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Nr. 251 Ministerkonferenz, Wien, 22. Dezember 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 22. 12.), Mecséry 24. 12., Schmerling, Plener 25. 12., Lasser 26. 12., Szécsen 26. 12., FML. Schmerling 28. 12.; abw. Degenfeld, Vay.

MRZ. – KZ. 4245 –

Protokoll der zu Wien am 22. Dezember 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Vortrag der Immediatkommission wegen Reform der direkten Steuern

Der Finanzminister referierte über den ihm von Sr. Majestät mitgeteilten Vortrag des Grafen Hartig, Präsidenten der Immediatkommission zur Prüfung der Vorschläge wegen Reform der direkten Steuern1.

Nach diesem Vortrage soll der Finanzminister beauftragt werden: a) über die Reform der Realsteuern2 nach dem Grundsatze der individuellen Abschätzung durch Vertreter der Steuerpflichtigen selbst (Wertkataster), dann der Länderquoten neue Vorlagen auszuarbeiten, welche in der Ministerkonferenz zu beraten und Sr. Majestät vorzulegen seien, sobald der verstärkte Reichsrat durch die von den Landtagen zu wählenden Mitglieder werde konstituiert sein; b) inzwischen die Revision der bisher in Niederösterreich und in Tirol bestehenden Steuersysteme (nach dem stabilen, dann nach dem Wertkataster) mit Beachtung der von der Kommission beantragten Verbesserungen einzuleiten; bis genügende Erfahrungen über die Wirksamkeit eines jeden dieser beiden Steuersysteme vorliegen werden, habe die Wahl zwischen der Katastral- und der Wertbesteuerung verschoben zu bleiben; c) hinsichtlich der Steuerabschreibungen das Erforderliche einzuleiten, endlich über die Wünsche der Immediatkommission: d) wegen Annahme des Solarstatt des Militärjahres als Steuerjahr und e) wegen Berechnung der Maßengebühr von Bergwerken statt nach dem Brutto- nach dem Reinertrage besondere Vorträge zu erstatten.

Indem der Finanzminister sich vorbehielt, in Absicht auf die Punkte c), d) und e) das Erforderliche zu veranlassen, glaubte er bei dem Umstande, daß es sich noch nicht um eine meritorische Entscheidung über die Steuersysteme handelt, sondern nur um eine || S. 199 PDF || formelle Erledigung der Kommissionsanträge, diese der Zustimmung der Konferenz ad a) und b) und sohin der Ah. Genehmigung Sr. Majestät empfehlen zu sollen.

Unter dieser Voraussetzung trat sofort auch die Konferenz diesen Anträgen bei3.

II. Ankauf gepanzerter Kanonenboote

Nach einem Telegramm Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Marineoberkommandanten sollen vier gepanzerte Kanonenboote, bis 1. Mai k. J. fertig nach Triest abzuliefern, in London bestellt werden. Da im Preise derselben eine Irrung unterlaufen ist, sie würden nämlich nicht, wie angesetzt war, 36.000, sondern 136.000 Pfund Sterling kosten, so wurde die Bestellung einstweilen sistiert und der Ministerpräsident beauftragt, die Frage in der Konferenz zur Beratung zu bringen, ob deren Anschaffung überhaupt von überwiegendem Nutzen und mit der Finanzlage verträglich sei4.

In ersterer Beziehung, bemerkte der Finanzminister , müßte vorerst das Gutachten des Vertreters des Marineoberkommandos eingeholt [werden]; in letzterer Beziehung war der Finanzminister bereits in dem Falle, Sr. Majestät umständlich auseinanderzusetzen, welche Mittel zu Gebote stehen, um das laufende Bedürfnis an Silbergeld zu decken5. Eine neue, ganz unvorhergesehene Auslage von circa eineinhalb Millionen Gulden in Silber würde die ganze diesfällige Berechnung verrücken und den Finanzen eine große Verlegenheit bereiten. Ist jedoch die Anschaffung jener Kanonenboote in politischer Beziehung und zur Verteidigung unentbehrlich, dann freilich müßte auch das Geld dazu beschafft werden. In ähnlicher Weise sprach sich der Polizeiminister aus. Die bloße || S. 200 PDF || Nützlichkeit der Anschaffung stände in keinem Verhältnisse zur Größe des finanziellen Opfers; könnte jedoch damit ein wirklich entscheidender Erfolg erreicht werden, dann käme es wohl auf dieses Opfer mehr nicht an. FML. Ritter v. Schmerling erklärte sich zwar nicht für kompetent, über die Verwendbarkeit der Kanonenboote abzusprechen, konnte jedoch die Bemerkung nicht unterdrücken, daß aüber deren Brauchbarkeit sich entgegenstehende Ansichten geltend machen, daß er nicht wisse, wo und wiea diese vier Boote zur Verwendung kommen sollten, und daß er besorge, sie möchten bis 1. Mai k. J. vielleicht zu spät kommen.

Hiernach wurde über Antrag des Ministerpräsidenten der Finanzminister eingeladen, sich mit dem Vertreter des Marineoberkommandos über die Notwendigkeit der Anschaffung in das Einvernehmen zu setzen6.

III. Kuratorstelle der k. k. Akademie der Wissenschaften

Der Staatsminister äußerte das Bedauern, daß Se. Majestät den Antrag seines Vorgängers im Amte, Sr. k. k. Hoheit dem Herrn Erzherzog Rainer die Stelle eines Kurators der Akademie der Wissenschaften zu übertragen, nicht zu genehmigen geruht haben7. Es schien ihm nämlich sehr wünschenswert, daß die Akademie als die erste wissenschaftliche Korporation der Monarchie der Auszeichnung teilhaftig werde, unter dem unmittelbaren Protektorate eines Mitgliedes des durchlauchtigsten Erzhauses zu stehen, und er ersuchte daher den Ministerpräsidenten, diese seine Ansicht zur Ah. Kenntnis Sr. Majestät zu bringen und deren Ag. Genehmigung zu erwirken8.

IV. Aufforderung an die Szolnoker Finanzbezirksdirektion wegen Amts- und Kassenübergabe an die Komitatsorgane

Der Finanzminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß die Szolnoker Finanzbezirksdirektion vom dortigen Stuhlrichter zur Amts- und Kassaübergabe an die Komitatsorgane aufgefordert und auf deren Weigerung, hierwegen ohne höheren Auftrag etwas zu verfügen, mit eventueller Anwendung von Gewaltmaßregeln bedroht worden sei. Er wird den diesfälligen Bericht an den ungarischen Hofkanzler zur weiteren Veranlassung leiten9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 31. Dezember 1860.