung des Mitwirkungs- auf ein Zustimmungsrecht einzuräumen. Fragt man endlich, ob eine Berufung dieser vereinigten Landtage mit dem erweiterten Wirkungskreise dringend nötig sei, so ergibt sich ebenfalls eine bejahende Antwort. Alle Voraussetzungen, daß das Diplom vom 20. Oktober Ungern zufriedenstellen, die baldige Berufung des ungrischen Landtags und die Entsendung seiner Abgeordneten zum Reichsrat möglich machen werde, sind nicht in Erfüllung gegangen. Der ungrische Landtag wird nicht vor April beginnen können, er wird sich zuerst mit der Austragung des staatsrechtlichen Verhältnisses zu Kroatien, mit der Krönung und Feststellung des Krönungsdiploms beschäftigen, so daß eine geraume Zeit vorübergehen wird, ehe er die Frage über die Annahme des Diploms vom 20. Oktober in Angriff nehmen kann. Ehe diese in bejahendem Sinne entschieden ist, wird der Reichsrat vollzählig und legal nicht konstituiert sein können. Nun kann aber die Regierung nach der Darstellung des Finanzministers mit der beabsichtigten Finanzoperation nicht so lange warten, sie ist also genötigt, sich für den drängenden Moment, während der vollzählige Reichsrat ruhen muß, einen Körper zu schaffen, der einstweilen dessen Funktionen übernähme. Es ist aber auch notwendig, daß sie sich in diesem Körper ein Gegengewicht dem ungrischen Landtage gegenüber verschaffe. Letzterer besteht aus wenigstens 340 Ablegaten im Unterhause und 300 Magnaten in der Magnatentafel mit ausgedehnten Befugnissen. Ihm stünde die Regierung allein gegenüber, wenn es sich um die wichtige Frage der Annahme des kaiserlichen Diploms handeln wird. Die Verhandlung wird ihr wesentlich erleichtert, wenn ihr ein anderer, dem ungrischen Landtage in Zahl und Befugnis ebenbürtiger Körper zur Seite steht, und sie kann – wie neulich der ungrische Hofkanzler dem Staatsminister versicherte – die Annahme des Diploms beim ungrischen Landtage nur dann durchsetzen, wenn sie von einem politischen Körper unterstützt wird, der dem ungrischen Landtage zu imponieren geeignet ist.

|| S. 261 PDF || Es wäre daher aus den Vertretungen der nichtungrischen Kronländer ein in Zahl, Abteilung und Befugnis analoger Körper zu berufen, um in Ermanglung des vollzähligen Reichsrates vorerst die finanzielle Frage, sodann die andere wichtige Verhandlung über die Ausdehnung des kaiserlichen Diploms auf Ungern neben dem ungrischen Landtage zu verhandeln. Gelänge es, beide, den ungrischen und den nichtungrischen, in einen zu verschmelzen, umso besser! Wenn nicht, so würde der letztere ad actum12 als ein partieller Reichsrat fungieren, bis der vollzählige Reichsrat im Sinne des kaiserlichen Diploms berufen werden kann.

Minister Grafen Szécsen bemerkte, bei Beratung des Diploms vom 20. Oktober lag die Idee fern, daß dasselbe in Ungern mit allgemeinerk Befriedigung werde aufgenommen werden, man sah vielmehr ldie Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit des Gegenteils voraus, ging aber von der Ansicht aus, es handle sich darum, anstatt einer bis dahin gerechtfertigten Mißstimmung die Gegner des Thrones auf das bloße Feld revolutionären Widerstrebens zurückzuführen, wie diesl auch wirklich eingetreten ist13. Allein, die Regierung darf darum den Standpunkt des Diploms nicht verlassen und muß sich selbst sagen können, sie habe alles getan, um es zur Durchführung zu bringen. Darum würde er vorziehen, wenn sofort zur Einberufung der Provinziallandtage in den nicht-ungrischen Ländern geschritten, dann gleichzeitig mit der Ausschreibung des ungrischen Landtags jene des Reichsrats veranlaßt und der erstere zur Beschickung des letzteren aufgefordert würde. Käme er dieser Aufforderung nicht nach, so träfe die Regierung kein Vorwurf, die Reichsräte der übrigen Provinzen würden ihre Funktion allein beginnen, müßten aber in der Zahl verstärkt werden, und würden in den einzelnen Landtagen der Kronländer eine Stütze finden. Gegen die Idee der Vereinigung der nichtungrischen Provinziallandtage in einen scheint das Bedenken zu bestehen, daß dadurch der Charakter der Ländervertretung alteriert und neben dem ungrischen Landtage ein zweiter politischer Körper geschaffen würde, mit welchem über eine Liquidierung der Monarchie zu unterhandeln der ungrische Landtag versucht werden könnte.

