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Nr. 258 Ministerkonferenz, Wien, 3. Jänner 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser (I-III), Rechberg; BdE. und anw. Erzherzog Ferdinand Max (nur bei I und II), (Rechberg 5. 1.), Mecséry 6. 1., Schmerling, Degenfeld 7. 1., Vay 8. 1., Plener 8. 1., Lasser 9. 1., Szécsen 9. 1.; abw. Erzherzog Rainer.

MRZ. – KZ. 202 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 3. Jänner 1861 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Verstärkung der Kriegsmarine, Ankauf von zwei gepanzerten Fregatten

Se. k. k. apost. Majestät geruhten als den ersten Gegenstand der heutigen Beratung die Frage über die Bestellung von zwei gepanzerten Fregatten und die Bedeckung des diesfälligen Aufwandes zu bezeichnen.

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Marineoberkommandant entwickelte in einem längeren Vortrage die Notwendigkeit, daß die österreichische Marine wenigstens nach und nach auf einen der vereinigten italienischen Marine gleichkommenden Stand gebracht werde; dieses Ziel könne in beiläufig azwei bis dreia Jahren erreicht werden1. Allein, um den schon in Frühjahre im adriatischen Meere drohenden Eventualitäten mit bder Möglichkeitb auf Erfolg die Spitze bieten zu können, sei eine weitere Vorkehrung dringend notwendig: nämlich die Anschaffung von zwei gepanzerten Fregatten, jede zu 16c 24 – pfündigen Geschützen. Sardinien hat nämlich in Frankreich ein gepanzertes Kriegsschiff bestellt, welches nach dem durch die Erfahrung bewährten verbesserten Systeme des „Gloire“ gebaut wird und längstens bis Ende Mai fertig sein soll2. Gegen dieses gepanzerte Schiff vermögen unsre hölzernen bei Anwendung aller Kunst und Tapferkeit nichts auszurichten. Unsere langgestreckten Küsten, unsere Häfen können dadurch gefährlich bedroht und Landungen an den bedenklichsten Punkten, z. B. in Fiume, unternommen werden. Eine Landung bei Monfalcone könnte nebst der Abschneidung des Transportes auf der Eisenbahn eine Diversion3 hervorbringen, welche unsre militärische Stellung im Venezianischen wesentlich beeinträchtigen dürfte. Der adriatische Golf ist leider unsere verwundbarste Seite, und zu deren Deckung würden || S. 231 PDF || die erwähnten zwei gepanzerten Schiffe die ersprießlichsten Dienste leisten. Das eine könnte bei Malamocco Venedig schützen, während das andere nach Umständen bei Triest, Polad oder anderen bedrohten Punkten verwendet würde. Wir wären daher wenigstens in dieser Beziehung Sardinien sehre überlegen! Se. k. k. Hoheit haben in Würdigung dieser Verhältnisse Höchstsich bereits mit der Wahl von Mitteln zur Beischaffung dieser Schiffe beschäftigt, Höchstsich dazu den Plan verschafft und mit inländischen Etablissements (dem Schiffsbaumeister Tonello und dem Stabilimento tecnico) Rücksprache gepflogen, welche die Möglichkeit zeigen, bei Aufbietung aller Kräfte ein solches Schiff schon bis Ende Mai, das zweite zweif Monate später vollkommen preiswürdig und kriegstüchtig herzustellen. Die Kosten sind auf 2,300.000 fl. in Papier angeschlagen und wären ratenweise zu bezahlen, was für die österreichischen Finanzen eine große Erleichterung bilden würde. Die Herstellung in England würde nicht so schnell und nur mit größeren Kosten, in Frankreich gar nicht zu erreichen sein, weil ein diesfälliges Ausfuhrverbot besteht. Se. k. k. Hoheit beantragen daher, daß die Bestandteile dieser zwei Schiffe in Triest und Neuberg ohne Verzug bestellt und für die Deckung der Kosten, welche vorsichtsweise auf 2,500.000 fl. angeschlagen werden, Vorkehrungen getroffen würden4. Der Kriegsminister unterstützte die beiden Anträge, sowohl was die Verstärkung der österreichischen Marine überhaupt, als speziell die zwei gepanzerten Fregatten betrifft, indem er einen Bericht des FZM. Ritter v. Benedek über die Notwendigkeit der Verstärkung der österreichischen Marine vorliest, damit unsere Flanke und Operationsbasis geschützt werde5. Der Kriegsminister erinnerte ferner, daß nebst dem Mehraufwande für diese Schiffe auch noch andere außerordentliche Auslagen für Rüstungen in naher Aussicht stehen, und ersucht den Finanzminister, darauf in seinen Dispositionen Bedacht zu nehmen.