Dieses letztere Bedenken teilten auch der Polizei- und der Kriegsminister sowie der Ministerpräsident und sie besorgten von einem solchen Dualismus die Teilung der Monarchie, deren Einheit nur dann zu erhalten ist, wenn nach Bewältigung des gegenwärtigen gesetzlosen Zustandes in Ungern die Vereinigung der Vertreter aller Kronländer in dem vollzähligen Reichsrate zur Ausführung gebracht wird. mDer Ministerpräsident machte namentlich darauf aufmerksam, daß Ungarn und vielleicht auch andere Kronländer sich an einem solchen vereinigten Landtag schwerlich beteiligen dürften. Wolle man ihm Finanzfragen zur Beratung übergeben, so würden die Kronländer, die sich an dieser Versammlung nicht beteiligt hätten, sich weigern, die Gültigkeit der mit derselben vereinbarten Finanzgesetze anzuerkennen, und es würde eine für den Fortbestand der Monarchie in ihrer Einheit gefährliche Spaltung hiedurch hervorgerufen werden.m Der Ministerpräsident machte namentlich darauf aufmerksam, daß Ungarn und vielleicht auch andere Kronländer sich an einem solchen vereinigten Landtag schwerlich beteiligen dürften. Wolle man ihm Finanzfragen zur Beratung übergeben, so würden die Kronländer, die sich an || S. 262 PDF || dieser Versammlung nicht beteiligt hätten, sich weigern, die Gültigkeit der mit derselben vereinbarten Finanzgesetze anzuerkennen, und es würde eine für den Fortbestand der Monarchie in ihrer Einheit gefährliche Spaltung hiedurch hervorgerufen werden.

Minister Ritter v. Lasser endlich bemerkte, auch er sei pflichtmäßig für die Aufrechthaltung der Bestimmungen des Diploms vom 20. Oktober sowie für die Reichseinheit, für welche er immer und insbesondere im Reichstag von 1848 eingestanden. nDen Vorwurf, als ob er den Dualismus fördern und eine Institution begründen wolle, um mit dem ungrischen Landtage die Beziehungen Ungarns mit Außerungarn zu liquidieren, glaube gerade er am wenigsten befürchten zu müssen, da schon im Jahre 1848, als der ungarische Landtag mit Umgehung des Ministeriums, ja Nichtbeachtung der Krone, seine bedeutendsten Männer zur unmittelbaren Verhandlung mit dem Wiener Reichstag absendete, sein (Lassers) Antrag vom Reichstage angenommen und die ungarische Deputation abgewiesen wurde – unter Verhältnissen, wo ein solcher Antrag für den Proponenten notorisch mit Gefahr verbunden warn .14 Allein, die finanziellen Bedrängnisse und die ganze Lage der Monarchie, die Zustände in Ungern, die auswärtigen Verhältnisse und die in einigen Kronländern sich zeigenden Separationsbestrebungen sind von der Art, daß sich die Regierung die dringende Gefahr nicht verbergen kann und auf Mittel, ihr schleunigst zu begegnen, bedacht sein muß.

Von der Berufung des Reichsrates onach dem Wortlauteo des Diploms kann jetzt, wie schon der Staatsminister bemerkte, keine Rede sein; es muß aber schleunigst geholfen werden. pEin mögliches Abhilfsmittel liege in der Annahme des Vorschlages des Staatsministers, dem er sich daher im Grundsatze und vorbehaltlich der näheren Erwägung des Details anschließe. Dieser Vorschlagp ist auf der Grundlage des Diploms vom 20. Oktober ausführbar, und wenn ihm gleich die Einwendung entgegengehalten wird, daß qeine aus den nichtungrischen Kronländern berufene vereinigte Repräsentationq wegen Mangels der ungrischen Abgeordneten den vollzähligen Reichsrat nicht ersetzten kann, so ist er doch unter den gegebenen Verhältnissen der einzige, der zu einer Lösung der gegenwärtigen Aufgabe führen kann. Es liegt ihm namentlich die große Idee zum Grunde, daß die auf dem vereinigten Landtage erscheinenden Vertreter der nichtungrischen Länder nach der bisher bekannten Stimmung derselben gegen Ungern sich mit aller Energie gegen das rseparatistische, lediglich auf eine lockere Personalunion hinausgehender Bestreben des letzteren erklären werden. Weit entfernt also, zu einer Spaltung der Monarchie [zu] führen, würde seine vereinigte Vertretung der nichtungarischen Länder in Wiens nicht nur den laut ausgesprochenen Wünschen der Bevölkerung der || S. 263 PDF || deutsch-slawischen Provinzen zuvorkommen, sondern auch mit seinem Gewichte die Regierung Ungern gegenüber kräftig unterstützen15.

In der Sitzung am 15. Jänner 1861 (gegenwärtig alle Minister und der ungrische Hofkanzler) brachte der Finanzminister eine neue Modalität für das in Rede stehende Anleihen in Antrag, nämlich die Abteilung der hinauszugebenden Obligationen in fünf Abschnitte zu dem Zwecke, um binnen der fünf Jahre, in denen die Rückzahlung erfolgen soll, in dem betreffenden Jahrgange bei der Steuerzahlung statt baren Geldes verwendet werden zu können. Für die Finanzen ist es dasselbe, ob die zur Rückzahlung bestimmte Teilsumme bar erfolgt werden muß oder mittelst der Steuer zur Abrechnung kommt; den Staatsgläubigern aber gewährt diese Modalität die sicherste Bürgschaft für die wirklich erfolgende Rückzahlung des Kapitals in den festgesetzten Fristen und ist hierdurch geeignet, das Papier beliebt zu machen.

Die Konferenz erklärte sich mit dieser Modalität einverstanden, und sprach der Kriegsminister hiebei noch den Wunsch nach Generalisierung derselben aus.

Belangend die Form, in welcher der diesfällige Erlaß zu publizieren wäre, sei es nun mittelst Ah. Patents oder mittelst einer kaiserlichen Verordnung, legte der Finanzminister ein besonderes Gewicht darauf, daß das Patent oder die kaiserliche Verordnung von sämtlichen Ministern unterfertigt werde, weil die Finanzleute, mit denen er vorläufig unterhandelt hat, diese als eine Garantie dafür betrachten, daß das gesamte Ministerium die Verantwortlichkeit für die Maßregel auf sich nehme. Weiters würde darin als Veranlassung auf das derzeitige Ausbleiben der Steuern aus Ungern sowie auf die Maßregeln hinzuweisen sein, welche zur Herstellung der Ordnung daselbst im Zuge sind, ferner auf die Unmöglichkeit, den Reichsrat schon gegenwärtig einzuberufen, dessen Zustimmung nachträglich einzuholen der Finanzminister zu beauftragen wäre.

Ein Appell an den Patriotismus zur ausgiebigen Beteiligung an dem Anleihen oder eine Hindeutung auf die Notwendigkeit einer künftigen größeren Kreditoperation schien der Konferenz nicht angemessen zu sein, weil man die Opferwilligkeit der Völker eben für jene größere Operation sparen und sie durch Andeutung der Notwendigkeit der letzteren nicht von der Beteiligung an der jetzt zur Ausführung gelangenden abschrecken soll. Dagegen unterläge es keinem Anstande, daß der Staatsminister und der ungarische Hofkanzler mittelst Ah. Kabinettschreibens aufgefordert würden, die Ausführung der Operation ihrerseits in jeder möglichen Weise zu unterstützen. Namentlich sprach der Finanzminister die Mitwirkung des ersteren als Kurator der Wiener Sparkasse zur ausgiebigen Beteiligung derselben bei dem Anleihen an, welche der Staatsminister in dem Maße auch zusagte, in welchem es die Verhältnisse des Instituts zulassen. Auch mittelst der Presse würden die Vorteile, welche die Operation den Steuerpflichtigen darbietet, in das hellste Licht zu setzen sein.

|| S. 264 PDF || Auf den Antrag des Polizeiministers , zwischen der Ankündigung des Anleihens und dem Schlusse der Subskription einen möglichst langen Zeitraum festzusetzen, damit die kleinen Kapitalisten ihre Vorbereitungen zur Beteiligung daran treffen können, glaubte der Finanzminister darum nicht eingehen zu dürfen, weil ein langer Subskriptionstermin bei den steten Schwankungen des Kurses der Staatspapiere auf den Preis der neu zu emittierenden, die kaum höher als zu 88 % angebracht werden dürften, nachteilig einwirken würde16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 1. Februar 1861.