Der Finanzminister entwickelte umständlich die schwierige Lage des Staatsschatzes, der bei seinen sparsamen Zuflüssen und der dermaligen Unmöglichkeit einer großen Finanzoperation nur mühsam und durch Anwendung kleiner Auskunftsmittel das Bedürfnis des Tages zu decken imstande ist, aber unpräliminierte zweieinhalb Millionen nicht aufzubringen vermöchte. Der Minister verkennt nicht die von kompetenten militärischen Autoritäten geltend gemachten Gründe für die Verstärkung unserer Marine, allein, der diesfällige Aufwand könne nur durch eine große Finanzoperation gedeckt werden, und diese ist wieder nur mit Zustimmung des versammelten Reichsrates durchzuführen. Der Minister finde sich dadurch um so mehr gedrängt, die Berufung des verstärkten Reichsrates in der kürzesten Zeitfrist dringend zu bevorworten.

|| S. 232 PDF || Der Staatsminister findet das Bedürfnis der schleunigen Anschaffung der zwei gepanzerten Fregatten sowie die weitere allmählige Verstärkung der österreichischen Flotte zweifellos. Wenn aber die vorhandenen finanziellen Hilfsquellen bei plötzlicher und großer Erhöhung des Bedarfes durchaus unzulänglich wären, so muß man, wie der Finanzminister andeutet, suchen, auf verfassungsmäßigem Wege umso schneller zum nächsten Ziel, d. i. zum Zusammentreten des Reichsrates zu gelangen. Bei Anwendung aller Tätigkeit in Vollendung der Landtagsstatuten und Durchführung der Wahlen könnten die Abgeordneten der mit Ende Februar zusammentretenden Landtage der deutsch-slawischen Kronländer für den verstärkten Reichsrat bereits am 15. März in Wien versammelt sein. Es frage sich aber, bis wann die ungarischen Reichsräte eintreffen werden, denn ohne deren Gegenwart ist kein verstärkter Reichsrat! Der ungarische Hofkanzler erwiderte, daß der ungarische Landtag bei aller Beschleunigung nicht vor dem 10. bis 12. März zusammenkommen könne; wie lange dann die Debatten über das Diplom etc. dauern werden, lasse sich durchaus nicht vorhersagen; jedenfalls solle man suchen, vor allem die Wahlen der übrigen Reichsräte zu bewirken. Ungarn wird nachzukommen suchen. Der Minister Graf Szécsen stimmte dem Staatsminister bei und glaubte, daß beim ungarischen Landtage in Anbetracht der Dringlichkeit eine provisorische Beschickung gad hoc beantragt werden könnte, die aber freilich wenig Aussicht des Erfolges hätteg .

Der Polizeiminister und der Ministerpräsident stimmten gleichfalls für die Beischaffung der zwei Schiffe, und Se. Majestät der Kaiser geruhten Allerhöchstsich dafür zu entscheiden, daß wegen der Dringlichkeit der Sache der Schiffbau einzuleiten sei. Das Marineoberkommando habe sich daher mit den technischen Vorarbeiten zu beschäftigen, die Kontraktsbestimmungen mit den Unternehmern vorläufig zu vereinbaren und die Verträge nach vorläufiger Besprechung mit dem Finanzministerium abzuschließen6.

II. Projekt von Roebuck und Lever

Der Ministerpräsident knüpfte an die vorausgegangene Beratung die Bemerkung, daß die Annahme des Roebuck-Leverschen Projektes einer regelmäßigen Dampfschiffahrtsverbindung zwischen England und Triest der österreichischen Regierung eine Anzahl fertiger großer Dampfer ohne Ankaufskosten zum allfälligen Kriegsgebrauche zuführen würde7.

Der Finanzminister bemerkte, daß die Voraussetzungen, worauf dieses Projekt sich stützt, ihm allzu sanguinisch scheinen und also die bedungene Garantie der Verzinsung dem Staate wohl auch Opfer auferlegen dürfte, indes wären diese Opfer relativ zu dem || S. 233 PDF || unverkennbaren Vorteilen wohl nicht unverhältnismäßig groß. Der Hauptanstand liege aber darin, daß der verstärkte Reichsrat sich gegen derlei Garantien, selbst bei österreichischen Gesellschaften, ausgesprochen hat8 und daß also die Garantie für eine ausländische Gesellschaft seinerzeit umso schärferen Tadel vom verstärkten Reichsrate erfahren dürfte.

Der Ministerpräsident entgegnete, daß Roebuck & Lever diese Garantie nicht unbedingt, sondern nur eventuell mit Vorbehalt der reichsrätlichen Ratifikation in Anspruch nehmen, wodurch sich das geäußerte Bedenken behebt. Andererseits läßt sich diese Garantie dem verstärkten Reichsrate gegenüber durch die triftigsten kommerziellen, militärischen und politischen Gründe vollkommen rechtfertigen. Namentlich ist der Wert der Beteiligung englischer Interessen in unseren Angelegenheiten politisch sehr hoch anzuschlagen.

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Ferdinand Max fand die Idee, die diesem Projekte zum Grunde liegt, sehr gut und würde Höchstsich sofort für dessen Annahme erklären, vorausgesetzt, daß die Schiffe für den Marinezweck wirklich brauchbar sind. Dies kann nur durch den Augenschein ermittelt werden, und eben jetzt wäre es mit voller Sicherheit und ohne allen Zeitverlust tunlich, diesen Augenschein durch den hLinienschiffskapitän Wissiak und den mit ihm in London befindlichen k. k. Ingenieurh vornehmen zu lassen9.

Der Finanzminister äußerte hierauf, daß, wenn das Ergebnis dieser Prüfung ein günstiges ist und annehmbare Bedingungen für die Ausrüstung zum Kriegszwecke gemacht würden, er keinen Anstand nehmen werde, die Übernahme der gewünschten Garantie sub spe rati des verstärkten Reichsrates Allerhöchstenortes zu beantragen.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten sofort, die schleunige Untersuchung der Schiffe anzuordnen10.

III. Schmähartikel der „Presse“ über den verstorbenen König von Preußen

i Se. Majestät der Kaiser brachten den Leitartikel der „Presse“ vom 3. Jänner 1861 über den verstorbenen König von Preußen und die Frage zur Sprache, ob diese Schmähung eines alliierten und verwandten Souveräns, welche mit deutlicher böswilliger Allusion auf österreichische Verhältnisse verbunden ist, nicht gerichtlich zur Strafe gezogen werden könne11.

|| S. 234 PDF || Der Polizeiminister fand, daß dieser Ausfall als isoliert zu einer Verwarnung nicht die hinlänglichen Motive biete und andererseits der Staatsanwalt zu einer gerichtlichen Verfolgung keinen Anhaltspunkt finden dürfte. Der Ministerpräsident , der Staatsminister und Graf Szécsen waren dagegen der Meinung, daß man auf mehreren Stellen dieses Artikels einen Anklagepunkt mit Berufung auf das Strafgesetzbuch gründen könnte. Der Polizeiminister sicherte zu, daß er dies mit dem Oberstaatsanwalte noch heute in reifliche Erwägung ziehen werde.

Se. Majestät der Kaiser erklärten, einen Wert darauf zu legen, daß durch schnelles und energisches Handeln der Wille der Regierung an den Tag gelegt werde, diese Schmähung nicht ungestraft zu lassen12.

Fortsetzung der Konferenzberatung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten.

IV. Bestellung eines Unterstaatssekretärs im Finanzministerium

Der Finanzminister referierte, daß dienstliche Rücksichten es ihm zur Notwendigkeit machen, sich bei der so umfassenden Gestion des Finanzministeriums durch einen über den Sektionschef stehenden Funktionär, wie früher durch Baron Rueskefer13, unterstützen zu lassen. Die Masse der zu bewältigenden Geschäfte werde, selbst nach Ausscheidung der Handelsangelegenheiten14, noch eine so große sein, daß sie sich nicht in der Hand des Ministers allein konzentrieren könne, zumal derselbe einen großen Teil seiner Zeit den Konferenzberatungen und dem Verkehre mit Parteien widmen muß. Es dürfte daher bei dem Finanzministerium ein Unterstaatssekretär bestellt werden und sich für diesen Posten niemand besser eignen als der dermal älteste Sektionschef Baron Kalchberg.

Die Konferenz war mit diesem Antrage einverstanden, und nur Minister v. Lasser glaubte, daß von der Bestellung eines Unterstaatssekretärs Umgang genommen werde und man sich vielleicht darauf beschränken könnte, einen Sektionschef mit dem Superrevisionsgeschäfte zu betrauen15.

V. Diäten für die Dalmatiner Deputierten nach Agram

Der Staatsminister brachte zur Kenntnis der Konferenz seinen au. Antrag, den aus Dalmatien nach Agram zur Banalkonferenz zu entsendenden 21 Deputierten, welche es benötigen, nach dem Vorschlage des FML. Freiherrn v. Mamula Reisebeiträge von 10 fl. täglich pro Kopf aus dem Landesfonds zu bewilligen, wogegen von keiner Seite etwas erwidert wurde16.

VI. Administrative Teilung Galiziens und Wahl der Zivil- und Militärchefs

Der Staatsminister referierte über die vorzunehmende administrative Trennung Galiziens in die früheren drei Teile: das Krakauer und [das] Lemberger Gebiet, dann die Bukowina17.

In Krakau dürfte zur Stärkung der Regierungsgewalt die Oberleitung der Geschäfte in die Hände eines Militärs, vielleicht des FML. Bamberg, mit dem Hofrate Vukassovich ad latus gelegt werden. Im Lemberger Gebiete sei auch auf einen Präsidenten fürzudenken, da Reichsrat Graf Mercandin, welchen der Staatsminister früher im Auge hatte, dringend bittet, mit dieser Gestion verschont zu werden, zumal er der polnischen Sprache nicht mächtig ist. Auch Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Karl Ludwig scheine nicht geneigt, eine Stellung in Galizien zu übernehmen. Wenn nach dem Wunsche des Landes ein Nationaler an die Spitze der Lemberger Statthalterei berufen werden wollte, so wüßte der Staatsminister dafür niemand Passenderen au. vorzuschlagen als den ao. Reichsrat v. Kraiński, der vom Reichsrate Grafen Mercandin und vom Finanzminister aus persönlicher Bekanntschaft bestens empfohlen wird.

Der Polizeiminister , mit Kraiński von Jugend auf bekannt, findet, daß v. Kraiński, obwohl durch und durch Pole und von nachgiebigem Charakter, unter seinen Landleuten der einzig Geeignete für diesen Posten sein dürfte. Der Minister Graf Szécsen hat v. Kraiński bei ihren Berührungen im Reichsrate als entschiedenen Polen, aber auch als treuen Österreicher und Gegner der Revolution kennengelernt, kann aber nicht bergen, daß es ihm an Festigkeit zu gebrechen scheine. Der Finanzminister wies auf Graf Russocki hin, der den Ruthenen auch willkommener sein dürfte als v. Kraiński, jwelcher vermöge seiner Gesinnung sich zu sehr dem Polonismus hinneige und, dem ruthenischen Volksstamm abhold, die Gewähr eines vollkommen unparteiischen echt österreichischen Charakters nicht bietej .18

Über den vom Staatsminister aufgeworfenen Zweifel, ob der Kommandierende FML. Baron Melczer seiner Aufgabe unter den jetzigen schwierigen Verhältnissen gewachsen sei, äußerte der Kriegsminister , daß er darüber auch nicht beruhigt ist, es aber schwer fallen dürfte, einen besser geeigneten unter denjenigen älteren Feldmarschalleutnants zu finden, welche für einen solchen Posten berücksichtigt werden können, er werde dies jedoch in Überlegung ziehen19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 18. Jänner 1861.